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Der Anfall der landwirtschaftlichen Arbeit im Verlauf des Jahres war und ist ungleich, das Agrarjahr weist eine ausgesprochene Saisonalität auf. Dies ist noch ausgeprägter in den Ackerbauregionen zu beobachten, gilt im Grundsatz aber auch für unsere Gebiete, abgesehen davon, dass die Stallarbeit, wie vorstehend beschrieben, jeden Tag gleichmässig anfällt. Wie bewältigte man die Arbeitsspitzen zeitlich, was machte man, wenn es saisonal bedingt wenig Beschäftigung gab?
Die einzige ausgesprochene Arbeitsspitze im Grasbaugebiet stellt die Futterernte, das Heuen, dar. Sie fällt fast immer in den Juni. Ihr folgt etwas später eine zweite Ernte im Hochsommer, das Emden. Schliesslich kommt meist noch eine dritte, kleinere im Herbst hinzu. In dieser Jahreszeit, aber auch schon im Sommer, können sich ferner Arbeitsspitzen ergeben, wenn, wie in Obwalden, zusätzlich Obstbau betrieben wird: Die Früchte müssen geerntet, sortiert und in vielfältiger Form weiter verarbeitet und konserviert werden.
Die strenge Zeit des Heuens – für Details der Arbeitsvorgänge kann auf Fuchs verwiesen werden60 – begann mit Frühaufstehen, noch früher als für die Stallarbeit, nämlich in der ersten Morgendämmerung um 4 oder gar schon um 3.30 Uhr. Es war immerhin die Jahreszeit mit den längsten Tagen und daher früh hell. Das Schneiden des Grases war Männerarbeit, nachher gingen sie in den Stall. Für die weiteren Arbeiten der Trocknung (Worben, Wenden, Mahden machen, Heinzen aufschichten usw.), die wegen der nie sicher voraussehbaren Wetterlage möglichst rasch erfolgen musste, wurde die gesamte abkömmliche Familie eingesetzt: Frauen und Kinder, eventuell weitere Verwandte und Bekannte unter den Nichtbauern. Soweit nicht bereits Ferien waren, versäumten Bauernkinder dabei nicht ungern sogar die Schule, ein Verschulden, das damals vermutlich noch der häufigste Konfliktpunkt der Eltern mit den Lehrern war. Die Männer fanden sich nach Erledigung der Stallarbeit sofort wieder auf dem Feld ein. Unter dem hohen Arbeitsdruck versuchte man, bei den übrigen alltäglichen Tätigkeiten etwas Zeit einzusparen. Viele Bauern gingen in dieser Zeit bei der Stallarbeit etwas rascher und flüchtiger als sonst vor. Insbesondere unterliess man gerne das Putzen der Tiere. Auch im Hause liess man den alle Tage anfallenden Schmutz für einmal grösstenteils liegen und beschränkte sich beim Kochen noch mehr als sonst auf einfache Gerichte. Alle übrigen nicht unbedingt notwendigen Hausarbeiten verschob man auf kommende Schlechtwettertage. Selbst die täglichen Gebete wurden teilweise unterlassen und dem beruflich dafür zuständigen Personal, insbesondere Nonnen und Mönchen, zugeschoben. «Man lässt die Kapuziner beten» meinte ein Gewährsmann dazu.61 Auch der Sonntag musste bei ungünstiger Witterung für das Einbringen des Heus – dies wiederum grösstenteils Männerarbeit – herhalten. Auf die dazu notwendige kirchliche Dispens wird später noch eingegangen.62 Im Übrigen holte man an diesem Tag den an den Werktagen zu kurz gekommenen Schlaf nach. Konnte doch das Heuen einen Zwölf- bis Vierzehnstundentag bedeuten!
Zeiten mit wenig Arbeit waren einerseits die monatelange Winterruhe und andererseits die kürzeren relativ ruhigen Perioden in den übrigen drei Jahreszeiten, insbesondere während des Heranwachsens des Grases zwischen dem Düngen im Frühling und dem Heuen im Frühsommer. Irgendetwas gab es immer zu tun, sagten zwar einige Interviewpartner (vermutlich die besonders fleissigen). Im genannten Zeitraum zwischen den absolut notwendigen Tätigkeiten reparierte man insbesondere die Lattenzäune. Man nahm Bodenverbesserungen vor: Unkraut («Blacken») war zu beseitigen, die von den Kühen bei nassem Wetter in den Boden getretenen Löcher zu stopfen, kleinere Rutschungen nach ausgiebigem Regen wieder zu sichern, gegebenenfalls Steine zusammenzulesen.63 Besonders eifrige und sorgfältige Bauern suchten Unebenheiten auf ihren Bodenflächen zu beseitigen, sammelten trockene Kuhfladen zur gezielten Wiederverteilung und nahmen sogar grössere Dränierungen in Angriff. Es gab zwar Klauenschneider im Nebenberuf, viele Bauern besorgten diese regelmässig anfallende Arbeit an den Tieren aber auch selber. Einige kümmerten sich um entferntere Heimweiden oder gingen nach der Schneeschmelze für Ausbesserungs- und Vorarbeiten bereits kurz auf die Hochalpen. Obstbauern mussten sich der Schädlingsbekämpfung widmen.64 Im Herbst schnitt man Riedgras oder sammelte Laub für die Einstreue.
