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Alveoles letztes Fohlen für die Bleichröderschen Erben war Anklang (1905; Ard Patrik), der zur Verkaufsmasse gehörte, dreijährig seinen ersten Start für Trainer R. Day absolvierte und unter Frank Bullock, der 1908 ebenfalls als Graditzer Stalljockey angeheuert hatte, in Hamburg-Borstel den Großen Preis von Hamburg gewann. Nach einigen zweiten Plätzen wurde er verkauft, gewann das Große Kölner Frühjahrs-Handicap im toten Rennen mit 4,5 Kilo mehr im Sattel, und danach das Frühjahrs-Handicap unter 66 kg zu Horn, wo er bis zu mehr als 21 kg weggab. Danach erschien er mit versprechendem Debüt über Hürden, brach jedoch im August 1909 auf der Hindernisbahn so schwer nieder, dass er getötet werden musste.
Zwei Jahre später als Anklang wurde dessen rechte Schwester Antwort geboren, die als Gründerin der Heldenfamilie und als eine Ausnahmeerscheinung in der internationalen Zucht gilt.

Antwort, hier 1919 als Zweijährige unter Frank Bullock, die in der Graditzer Zucht zur großen Stammutter wurde.(Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum).
Als Zweijährige blieb sie ungeschlagen und begann beim Debüt im Rheinischen Zuchtrennen mit ihrem Erfolg über den bereits siegreichen Schlenderhaner Mars. Anschließend gewann sie in imponierendem Stil das Landgrafen-Rennen und schlug danach die Französin Mesange im Zukunfts-Rennen, in dem kein Hengst antrat, im Kanter. Und auch der letzte Start innerhalb eines Monats – wie stets unter Stalljockey Bullock – war ein überlegener im Renard-Rennen. Das Dreijährigen-Debüt im Henkel-Rennen, noch hinter der zweiten Graditzer Farbe Hornist einkommend, ließ Graf Lehndorff nicht zögern, die Stute sofort in die Zucht zu beordern. In dieser, von 1911 bis 1928, war ihr Partner fast immer Nuage, und ihre besten Produkte lieferte sie in den ersten Jahren. Auch 1929 erwartete sie wieder ein Fohlen von dem St. Simon-Enkel, doch ging sie schon vorher, am 17. Januar 1929, ein.
Antworts erstes Fohlen, der 1912 geborene Anschluss, Derbydritter und Sieger im Großen Preis von Berlin, wurde bereits bei den Graditzer Hengsten erwähnt. Er hatte einen eigenwilligen Charakter und wurde, gegen den Willen des Grafen Siegfried von Lehndorf, als Beschäler früh abgegeben. Nach vier Jahren kam er nochmals in sein Heimatgestüt zurück und zeugte, bei wenigen Möglichkeiten, noch die Klassehengste Marduk und Großinquisitor. Danach wechselte er nach Ostpreußen, wo er nach zwei Deckzeiten verstarb. Seine rechte Schwester Adresse (1913; Nuage), Spitzenpferd ihres Jahrgangs, blieb als Zweijährige ebenfalls ungeschlagen, siegte dabei u. a. im Rheinischen Zucht-, Sporn- und Renard-Rennen, und ein Jahr später waren es ganz besonders der Preis der Diana und das St. Ledger, die sie unter dem neuen Stalljockey Rastenberger gewann. Zweite war sie in der Goldenen Peitsche und im Henckel-Rennen, während es im Derby, dass der Festino-Sohn Amorino unter dem Lehrling Otto Schmidt gewann, nach zweimal „Hals“ ein dritter Platz wurde. Von den sieben Hengsten, die Adresse fohlte, stammte nur einer nicht von Dark Ronald, doch wurden sie alle meilenweit von der 1926 geborenen Herold-Tochter Antonia in den Schatten gestellt, die u. a. das Rheimische Zuchtrennen, die Diana und den Deutschen Stutenpreis gewann, während die 4 x 4 auf Ard Patrick ingezogene Antonia in der Zucht, neben mehreren guten Töchtern, auch den Derby- und St. Leger-Sieger von 1937, Abendfrieden lieferte.
