100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2

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Als James Cook auf der Suche nach der Nordwest-Passage am 29.3.1778 in den Nootka Sound (Westküste von Vancouver Island) einlief und von Chief Maquinna der Nuu-Chah-Nulth Dorfgemeinschaft Seeotterfelle einhandelte, war auch gleichzeitig das Geschäft mit den Pelzen eröffnet. Die neue Fracht wurde in China mit großem Profit verkauft, und der Handel als solcher sehr schnell mit dem zu London, Boston, Macao und Canton verknüpft. Von 1792 bis 1794 war auch Cooks ehemaliges Crewmitglied, George Vancouver, an dieser küste Küste unterwegs, während das zaristische Russland schon 1741, und damit noch vor den Spaniern, ihre Kundschafter geschickt hatte. Lange davor, 1670, war bereits „Ruperts Land“ mit königlicher Urkunde der Hudson’s Bay Company zugesprochen worden, doch begannen die Aktivitäten dieser Firma erst 1774. Fünf Jahre später engagierte sich auch die in Montreal ansässige „Northwest-Company“ im hiesigen Pelz- und Fellgeschäft, bis sie 1821 mit der „Hudsons“ fusionierte. An David Thompson hatten die „North-Westerns“ damals einen der ganz großen Pioniere in ihren Reihen, der als sehr junger Bursche für kurze Zeit zunächst bei der Konkurrenz in Diensten war. Der Zwang, die besten Geschäfte zu machen und Gewinn zu erwirtschaften, führte ihn über die Rocky Mountains und entlang des Columbia Rivers bis hinein in die heutigen USA. Im Nordwesten war er der wichtigste jener Männer, die das unberührte Land zu Pferd, Kanu und auf eigenen Füßen erkundeten, mit Handelsposten erschlossen und kartographierten.
Weil die zunehmende amerikanische Präsenz im Oregongebiet Fort Vancouver als Headquarter der Hudson’s Bay Company am Columbia-River gefährdete, schickte die HBC 1843 James Douglas nach Vancouver Island, um Fort Victoria zu gründen. Drei Jahre später erweiterte der Oregonvertrag die Landgrenze zwischen den USA und British North Amerika bis zum 49. Breitengrad, wobei beide Seiten auch Einbußen erlitten. 1849 erklärte Königin Victoria die HBC als rechtmäßigen Hausherrn von Vancouver Island, und 1856, alarmiert durch den Zustrom der Goldsucher aus Kalifornien, formulierte das Parlament „die Kolonie British Columbia“. Zehn Jahre später wurde auch Vancouver Island in die Neugründung eingeschlossen. Der Goldrausch der Kolonie erwies sich gegenüber dem zu Kalifornien zwar als klein, doch fanden sich im ersten Jahr immerhin Nuggets im Wert von 700.000 Dollar, in den nächsten zehn für durchschnittlich drei Millionen. Und das entsprach 75 Prozent des Exportes der neuen Kolonie. Die meisten der fünfundzwanzigtausend Glücksritter waren 1858 aus Kalifornien nach BC gekommen, wo vier Jahre später der Bau der berühmten „Cariboo Wagonroad“ begann und im gleichen Jahr eine Pockenepidemie ausbrach. Unbarmherzig wütete sie vornehmlich unter den Eingeborenen, von deren 150.000 weniger als ein Drittel überlebte. 1871 eröffnete die erste Dosenfabrik am Fraser River, um das wesentlich profitablere Geschäft mit den Lachsen zu starten. Im gleichen Jahr trat British Columbia auch dem Selbstverwaltungsstatus von Kanada bei mit der Zusage, dass innerhalb von zehn Jahren eine kontinentale Eisenbahn gebaut werden würde. Der Zuschlag dafür ging im Oktober 1880 an ein Syndikat, das als „Canadian Pacific Railway Company“ bekannt wurde. Tausende von Chinesen kamen als Schienenleger und beklagten am Ende mindestens 600 tote Landsleute. Die Ankunft der ersten Eisenbahn aus Montreal in Vancouver war 1887 auch gleichzeitig der Weckruf für viele Siedler aus Ontario, England, USA und anderen Ländern, ihr Glück in British Columbia zu versuchen. Viele der Emigranten zog es damals in die Kootenay Region, wo Kohle, Gold, Zink, Zinn oder Silber abgebaut wurden. Die Holzindustrie entlang der Südküste folgte, und auch der 1869 fertig gestellte Suezkanal eröffnete auch neue Märkte.
