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Trust #11 – März 1988
Nun mal das ›Technische‹ am Anfang, wir ihr sehen könnt ist das nun doch keine ›Sex‹-Ausgabe. Das hat mehrere Gründe: Einmal war die Resonanz sehr gering (was vielleicht auch an der falschen Ankündigungsart von Moses gelegen hat – sowas wollten wir nicht), zum anderen haben Leute, die was bringen wollten, nichts gebracht und leider muß ich mich da auch selbst dazuzählen. Aber wir können es ja immer noch machen, oder ist überhaupt kein Interesse da? Laßt Euch überraschen.
Ich bin übrigens wieder in Augsburg und habe diesmal keinen Bericht über meine Reise verfaßt (da werden jetzt eh alle aufatmen) das hat folgenden Grund: Ich könnte mich die ganze Zeit über verschiedene Sachen aufregen und es würde keinem helfen und außerdem wäre es grundsätzlich dasselbe, was ich in meiner Gastkolumne im letzten MRR geschrieben habe – die paar Interessierten können es ja dort nachlesen.
Verdammter Mist, jetzt fällt mir kein geeigneter Übergang zum eigentlichen Thema ein, ich will ja über ›Persönlich, Privat‹ schreiben. Na gut, dann eben ohne den Übergang. Denk mal nach, gibt es irgendwas das du, aus welchen Gründen auch immer, der Öffentlichkeit verheimlichen willst? Ja? Gut, dann hast du eine Privatsphäre. Hast du aber schonmal drüber nachgedacht, warum du nicht willst dass die Öffentlichkeit erfährt dass du z.B. deiner Mutter jedesmal einen Abschiedskuss gibst, wenn du das Haus verläßt. Oder dass du eine tolle Briefmarkensammlung hast und es dir außerdem einfach Spaß macht, jeden Mittwoch Abend vor dem Schlafengehen in die Badewanne zu onanieren. Da brauchst du garnicht lang zu überlegen, gell, du wirst wie die meisten anderen auch sagen: »Das geht niemanden was an, das ist persönlich.« Richtig, aber es ist auch eine (angenommene) Tatsache, es ist geschehen oder geschieht immer noch. Also sollte man doch auch zu dem, was man macht, stehen. Ob es nun gut oder oder schlecht war – die Frage stellt sich hier garnicht – es ist nun mal so. Beleuchten wir doch mal die Gründe für Privates. Es kann sein, dass es Leuten peinlich ist und verletzt oder dass sie ihr Ansehen verlieren oder dass es für andere Leute unangenehm ist. Man kennt das ja, irgendeine hochangesehene Persönlichkeit wird mit ein paar Gleichgesinnten in einer Folterkammer gesehen und ist auch schon sofort sein ganzes Image los.
Darf ich mir erlauben zu sagen, dass viele Leute ihre Persönlichkeit leugnen, nur um nicht ihr Ansehen zu verlieren? Ist es richtig, dass Leute, die viele persönliche Geheimnisse haben und nicht gerne über ihre Privatsphäre reden, einfach nur die Wahrheit verdrängen wollen? Wäre es da nicht angebracht, soviel wie möglich gerade über die Privatsphäre von Leuten zu erfahren, um sie wirklich kennenzulernen?
Ich wäre auf jeden Fall geschockt, wenn ich erfahren würde das Jello Biafra in seiner (privaten) Freizeit, wenn er nicht auf der Bühne ist oder ein Interview gibt, mit Nazis zusammenhängt – wo er doch in aller Öffentlichkeit sagte »Nazi Punks Fuck Off« – oder meinte er nur Nazi Punks? (Das ist übrigens nur ein Beispiel, unterstelle mir bloß keiner ich hätte das gesagt!!)
Rauszufinden, was wer zu verbergen hat und warum! Wenn jemand begründet etwas verbergen will, wie soviele Politiker und andere ›Persönlichkeiten‹, dann hat das meist gute Gründe, Betrug, Lügen, Gegensätze, usw. Und meist sind doch sehr viele Leute froh drüber, wenn gewisse private Tatsachen an die Öffentlichkeit gelangen.