Auch die nächste Tochter der Antwort, Aversion (1914), stammte wieder von Nuage und vertrat, auf der Rennbahn wie in der Zucht, Ausnahmeklasse. Sie war zwar nicht wie Adresse das Spitzenpferd des Jahrgangs, hatte es aber auch mit Gleichaltrigen wie Pergolese (Festino), Landgraf (Louviers) – später Dark Ronalds größter deutsch gezogener Gegenspieler – oder Prolog (Caius) zu tun. Als Zweijährige gewann sie das Landgrafen-Rennen, ein Jahr später den Preis der Stadt Hannover, Danubia-Rennen, St. Ledger etc. und war auch Dritte im Fervor-, Lehndorff-Rennen und im Preis der Diana. Und, ähnlich wie Adresse, wurde auch sie überwiegend mit Dark Ronald gepaart und ging, tragend von Teddy, im September 1931 ein. Ein Jahr vorher war ihr jedoch schon der große Wurf Alchimist gelungen, der, wie auch Aditi und Aberglaube, bereits bei den Hengsten zu Wort kam. Wiederholt sei lediglich, dass Alchimist neben dem Derby auch die Großen Preise von Berlin und Baden gewann, und Vater von Schwarzgold und Birkhahn wurde. Von ihren drei Töchtern zählte die 1925 geborene Aditja zu Fervors besten Nachkommen, die sich u. a. im Oppenheim-Rennen, Preis der Diana, Großer Preis von Köln und dem Deutschen Stutenpreis durchsetzte, und in der Zucht besonders Arjaman hinterließ. Dieser 1930 geborene Herold-Sohn heftete Rennen wie den Großen Preis von Hamburg, Budapester Jockey Club-Preis und die St. Legers von Deutschland und Ungarn an seine Farben und erwies sich in der Zucht von Zoppenbroich als sehr guter Stutenerzeuger. Abneigung (1929; Herold) war eine Vollschwester zu Alchimist und Aversions letzte Tochter. Sie gewann auch einige Rennen, machte aber eher ihrem Namen alle Ehre. Antworts fünfter Nachkomme, Abschluss (1916; Biniou) gewann das St. Ledger, gehörte zur Spitzengruppe seines Jahrgangs, hatte jedoch nicht die Klasse wie Anschluss, während die beiden Dark Ronald-Söhne Adler (2017) und Angulimala schlechte Vorderbeine besaßen, wie das auch für Dark Ronald zutraf.
Aber dann kam noch die 1919 geborene Alpenrose, und diese knüpfte an die Leistungen ihrer rechten Schwestern Adresse und Aversion an. Im Jahrgang stand Antworts Tochter eindeutig an der Spitze der Stuten, aber doch unter den Hengsten aus der gleichen Zucht. Auf der Rennbahn ließ sie in ihrem ersten Jahr den Gegnern im Zukunfts-, Oppenheim- und Renard-Rennen keine Chancen, und als Dreijährige glänzte die sechsfache Siegerin im Preis der Diana, Fürstenberg-Rennen und dem Deutschen Stutenpreis. Geschlagen wurde sie nur noch im Derby, als sie nach langem Kampf Hausfreund unter Willy Tarras die Schleife überlassen musste, als auch im Danubia-Rennen, als die drei Kilo weniger tragende Casa Bianca gewann. Die Zuchtlaufbahn von Alpenrose passte ganz und gar nicht zu ihren Rennleistungen. Die Sieger, die sie fohlte, waren von bescheidener Rennklasse, und von ihren drei Töchtern liefen zwei gar nicht, die dritte einmal. Auch ihre Enkelinnen waren Nieten oder wurden nicht eingestellt. Eine kleine Ausnahme war Alpenroses Herold-Tochter Alt-Berlin (1931), die in der Röttgener Zucht 1938 nach dem Prunus-Sohn Palastpage an Alpaka ihr einziges Fohlen gebar. Und diese gute Siegerin war immerhin Zweite im Preis der Diana, Dark Ronald Rennen oder im Stutenpreis. Antworts Tochter Arachne (1920; Nuage), die nur ein Lehrlingsrennen gewann, bewegte mit ihren Fohlen in der Zucht ebenfalls nichts, obwohl ihre Herold-Tochter Artischocke (1932) mehrere Rennen, darunter auch den Preis des Winterfavoriten, Alchimist- und Landgrafen-Rennen gewann. Andere, nicht genannte Fohlen oder Enkel der Antwort, konnten zum Ruhm ihrer Mutter auch nichts beitragen, doch traf diese Erscheinung, dass eine große Stute mit zunehmendem Alter abbaute, auch schon anderswo zu.
