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Gut – wir werden sehen!
Trust #17 – März 1989
Nachdem ja nun auch von der Öffentlichkeit meine Kompetenz erkannt worden ist (vgl. Zap Feb. ‘89) will ich mich hier als Qualifizierter gleichmal zu einem Thema äußern das völlig unwichtig ist, in letzter Zeit aber doch wieder durch verschiedene Bands/Leute/Medien ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde. Jep, genau, Straight Edge. Ich hatte ja nie vor darüber zu schreiben, aber es scheint ja wohl doch notwendig zu sein einfürallemal zu sagen was Sache ist – und dann Ruhe, ok.
Gehen wir doch mal zum Ursprung (des Übels?), also um einige Jährchen zurück nach Boston, MA, und Washington, DC, an der Ostküste der USA. Dort ist diese ›Bewegung‹ entstanden. Warum also nichts zechen und Kreuzchen auf der Hand? Na ist doch logo, wenn man vierzehn-fünfzehn ist, dann bekommt man dort eben noch keinen Alk, und wenn man ihn doch bekommt, bekommt man Ärger mit den Cops oder den Eltern. Dann haben die Barleute auch keinen Bock die Leute jedesmal nach dem Alter zu fragen und lassen den Kiddies riesen Kreuze auf den Handrücken pinseln. Ziemlich dumme Situation für die Kids, also macht man eben das Beste draus und ist einfach stolz drauf. Redet was von klar denken und das Hirn frei zu haben und das man besseres zu tun hat als zu saufen, dass es ungesund ist, usw., usw. Wäre ja alles schön, wenn die ›Bewegung‹ aus diesen Gründen entstanden wäre. Aber Primärgrund war wohl bei den meisten das Alter. Beweis hierfür sind die Leute, nicht wenige, die damals XXX schrien und heute genauso saufen, rauchen, etc. wie alle anderen. Rühmliche Ausnahme ist hier DC, einmal sind viele Leute dort heute immer noch straigth edge und zum anderen sprechen, geschweige singen, sie nicht die ganze Zeit davon – sie sind eben einfach so. Außerdem beschränkt sich dort Straigth Edge nicht nur auf saufen, drogen und vögeln, sondern beeinflußt alles. Also Nahrung, Einstellung, Politik … eben konsequent das ganze Leben. Deshalb sind McKaye und seine Freunde hier nicht gemeint, sondern die andern Schreihälse. Von denen wären ja einige im trinkfähigen Alter, also zählt hier das Argument nicht mehr, macht nix, da fällt mir nämlich gleich ein, dass sie ja eigentlich gar nicht so hart und toll sind wenn sie drogenfrei sind. Objektiv betrachtet ist es ja wirklich einfach, irgendwas auf die Reihe zu bekommen, wenn man immer einen klaren Kopf hat. Schwieriger gestaltet es sich da schon, wenn man außer klar denken auch noch was anderes macht (sprich drogt, trinkt) und trotzdem noch was auf die Reihe bekommt. Auch ist es einfach, nicht von irgendwas abhängig zu werden, wenn man nichts nimmt – es gehört aber doch schon etwas dazu nicht abhängig zu werden, obwohl gewisse Sachen konsumiert werden (klingt banal, ist aber so). Wenn du auf einem Balken über ne Schlucht läufst ist immer die Gefahr dass du abstürzt, wenn du aber erst garnicht auf den Balken gehst, besteht auch gar keine Gefahr abzustürzen. Da kann man ja gleich ganz zu haus bleiben.
Was soll ich hier noch viel lästern und Argumente aufzählen, wie unnötig es ist über Straight Edge zu reden/singen. Fassen wir es doch gleich hier zusammen. Grundsätzlich ist es mal gut drogenfrei und gesund zu leben – logo. Aber es gibt/gab genügend lebende, denkende und auch handelnde Beweise, dass es auch möglich ist kreativ, verantwortungsbewußt und zuverlässig zu sein, wenn Drogen benutzt werden (natürlich gibt es auch massig negative Beispiele). Grundsätzlich ist es auch schlecht wenn man von etwas abhängig ist (oder nicht?). Das Problem ist also nicht: Drogen ja oder nein? Sondern es kommt drauf an, wie Drogen benutzt werden. Warum soll jemand der das kann, also mit der Droge umgehen, sie nicht benutzen? Wer es nicht kann (oder will) der sollte besser die Finger davon lassen (wenn man sich die meisten Drogenkonsumenten ansieht, ist das wohl die Mehrzahl). Also nicht soviel labern, wo gar nichts ist.