Oder propagiere ich hier nur den Klatsch und Tratsch? Nein, dagegen bin ich auch, da oft Lügen, Un- und Halbwahrheiten an die Öffentlichkeit gegeben werden. Deshalb hat es auch nichts mir Klatsch zu tun, das was ich meine sind – TATSACHEN.
Aber keine Angst, nur weil ich der Meinung bin, es sollte praktisch nichts Privates geben, heißt das noch lange nicht, dass ich in Zukunft alles, was ich weiß, an die große Glocke hängen werde. Ich hab nämlich die Erfahrung gemacht, dass die wenigsten Leute da so denken und sehr aggressiv werden können, wenn man gewisse ›wunde Punkte‹ anspricht oder darüber spricht. Im übrigen hab ich halt mal wieder in Schriftform gedacht bzw. viel Gedachtes zusammengefaßt – wie man das eben so macht.
Um zu ‘nem Ende zu kommen sag ich nur noch, dass jeder zu sich selbst und anderen gegenüber so ehrlich wie möglich sein sollte (natürlich nicht grad, wenn du mit Dope in der Tasche von ‘nem Zivi geschnappt wirst, man muß da schon unterscheiden), steh zu dem was du tust oder hör auf.
Shit, jetzt muß ich doch noch was ›technisches‹ zufügen, falls irgendwas nicht klappte (Post- oder Trust-mäßig) sorry, ab jetzt klappts wieder.
P.S. Die paar, die mich letztes Jahr in Homburg nach’n paar Bier zuviel während einer Schlafunterbrechung aus’m Zimmer wandeln und ins Eck pissen sahen und sich fragen, ob es mir peinlich wäre, wenn das an die ›große Öffentlicheit‹ gelangt und sich schon hinterlistige Leserbriefe ausdenken:
Spart es euch! Es ist mir nicht peinlich, es ist eine Tatsasche und die ist so passiert. Ich finde es zwar nicht richtig, sogar ziemlich scheiße – aber das kann dem besten positiven Trinker passieren – it’s Life
Trust #12 – Mai 1988
Woran liegt es, dass ich den Eindruck habe, die Szene würde immer unpolitischer oder täusche ich mich? In der letzten Zeit häufen sich Bands, die über persönliche Gedanken & Gefühle singen, oder aber einfach an die Basis zurück, über Saufen, Drogen und eben Spaß gröhlen. Viele Leute reden nur noch über Musik oder die nächste Party, während vor einiger Zeit noch ganz andere Diskussionsthemen bestimmend waren. Fraglich ist, ob die Szene überhaupt mal politischer war, oder ob da viele Leute einfach einem Trend hinterher sind. Anders ausgedrückt, die Szene ist genauso politisch wie vorher, nur ist es nicht so leicht zu erkennen. Genaugenommen ist es ja schon einiges an Politik was die Szene so schafft, auch wenn es nicht so stark rauskommt. Es ist eben die Politik des Beispieles. Wenn sich jemand darüber beschwert, dass Tiere getötet werden, kann er dadurch ein, in geringen Maßen, effektives Beispiel setzen und aufhören Tierhäute zu tragen und Fleisch zu essen. Wenn sich dagegen jemand beschwert wie dumm die Politiker sind, reicht es nicht, dass er sie nicht mehr wählt. In beiden Fällen ist zwar das Hauptproblem noch da, aber im ersteren Fall ist es einfach befriedigender für das Individium. Auch ist es wohl so, dass viele Leute nach langer politischer Arbeit und in endlosen Diskussionen erkannt haben, dass die Ziele gut und erstrebenswert sind, aber einfach nicht auf diese Art und Weise durchzuführen sind. Was natürlich in keinem Fall heißt, dass diese Personen die ganzen ideellen Werte aufgegeben haben, sondern vielleicht nur realistischer geworden sind und erkannt haben, dass von unten und bei sich selbst angefangen werden muß. Ja, realistisch, gutes Wort, ich hatte das ›Vergnügen‹ wieder mal die deprimierenden Realitäten voll vor Augen geführt zu bekommen. Zehn Wochen Fabrikarbeit. Wahnsinn, was es für Menschen gibt, lebende Zombies, die ohne Stechuhr und Acht-Stunden-Tag überhaupt nicht lebensfähig sind (damit meine ich jetzt gar nicht die Lohnabhängigkeit). Jeden Morgen dasselbe, das erste Bier um halb sieben, Bildzeitung lesen, arbeiten, Brotzeit mit dem nächsten Halben und heißen Würstchen, weiterschaffen, ärgern, mehr Bier, Mittag noch mehr zechen, wieder knechten, trinken und nach Hause gehen. Zwischen und zu alledem immer eine Zigarette und laufend blöd daherreden. Den Sinn des Lebens auf immer dieselben Phrasen reduziert, möglichst dem andern eins auswischen und besser dastehen, nie wirklich sagen was man will (wenn noch ein Wille da ist), aus Angst, der ›Kollege‹ könnte es dem Treppchen höher erzählen und man bekommt Ärger.