Zusammenfassend gehen auf das Konto der Antwort die Derbysieger Alchimist und Abendfrieden; das St. Ledger gewannen Adresse, Aversion, Arjaman und Abschluss, und die ungarische Version ließen sich Arjaman und Abendfrieden ebenfalls nicht nehmen. Adresse, Alpenrose, Antonia und Aditja holten sich mit dem Preis der Diana die Deutschen Oaks, und, außer Adresse, auch den Deutschen Stutenpreis. Im Großen Preis von Berlin setzten sich Anschluss und Alchimist durch, der auch das Union-Rennen und den Großen Preis von Baden beherrschte, den auch Aditi für sich entschied. Dieser siegte, wie auch Anschluss, im Großen Preis von Hamburg und gab auch den Hansa-Preis nicht aus der Hand. Anschluss ging auch zweimal im Hoppegartener Jubiläums-Preis als Sieger über die Linie und war im Silbernen Schild erfolgreich. Und Alpenrose trug das Fürstenberg-Rennen bei.
Der letzte Deckplan, den Graf Kalnein vor dem erzwungenen Ende aufstellte, sah unter den 42 Mutterstuten, die 1944 in Graditz standen, noch 12 Angehörige der Familie der Alveole und der Antwort, als auch die Hengste Alchimist und Arjaman, die den gleichen Ursprung hatten. Und Graf Kalnein vollzog auch längst die Inzucht auf „große Individuen“, wie das heute ganz normal ist. In diesem letzten Deckplan setzte er aber nicht nur auf die Familie der Alveole, sondern auch auf ältere wie die der Grace Girl, Goura oder Costly Lady, und auf solche, die sich noch im Aufbau befanden,
Der Graditzer Rennstall – in den Gründerjahren in Neustadt an der Dosse beheimatet, wo Georg Graf Lehndorf als Trainer arbeitete – sorgte auch durch seine damaligen Erfolge dafür, dass man auf ihn als Pferdemann allgemein aufmerksam wurde. Neben einem Futtermeister gehörte auch Sohn Siegfried zu diesem Trio, das keine „rohen“ Pferde in Training nahm und die Jahrgänge, wie damals in England üblich, ebenfalls schon über 500 bis 600 Meter ausprobierte.
Das Geld für einen eigenen Trainer genehmigte das zuständige Ministerium aber erst 1881, und der erste, der als solcher verantwortlich zeichnete, war E. Bachert, dem als Stalljockey F. Fisk zur Seite stand und Pferde ritt wie Souvenier, Das Veilchen, Berggeist, Vordermann, Vergißmeinnicht, Sonntag, Pirat oder Valerius. Anschließend wurden in Hoppegarten Stallungen gemietet, und ab 1896 gab es ein eigenes Etablissement. Trainer Richard Waugh, der den ersten Derbysieger für Graditz sattelte, galt als der eigentliche erste Trainer der Graditzer, war 27 Jahre lang (1879-1907) der Chef, und zu dessen Stalljockeys gehörten Könner wie H. Jeffery (1885 Champion-Jockey mit 37 Erfolgen), Willy Warne (vier Championate) und Ch. Ballantine, einer der besten ausländischen Jockeys, die je ins Land kamen. Sein erstes von insgesamt acht Championaten gewann er 1887 (36 Siege), doch führten die Folgen eines schweren Sturzes zu Doberan 1904 bald zu seinem Tod.
