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Großer Wendelstein vom Johann-Friedrich-Bau des Schlosses Hartenfels in Torgau (vor der Restaurierung), 1533–36 von Konrad Krebs geschaffen, gilt als eine Hauptleistung der Frührenaissance in Deutschland
Linke Seite: Kurfürst Johann Friedrich mit den Reformatoren, von Lucas Cranach d. Ä. um 1532/39, Holz (Toledo, Museum of Art), Ausschnitt
Moritz ist später ein geschickter Unterhändler bei vielen Verträgen gewesen, der es verstand, seine Verhandlungspartner zu gewinnen. Die größte Wirkung hat sein persönliches Verhandeln gehabt, wenn er Kompromisse suchte. Anderthalb Jahr später schrieb Moritz dem Landgrafen Philipp: Das weiß Gott, dass ich es gern auf allen Seiten gut sehe. In Eisenach und Frankfurt hatte er Gelegenheit, die Bräuche von Ausgleichs- und Vertragsverhandlungen von außen kennen zu lernen. Wo eine Vielzahl von Fürsten beteiligt war, gab es Regeln, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert hatten. Man sprach über Vertragstexte, die vorher konzipiert waren und in den Verhandlungen durch mündliche Voten verändert wurden, die meist auch noch schriftlich übergeben wurden. Es ist nicht anzunehmen, dass Moritz, der sich als künftiger regierender Fürst wusste – mit 16 Jahren galt man in dieser Zeit als regierungsfähig –, kein Interesse für den Ablauf der Geschehnisse gehabt hat.
Moritz wird Luther nur selten persönlich begegnet sein. Nach dem Tode des Kurfürsten Johann 1532, des Vaters von Johann Friedrich, war die ernestinische Familie und damit auch die ernestinische Politik aus der direkten Nachbarschaft Luthers und der Reformatoren in Wittenberg nach Torgau und Weimar umgezogen. Luther war außerdem in den Jahren, die Moritz in Torgau verbrachte, durch die Vertretung des Wittenberger Stadtpfarrers Johann Bugenhagen sehr belastet und in Wittenberg gebunden. Bugenhagen ordnete gerade die Einführung der Reformation im Königreich Dänemark. Luther erzählte später von Pfingsten 1539, dem Beginn der offiziellen Reformation im albertinischen Sachsen, von der Rückfahrt aus Leipzig nach Grimma nichts von Moritz, der mitreiste, sondern vom vertrauten Gespräch mit Herzog Heinrich im Kloster Eicha. Er hörte sich die Klagen Heinrichs über die langen Mühen mit seinem großen Bruder Georg an. Heinrich beklagte damit, ohne seine Frau zu nennen, die Fremdbestimmung seines Lebens. Wie würde der in Eicha abseits stehende Moritz einen eigenen Lebensweg finden?
Die hessische Hochzeit: Moritz und Agnes
Herzog Georg ging 1538 für die Erhaltung des bisherigen Glaubens in Sachsen auf Brautschau für seinen behinderten Sohn Friedrich, das weiß Elisabeth von Rochlitz schon im Mai 1538 zu berichten.18 Georg hat dann Friedrich in der Hoffnung auf Enkel noch im Januar 1539 mit Gräfin Elisabeth von Mansfeld vermählt. Gegen diese Pläne stellte Elisabeth von Rochlitz im Herbst 153819 ein anderes Paar. Moritz sollte Agnes, die Tochter des Landgrafen Philipp, heiraten. Philipp von Hessen würde diesem Plan nicht hart widerstehen können, er war mit einer Tochter Georgs des Bärtigen verheiratet und gehörte zur Verwandtschaft. Schon längere Zeit hatte Elisabeth das für ihren Schützling Moritz erstrebt. Wollte sie ihn in den hessischen Einfluss führen?
Obwohl mit Herzog Georg, Herzogin Elisabeth, Georg von Karlowitz und Landgraf Philipp die einflussreicheren Personen handeln, sind Moritz und seine Mutter Katharina die bestimmenden Figuren auf dem mühseligen Weg zu seiner Hochzeit in Hessen. Zwischen beiden geht es im Grunde nicht um ein Recht der Eltern, den Partner des Kindes zu bestimmen, sondern auf der Seite von Moritz um die Freiheit aus der persönlichen und politischen Vormundschaft der Mutter und auf Katharinas Seite um ihre politische Macht im albertinischen Sachsen, das sie durch ihren müden, alten und vielleicht schon vergesslichen Mann lenken konnte.