Diese Leute sind in meinen Augen das echte Proletariat, die Substanz, die Masse der Gesellschaft. Aus der Traum vom politisch engagierten Arbeiter, der mit seinen Kollegen und hochgekrempelten Ärmeln gegen die kapitalistischen Ausbeuter vorgeht. Komm mir jetzt keiner, dass die nur durch dieses ›System‹ so geworden sind, und dass ihnen gesagt gehört wo’s lang geht. Ich kenne Leute in meinem Alter, die auf dem Wege sind und die gleichen Voraussetzungen hatten und wenn man denen was sagt, nützt das meist auch nichts. Man hat schon viel erreicht wenn man’s schafft, dass es dem einen oder anderen stinkt, wenn er erkennt, sein Leben lang nur für Geld geknechtet zu haben. Mit den meisten ist es eh nicht möglich ›vernünftig‹ zu reden, das ist schon was anderes als in der Szene-Kneipe mit Gleichgesinnten mal was zu schnacken. Revolution des Proletariats, nee meine Freunde, geht mal an die Substanz der Bevölkerung und ihr werdet erkennen, dass es noch viel zu tun gibt. Glücklicherweise(?) waren die Erfahrungen nicht neu für mich, mir wurde einfach, wie gesagt, die Realität wiedermal etwas aufgefrischt (ich glaube aber ich wäre ganz schön vor den Kopf getreten, hätte ich das so zum ersten Mal gesehen). Es ist einfach nicht so, dass wir auf der einen Seite sind und unsere Feinde auf der anderen, dazwischen ist noch ‘ne ganze Menge Scheiße (ist das jetzt unmenschlich?) und was mit der gemacht werden soll … Und schwupp, während noch gegrübelt wird wie das neue Entsorgungsproblem (das sollte man aber nicht sagen) gelöst werden kann, schmeiß ich auch schon zwei neue Wörter rein, die sehr viel erklären – REAKTION & KONSEQUENZ. Wie anders, werde ich ein einfaches Beispiel anführen. Nehmen wir mal an, X geht gegen Y, gewalttätig oder nicht, vor, dann muß X als Konsequenz die Reaktion von Y in Kauf nehmen, die er (X) einmal, aus eigenem Interesse oder Überzeugung, mehr oder weniger provoziert hat. Auf der anderen Seite darf Y sich nicht beschweren, wenn er nach einer Provokation gegen X auf einmal die Konsequenz der Reaktion von ihm (X) tragen muß. Ob nun X oder Y ›politisch‹ im recht oder unrecht, also gut oder böse, sind, ist im Moment des Geschehens nicht maßgeblich (was nicht heißt, dass es unwichtig ist, und ich weiß auch auf wessen Seite ich stehe). Aber so gesehen verhält sich X genau wie Y, daraus folgt X=Y, mathematisch richtig (oder?) und in jedem Fall logisch. Jetzt will ich noch was zu einem ganz anderen Thema sagen – MUSIK. Es scheint ja, dass ein, auch in diesem Heft, viel diskutierter Trend am Verschwinden ist, ich will das Wort garnicht schreiben, ihr wisst schon was ich meine. Das war vorauszusehen und ist auch gut so. Jetzt zeigt sich eine neue Entwicklung an, wobei ich nicht das 60’s-oder was auch immer-Revival meine, mit dem wirds ähnlich gehn wie mit einigen Trends davor. Die neue Entwicklung ist, dass die Leute in der Szene musikalisch aufgeschlossener werden, ohne dabei ihre Wurzeln abzukappen. Außerdem haben zur Zeit viele ›Independent-Szene‹-Leute Interesse an der Musik die wir hören und hörten, ob das ein Trend ist bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall scheint sich mal wieder in der Punk/HC-Szene die Musik weiter zu entwickeln, was gut und wichtig ist, da es sonst auf Dauer langweilt. Man wird sehen … Wenn ihr dieses Heft in der Hand habt bin ich auch schon wieder unterwegs in Europa, aber wohl hauptsächlich in Deutschland, ab ca. Juli dann wieder in Augsburg. Was soll ich machen, ich find live und draußen einfach geil. Dort wo ich bin, bin ich.