Ein sehr gutes Team waren auch Trainer Reginald Day (1908-1912) und der australische Jockey Frank Bullock (1908-1913), der zwei der drei Derbysieger ritt, die Day trainierte und fünfmal an der Spitze der Jockeys stand. Der Name Julius „Jule“ Rastenberger, von 1916-1921 in den Diensten der Schwarz-Weiß-Gestreiften, ist jedoch mit dem Rennstall dieses Gestüts besonders verbunden. Dieser Klassereiter und einer der allerbesten seiner Zeit, saß bei Herolds Derby-Sieg 1920 im Sattel, gewann mit Alchimist die zwei ersten Starts, darunter das Zukunfts-Rennen, ehe Ernst Florian Grabsch den Graditzer im Sattel übernahm, und ritt auch 20 Jahre nach Ende seines Vertrages noch für seinen ehemaligen Arbeitgeber Grünspecht im Preis des Winterfavoriten zum Erfolg. Etwa fünfzehn Jahre nach Graditz hatte Rastenberger mit dem Erlenhofer Athanasius seine große Zeit, und danach, am Röttgener Rennstall, mit Wahnfried (1933; Flamboyant), der u. a. St. Ledger und den Großen Preis von Baden gewann. Als Rastenberger am 3.7.1943 auf Ovation einen Herzschlag erlitt und tot vom Pferd stürzte, hatte er 1.145 Rennen – davon mehr als 80 über Hindernisse – gewonnen, obwohl er von 1925 bis 1927 keine Lizenz besaß.
Trainer James Watts (1913/14) war für die Graditzer wegen des Ersten Weltkrieges nur kurze Zeit tätig, wie auch Friedrich Fösten (später in Erlenhof und Röttgen unter Vertrag), W. Bie, August Stössel, der jedoch an Gibraltar und Abschluss noch die Sieger im Derby und St. Ledger absatteln konnte, W. Spademann oder Erich Bauer und Hans von Tepper-Laski, die jedoch im Winter 1924 nur für ein Jahr einsprangen, um dem Gestüt die Chance zu geben, einen geeigneten Trainer für die Zukunft zu suchen.
Auch im Jockeylager gab es nach Rastenberger viele ungewohnte Jockeyswechsel, doch für die meisten wollte es in Graditz nicht funktionieren. Zwei von den „Glücklicheren“ waren der Ungar Geza Janek, der nur 43 Jahre alt wurde und etwas früher in Deutschland erschien als sein noch bekannterer Landsmann Lajos Varga. Dieser, in England ausgebildet, war ein starker Endkampfreiter und bereits durch seine großen Wiener Siege – u. a. zwei Derbys und der Austria-Preis – bekannt. In Deutschland machte der Ungar besonders mit Hanielschen Pferden, dem Schlenderhaner Nubier oder den Graditzern Alpenrose und Aditi seinen Weg, doch blieb ihm dabei, wie so vielen anderen großartigen Reitern, ein Derbysieg verwehrt. Neunmal stieg er in Deutschland in den Derbysattel, fünf Zweite und ein Dritter waren die Bilanz.
Als Robert „Bob“ Utting, der schon 1895 aus England nach Deutschland kam, Ende 1936 nach zwölf Jahren als Graditzer Trainer zurücktrat, lag eine ehrenhafte Laufbahn als Jockey und Trainer hinter ihm, die mit einer Lehre bei R. Sherwood im englischen Newmarket begonnen hatte. In Deutschland war der Engländer, damals in Diensten des Hamburger Stalles Beit, 1900 mit 40 Erfolgen – und erneut ein Jahr später im toten Rennen mit E. Martin – deutscher Jockey-Champion. Als sein dortiger Trainer, Uttings Schwager Harry Brown, nach Schlenderhan wechselte, wurde er dessen Nachfolger, während er als „Stift“ auch L’Abesse de Jouarre ritt, deren Tochter Festa 1902 in die Waldfrieder Zucht kam.