Heute verkörpert Vancouver eine Weltstadt, die die drittgrößte Kanadas ist. In der großen Bucht des Pazifischen Ozeans, der Strait of Georgia, fand sie eine wunderschöne Lage und zusätzlichen Schutz durch das vorgelagerte Vancouver Island. Die Kulisse der meist schneebedeckten Küstengebirge, der sich Richtung Norden ausbreitende uralte Küstenregenwald, und der im Süden in den Pazifik mündende mächtige Fraser River verleihen ihr zusätzliches Flair. Die Stadt, eine gemütliche, moderne Metropole mit Wolkenkratzern, Wasser, Parks, Grünanlagen, 600.000 Einwohnern im Stadtkern und zwei Millionen im Großraum. Die westlichste Stadt am Transkanada Highway ist gleichzeitig auch ein hochrangiges Kulturzentrum mit ethnischer Vielfalt und unterschiedlichen Religionen, Theatern, Universität, Festivals und einem hohen Freizeitwert. Ihr Hafen ist der umsatzstärkste in Kanada. Holz, Kohle, Getreide, Pottasche werden exportiert, und zehn Forstfirmen sind für rund fünfundsiebzig Prozent der Holzernte zuständig. Die an den Mündungen von Fraser- und Skeena River konzentrierte Lachsindustrie erwirtschaftet achtzig Prozent des Provinz-Umsatzes, und von den insgesamt 3,2 Millionen Einwohnern, darunter etwa einhunderttausend „First Nations“, wohnen vier von fünf in den Städten. Und das Juwel dieser Provinz, die großartige Schönheit ihrer Landschaft, ist auch die Antwort darauf, warum Touristen aus aller Welt British Columbia so zahlreich besuchen.

Historische Hat Creek Ranch
Von Whistler ins Pionierland und nach Williams Lake
Am nächsten Morgen sind wir zeitig auf den Beinen und stellen fest, dass in der Nacht ein Bär ein Autofenster eines Campers eingeschlagen hat, das einen Spalt geöffnet war. Angelockt hat ihn wohl der Duft von gemahlenem Kaffee und ofenfrischem Brot, die während der Nacht auf dem Beifahrersitz verblieben waren. Hier im Bärenland ist das gefährlich, und diesbezügliche Warnungen und Hinweise sollte man keineswegs ignorieren.
Wir bleiben auf der Neunundneunzig und fahren weiter nordwärts. Siebenundzwanzig Kilometer hinter Whistler, und kurz vor Pemberton, laden die Nairn-Fälle von einem Picknickplatz aus zum Spaziergang ein. Der schöne Weg führt oberhalb der steilen Böschung entlang des Green Rivers, vorbei an riesigen Rotzedern, Küstendouglasien, Hemlocktannen und erreicht nach etwa zwei Kilometern ein Felsplateau, wo der Fluss kraftvoll 60 Meter in die Tiefe schäumt. Zurück auf der „99“ erreichen wir das in einem fruchtbaren Tal liegende Örtchen Pemberton, wo der bisherige Asphalt als Duffy Road hinauf zum Kamm der Coast Mountains steigt. Wer vorher noch durch das Hinterland und zu alten Goldminen wie Gold Bridge fahren möchte, der wählt, nach Rückfrage zum Straßenzustand vor Ort, die Hurley River Road oder, ab Mt. Currie, den kürzeren Weg entlang des Anderson Lakes. Für uns geht es jedoch weiter hinauf in die Berge, wo kein Haus mehr in Sicht ist, nur noch Wälder und Seen, und im Joffre Lake Provincial Park strahlt, ein paar Hundert Meter vom Parkplatz entfernt, das „Postkartenfoto“ des smaragd-grünen Lower Joffre Lakes. Auf den sechs Kilometern zu seinen beiden Brüdern, dem mittleren und oberen dieser drei Seen, treffen wir auch beim Rückmarsch durch diesen dichten und stillen Wald keinen einzigen Menschen. Wunderschön. Auch die Straße zieht, begleitet vom Cayoosh Creek und vorbei am Seton Lake, weiter durch schöne Landschaft, kreuzt den Fraser River und erreicht mit Lillooet echtes, einstiges Pionierland.