Zum Abschluß möchte ich noch sagen, dass ich noch immer auf die erste Frauen-positiv-straigthedge-Band warte, muskelbepackt, mit kurzen Haaren?? Sollte auch mal zu denken geben, wieso (na, weil macho) denn sowenig Frauen bei dieser ›Bewegung‹ sind (wahrscheinlich sind sie doch klüger als die Männer). Bitte schickt keine Briefe, es lohnt sich nicht über das Thema zu labern – Zeitverschwendung. Obwohl es ja so aussieht, dass grade solche wichtigen Sachen die meisten zu interessieren scheint (siehe Slammer vs. Punk, Nord vs. Süd, Punk vs. HC, etc.) Vielleicht schaffen wir es noch …
Die besten Schriftsteller waren Trinker.
Trust #18 – Mai 1989
Holländer sind dumm. Belgier sind dumm. Österreicher sind dumm. Deutsche sind dumm. Italiener sind dumm. Europa ‘89, die Grenzen sind noch nicht offen, doch die Dummheit kennt keine Grenzen. Sie ist überall in ganz Europa, auf jedem Kontinent, in der ganzen Welt. Unabhängig von Rasse oder Geschlecht. Wen wunderts, wenn dann einige besonders dumme in ihrer Dummheit meinen, Menschen einer anderen Nationalität sind dumm – was ja an sich richtig ist, nur liegt das eben nicht an deren Herkunft, sondern besonders daran, dass sie einfach dumme Menschen sind. So hat eben jedes Volk seine ganz spezifischen dummen Menschen. Von Land zu Land verschieden und doch immer gleich dumm. Der Beweis wie dumm Rassisten sind und als ob das was neues ist. Ich mag allgemein keine dummen Menschen. Keine Italiener, keine Deutschen, keine Österreicher, keine Belgier und keine Holländer. Das heißt noch lange nicht, dass ich Türken oder Spanier mag. Wenn dumm dann dumm, egal woher oder ob Mann oder Frau – es gibt keine Ausnahmen. Nationalität ist kein Grund und erst recht keine Entschuldigung für Dummheit. Bevor ich jetzt auch noch als Rassist verschrien werde, zum Abschluß noch einmal das ganze andersrum. Ich mag Holländer, Belgier, Italiener, Deutsche, Türken, Männer, Frauen – nur eben dumm sollten sie nicht sein.
Würde ich mich als Außenstehender die letzten fünf Tage beobachtet haben, würde ich diesen Dolf wohl auch für dumm halten. Natürlich nicht weil ich Deutscher bin, sondern aufgrund der Sachen die ich mache. Mache ich dumme Sachen? Nein, keineswegs, es sind nur einfach zuviele Dinge auf einmal. Nicht dass ich was gegen arbeiten hätte, aber zwölf Stunden und mehr am Tag? Und warum? Und warum mache ich so viele ›Überstunden‹? Damit ich mehr Geld verdiene um mir einen Hubschrauber kaufen zu können (den ich übrigens sehr gut gebrauchen könnte, mit Pilot aufgrund nicht vorhandenen Flugkentnisse meinerseits). Nein, nix Geldscheffeln, ich arbeite für die ›Szene‹ könnte man sagen. In Wahrheit will ich natürlich nur dieses Heft fertigmachen und noch einiges anderes auf die Reihe bringen. Quengel, quengel, beschwer, beschwer. Nein ich beschwere mich ja gar nicht, bin ja selbst schuld, hab mir das ja selbst ausgesucht, oder? – Ja. Zumindest weiß ich was ich tue, obwohl ich mich in gewissen Situationen schon ernsthaft Frage, warum ich das mache. Egal, weiter.