Uttings erster Dreijährigen-Jahrgang enthielt Aditi, Marduk und Großinquisitor. Dieser entwickelte sich zum „Flieger“ und Marduk zum Steher. Das Derby ging mit Aditi knapp daneben, doch gewann er das Gladiatoren-Rennen und die Großen Preise von Hamburg und Baden. Als Jockeys für Utting hatten mehrere einen Ruf. 1928 bis 1930 war es E. Huguenin, der auf insgesamt 777 Siege kam, 45 Kilo reiten konnte und ein Leichtgewichtsjockey der besten Qualität war. Zu seinen größten Erfolgen zählten fünf Siege im Großen Hamburger Ausgleich, drei im Preis der Diana, der Sieg von Aditi im Großen Preis von Hamburg, als auch die Triumphe mit Aditja im Deutschen Stutenpreis oder dem Großen Preis von Köln. Nach diesem Reiter hießen die Jockeys Erich Böhlke (1931-32) und Ernst-Florian Grabsch (1933-1934), und danach Otto Schmidt, der 1935 aber kein wichtiges Rennen für Graditz gewinnen konnte, weil die ganz große Konkurrenz in den Ställen von Schlenderhan oder Erlenhof stand. Doch ganz am Ende notierte „Otto-Otto“ 14 Jockey-Cahmpionate und insgesamt 2.215 Siege. Darunter befanden sich sieben Derbys und acht Große Preise von Berlin. Der 1911 geborene Böhlke war Berliner, den Freiherr von Richthofen, Leiter des Stalles von Trainer J. Ott, während der Lehrlingszeit auch in England Rennluft schnuppern ließ. Für Graditz gewann er das Derby mit Dionys in seinem ersten Jahr, doch war „sein“ Pferd die Herold-Tochter Sichel (1928), die u. a. den Großen Hansapreis, die Großen Preise von Berlin und Baden und den Preis der Diana, das Henckel- und Kisasszony-Rennen gewann. Später war Böhlke noch für Haniel und Zoppenbroich im Sattel, für das er mit Organdy (1936; Arjaman) die Union, und mit Trollius (1934; Oleander) den Großen Preis von Baden sicherte. Dieser Reiter, der nie Champion-Jockey war, feierte auch die ersten 12 Siege, darunter das Hoppegartener- und das Hamburger Derby 1948, auf Stall Wielands Alchimist-Sohn Birkhan. 1951 folgte ein schwerer Sturz in Hamburg, und seine letzte Ruhe fand dieser Reiter in Berlin-Neuenhagen.
Grabsch zählte damals wie Böhlke, Rastenberger und Albert Schläfke zu der alten deutschen Spitzengarde, in die sich später noch Namen wie Max Schmidt, Hans Blume, Willi Printen, Walter Held, Gerhard Streit, Hans Zehmisch, Otto Schmidt und Hein Bollow, der die Championatsliste nur einmal weniger anführte als sein Kollege, einreihten, ehe die nächsten Generationen nachdrängten. Grabsch hatte eine große Zeit bei Erlenhof, als Pferde wie Athanasius (1931; Ferro) oder Nereide (1933; Laland) zur Verfügung standen, und in Graditz waren es Pferde wie Alchimist, Arjamann und Abendfrieden, Grabschs vierter Derbysieger 1937.
Bob Utting, der Graditz zweimal an die Spitze geführt und rund 500 Sieger abgesattelt hatte, ging Ende 1936 in den Ruhestand und übergab sein Amt in Graditz an seinen Ex-Jockey Grabsch, der von 1937 bis 1939 die Graditzer vorbereitete. Im Derby schwang er sich allerdings selbst in den Sattel von Abendfrieden, obwohl Hans Zehmisch, sein Stalljockey von 1937-1944, ebenfalls vor Ort war. Neben diesem war auch der gebürtige Leipziger Rudolf Schmidt im Team, doch stand er, der aus der Schule von George Arnull kam und drei Jockey-Championate gewann, im Schatten seines Kollegen. Harry Nash, der sich vorher mit großen Erfolgen in Zoppenbroich empfohlen, und die Graditzer 1940 übernommen hatte, war im Januar 1942, nach schwerer Krankheit, mit 51 Jahren bereits tot. Sein Nachfolger, Hans Blume, war wieder ein erstklassiger Jockey. Als solcher gewann er u. a. mit Graf Isolani den Großen Hansa-Preis und den Großen Preis von Österreich, auf Oleander war er bei dessen drittem Erfolg im Großen Preis von Baden im Sattel, und mit Lady Skip sicherte er sich das Dänische Derby. Harlekin gewann unter ihm das Charmant- und Fervor-Rennen, Lampos den Preis des Union-Gestütes, und mit Aditi das Gladiatoren-Rennen. Dieser Reiter, der erhebliche Gewichtsschwierigkeiten hatte – sein letzter Ritt in Danzig-Zoppot trug 70 ½ Kilo – gewann in der Heimat mehr als 400 Flach-Rennen und weitere über Hindernisse. Danach entschied sich der Schwiegersohn von Albert Schläfke 1938 für den Trainerberuf.