Gleichzeitig bestanden in Dresden Pläne, Moritz wieder an den Hof zu bringen und ihm dann einen Aufenthalt am königlichen Hof mit hohem Unterhalt schmackhaft zu machen.20 Die Hochzeit mit einer der Töchter des Königs wurde überlegt. Elisabeth berichtet auch, dass Kaiser und König nicht zu einer Ehe des behinderten Herzogs Friedrich, wie Herzog Georg plante, sondern zur Ehe des Herzogs Moritz rieten. Durch eine Ehe ohne Vollzug könnte Moritz eine Tochter des Königs Ferdinand heiraten. Böhmen würde 50000 Gulden stiften und die noch kleine Tochter des Königs zur Erziehung nach Sachsen geben.
Elisabeth meinte, es wäre das für Johann Friedrich und die Evangelischen nicht gut, dass Herzog Moritz dorthin gezogen würde.21 Sie wollte mit ihrer Hochzeitsvermittlung im Sinne Gottes handeln. Denn sie war sich sicher, dass Herzog Heinrich und seine Söhne bewusst evangelisch waren. Im Herbst 1539 lehnte Herzog Heinrich auch eine königliche Heirat endgültig aus Glaubensgründen ab.
Als Herzog Georgs letzter Sohn einen Monat nach seiner Hochzeit Ende Februar starb, machte Georg von Karlowitz einen Versuch, Moritz nach Dresden zu locken. Er sicherte ihm zu, dass er in seiner persönlichen religiösen Haltung keinesfalls beeinflusst werden solle. Damit setzte er bei Moritz eine evangelische Grundhaltung voraus.22 Man hatte am Hof in Dresden Moritz als direkten Nachfolger von Herzog Georg in Erwägung gezogen, um die bestehende, altgläubige Ordnung zu sichern und das künftige Mitregieren der Landschaft doch zu erreichen. Moritz sollte Elisabeth von Mansfeld, die Witwe des gerade Verstorbenen heiraten.
Auf jeden Fall sollte Moritz wieder seinen Wohnsitz bei Georg in Dresden nehmen. Bei seinem Glauben sollte er bleiben können, aber öffentlich mit Georg die Messe besuchen. Wollte man damit ein Verfahren wieder aufleben lassen, das wohl schon beim ersten Dresdener Aufenthalt 1534 bis 1537 in Brauch war? Man wollte, dass sich Moritz der altgläubigen Ordnung in Dresden einfügte und für seine Umwelt seine evangelische Haltung verlor. Karlowitz versuchte ihn, wie schon gesagt, im März 1539 nach Dresden zu bringen, um ihn zum direkten Nachfolger Georgs zu machen. Auch die Herrschaft Katharinas mit Hilfe von Herzog Heinrich wollte Karlowitz damit vermeiden. Er war einem politischen Handeln in Gegensätzen abhold. In Religionsdingen suchte er noch Anfang 1539 in Leipzig mit einem Religionsgespräch einen Ausgleich zwischen den altgläubigen und den evangelischen Christen.
Herzogin Katharina focht heftig gegen die Pläne Herzog Georgs,23 Moritz zu seinem direkten Nachfolger zu machen. Sie wäre damit von jedem persönlichen Einfluss ausgeschlossen worden. Moritz verwies für die Antwort auf das Angebot von Karlowitz an Kurfürst Johann Friedrich und seinen Vater, von denen er abhängig wäre.24
Für Moritz war der Weg zum Ehebett mit Agnes von Hessen kompliziert. Anfangs waren seine Eltern schon zur Fastnacht 1539 in Freiberg mit dem Abschluss einer Ehe in einiger Zeit einverstanden. Elisabeth von Rochlitz erreichte von ihnen die Zusage, Moritz eine Tochter des Landgrafen Philipp zu geben, wenn diese ihm gefalle. Darauf schrieb Herzogin Elisabeth an Moritz nach Frankfurt, er solle auf dem Rückweg Agnes von Hessen besehen. Gefiele sie, wollte Elisabeth sich weiter bemühen.25 Sie wiederholte damit auch das eigene Schicksal, denn sie hatte als vierzehnjährige Hessin Johann, den achtzehnjährigen Sohn Herzog Georgs, geheiratet.26 Moritz meinte dazu, wenn es zur Heirat führe, wollte er an Elisabeth denken. Und fügte an, was Gott für ihn zu Heil und Wohlfahrt habe und worum er den Allmächtigen bitten wolle, das würde wohl geschehen.27 Leben, Ehe und Gebet gehörten von Anfang an bei Moritz zusammen. Das war später auch in den eigenhändigen Briefen an seine Frau so.