Momentan weiß ich nicht wann dieses Heft rauskommen wird. Ich weiß auch nicht ob wir eine Sommerpause machen werden und das nächste TRUST erst wieder im September bringen werden. Ich weiß aber sehr gut, dass uns noch Sachen fehlen, da der gute Thomasso wieder als Auslandskorrospondent in San Francisco sitzt und die Dinge noch nicht hier sind. Viel schlimmer – er wird auch noch einige Zeit dort bleiben. Ich weiß auch, dass ich den letzten Monat unterwegs war und deshalb jetzt so brutal ranklotzen muß. Der liebe Julian wurde auch noch an die Ostküste der USA verschlagen, war/ist also auch nicht zugegen. Die Stellung haben hier nur tapfer Mitch und Alex gehalten. Außerdem weiß ich auch, dass ich in ein paar Tagen wieder einige Wochen unterwegs sein werde. Mittlerweile frag ich mich manchmal schon selbst, wie es immer wieder klappt das Heft doch noch fertigzustellen. Aber wie ihr seht, es klappt. Damit kein falscher Eindruck entsteht und die Leute meinen, dass es kein Wunder ist, dass alles so stressig ist, wenn ich die ganze Zeit im Urlaub bin. Bin ich nicht.
Do what you want to do. Ich mach eh was ich will. Man sieht sich.

Trust #19 – September 1989
Soll ich mich jetzt drüber aufregen oder drüber lachen? Ich werd wohl drüber schreiben. Es geht um das weitverbreitete Problem, dass sich viele Leute ihre Meinung über andere bilden, ohne sie zu kennen. Ich geb da gleich mal ein Beispiel aus der Realität. Ich kenne beide Personen nicht persönlich, unterstelle ihnen aber, dass sie irgendwas an der Kappe haben. Das schließe ich daraus, was diese Personen – beide geben Fanzines heraus – schreiben und was mir andere Leute über sie erzählen. Ich betone nochmals, ich unterstelle den Personen das!! Das heißt noch lange nichts, und ich bin gerne bereit meine Meinung (obwohl es ja gar keine ist) zu ändern und eine echte Meinug zu bilden. Da ist mal der eine, Herausgeber vom Push Beyond. Ich würd ihn mal kurz so beschreiben: US-Hardcore-Fan, der von nichts eine Ahnung hat, sich wichtig macht, aber kaum ernstgenommen wird, was durch sein Verhalten auch leicht verständlich ist. Dann ist da der andere, Mitherausgeber von Scumfuck Tradition, Punker vom ‘77er Schlag, also voll der Proll, der nur von guten alten Zeiten redet, auch keine Ahnung hat und ungefähr genauso ›anders‹ ist wie die Müllers von nebenan und ebenso konservativ. Leute also, mit denen ich nichts zu tun haben will, da ihre Ansichten so beschränkt oder normal sind, dass sie genausogut Briefmarken sammeln könnten. Wie kann ich sowas sagen, ohne die beiden überhaupt zu kennen … Ich kann mir vorstellen, dass einige klärende Gespräche die Situation ändern würden. Mit Sicherheit sogar. Entweder würde ich meine Meinung ändern oder meine ›Meinung‹ würde zu Meinung bestätigt. Genau das ist das Problem der meisten Leute. Die würden sich nämlich gleich wieder auf Gehörtes oder sonstwas verlassen und ihre ›Meinung‹ als Meinung ausgeben, was wiederum andere Leute dazu veranlaßt, die ›Meinung‹ als Meinung zu übernehmen. So entstehen dann die schönsten Konflikte und Haßgefühle gegen Leute, die man überhaupt nicht kennt. Dabei wäre es so einfach: Ein Telefonat oder ein Treffen, und bestimmte Unklarheiten wären aus dem Weg geräumt. Problem ist nur, dass die Leute anscheinend nicht miteinander reden können, sei es aus Stolz, Angst, Unlust oder Zeitmangel. Schwaches Bild, muß ich da feststellen. Die tolle alternative Punk/Hardcore/was-auch-immer-Szene, die ihr ganzes Wissen auf Unterstellungen aufbaut und sich so eine ›Meinung‹ bildet, die gar keine ist. Was dann noch schlimmer ist, wenn keine Bereitschaft da ist miteinander zu reden. Auf der anderen Seite: Wie langweilig wäre vielleicht dieses ganze Spiel ohne all die unbegründeten Hassgefühle, all die umherkreisenden Gerüchte und Sticheleien. Wie dem auch sei: Redet einfach mit euren ›Feinden‹.