Zwischenzeitlich hatte der 3 x 4 auf Herold ingezogene Volturno (1938; Alchimist) als Vierjähriger fünf Rennen gewonnen, darunter den Preis vom Norddeutschen Jockey Club mit Rastenberger, und den Rheingold-Pokal unter Heinz Just. Zur damaligen Spitze, die in jenen Tagen aus Ticino (1939; Athanasius), Allgäu (1940; Ortello) und Nordlicht – dem 1941 geborenen Sohn des Oleander und der Nereide – bestand, drängte auch Panzerturm (1940). Diesen hatte Blume auf Umwegen zum Union-Rennen fertig, und der Heroldsohn bezwang auch den bisher ungeschlagenen Allgäu. Das Derby, das dieser gewann, ließ Panzerturm aus und wartete bis zum Braunen Band, wo er das Vertrauen seines Trainers mit einem Kopfsieg gegen Samurai (1937; Oleander) und den acht Kilo mehr tragenden Ticino bestätigte
Von den Vertretern des Jahrgangs 1941 zählte Poet (Janitor) zu den besseren Vertretern (Henckel- und Union-Rennen), hatte jedoch keine Derbynennung, was nach dem überlegenen Vier-Längen-Erfolg in der „Union“ richtig schmerzte. Der vierjährige Panzerturm blieb im nächsten Braunen Band weit unter Form, korrigierte diese jedoch mit dritten Plätzen in den Großen Preisen zu Wien, der an Nordlicht ging, und dem der Reichshauptstadt Berlin, in dem sich Ticino durchsetzte. Während Poet ein Deckhengst in Harzburg wurde, deckte Panzerturm eine Saison in Graditz, bekam fünf Stuten und ließ zwei davon güst. Anfang Mai 1945, am Tag der Räumung von Fürstenstein (Niederschlesien), war ein Beckenbruch bei Panzerturm noch nicht ausgeheilt, sodass er eingeschläfert werden musste.
In der letzten Graditzer Trainingsliste von Hans Blume standen 1944 zwei Vierjährige, die Ferro (Luftkampf) und Alchimist (Spähtrupp) zum Vater hatten; 13 Dreijährige – sieben Hengste und sechs Stuten –, von denen sechs von Ferro und vier Herold stammten, und bei den 14 Zweijährigen, darunter neun Hengste, hatten Ferro fünf, Alchimist und Pharis je zwei, und Janitor, Janus, Arjaman, Herold und Eclair au Chocolat jeweils einen Vertreter. Von der zweijährigen Pharis-Tochter Persante, die aus der Palucca stammte und eine Halbschwester zu Panzerturm war, hatte Hans Blume eine sehr hohe Meinung, brachte sie jedoch wegen ihres Vaters in diesem Alter nicht an den Start.
Ende Januar, Anfang Februar 1945 hatte Graf Kalnein die Genehmigung zur Evakuierung der Hoppegartener Pferde bereits in der Tasche, doch das Problem war die vom Kriegsministerium zu genehmigende Transportkapazität. Und das veranlasste Trainer Blume selbst zu handeln und das Landgestüt Celle mit zwei Trecks anzusteuern. Das zunächst von der englischen Besatzungsmacht beschlagnahmte Pferdematerial gaben die Engländer später wieder zurück, während Hans Blume als Trainer für Waldfried und Asta an die kurze Graditzer Zeit anknüpfte.
Als die Russen nach Hoppegarten kamen, waren die Ställe leer, nur Futtermeister Richard Kortum war geblieben. Und dieser versierte Pferdemann, der die Graditzer nach dem Zusammenbruch trainierte und an Faktotum (1952; Harlekin) einen Triple Crown-Sieger im Stall hatte, der in Moskau den „Goldpokal“, das wichtigste Rennen beim Internationalen Meeting, gegen den russischen Derbysieger, Anilins Vater Element, gewann, konnte seinen Besten vor den Russen aber auch nicht „retten“. Selbst sein Trick, den Sohn aus der Fervor-Enkelin Frühlingssonne (1943; Lampos) aus dem Stall zu nehmen und in seine Box ein ähnliches Pferd zu stellen, war vergebens. Der Hengst, der dem Fama-Zweig der Alveole-Familie entstammte, musste deutschen Boden verlassen und zeichnete sich in der russischen Zucht, obwohl ihn auch mehrere Söhne als Beschäler vertraten, besonders als Stutenerzeuger aus. Etwa 30 seiner Töchter vertraten ihn um 1970 in der Herde des russischen Hauptgestüts.