Ob Moritz schon auf dem Heimweg Agnes in Marburg oder Kassel „besehen“ hat, ist nicht festzustellen. Sicher kam Katharina mit ihm im August 1539 nach Hessen, um Näheres zur Ehe zwischen Moritz und Agnes zu klären. Herzogin Elisabeth war zu dieser Zeit ebenfalls in Kassel.28 Zugleich sollte der Erbteil der Landgräfin Christine am Barvermögen ihres Vaters, Herzog Georg, mit der Aussteuer von Agnes verrechnet werden. Die Eheabsprachen erfolgten damals immer zwischen den Eltern, mit zwölf und siebzehn Jahren mussten die jungen Leute nicht gefragt werden. Moritz’ eigenes Handeln bestand darin, dass er sich Agnes 1539 gefallen ließ.
Agnes war aber schon länger mit Erich II., dem Erben von Braunschweig-Kahlenberg, versprochen. Diese Verlobung hat Landgraf Philipp vor der Ankunft Katharinas mit Moritz rückgängig gemacht. Er hat dafür den Kahlenbergern seine Tochter Anna angeboten. An deren Stelle hat sich Moritz’ Schwester Sidonie zu Erich in eine, allerdings bald unglückliche Ehe gedrängt. Obwohl sie zehn Jahre älter war als Erich II., zog sie den Sechzehnjährigen im Marburger Schloss in ihre Arme.29
Das albertinische Sachsen bedeutete für den hessischen Landgrafen und seine Tochter wesentlich mehr als Braunschweig-Kahlenberg. Die miteinander vermittelten Brautleute fanden Gefallen und Freude aneinander, die Bestand hatten. Moritz hatte sich für diese seine erste persönliche Begegnung viel vorgenommen, nur, wenn er von Agnes freundlich und nicht mit Tränen empfangen würde, wollte er die Sache weiter verfolgen. Er fand ein lächelndes Fräulein vor. Nach einem Brief Elisabeths von Rochlitz hat Moritz bei dem Aufenthalt im Sommer Philipp von Hessen die Hochzeit mit Agnes zugesagt.30 Moritz erzählt selbst, dass er in Melsungen an der Fulda die Zusage gab.31 Elisabeth meinte dann, dass Herzog Moritz, was er zugesagt habe, halten werde, wenn er am Leben bleibt.
Schwierig wurde, dass Moritz seit 1539 gegen alle neuen politischen Pläne seiner Mutter bei seinem ersten Entschluss geblieben ist. Er lehnte auch eine vorausgenommene Trauung zur Ehe mit einer königlichen Prinzessin ab. Wenn er getraut wäre, müsste er sich der anderen Frauen enthalten. Deshalb wollte er gleich die richtige Hochzeit haben, denn er könnte über Jahre sonst keine Treue halten. Moritz scheint strenge Grundsätze über die Ehe aus dem altgläubigen Dresden und dem evangelischen Torgau mitbekommen zu haben. Er wollte nicht auf das Heranwachsen eines königlichen Kindes warten.