Trust #13 – Juli 1988
Vor ein paar Wochen war ich zu Besuch in meiner ehemaligen Schule, was ich dort sah stimmte mich sehr nachdenklich. Hatte ich in der letzten Kolumne über die Dummheit der meisten ›Erwachsenen‹ geschrieben, so mußte ich feststellen, dass der Nachwuchs auch nicht viel besser ist. Frohen Mutes, ein Kolumnenthema gefunden zu haben, fuhr ich zurück nach Hause. Auf dem Weg holte ich mir noch ein bekanntes Nachrichtenmagazin. Was mußte ich sehen, hatten die sich doch einfach mein eben erlebtes als Titelstory geschnappt. ›Tollhaus Schule‹. Womit also mein Thema gestorben war, sonst sagen böse Zungen wieder »Der schreibt aus dem Spiegel ab.« Einige Zeit später hatte ich wieder eine neue Idee, ich wollte über den ›Stand der Szene‹ in Europa meine Meinung ablassen, da ich in letzter Zeit wieder etwas rumgekommen bin, dann fiel mir aber glücklicherweise ein, dass das auch dumm wäre, weil dann die bösen Zungen wieder sagen ich wäre ein Angeber, von wegen rumkommen und so. Danach hatte ich dann die Idee überhaupt, ich war mir sicher dass die bösen Zungen ruhig sein würden und dass es auch einige Leute interessieren würde. Aber da ich mir nicht ein paar Notizen gemacht hab, hab ich die Thematik wieder vergessen, das kommt davon. Glücklicherweise hab ich dann noch eine sehr interessante Entdeckung in einem alten politischen Flugi gemacht, die ich euch mal unter die Nase reiben wollte. Ich hab dann auch alle Fakten notiert und wollte bei Zeiten das alles halbwegs sinnvoll zu Papier bringen. Da war ich aber zu beschäftigt ›umsonst auf alle Konzerte zu gehen und umsonst viele Biere zu trinken‹. Außerdem hatt ich voll viel um die Ohren in den letzten Tagen, alles war ein großes Chaos, weil Thomasso nicht da ist und weil Moses ausstieg. So hab ich mich dann entschlossen, die bösen Zungen wieder zum Leben zu erwecken und etwas zu schreiben das keinen Sinn macht, oder? Wenn jemand Lust hat, kann er ja mal was reinintepretieren. Diesmal an dieser Stelle nichts ›technisches‹, das könnt ihr alles in dem internen Teil lesen, bis zum nächsten Mal. VERDAMMTE SCHEISSE, WO IST SIE???????? ICH BRAUCHE MEHR SONNE!!!!!!!

Trust #14 – September 1988
Als ich vor ein paar Wochen in Amsterdam auf dem Bahnsteig auf den Zug wartete ist mir ein Mädchen, so um die zwanzig, aufgefallen, das irgendwie einen verwirrten, irritierten Eindruck machte. Natürlich dachte ich mir nichts weiter dabei da ja, vor allem in den Sommermonaten, viele Drogentouris nicht grad wie Ray Cappo aussehen, und ich verlor sie wieder aus den Augen. Beim Umsteigen in Deutschland sah ich sie dann wieder, wir kamen ins Gespräch und ich bekam zu hören was mit ihr los war.