Genug.
Ich bin übrigens ab Ende September für länger Zeit unterwegs. Das heißt zum einen, dass ich in Augsburg nicht erreichbar bin (allerdings kümmert sich jemand um die Post). Zum anderen heißt das, dass mir all die Leute, die mir aufs Maul hauen wollen oder sonstwas, dazu Gelegeheit haben. Zum Abschluss noch eine Frage. Ist es besser ›Zu arbeiten um zu leben, oder zu leben um zu arbeiten‹ oder ist gar beides scheiße. Denkt drüber nach und gebt Bescheid. Noch was – doch nicht!

Trust #20 – November 1989
Wir haben es also tatsächlich bis zur Nr.20 geschafft. Kein Grund zu feiern – das wird sowieso gemacht! Vielmehr sollte sich jeder überlegen, was mit dem TRUST erreicht wurde. Nämlich das, was wir von Anfang an vorhatten: Regelmäßig ein Zine in halbwegs professioneller Aufmachung herauszugeben, um damit als Informationsmedium für die Szene (ob nun HC, Punk, Underground, etc. dürft ihr euch selbst aussuchen) dazusein. Außerdem konnten ›unsere‹ Bands/Ideen einem größeren Kreis als nur den der eingeweihten Insider ansprechen. ›Unsere‹ Musik boomt, wird gefeaturet, verkauft sich. Aber ist das alles? (Die Frage, ob dies nun gut oder schlecht ist, bzw. der Sache dient, soll hier nicht beantwortet sein.) Man stelle sich nur einmal vor, wie viele der Leute, die im Dezember FUGAZI sehen werden, totale Hohlblöcke sind. Sie verstehen nichts von der ganzen Idee der Band, und vor allem von deren konsequenter Lebens- und Denkweise bzw. wollen es auch gar nicht. Da schauderts mich schon jetzt. Wie dem auch sei, wie anfangs erwähnt, überlegt doch mal, was sich geändert hat oder sich ändern sollte, am Heft, an der Szene – oder ist vielleicht alles gut so wie es ist?
NEIN! Denn was ich hier eigentlich ansprechen wollte, sind die Ansprüche gewisser Bands, was die Kohle angeht. Da gibt es Bands, die nun wirklich keinen Arsch interessieren, aber irgendwie als Kult angesehen werden. Sie werden durch eine Indie-Agentur vertreten und bekommen daher DM 1500 pro Abend (mal ganz davon abgesehen, dass eh tierisch Kohle an ›Produktionskosten‹ draufgeht). Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn die Band (für einen angemessenen/normalen Eintrittspreis) auch gut genug ist, genügend Leute dazu zu bewegen aufs Konzert zu kommen. In dem Fall ist es ja nur recht, dass sie das Geld bekommen. Es geht mir aber echt auf den Sack, wenn irgendwelche Bands oder Möchtegernkünstler, die Garantiegagen verlangen, sich, nachdem der Veranstalter eh bis aufs Hemd ausgezogen ist, auch noch darüber aufregen, dass sie keine Prozente von der Tür bekommen. Klar, der Veranstalter hat immer ein gewisses Risiko, aber ebenso sollte es auch für die Bands sein. (Klar ist auch, dass wenn echt nur zwanzig Hansel kommen, die Band nicht nur DM 84 bekommen sollte!) Es sind zuviele Aspekte, die beim ganzen Band/Laden/Promoter-Spiel wichtig sind, da will ich hier auch nicht näher drauf eingehen. Es ist doch ganz einfach: Es muß fair sein, und pauschal kann man sagen, wenn die Band nicht gut genug ist Leute anzuziehen, kann sie auch keine hohen Gagen erwarten. No people, no money!