Katharina benutzte die Ehepläne als Druckmittel gegen die berechtigten Erbschaftsanspüche Christines von Hessen. Als Tochter musste diese beim Erbe am Barvermögen beteiligt werden. Philipp meinte, dass der Anteil seiner Frau ungefähr 50000 Gulden betrage. Katharina suchte die schon abgesprochene Ehe zu hindern, um bei Philipp einen Verzicht auf die Zahlung zu erreichen. Sie verbot Moritz eine Zusage, ehe sie mit Landgraf Philipp über das Erbe verglichen wäre. Elisabeth von Rochlitz meinte, dass nur Katharina die Ehe verhindere.32 Schließlich hätten ihr beide Elternteile lange schon gesagt und auch geschrieben, dass sie Moritz keine andere geben wollten, wenn sie ihm gefiele. Kurfürst Johann Friedrich wiederum war nicht für die Heirat, weil damit Hessen ein größeres Gewicht im Schmalkaldischen Bund bekam.
Moritz war mit all diesen Plänen anderer über ihn immer noch die geschobene Figur im politischen Schachspiel. Herzog Georg suchte durch Moritz den altgläubigen Bestand der Kirche im albertinischen Sachsen zu sichern. Georg von Karlowitz und der Adel wollten sich ihre Mitregierung im Herzogtum sichern, Elisabeth von Rochlitz suchte mit der Vermittlung einer Ehe von Moritz mit der hessischen Nichte zu verhindern, dass dieser zur Ehe mit einer Tochter König Ferdinands bewegt würde. Sie wollte außerdem einer Idee Herzog Georgs begegnen, die Nachfolge vielleicht dem Schwiegersohn Landgraf Philipp anzubieten.
Schließlich wollte Elisabeth persönlich durch einen Besuch in Dresden unmittelbar nach Weihnachten 1539 gegen den Widerstand der Herzogin Katharina zur Ehe vermitteln. Als diese das erfuhr, zog sie mit ihrem gesamten weiblichen Hofstaat zwei Meilen vor die Stadt auf ein Dorf. Moritz ließ sich zwingen, die Mutter zu begleiten, weil diese sonst ein Vierteljahr oder länger mit ihm kein Wort mehr geredet hätte.33
Elisabeth wollte sofort wieder kehrtmachen, weil dieses Verhalten für beide Fürstinnen beschämend wäre. Aber Hans von Heinitz, ein herzoglicher Rat, vermittelte. So bat Herzog Heinrich Elisabeth, für eine Unterredung am nächsten Morgen zu bleiben. Er konnte sie aber nur in einem für fürstlichen Besuch ungeeigneten, sehr engen Zimmer unterbringen. Elisabeth schreibt dazu ihrem Bruder: Ich hort auch sagen, dey hertzgen solt yern soun darumb vor mir geflogett haben, das sey sorge het, ich oberret yn zu etwas meins leybgutz halben, auch der heurezt halben; zum andern das ich ein hemlichen koundragk mit ym mach, des erbest halben, das er solt keyn egeld fortter von Dir zu den 20000 Gulden, dey sey Dir geben. Es soll gewist sein; hatt auch gesaget, ich hetz yn auf sey.34 Elisabeth hatte besonders Moritz treffen wollen. Er entschuldigte sich danach bei Elisabeth. Sie sollte auf ihn nicht zornig sein, es wäre alles ohne seine Schuld geschehen. Er hätte es tun müssen.35
Die Ablösung von der Mutter und dem unter ihrer Lenkung stehenden Vater wurde ein schwieriger Prozess, in dem Moritz ab 1540 aber eigenständig handelte. Er erreichte im Februar vom Vater, als dieser allein ohne Katharina nach Freiberg ritt, die Genehmigung, um Pfingsten nach Hessen zu reisen. Heinrich stand auf der Seite von Moritz. Schon nach der Sommerreise 1539 hatte er Moritz bezüglich Agnes gefragt: Kriegen wir sie, oder kriegen wir sie nicht?36
Philipp von Hessen suchte ab 1539 in sein eigenes Verhalten Ordnung zu bringen. Als bewusster Christ vermochte er seine sexuelle Freizügigkeit nicht mehr mit der evangelischen Ethik zu vereinbaren. Er hielt sich deshalb zeitweise für unwürdig, am Abendmahl der Gemeinde teilzunehmen. Dazu war er für die siebzehnjährige Margarete von der Sale, eine Hofdame seiner Schwester Elisabeth, entflammt, deren Mutter jedoch eine Ehe, nicht nur ein Konkubinat ihrer Tochter mit dem Landgrafen forderte. Dieser kam auf den Gedanken, eine geheime Nebenehe mit der jungen Dame zu führen, da das nach dem Alten Testament möglich sei. Nach großem Druck vonseiten Philipps gaben Luther und auch Melanchthon mit sehr schwerem Herzen am 10. Dezember 1539 den geheimen Beichtrat, der Landgraf könne eine solche Nebenehe führen. Aber diese Geheimehe, die nach außen als fürstliches Konkubinat gelten sollte, kam ins geheime Gerede. Bigamie stand im deutschen Recht unter Todesstrafe.