Sie ist mit einem »Kumpel« hochgefahren um einzukaufen, nur für zwei-drei Tage, der hat sich aus dem Staub gemacht und sie mit hundert Gulden sitzenlassen. Es war noch einiges mehr was die Frau belastete, ihre Freunde zuhause wußten nichts von ihrem Ausflug, und ihr »Kumpel« hatte ihren Schlüsselbund mit all den Schlüsseln ihrer Freunde – da sie keine Wohnung hatte und mal hier und dort pennt. Irgendwo passte die Frau so richtig schön ins Klischee, auf Bewährung, die Vergangenheit in Heimen verbracht, beide Unterarme von Schnittnarben (auf ›Mutproben‹ zurückzuführen?) übersät, die Zähne – soweit vorhanden – sahen auch recht angegriffen aus, ihre Augen waren übermüdet, die Armbeugen blau und geschwollen, kurzum, sie machte eben einen ziemlich fertigen Eindruck. Als ›Krönung‹ hatte sie dann noch sechs-sieben Jungennamen in großen Buchstaben auf ihren Armen verteilt tätowiert. Außerdem hatte sie grad wieder zu drücken angefangen, wollte aber auch schon wieder damit aufhören. Im ›Normalfall‹ hätt ich mit all dem kein Problem gehabt, da ja jeder mit sich machen kann was er will, aber die Frau war irgendwie nett und ich fand es schade. Im selben Moment dachte ich mir aber auch, »Klar ist sie jetzt nett, sie ist ja in Not und braucht andere – ob sie auch noch so nett ist, wenn sie zurück ist, Geld hat und wieder bei ihrer Clique ist?«. Das werde ich wohl nie erfahren, was ich allerdings weiß, ist, dass ich ihr nicht helfen konnte. Ich hab zwar im Gespräch immer wieder versucht ihr klarzumachen, dass harte Drogen Mist sind (ohne es direkt zu sagen) und es sauschwer ist, damit umzugehen, auf der anderen Seite war ich mir sicher, dass sie das selbst wußte und auch schon tausendmal von irgenwelchen Sozialheinis gehört hat – von denen hat es anscheinend nichts gebracht, also kann man sie in ein paar Stunden auf die Art und Weise auch nicht davon abbringen. Ich hab dann wenigstens versucht, sie zum Nachdenken über ihr Leben anzuregen, ob das erfolgreich war bezweifle ich. Ich hab später nochmal über meine ›Hilflosigkeit‹ nachgedacht und bin drauf gekommen, dass ich mein ganzes Leben hätt drauf konzentrieren müssen und dann wär immer noch nicht klar gewesen, ob ihr das was genützt hätte. Ganz davon abgesehen, dass ich es garnicht machen könnte, und wenn ich ehrlich bin, auch nicht will – da muß man wohl dafür geschaffen sein. Fazit? Keines, so ist das eben, man steht gewissen Dingen gegenüber, erkennt das Problem und weiß nicht was man tun kann und ob man überhaupt soll. Was man tun kann und ›darf‹ ist mir in letzter Zeit auch nicht mehr so klar – bisher dachte ich immer, man ›dürfe‹ nur nicht gegen gewisse Instutitionen schreiben (Staat, Cops, Firmen, …) und es dann veröffentlichen, wenn man es doch macht, gibts oft Ärger und man fühlt sich bestätigt. Anscheinend hab ich aber mal wieder was anders verstanden, im letzten Exterminator (Autonomen-Zeitung aus HH) werden wir, und insbesondere ich, als politische Flachwixer bezeichnet. Warum? Weil ich nicht dasselbe politische Verständnis habe wie sie und ›nicht auf ihrer Seite‹ bin. Naja, sollen sie schreiben, warum auch nicht. Wenn ich dann allerdings von einem anderen Zinemacher höre, dass Autonome zu ihm meinten, sie würden mal bei ihm vorbeikommen um aufzuräumen, weil er Briefe abdruckte die nicht ihrem Politikverständnis entsprechen, dann befremdet mich das doch sehr. Was ich zu der Geschichte in Oldenburg zu sagen hab, lass ich lieber – zum Glück (noch?) nicht aus Angst. Vielleicht kommt mal was aus der Sicht der Oldenburger. Das nur nebenbei.