Lillooet ist eine große Ouvertüre zur Cariboo Geschichte. Der „Meile-Null-Pfahl“ an der Hauptstraße markiert den Start der einstigen „Cariboo Wagon Road“ von 1861, und der Ort rühmt sich, dass er einst sechzehntausend Reisende und dreizehn Saloons in seinen Grenzen hatte. Vom Museum, das Details aus der alten Zeit unter seinem Dach bewahrt, sind es nur einige Schritte bis zu Dr.Miyazakis Haus von 1890. Auch die Reste des „Hangman’s Tree“ im heutigen Cayoosh Park oberhalb des Ortes ist ein altes Symbol und eine Erinnerung an die Tage in „Wild West“, war er doch die Antwort, die Richter Matthew Bailie Begbie in seinen Urteilen für Mörder zur Hand hatte. Westlich des Ortes liegen die alte Minen Gold Bridge, Pionier und Bralorne, die damals als BC’s reichste Goldfelder galten. Allein in letzterer, die erst 1970 geschlossen wurde, arbeiteten fünftausend Miners und entrangen dem Boden Gold für mehr als 145 Millionen Dollar. Gold Bridge, mit Hotel, Tankstelle und ganzjährigen Urlaubsangeboten liegt im Bridge River Valley, das von gewaltiger Bergwelt umgeben ist. Wandern, Reiten, Heli-Ski, Flusscanyons, Geisterstädte, tiefe Seen und reißende Bäche, Bergziegen, Bighorn-Schafe, Schwarzbären und Pumas bieten dem Touristen dabei genügend Abwechslung.
Von Lillooet zog sich nicht nur die berühmte Cariboo Wagon Road über etwa 300 Kilometer bis Barkerville in die Cariboo Mountains, sondern von hier aus wurden auch die Meilen zu den Roadhäusern gezählt. Der moderne Reisende fährt allerdings nicht mehr über Stock und Stein, sondern reist bequem auf der „Gold Rush Trail Route“, die als „97“ asphaltiert und begradigt die alten Pfade verbindet und zu den gleichen Zielen führt. Der eilige Tourist benutzt den Trans-Canada-Highway, der nördlich von Hope durch den engen Fraser Canyon zieht, der für die damaligen Schaufelraddampfer unpassierbar war. Auf der Höhe von Lytton, wo die „12“ entlang des Fraser Rivers nach Lillooet abbiegt und in diesem Flussabschnitt bis über drei Meter lange weiße Störe an die Angel gehen, schlägt der TCH als Nummer 1 einen kurzen östlichen Bogen und sich selbst mit der Zusatzbezeichnung „Cariboo Highway“ auf die Westseite des North Thompson Rivers. An der „97“ bei Cache Creek verabschiedet er sich wieder Richtung Osten und überlässt der nordwärts ziehenden „97“ die Ehre, an die alte Straße aus der Goldgräberzeit zu erinnern. Auch die von Lillooet über Pavilion kommende „99“, die durch den Marble Canyon Provincial Park ihren Weg nimmt, schließt nördlich von Cache Creek zu jener auf und lädt, direkt an ihrem Abzweig, zu einem Besuch der berühmten und historischen Hat Creek Ranch ein. Die kleine Straße, an der sie liegt, ist mit „Ashcroft“ ausgezeichnet, dass einige Kilometer südlicher zu finden ist. Auch dieser Ort hatte in der Goldgräberzeit seine wichtigste Phase, denn als dort die Schienen des „Canadian Pacific Railways“ in den 1880er Jahren ankamen, wurde Ashcroft zur „Meile Null“ an der Straße zu den Goldfeldern. Was die Eisenbahn an Fracht und Ausrüstungen für die Goldminen hier ablud, wurde auf Postkutschen, Frachtwagen und, im Winter, auf Schlitten umgeladen. 1887 etablierte sich hier auch erneut die „BC Express Company“, ein sehr bekanntes Postkutschenunternehmen aus Yale, und blieb für 35 Jahre. Als 1920 der „Pacific Great Eastern Railway“ gebaut wurde und Prince George und das nördliche Interior British Columbias von Alberta aus ansteuerte, hatte Ashcroft seine strategische Rolle als Transport- und Service-Center wieder verloren. Ähnlich erging es auch dem nördlich von Hope gelegenen Yale, das 1848 südlich des Fraser Canyons als Fort der Hudson’s Bay Company begann, und zu Zeiten des Goldrausches als die größte Stadt westlich von Chicago und nördlich von San Francisco galt, denn hier kamen die Goldsucher mit der Eisenbahn an. Danach ging es zu Fuß weiter.