Die Graditzer in staatlichem Besitz (der Heeresrennstall hat damit nichts zu tun) gewannen 56 klassische Rennen, darunter 17 St. Ledger, 16 Preise der Diana und 12 Derbys; zwischen 1881 und 1944 gelangen zwanzig Besitzer-Championate, und sieben Pferde wurden Saison-Spitzenverdiener: Peter (1981), Gulliver II (1912), Anschluss (1916), Herold (1920), Sichel (1931), Alchimist (1933) und Abendfrieden (1937). Und zu Sichel, die keine Derbynennung hatte, sei erwähnt, dass sie mit rund 132.000 Mark fast das Doppelte gewann, wie der gleichaltrige Stall- und Zuchtgefährte Dionys, der das Derby beherrschte. Vom Züchter-Championat blieb Graditz, das ganz besonders durch den Ankauf hochklassiger Beschäler aus dem Ausland die gesamte deutsche Zucht beeinflusste, ausgeschlossen, denn es erhielt keine Züchterprämien.
Martin Beckmann, der Autor der Sport-Welt Serie „Das war Graditz“ (1981/82), und der Anfang 1945 selbst als Flüchtling einige Monate in Graditz verweilte, stellte am Ende seiner Betrachtungen auch die Frage, ob Graditz zu retten war, zumal auch Röttgen, Schlenderhan, Waldfried und Zoppenbroich sich viel länger in der Gefahrenzone befanden und entsprechend reagiert hatten. Nach den, vom Verfasser von Zeitzeugen gesammelten Aussagen und dem, was Graf Kalnein in seinem Buch „Ein Leben mit Pferden“ zu diesem Thema schrieb, muss man zu der Erkenntnis kommen, diese Frage mit einem Ja zu beantworten, soweit es die angestrebte Evakuierung betraf. Graf Kalnein stellte bereits gegen Ende 1944 seinen ersten Antrag, aber nicht nur dieser, sondern auch alle weiteren wurden immer wieder abgelehnt. Vom zuständigen Ernährungs- oder dem Kriegsministerium, das die Waggons genehmigen musste. Erst am 13. April 1945 wurde das Ausweichen nach Harzburg genehmigt, doch der Trupp, der sich zwei Tage später mit den Hengsten Alchimist, Tricameron und den wertvollsten Stuten Richtung Westen in Bewegung setzte, wurde schon am Überqueren der Mulde gehindert. Zunächst von einer deutschen Truppe, danach von den Amerikanern. Und kurz darauf kamen die Russen, womit die Pferde in deren Hände fielen. Und das war das Ende der weltbekannten Graditzer Zucht!
Im Zusammenhang mit Graditz trugen auch Verrat und „die Partei“ erhebliche Schuld am Untergang dieser Zucht, wie das die vielen gesammelten Auskünfte von Menschen bestätigten, die jene Graditzer Zeit oder den Abtransport der Pferde Richtung Krim hautnah, direkt oder indirekt, durch Freunde oder Bekannte, erlebten, sich an jene Tage erinnerten und ihr Wissen dem genannten Autor der Sport-Welt, persönlich oder über Dritte, weitergaben. Von ihnen sei nur Liesel Blume, die Frau des letzten Graditzer Trainers und, zwischen 1935 und 1939, vierfache Amateur-Championesse, deren Freunde und Bekannte, oder „Graditzer“ wie Gerhard Pannier und andere erwähnt. So wurde auch ein namentlich nicht genannter „Trakehner-Tierarzt“, dem die Evakuierung übertragen worden war, ausnahmslos als linientreuer Handlanger der Partei bezeichnet, der Graf Kalnein sogar wissen ließ, dass er, der die Verlegung des Zuchtmaterials ablehnte, ihn anzeigen werde, falls auch nur ein Pferd das Gelände verlassen sollte.
Graditz war aber auch Zufluchtsort des Grafen Heinrich Lehndorff – ein Sohn des einstigen Röttgener Gestütsleiters und Trainers Graf Manfred Lehndorff, und verheiratet mit einer Tochter des Grafen Kalnein. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20.7.1944, wurde er, den Zuträger erkannt und verraten hatten, gehängt.