Die Reorganisation des Vertriebs ist immer noch nicht abgeschlossen, was ja ein paar wenige Leute in Form von nicht ankommenden Heften gespürt haben – ist aber nicht unsere Schuld und wir bekommen das auch geregelt, da es doch einfacher ist als wir zuerst annahmen. Übrigens schulden uns noch so ca. zehn Leute Geld seit Monaten, wenn die Kohle nicht bald da ist, werden wir die Namen veröffentlichen um anderen unabhängigen Leuten Ärger zu ersparen.
Als ich das hier schrieb war ich in Augsburg, das heißt aber nicht dass ich auch dort bin, wenn das hier gelesen wird. Egal.
Trust #15 – November 1988
Pause
Trust #16 – Januar 1989
Einigen von euch wird ja aufgefallen sein, dass im letzten Heft keine Kolumne von mir zu lesen war, das lag nicht daran dass ich mich eingeschissen hab oder nichts mehr zu sagen habe – ganz im Gegenteil! Vielmehr hatte das ganz andere Gründe, da ich selbst unterwegs war hab ich das Manuskript Thomasso gegeben, der just zu dieser Zeit am Umziehen war und im allgemeinen Durcheinander ging das Teil (sowie auch einige News und Zinekritiken) verloren. Pech. Nach eifrigem(?) überlegen bin ich zu dem Schluss gekommen, nicht zu versuchen, das Ding nochmals zu schreiben. Der Komplettheit halber hier die Kernaussage: Die war, dass sich Bands, die sich auf Tour ankündigen, darüber im Klaren sein müssen, ob sie dafür auch bereit sind und somit Verantwortungsbewusstsein brauchen. Es war nämlich zu der Zeit ganz schön nervig mit Bands, die sich ankündigten und dann wieder kurzfristig absagten. Es ›leiden‹ ja nicht nur die Bands, sondern auch der Promoter, lokale Veranstalter und manchmal sogar der Besucher.
Aber das ist ja eh völlig klar – eigentlich, wie so vieles andere – eigentlich – auch völlig klar ist. Es ist doch jedem klar, dass faschi-, rassi-, sexi-, und noch einige andere smus’es scheiße sind, dass die Umwelt geschützt werden muß, dass es Ungerechtigkeit/Schweinereien bei den Bullen, in der Justiz, in der Politik, in anderen Ländern, bei den Nachbarn, … gibt. Dass es gut ist, independent zu sein, aber besser ist, alternativ-independent zu sein. Tierschutz ist auch nicht unwichtig, übrigens auch nicht wichtiger als Kinder- bzw. Menschenschutz. Usw., usw., die Liste der aktuellen und der seit Jahren diskutierten Themen ist ewig. Was soll viel geredet/geschrieben werden, wenn alles so klar ist – oder erscheint das nur mir so und es ist vielleicht doch noch wichtig etwas über, z.B. Vegetarismus, zu schreiben? Ich denke ja, manchmal, kurz nach dem Aufwachen, beim Scheißen oder beim Lesen hatte ich doch noch Ideen, die mir lohnenswert schienen behandelt zu werden, aber – plop – weg sind sie (und da scheint es nicht nur mir so zu gehen). Als Konsequenz daraus hab ich mir vorgenommen diese ›Gedankenblitze‹ in Zukunft sofort auf einem Stück Papier festzuhalten, mal sehen ob es gelingt.