Zur Hat Creek Ranch sind wir aber erst zehn Jahre später abgebogen, und von diesem Besuch stammt auch ein grau-grüner Stein, der neben einem bunten Original aus den Regenbogen-Bergen sein Fach im Bücherregal bewacht, wie das seine Kollegen aus Alaska, Australien, Hongkong oder aus anderen Ecken dieser Welt auch tun. Mittelpunkt der etwa ein Dutzend restaurierten Gebäude ist das „Hat Creek House“, das 1861 von dem ehemaligen Hudsons Bay Händler Donald McLean als „Stopping House“ erbaut wurde und als Postkutschenstation diente, die Reisenden, Frachtwagenfahrern und Goldsuchern Mahlzeiten und Übernachtung bot, aber auch Pferde für den Wechsel vor den Kutschen bereit hielt, die von Ashcroft gestartet waren oder von den Goldfeldern zurück kamen. Das Haupthaus, wo am Eingang nach wie vor das Schild „Barnard’s Express and Stage Office“ auf sich aufmerksam macht, war eines der komfortabelsten Rasthäuser an der Cariboo Wagon Road. Es ist wie in jenen Tagen eingerichtet und während einer Führung zu besichtigen. Und dort, wo man auf dem Weg zu ihm hinter der Brücke den Fuß wieder auf festen Boden setzt, betritt man das letzte, der Öffentlichkeit zugängliche Teilstück dieser historischen Straße. Die etwa 130 Hektar große Ranch, die Kutschfahrten, kleine Trail-Ritte und Camping offeriert, ist gepflegt, liegt mit mehreren frei zugänglichen Gebäuden in einem kleinen Tal, und das beste Foto bietet die Kuppe des Hügels, der sich hinter dem letzten roten Barn erhebt. Mich interessieren hier zwar in erster Linie die Pferde, die alten Ställe und der rote Stagecoach, der als einer der wenigen Originale hier überlebt hat, doch ist auch das kleine „Show-Dorf“ der Sushwap Indianer interessant, das am nahem Creek Einblick in das frühere Leben dieser hier ansässig gewesenen Ureinwohner gibt und auch ein „Keguli-Erdhaus“ einschließt, das im Winter bezogen wurde. Die Bediensteten der Ranch, die die Vergangenheit gern erklären, sind zwar auch wie damals gekleidet, doch „Originale“ sind sie nicht. So kam auch der Sattler, der im großen Original-Barn, wo früher die Kutschpferde standen, werkelte, nicht aus Kanada, sondern aus Koblenz und war gelernter Elektriker, während die junge Frau im Road House aus Kempten im Allgäu stammte. Beide waren vor mehreren Jahren hier auf Urlaubstour und wollten danach nicht mehr zurück.
Für die Goldsucher gab es 1859 aber weder die Cariboo Wagen Road noch die Möglichkeit, auf einem Trail durch den nördlich von Yale gelegenen Fraser River Canyon zu gelangen, um flussaufwärts nach Gold zu suchen. Somit hatte Gouverneur James Douglas auch sofort die Unterstützung von mehr als 500 Goldsuchern, als er einen Pfad schlagen lassen wollte, der Port Douglas am Harrison See mit dem Südende des Lillooet Lakes verband, und von dessen Nordende weiterzog zum Anderson- und Seton Lake. Als der „Douglas Trail“ fertig war konnten Wagengespanne und Packpferde zwischen Port Douglas und Lillooet unterwegs sein, während die Seen vorerst noch mit Ruderbooten überbrückt werden mussten, bis auch die Dampfschiffe zur Stelle waren. Der Trailbau war aber keineswegs für die Goldsucher gedacht, sondern er sollte von Anfang an das Landesinnere nördlich des 49. Breitengrades erschließen und damit weiteres Territorium für Britannien sichern. „Geschickt“ war der Governeur auch mit seinen Trailarbeitern, denn er nahm bei Baubeginn jedem seiner mehr als 500 Arbeiter 25 Dollar ab – damals keine kleine Summe – um sicher zu sein, dass die Goldgräber bis zum Ende des Wegebaues ihre Pflicht erfüllten. Dieses Geld zahlte er auch zurück, doch die andere Zusage, die Ausrüstungen dieser Arbeiter kostenlos mit Tragtieren zu den Goldfeldern zu befördern, hielt er nicht.