Also, bis 1990 dann, man sieht sich im Land des Lächelns.

Trust #21 – Januar 1990
Wo sind all die Leute? Aber eins nach dem anderen. Ich hab mir vor mehr als fünf Jahren ein Adressbuch angelegt, in das schön brav die Adressen von Freunden, Briefbekanntschaften und Aktivisten in der Szene usw. eingetragen wurden. Fünf Jahre sind eine lange Zeit und mein grünes Büchlein hat viel durchmachen müssen, es war einer der wenigen Gegenstände, die täglich benutzt werden. Kein Wunder also, dass es langsam aber sicher etwas unübersichtlich wurde, da sich bis Ende ‘89 beinahe tausendzweihundert Adressen angesammelt hatten. Natürlich grauste mir schon vor dem Gedanken, das Ding in mein neues Büchlein umzuschreiben, ist ja ‘ne Scheißarbeit. Nun, das Ganze hat mich wesentlich weniger Zeit gekostet als erwartet. Denn in meinem neuen Büchlein sind es nicht einmal zweihundert Adressen geworden, da ich radikal siebte und nur noch die Adressen von Leuten übernahm, die immernoch in regelmäßigem Kontakt stehen oder aber ihre Aktivität nicht aufgegeben haben oder einfach Freunde sind. Jetzt nochmal zu meiner Anfangsfrage zurück, was ist mit all den Leuten geschehen? Ich weiß in 98% der Fälle, dass ich den Kontakt nicht einschlafen ließ. Nun ist es ja nichts neues und man ist es gewöhnt, aber es an einem so krassen Beispiel hautnah mitzubekommen? Was auch immer, Hauptsache es sind wenigstens noch ein paar übrig geblieben. Das beantwortet zwar die Eingangsfage auch nicht, aber was solls.
Sehr gut, nicht mal zehn Weihnachtskarten gingen im Dezember hier ein, ich kann nur sagen »Fuck Christmas«. Auf der anderen Seite waren die drei Weihnachtsfeiertage nicht schlecht, an Hl.(?) Abend hat exakt zweimal das Telefon geklingelt, ein völlig neues Arbeitsgefühl. Am 1.Weihnachtsfeiertag bin ich dann gleich um sechs Uhr aufgestanden und hab losgelegt. Bilanz der drei Tage: Saugut vorangekommen bzw. aufgeholt, weil alle anderen beim Feiern (so wie ihr in Bremen, hallo Tribal und Thorny) oder eben Weihnachten zelebriert haben, obwohl ich mich frag, was das soll. Es gibt da einen Slogan aus Punkrockzeiten, der heißt schlicht und einfach »Fuck Religion«, das gilt für Weihnachten genauso wie die ganze Krishna-Scheiße (oder noch besser: Christian Punks). Verpissen soll sich der Kram, was gefragt ist, ist die Realität.
Wo wir gleich beim nächsten Stichwort wären, Realität. Das ist alles was zählt. Subjektive Einschätzungen sind gut und lustig, aber sobald die störend werden, hab ich keinen Bock mehr drauf. Hab echt bessere Dinge zu tun als mich mit Kinderkacke auseinanderzusetzen, (ich weiß, das hat jetzt wieder jeder verstanden).
Apropos Kinderkacke, da kommt mir diese ganze Bootleg-Geschichte in den Sinn. Voll zum Kotzen, wie die kleinen Kinder, die ihre Klebebilder sammeln und dann tauschen und sich freuen, wenn sie ihr Album zuerst voll haben. Ganz abgesehen davon ist es materialistisch, unfair und egoistisch, ganz das was wir brauchen. Außerdem stört es die Underground-Infrastruktur (denk mal nach warum …). Deshalb mein Wunsch zu diesem Thema, dass irgendeiner auf die schlaue Idee kommt, all die Bootlegs, so wie sie existieren, nachpresst und zwar so viele wie vom ›Markt‹ gebraucht werden. Damit sich die ganzen gierigen Wixer, die Scheiben bunkern, und die Bootlegger, die Kohle machen wollten, in den Arsch beißen. Also hopp, mach mal jemand.