Ein Thema wäre bestimmt die Entwicklung bzw. der Stand der Szene, Armin hat das auch kurz in der foreigner-page angesprochen. In letzter Zeit gehts ja doch ganz gut ab. Ist besonders bei FUGAZI aufgefallen – Coverstory im Sounds mehr Presse im NME und Melody Maker, Bericht im französischen Fernsehen, zwei Seiten in der Spex, im Zap und zuguter Letzt auch bei uns. Ist bestimmt gut für die Band und für das Label/den Vertrieb – oder? Überhaupt, schau dir das Cover der dezember Spex an: DIE KREUZEN, FUGAZI, BLIND IDIOT GOD, FISHBONE, sollte uns (mit ›uns‹ meine ich euch) das freuen oder zu denken geben. Erinnert euch an die zahlreichen Touren nordamerikanischer Bands im letzten Jahr, die meisten waren erfolgreich – sowas wäre auf diesem Level noch vor zwei-drei Jahren undenkbar gewesen. Ist der kommende Zusammenschluß (in Anführungszeichen) einiger europäischer Indies (u.a. Efa, Boudisque, Southern) das Ergebnis guter Zusammenarbeit und ein Schritt voran oder eine Monopolisierung durch Kartellbildung? Kann das unsereins überhaupt noch beurteilen oder müssen wir die Zeit ans Werk lassen und abwarten. Liegt es im Sinn der Sache, dass über diese Musik/Szene in verschiedenen Satellit/Kabel-Sendungen berichtet wird, oder jetzt ganz neu, eine Art NME für Deutschland – das Shark, alle zwei Wochen mit astronomischer Auflage (100.000!) erscheint. Kollege Moses vom Zap sagt ja schon im Tribal Area-Videozine (diesmal auch schon eingeschweißt …) dass es gut wäre, wenn Hardcore zur Massenbewegung würde (vergiss aber nicht, dass du wahrscheinlich nicht zu denen gehören wirst, die die große Kohle machen – ich weiß, ich weiß, ist nicht dein Anliegen, meins auch nicht). Ich werde dazu im Moment nur soviel sagen, dass mich die ganze Sache, so wie sie jetzt ist, nicht stört – mal sehen wie es weitergeht.
Ich ertappe mich manchmal selbst dabei, dass ich ›Angst‹ habe bei all diesen ›großen/tollen‹ Sachen den Kontakt zu neuen, jungen, kleinen Sachen zu verlieren. Zu den Leuten, die vom eigenen Fotoapparat und nicht von Telefax oder Laserprinter träumen. Zu Bands, die nicht an Plattenverträge und europaweite Tourneen denken, sondern die ganze Woche aufgeregt sind, weil sie am Wochenende zweihundert km entfernt im JuZ spielen. Zu Leuten, die die ganze Sache nur aus Spaß machen, voller Enthusiasmus/Idealismus, und nicht davon leben wollen/können/müssen. Andererseits kann ich nicht abstreiten, dass mir manchmal irgendwelche ›primitiv‹-Zines/Demos auf den Sack gehen und ich mich frage, ob die Macher nicht was sinnvolles machen könnten. Aber das ist wohl normal und Interesse ist ja noch da. Ich weiß, woher ich komme und werde, egal wohin ich gehe, das hoffentlich nie vergessen.
So, jetzt zum Schluss vielleicht noch ein paar technische/interne Sachen. Es sieht so aus das wir, trotzt der Erhöhung der Seitenzahl, auch in Zukunft unsern Preis halten können. Even-tuell werden wir ab März auch von Efa vertrieben – warum? Warum nicht? Ach ja, wir erscheinen nicht am Ersten jeden zweiten Monat!! Wir erscheinen alle zwei Monate am Anfang des Monats, das kann der erste sein, aber auch der vierte, fünfte oder siebte – wenn du allerdings am zwanzigsten immer noch kein Heft hast, solltest du um dein Geld bangen und dich hier melden. Ansonsten sei gesagt, dass der Vertrieb jetzt so gut wie unter Kontrolle ist. Allerdings lässt die Zahlungsmoral zu wünschen übrig, was immer unnötige Arbeit macht. Einige Leute haben uns auch abgelinkt (oder zahlt ihr doch noch?) und deren Namen müssen wir wohl demnächst veröffentlichen. Ist zwar nicht so toll, aber das letzte was wir noch machen können, damit nicht auch andere Leute abgezogen werden.
Ich weiß übrigens selbst, dass wir zuviele Musik/Interviews haben, wen es stört, der soll uns doch bitte kompetente Schreiber oder gute Artikel besorgen, oder selbst was machen! Ok, ich muß (??) jetzt auf ein Konzert/Party und verabschiede mich bis zum nächsten mal. Übrigens bin ich jetzt wieder bis mindestens Mitte März unter meiner Nummer zu erreichen.