Von Lillooet führte der nördliche Weg der Goldsucher weiter über den „River Trail“, und was jetzt Farmland ist, und teils von jenen Männern selbst kultiviert wurde, war damals offenes Gelände. Und dort, wo heute die Indianersiedlung Pavilion zu finden ist, führte der Pfad über die Pavilion-Berge weiter nach Norden, Richtung Dog Creek und Williams Lake. Von dort folgten die Männer den Pfaden der Indianer und Pelzhändler, um am nördlichen Fraser Fluss und seinen Zubringern ihr Glück mit dem Edelmetall zu versuchen. Mit einem Allradler lassen sich auch heute noch viele dieser unwirtlichen Kilometer über Forst-, Schotter- und Erdstraßen verfolgen und dabei ein wenig die Situation erfühlen, wie jene Pioniere unter ihren schweren Lasten gelitten haben müssen.
Der „Douglas Trail“ bestand aber nur drei Jahre, denn als die Cariboo Wagenroad kam und eine ganz andere Richtung einschlug, verlor er an Bedeutung. Die neue Verbindung, die der Governeur der Colony of Britisch Columbia, James Douglas, ebenfalls unterstützte, zog von Fort Yale bis Barkerville, wobei die erste der drei Versionen zunächst der Harrison Route der Hudson’s Bay Company von Port Douglas nach Lillooet, Clinton und Chasm folgte. Danach zog die Straße zu den Roadhäusern mit der Meilenbezeichnung 70, 83, 100 und 108, ehe der Lake La Hache ins Bild rückte. Nach der historischen 132 Mile Ranch und den Roadhäusern der Meilen 137, 150 und 153 erreichte die Cariboo Wagen Road mit Soda Creek und Fort Alexandria die Ausgangspunkte zu den Goldfeldern. Soda Creek, nördlich von Williams Lake, war bereits seit 4.000 Jahren Indianerland und bis 1910 Endstation der Schaufelraddampfer für nordwärts Reisende. Das letzte Stück des Trails beginnt bei Quesnel und führt in den historischen Minenort Barkerville, in dem die Geschichte durch ein Freilichtmuseum lebendig blieb. Als die Stagecoatches- und Freight Wagon Companies ihre Hauptquartiere in Yale aufschlugen, folgte die Straße durch den spektakulären Fraser River Canyon über Hells Gate und Jackson’s Mountain, und fand zu Clinton Anschluss an die frühere Wagon Road. Den Schlusspunkt setzte 1885 die Fertigstellung des Canadian Pacific Railways, der Ashcroft zum südlichen Ende der Cariboo Wagon Road machte. Und das, was der Eisenbahnbau im Fraser Canyon von dem dortigen Teil der in den Fels gesprengten und über schmale Brücken führenden Wagon Road nicht zerstörte, vernichtete die große Flut von 1894. Gekostet hat die Straße, die eine Reaktion auf die Goldfunde in der Cariboo Region war und ausschließlich mit der Hand, Hacke und Schaufel gebaut wurde, 1,25 Millionen Dollar, eine Menge Geld in den Jahren 1862 bis 1864.
Uns führt die „99“ 2000 von Lillooet zunächst weiter entlang am Cayoosh Creek, dann in zahlreichen Kurven hinab in eine sehr trockene, sonnige und heiße Region, die im Regenschatten der Küstengebirge liegt. Die eigenartigen, zahlreichen runden Felsen sehen aus wie riesige, säuberlich gebürstete Maulwurfhügel, nur besser und feiner zugespitzt. Pavilion Lake und Marble Canyon Provincial Park sind letzte Etappen, ehe die „99“ ein Dutzend Kilometer nördlich von Cache Creek auf die „97“ Richtung Clinton trifft. Dieser, von mehreren Parks flankierte Ort, verdankt seine Entstehung dem 75-Mile-House, das ohne jeden Nagel gebaut wurde und am Neujahrstag 1861 an der Kreuzung der Cariboo Wagon Road mit der von Yale kommenden Wagenstraße seine Pforten eröffnete. Später wurde das Meilenhaus auf den Namen des damaligen Colonial-Sekretärs Lord Henry Clinton umgetauft und zum Grundstein der heutigen Ortschaft. Nicht nur in seiner Hauptstraße blieb das Western-Flair erhalten, auch viele Gäste-Ranches bieten in der Nähe ihre Dienste an. Von diesen ist die bei Jesmond im Herzen des Cattle Country liegende Big Bar Gäste Ranch ganzjährig geöffnet und hat den Marble Range Provincial Park mit dem Mount Brownan (2.243 Meter) an seiner Seite. In wunderschöner Natur kann hier der Gast bei Brian und Amber Golat reiten, mountainbiken, wandern oder ganz einfach nur schöne Tage auf der Ranch am Campfeuer genießen. Zweiunddreißig Kilometer nördlich von Clinton präsentiert sich am Highway mit dem 70 Mile House ein original Cariboo Roadhouse. Hier holt auch die luxuriöse Siwash Lake Ranch ihre Gäste ab, während der nahe Green Lake ebenfalls als ein äußerst populäres Erholungsgebiet gilt. Der im Osten liegende Watch Lake ist vor allem Heimat für Fisch- und Seeadler, Haubentaucher, Enten, Regenbogenforellen und, wie auch der „Green“, Ziel von Reittouren.