Im übrigen bin ich die nächsten Monate wieder zu Hause. Das heißt, dass in Zukunft wieder alles (hoffentlich) so läuft, wie es laufen soll. Bitte hier auch gleich Unregelmäßigkeiten während meiner Abwesenheit zu verzeihen. Davon abgesehen sind wir keine Zeitschrift, die irgendjemanden ernähren muß. Deshalb machen wir eh was wir wollen.
Ok, das soll genügen. ‘89 war nicht schlecht, ‘90 soll noch besser werden. (Ich könnte natürlich auch schreiben, dass ‘89 schlecht war und ‘90 noch schlechter wird – kommt eben immer drauf an, was man meint, gelle.) Dann stellt sich aber die neue Frage, was macht man wenn es ganz gut (oder ganz schlecht) ist. Fragen über Fragen, ich glaub ich will jetzt als nächstes Astronaut werden.
Trust #22 – März 1990
Napoleon wurde wegen seiner großen Kriege als Held gefeiert und man sprach von Ruhmestaten. Hitler wurde wegen seiner großen Kriege als Verrückter bezeichnet und man sprach von Greueltaten. Obwohl beide in etwa dasselbe taten, nämlich Kriege führten und Menschen in den Tod schickten oder umbringen ließen. Nun, wir sollten froh sein, dass Hitler nicht gefeiert wurde und keiner von seinen ›Ruhmestaten‹ schwärmt – das wäre unglaublich. Dass es aber nicht so ist, zeigt ganz einfach, dass die Menscheit doch fähig ist zu lernen und sich weiterzuentwickeln, zwar sehr langsam, aber immerhin. Das ›Problem‹ ist einfach, wie bestimmte Taten oder Begebenheiten von der Gesellschaft oder vielleicht besser von der Masse definiert werden. War es ›gestern‹ für die Masse noch völlig normal ›Hexen‹ zu verbrennen oder Sklaven zu halten, wird es ›morgen‹ vielleicht genauso normal sein, Metzger für pervers zu halten oder es als krimineller Akt gelten, wenn mensch in der Rüstung/Chemieindustrie arbeitet. Heute ist der Masse klar, dass die Inquisitoren damals pervers waren und unrecht hatten. Wird es in einigen Jahrhunderten genauso mit den Metzgern sein? (Für diejenigen, die schon wieder zuviel mitdenken, der Vergleich ist nicht vergleichend in dem Sinne, einfach zwei zufällig gewählte Beispiele, und ist auch nicht so zu verstehen im Kontext Inquisitor-Frau/Metzger-Tier ja, OK danke). Werden heute noch normale und angesehene Berufe oder Tätigkeiten in einigen hundert Jahren als ›Wie konnte so etwas passieren‹-Geschichten abgehandelt. Wenn Atom-, Gen-, Raumforscher, ja vielleicht sogar Wissenschaftler allgemein die Buhmänner sind? Oder von mir aus Raucher oder Sportler als selbstzerstörende, kranke Produkte der damaligen Zeit belächelt werden. Wird Einbrecher dann vielleicht ein anerkannter Spezialistenberuf sein? Weiß keiner, logisch. War dir eh alles klar – gut! Vielleicht war es einigen aber noch nicht klar und sie können jetzt gewisse Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Jeder sollte für sich selbst definieren und nicht die Definition der Masse (egal wie groß oder klein) übernehmen, insofern das bei der heutigen Manipulation überhaupt noch möglich ist.