Als dann das Gerücht der Doppelehe durchdrang, meinte Katharina, sie könne nun die Zahlungen aus der Erbschaft gänzlich sparen, weil Landgraf Philipp als Bigamist gegen das Reichsrecht gehandelt habe und deshalb die Summe nicht mehr vor dem Reichskammergericht einklagen könne. Statt der Werbung um Agnes wollte sie von Moritz, dass er exakte Kunde über die Doppelehe aus Hessen zurückbrächte.
Moritz aber wurde von Philipp ganz offen persönlich unterrichtet. Darauf brachte er seine Werbung um Agnes vor. Die Eltern gestatteten beiden eine ganz persönliche Unterredung. Nur von fern sahen sie ihnen zu.37 Als die jungen Leute miteinander einig waren, wurde die Ehe nunmehr von den Eltern und Moritz fest zugesagt.
Nach seiner Rückkehr musste Moritz den Tatbestand der zweiten Ehe des Landgrafen zugeben. Er hatte in Hessen der Nebenfrau Margarete von der Sale einen offiziellen Besuch gemacht und Philipp versprochen, sich um die Sicherheit von deren Mutter zu bemühen. Moritz’ Eltern holten aber die Mutter zwangsweise zu einem Verhör nach Dresden. Katharina verbreitete dann die Tatsachen über Philipps Moral an deutschen Fürstenhöfen.
Schrittweise bekannte Moritz den Eltern seine feste Ehezusage an Agnes. Katharina lehnte die Ehe völlig ab. Heinrich meinte, man könne unter diesen Umständen keine nähere Verwandtschaft eingehen. Moritz, der sich seiner Neigung sicher war, schrieb zwischen allen Stühlen, es weis got, das ich es gerne auff allen seitten gut sege (sehe).38 Moritz war sich aber sicher, er wosste um der 10000 gulden (weder) E. F. Gn. (Landgraf Philipp) noch das freulein (Agnes) zu verlassen.39
Katharina, dieweil I. F. Gn. Alles unter handen hatte, wollte nicht, dass Moritz als Vertreter seines Vaters zum Reichstag zog. Moritz durfte auch nicht den Kurfürsten Johann Friedrich aufsuchen. Er musste den väterlichen Hof nach Schlesien begleiten. Philipp drängte auf Erbschaft und Vollzug der Ehe. Katharina und die ihr ergebenen Hofräte unter Anton von Schönberg suchten vor dem nahen Beginn von Moritz’ Herrschaft ihre Position zu verbessern.
Auf Anfrage riet Kurfürst Johann Friedrich, Moritz solle einer umfänglichen Erhöhung des Wittums für Katharina um 3000 Gulden und einer Teilung des albertinischen Staates zwischen ihm und seinem Bruder August durch ein Testament des kranken Vaters nicht zustimmen.40
Moritz drängte über Wochen hin auf Erlaubnis zur Reise nach Hessen. Schließlich erklärte er dem Vater, dieser habe immer gesagt, er solle eine nehmen, die ihm gefiele. Ihm gefalle nun des Landgrafen Tochter. Im Juli hatte Moritz das „lebliche“ (muntere) Frauenzimmer grüßen lassen.41 Er habe in seinem Herzen beschlossen, sie und keine andere zu haben. Darauf meinte Heinrich schließlich, dann sei er auch damit zufrieden. Danach bat Moritz durch den obersten Rat Katharinas, Anton von Schönberg, seinen Vater um Urlaub nach Hessen. Heinrich stimmte zu, doch solle Moritz erst Weihnachten und die Taufe des Sohnes seiner Schwester in Dresden abwarten, bevor er abreise.