Am 93 Mile House biegt mit der „24“ der „Fishing Highway“ nach Osten ab. Er führt in eine sanfte Gegend, in der es mehr Seen als Anglerlatein gibt, doch dazu später. Im Ort 100 Mile House ist man im Zentrum der Süd-Cariboo Gegend. Als Postkutschenstopp, 100 Meilen entfernt von Lillooet, datiert er zurück auf 1862, und am Nordende des Städtchens erinnert auch noch eine der berühmten und restaurierten Postkutschen des Barnar Express (BX Coatches) an die harten und schweren Tage der Pionierzeit. Der Rest ist modern. Mit typischem Einkaufskomplex, Motel, Bauernmarkt, Wohnmobil-Park, Shows, Rodeos, Festivals, Konzerten, Tennis- und Golf Clubs. Andere Abwechslungen bieten das Marsh Wildlife Sanctuary, der Centenial Park, die Westernwoche im Mai, der Zehn-Tage-Cariboo-Ritt drei Monate später, der Hors Lake mit seinen Resorts, oder der westlich liegende Moose Valley Provinzpark, in dem eine 12er-Seenkette Kanus, Elche und Kraniche gleichzeitig anspricht. Im Winter sind Hundeschlitten, zweihundert Kilometer gespurte Langlaufpisten, der Cariboo-Skimarathon oder Snowmobile bevorzugte Attraktionen. Und somit fehlt am Visitor Information Center auch nicht das passende Wahrzeichen, die „längsten Skier der Welt“, die ihre Spitzen elf Meter nach oben recken. Drei Kilometer nördlich führt eine schöne Fahrt zum östlich gelegenem, und in Berge und Wald eingebettetem Canim Lake. Das vierzig Kilometer lange blaue Wasser bringt ganz besonders Angler, Kanuten und Wasserskier zum schwärmen, doch sind in seiner Umgebung auch Mountainbiker, Wanderer und Reiter unterwegs, während Resorts, Lodges oder B&B Häuser Sommer wie Winter ihren Service anbieten.
Die bei Meile 108 erreichbare Ranch hat zwar nichts mehr mit Viehtrieb zu tun, und das Örtchen selbst zählt mit zweitausend Einwohnern sogar mehr Köpfe als das wichtigere 100-Mile-House, doch blieb auch hier historisches Flair erhalten. Dabei geht es aber weniger um einige der alten Blockhäuser als Zeitzeugen, sondern die eigentliche Attraktion ist der völlig neu restaurierte, massive „Log-Barn“, den Captain Watson 1908 für seine über zweihundert Clydesdaler gebaut hat. Pferde gibt es hier inzwischen nicht mehr, sondern Tanzlustige, um bei Bluegras Musik und Country Rock den Tag ausklingen zu lassen. Ganz in der Nähe bietet die Spring Lake Ranch, deren Blockhütten direkt am See stehen, umfangreichen Programme, das Best Western Resort lockt mit seinem 18-Loch Golfplatz, und das vogelreiche Walker Valley hat ebenfalls seine Pluspunkte. Die „bessere Story“ hat jedoch die 108 Mile Ranch, deren Parkplatz durch einen Tunnel unter dem Highway erreicht wird. Zunächst spielte sie in der Goldrauschzeit, als Minenarbeiter und Trapper auf der 642 Kilometer langen Cariboo Wagenroad unterwegs waren, eine wichtige Rolle in der Entwicklung dieses Gebietes, wurde 1867 zum Post-House und ging 1875 an Agnus und Jim McVeen, die es zum Hotel umfunktionierten. Und wenn die Geschichtsschreiber die Wahrheit überlieferten, dann hatten es die neuen Besitzer nur auf erfolgreiche Goldgräber abgesehen, von denen sie etwa fünfzig töteten und in Seen versenkten. Als sie entdeckt wurden nahm sich Agnus im Gefängnis das Leben, und die Ranch wechselte erneut ihre Besitzer. 1880 war William Walker an der Reihe, der ein Ice House, Telegraphenbüro und eine Schmiede baute, während sein Nachfolger, Steven Tingley, weitere Gebäude hinzufügte. Zu den zehn, die der Nachwelt erhalten blieben, gehören Einraumschule, Schmiede, Post, BX Stage Coach Schuppen und der Clydesdale Barn.