Entwicklungen gibt es aber in jedem Fall. Hörte ich von demselben älteren Mann vor ein bis zwei Jahren noch Sachen wie »Die Chaoten sollten alle mal arbeiten gehen, Randalierer, Pack usw.« kamen aus demselben Mund doch tatsächlich nach Auseinandersetzungen in der Hafenstr. Worte wie »Die haben schon recht, die sollen sich nur wehren und sich nichts gefallen lassen«. Na also, es geht voran! Könnte man meinen, doch wenn ich da an die vermeintlichen ›Vollkornbrötchen‹, die ich mir neulich holte denke, kommen mir da schon wieder Zweifel. Leicht dunkle, eingefärbte Weißmehlprodukte als Vollkorn zu verkaufen, ist so ziemlich alles, was mir einfällt. Das geht von Sauerei über Volksverarschung zu gesundheitsschädlich, könnte die Liste noch ewig weiterführen. Furchtbar, so was geht mir voll auf den Sack. Tz, tz, es gibt doch wirklich nichts schlimmeres, als mir falsche Vollkornsemmeln zu verkaufen – oder? … doch, alkoholfreies Bier als normales Bier getarnt, da gehts dann wirklich los mit der Ungerechtigkeit dieser Welt … Mist, jetzt hab ich ja garnichts über die Szene geschrieben, muß wohl an meiner kleinen Erkältung liegen. Vielleicht sollte ich ja mal was über die Szene in Augsburg schreiben – na lieber nicht. Gut, abschließend noch ein Gruß an alle Hasis all over. Wie dem auch sei, man sieht sich im Mai.
Trust #23 – Mai 1990
Jaa, ich weiß, wir sind wieder ›zu spät‹ raus, daran solltet ihr euch aber gewöhnt haben. Ich war zwei Wochen im Krankenhaus und das natürlich genau in dem Redaktionsschluß-Zeitraum – für manche Sachen kann man einfach nichts.
Es fiel auch das Wort Sommerpause, im Moment weiß ich aber nicht ob ja oder nein. Wenn sie an anderer Stelle angekündigt ist, gibt’s eine, wenn nicht, gibt’s vielleicht trotzdem eine – oder eben nicht, lasst euch überraschen.
Diesmal sollte ja auch eine 7“ dabei sein – es wurde geschafft. Wird aber wohl auch einmalig bleiben, aufgrund von Zeit, Kosten, Organisation …
Die Leserumfrage lief sehr gut, bisher sind um die dreihundertfünfzig Rückläufe zu verzeichnen. Die Verlosung wird irgendwann im Mai stattfinden, so dass die Gewinner ihre Preise spätestens im Juni haben werden. In der nächsten Ausgabe werden wir dann auch die Ergebnisse des Polls und der Umfrage veröffentlichen.
So, dann will ich’s mal gut sein lassen und mich erst wieder in der nächsten Ausgabe auslassen. Mir fehlt einfach die Zeit, obwohl da wären ein paar Sachen aus dem Hospital, die bestimmt … Gut, gut, ich hör ja schon auf – bis zum nächsten Mal! Keep rockin.
Trust #24 – September 1990
Sieht ja ganz so aus als kommt das Heft diesmal pünktlich. Kann jetzt aber noch nicht abgeschätzt werden, genausowenig wie die Seitenzahl, also sollte ich die Klappe halten und zum eigentlichen Thema kommen.
Wie ihr sehen könnt, gab es endlich mal wieder einige Leserbriefe, das ist grundsätzlich natürlich zu begrüßen, wenn ich da allerdings die persönliche Meinung (nicht wie viele vermuten eine politische Meinung) einiger Leute lese, weiß ich nicht ob lachen oder weinen angesagt ist. Deshalb hier mal einige generelle Statements (nicht zum Thema Sexismus, oh nein) um gewisse Dinge ins ›rechte‹ (oder wird mir jetzt wieder vorgeworfen ich wäre Faschist, da ich ja was ins ›rechte‹ rücken will) Licht zu rücken – na gut von mir aus auch ins ›linke‹, ihr könnt ja schonmal zu diskutieren anfangen – belästigt mich aber nicht, bevor ihr kein konkretes Ergebnis habt.