Mutter Katharina aber war mit der Haltung des Sohnes nicht zufrieden. Sie hatte Moritz schon im Sommer vorgeworfen, dass er nicht gern bei den Eltern sei. Ja, er wolle sich wohl zu einem Absalom machen lassen, dem Sohn, der seinen Vater König David verriet. Sie lehnte die Abreise ab. Aus der Zusage des Vaters wurde wieder ein schweigendes Abwarten. Wahrscheinlich war für Katharina auch schwierig, dass der erstgeborene Sohn, der Ende 1532 als noch Elfjähriger Freiberg verlassen hatte, 1539 als fast erwachsener junger Mann zurückkam, der sich nicht mehr allein vom Wort der Mutter lenken lassen wollte. In der Zwischenzeit hatte sie ihn immer nur vorübergehend auf Besuch gesehen.
Moritz zerschnitt schließlich den Knoten. Er schrieb dem Vater, es hinge für ihn auch Ansehen und Leumund als sächsischer Fürst daran, dass er reite und sein Eheversprechen einlöse.42 Er reiste von Dresden nach Mügeln, das zum Reichsterritorium des Bischofs von Meißen gehörte. Dort fühlte er sich wohl etwas sicherer als im albertinischen Gebiet. Ein Brief Katharinas wurde ihm sofort nachgesandt. Der Vater sei, wenn Moritz zurückkäme, grundsätzlich für die Ehe. Andernfalls sündige Moritz gegen Gott. Die Abreise könne den Vater unter die Erde bringen, und Moritz verliere außerdem die Gunst von Vater und Mutter.43 Moritz antwortete, die Mutter habe ihn vielfältig auf die Verlobung hin geleitet. Er tue, was christlich und ehrlich sei und könne dadurch die Gunst der Eltern nicht verlieren.44 Die Mutter kündigte ihm in scharfer Antwort bei Vollzug seiner Ehe die zeitliche und wohl auch ewige Strafe Gottes an, wegen des Verstoßes gegen die auch von Luther gepredigte Ordnung und gegen das Vierte Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“.45

Moritz und seine Gemahlin Agnes, Gemälde von Lucas Cranach d. J., auf Lindenholz, 1559
Moritz war, nachdem er die knapp dreizehnjährige Agnes gesehen hatte, bei seiner Zusage aus dem Sommer 1539 geblieben. Vorher hatte er auf die Pläne Herzog Georgs aufschiebend und abweisend geantwortet. Er wollte evangelisch bleiben. Nun wollte er ohne großen Aufschub heiraten und an beidem trotz der ganz anderen Interessen seiner Mutter, der Stände und der Altgläubigen festhalten. Er machte sich auf seinen selbstständigen Weg.
Moritz reiste nach Hessen, obwohl durch Katharina noch Räte in Leipzig und in Weißenfels aktiviert wurden, um ihn aufzuhalten. Er bat in Marburg Landgraf Philipp am 9. Januar 1541 dringend um den sofortigen Vollzug der Ehe. Philipp versuchte zusammen mit seiner Gemahlin, den überstürzten Vollzug der fest beschlossenen Ehe um einige Zeit aufzuschieben, er konnte aber bei Moritz nichts erreichen.46 Dieser schrieb zugleich aus Marburg an Katharina, er habe nicht als ungehorsames Kind gehandelt, sondern zu dieser Ehe wäre er, wie öffentlich bekannt, vom Vater und ganz besonders von der Mutter so weit bewegt worden, daß wir als ein gehorsames Kind darein gewilligt und demnach soweit eingelassen, dass wir niemals nicht zurück mögen.47
Philipp war von Katharina vor der unordentlichen, ungöttlichen Ehe seiner Tochter gewarnt worden. Er nahm jedoch Moritz in Schutz und wunderte sich, dass sie nun das ablehne, was sie gefördert und niemals widerrufen hatte.48 Am 11. Januar 1541 wurde das junge Paar in Marburg wohl in der Elisabethkirche getraut, ohne jede Einschränkung auf eine nur rechtliche Ehe. Moritz ist damit sicher der erste Mann, den Agnes kannte. Sie war bei der Hochzeit nicht ganz 14 Jahre alt. Wie weit sich Moritz zu dieser Zeit schon dem anderen Geschlecht zugewandt hatte, wissen wir nicht. Die Marburger Hochzeit wird ohne jeden öffentlichen Glanz gewesen sein. Fürstenhochzeiten sind sonst lange geplante, über Tage dauernde Feste gewesen. War Moritz so sehr unter Druck? Hat Philipp seine politische Basis erweitern wollen? Fürchtete Moritz ein Kommen seiner zungenfertigen Mutter Katharina? Nur Tatsachen konnten sie bremsen!