Kurz darauf, nach dreihundertvierzig Tageskilometern, sind auch wir für heute am Ziel und ziehen am Lac La Hache den Zündschlüssel aus dem Schloss. Vor zwei Jahren hatten wir den etwas südlicher auf der anderen Straßenseite liegenden KOA-Platz gewählt, doch heute campen wir direkt am See mit „Full-Hook-Up“. Die obligatorische kleine 0,3-Bierdose wird sofort geöffnet, dann ist die Dusche an der Reihe, und vor einem Spaziergang am See der Grill, der zwei ordentliche Steaks zu bewältigen hat. Dieses Gewässer, dessen Forellen und Kokanee Lachse weithin bekannt sind, ist mit Badestränden und diverser Wassersportarten der Mittelpunkt eines großen Freizeitzentrums mit Urlaubs-Ressorts, Lodges, Gäste-Ranches und Motels. An seinem Ufer, auf dem Campground des Kokanee Bay Motels, werden wir auch acht Jahre später wieder eine Nacht verbringen. Heute, auf der Reise 2002, genießen wir den Rest des Abends am Lagerfeuer im Campingstuhl, strecken die Beine aus, lassen uns zwei Longdrinks munden und schauen dem Treiben auf dem Wasser zu.
Dieser Landstrich im Zentrum der Provinz British Columbia gehört zur „Cariboo-Chilcotin-Coast Region“. Im Osten werden diese 12,6 Millionen Hektar von den Cariboo Bergen, im Westen vom Pazifik begrenzt, so dass die Freizeitmöglichkeiten zahlreich sind: Wälder mit Bären und Elchen, die Goldgräbergeschichte des Cariboo, Flüsse, Seen, Rancherland und Berge im Chilcotin, Buchten und zerklüftete Fjorde an der Zentralküste. Es ist auch ein Land der „Rs“, Riding, Roping, Rodeoing, Rafting und Relaxing. Hier kann man einen Trail erwandern und dabei Stunden, Tage oder auch Wochen unterwegs sein, die Natur im Sattel genießen oder seine Urlaubstage in Gäste-Ranches und Lodges verbringen, die von rustikal bis Luxus alles bieten, Guides und Outfitters eingeschlossen. Mehr als achttausend Seen, siebzehntausend Kilometer Flüsse und Bäche, und fünfzehntausend Kilometern Küste bedeuten nicht nur für Angler und Wassersportler ein Paradies. Die Suche nach Gold startete einst das Abenteuer, und heute reisen die Touristen noch immer auf dem Gold Rush Trail mit Stopps zu Lillooet oder Barkerville. Sie waschen hier und da auch noch Gold, oder möchten die Zeit und Atmosphäre jener Tage schnuppern, wenn sie ihren Fuß auf alte Indianerpfade, Reste der Wagon Road, in Restauriertes oder halb Verfallenes aus jenen Pioniertagen setzen. Ganz gezielt oder rein zufällig. Aber jene Zeit war auch sehr hart, und, für Mensch und Tier, wohl auch brutal. Aber sie bot auch Chancen für die Zukunft. Für uns, die im klimatisierten Supermarkt täglich alles und jedes aus aller Welt einkaufen und per Auto, Zustellservice oder Internet beschaffen können, ist es schwer vorstellbar, dass Waren mindestens sechs Monate vorher bestellt, hunderte Pfund Seife aus Rinderfett hergestellt oder zehn Kinder in einer kleinen Blockhütte geboren werden mussten.