Was in letzter Zeit so abgeht gibt mir doch zu bedenken, auf der Hand liegendes Beispiel, die Band NONOYESNO (es gibt natürlich noch massig mehr, D.I., NO FX …). Da hört man immer wieder von Boykottaufrufen, Konzerte werden abgesagt weil die Band sexistisch sei und es wird generell Stimmung gegen sie gemacht. Diese ›politisch‹ motivierten Leute (im Text werde ich jetzt immer ›diese Leute‹ sagen – gemeint sind u.a. sogenannte: Radikale Linke, Autonome, FrauenrechtlerInnen, usw., ihr wisst schon wer – oder?) machen also politische Arbeit, indem sie diese sexistische Bayernkapelle am Spielen hindern – glauben sie. Aber erstens sind NONOYESNO bestimmt der falsche Ansatzpunkt (selbst wenn sie sexistisch wären) und außerdem würde mich mal interessieren, wo die Leute ihre Informationen hernehmen (vielsagendes Beispiel aus Hamburg: Einer dieser Leute: »NONOYESNO sind voll die Schweine, diesen Brief den Tomasso geschrieben hat, etc.« Ich: »Wieso denn, hast du den Brief denn gelesen?« Einer dieser Leute: »Nein, aber jemand der ihn wohl gelesen hat, oder davon gehört hat, hat mir davon erzählt.« Ich: »Aha«). Kennen diese Leute Tomasso denn überhaupt gut genug, um solche Behauptungen aufstellen zu können und sich in die ›Politische Arbeit‹ zu stürzen? Im übrigen ist hier der nächste Knackpunkt, es geht ja wohl nur um Tomasso, aber NONOYESNO sind doch zu viert, kennen diese Leute die anderen drei? Warum scheren sie die alle über einen Kamm? Kennt von diesen Leuten noch jemand die Band, in der Tomasso davor gesungen hat, kennt jemand die Aussage und Texte dieser Band, da gab es mehr Aussage und Lebensgefühl als ich es jemals von einer ›politischen‹ Band in der Brd gehört habe. Nun ja, da sind wir dann doch wieder etwas abgeschweift. Kommen wir also zum ersten Punkt, dem falschen Ansatz. Warum kümmern sich diese Leute um Kleinigkeiten wie NONOYESNO (nehmen wir einfach mal an sie wären sexistisch, wenigstens ein bisschen)? Wohl mit aus einer Ohnmacht, denn es ist immer leichter sich mit einer Maus anzulegen als mit einem Elefanten. Will sagen, die wirklich krassen Sachen spielen sich doch ganz woanders ab, warum wird denn dagegen nicht so massiv vorgegangen? Weil es nicht möglich ist! Wenn nämlich einem z.B. Zuhälter (ich bin übrigens nicht gegen korrekt arbeitende Prostituierte) durch politische Arbeit ins Geschäft gepfuscht wird, dann passiert nicht nichts, sondern man landet mal kurz im Krankenhaus, oder sonstwo. Und diese Leute sollen sich bitte jetzt nicht rechtfertigen, dass Kleinvieh auch Mist macht und da ja irgendwo mal klein angefangen werden muß. Denn außer dem Selbstbefriedigungseffekt haben solche Aktionen kaum Sinn – in jedem Fall nicht im Sinne der Sache. Aber lassen wir mal die Band und dieses spezielle Thema sein, bleibt zu hoffen, dass die Jungs auch in Zukunft in allen Läden spielen dürfen ohne sich irgendwelchen Operationen unterziehen zu müssen. All jenen, die das verhindern wollen, sag ich das, was ich letztes Jahr schon in der Au in Frankfurt sagte, nachdem eine als ›politisch‹ getarnte Aktion ablief. Nämlich NO FX mit Flaschen bewerfen und die PA abzustellen, da brüllte ich wutentbrannt: »Ihr Schwachköpfe, seht ihr denn garnichts, PA abschalten ist genau dasselbe wie Bücherverbrennen – denkt drüber nach!« (war in etwa so, sinngemäß).