Danach war Moritz mit zwanzig Jahren in seinem persönlichen Leben eine eigenständige Person. Viel länger dauerte es, bis er auch als Landesfürst selbstständig und frei von den Wünschen anderer zu entscheiden lernte. Moritz war Anfang 1541 eine allseits begehrte Figur im politisch-konfessionellen Spiel. Die Mutter Katharina, der Onkel Georg, der Vetter Johann Friedrich, die sächsischen Stände, Elisabeth von Rochlitz, der Landgraf und sogar König und Kaiser wollten durch seine Person ihre Pläne erreichen. Moritz aber ließ sich wohl von der ihm vertrautesten Person, Elisabeth von Rochlitz, und dann von Landgraf Philipp beraten. Er wollte seinen selbstbedachten Lebensweg gewinnen, das musste ihn immer wieder von anderen trennen.
Leider schloss Philipp, als seine Doppelehe allgemein bekannt wurde, einen Vertrag mit dem Kaiser am 13. Juni 1541 in Regensburg, der ihn vor der Reichstrafe wegen Bigamie bewahrte. In diesen Vertrag zog er Moritz mit hinein. Moritz folgte seinem Schwiegervater, durch den er gerade ein eigenes Leben gewonnen hatte. Er ratifizierte diesen Vertrag, der ihm wohl nur vorgelesen wurde, in einem eigenen Brief an den Kaiser am 23. Juni 1541 vom hessischen Friedewald aus, den Herzog Georgs Kanzler Pistoris entworfen hatte.49
Der wirkliche Grund für die Mühen, die Moritz mit seiner Mutter Katharina und durch sie mit dem Vater 1540/41 hatte, sind weder die Erbschaft noch Philipps Doppelehe, sondern der feste Wille der Herzogin, weiter an der Macht zu bleiben. Sie suchte die Ehe ihres Sohnes zu verhindern, mit der sie ihren Einfluss auf den Sohn verloren hätte. Katharina schrieb an Landgraf Philipp, dass ein Kind das höchste Gut wäre, das einem Mann von Gott auf Erden gegeben würde, deshalb dürfte Philipp Moritz nicht zum Ungehorsam gegen die Eltern führen. So redete sie von sich durch die Person ihres Mannes.50 Sie wollte mit Moritz nicht ihren politischen Einfluss verlieren. Nachdem er die Nachfolge des verstorbenen Vaters angetreten hatte, bemühte sie sich, die bisher bewohnten Gemächer der regierenden Herzogin im Dresdner Schloss zu behalten und nicht an die junge Agnes abzutreten. Als die hessischen Räte, die Moritz im Namen des Landgrafen bei Regierungsbeginn halfen, das verhinderten, verließ sie wütend Dresden und nahm ihren Witwensitz im Freiberger Schloss ein.
Es gibt einen schmalen Band von originalen, ganz persönlichen Briefen im Dresdner Archiv, der nur Briefe von Moritz an Agnes enthält, aber keine Antworten von Agnes. Diese Moritz-Briefe sind vermutlich bei der Übersiedlung von Agnes aus Dresden in den Witwensitz nach Weißenfels und dann nach Weimar mitgenommen worden. Wohl erst durch die Reichsacht gegen Johann den Mittleren sind sie mit anderen Aktenbänden aus dem ernestinischen Archiv wieder nach Dresden gekommen. Johann Jenitz, der Geheimsekretär von Kurfürst August, hielt vielleicht Moritz betreffende Briefe, den er nur als Vorspiel zu dessen Nachfolger sah, ohnehin nicht für sehr wichtig. Es gibt in Hessen im Marburger Archiv mehr Briefe von Moritz als in Dresden.