Die Winterruhe war, wie überall, den Arbeiten im Wald gewidmet. Im Appenzellischen begannen sie die Bauern gelegentlich bereits im Herbst, um nicht in der grössten Kälte draussen arbeiten zu müssen, und führten im hohen Winter nur noch die Transporte aus.65 Wenn man keinen eigenen Wald besass, so konnte man in den Korporationsund Staatsforsten Arbeit finden. Besonders für die Transporte zu den Verbrauchsstellen (Sägereien oder Brennholzaufbereitung) arbeitete man oft für andere Waldbesitzer. Etwas weniger Bedeutung als anderswo (besonders in den Inneralpen) hatte der mit Schlitten erfolgende winterliche Transport von Heu aus entfernter gelegenen Stadeln. Einmal wurde erwähnt, dass man darauf geachtet habe, dass die Kälber im Winter geboren wurden, wo man eher für sie Zeit hatte.66 Selbstverständlich konnte man auch im Haus etwas reparieren oder verbessern. Diese Tätigkeit wurde aber kaum erwähnt.67 Von einigen befragten Bauern in Innerrhoden wurde im Gegenteil die Winterruhe betont: Zwischen den beiden fixen Zeiten der Stallarbeit sass man einfach auf dem Sofa oder beim Ofen in der Wohnung, las ausgiebig Zeitung, rauchte die Pfeife, schaute zum Fenster hinaus oder jasste mit anderen. Auch hier kam also wieder die Mussekomponente zum Tragen. Nicht wenige Bauern allerdings suchten einen Nebenverdienst, ja waren darauf angewiesen. Diese Möglichkeiten sind nun im Folgenden zu prüfen.
2.7

Abgesehen von den reichen Grossbauern wäre es für die hauptberuflichen Landwirte – und nur von diesen ist hier die Rede – nahegelegen, vor allem in den ruhigeren Zeiten des agrarischen Jahres einen Nebenverdienst zu suchen, um die fast immer ziemlich knappe Bargeldkasse aufzubessern. Dem stellten sich allerdings einige Hindernisse in den Weg. Wie allgemein bekannt und auch von nicht wenigen Interviewpartnern betont, war der Bedarf an ungelernten Arbeitskräften begrenzt; eine berufliche Zusatzausbildung für Bauernsöhne lag aber damals jenseits der Vorstellungen. Einige der zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten waren nur im Sommer möglich, womit sie aber unter Umständen mit der bäuerlichen Arbeit kollidierten. Zu denken ist beispielsweise an die notwendigen Säumerdienste zu den zahlreichen Bergwirtschaften im Alpstein.68 Auch als Handlanger auf dem Bau zu arbeiten war nur in der schönen Jahreszeit möglich. Diese Tätigkeit wurde aber ohnehin als sozial eher diskriminierend empfunden und wenn möglich vermieden;69 auch wurde bis in die 1950er-Jahre hinein allgemein recht wenig neu gebaut. Ziemlich beliebt war bei den Appenzeller Bauern auch noch einige Zeit nach dem Krieg das Torfstechen in den Moosen von Gonten und Eggerstanden; es konnte aber auch nur erfolgen, wenn der Boden nicht gefroren war. Andere mögliche Nebenverdienste fielen für die meisten mangels der dazu nötigen Hilfsmittel aus. Für grössere Transporte – an und für sich eine beliebte Nebenerwerbstätigkeit – brauchte man Pferde, welche aber Kleinbauern nicht besassen.70 Fremdes Vieh aus dem Unterland gegen eine entsprechende Entschädigung auf seiner Alp zu sömmern setzte eine bestimmte Grösse der Alpweiden voraus, die bei kleinen und mittleren Bauern nicht zu erwarten war.
Es gab aber auch mentale Hindernisse gegen Nebenverdiensttätigkeiten, welche offenbar in vielen Fällen den potentiellen materiellen Vorteil überwogen. «Man war nicht mehr ein Bauer, wenn man sonst noch arbeiten ging», so drückte sich ein Innerrhoder unmissverständlich aus.71 Eher schränke man seine Bedürfnisse ein. Auch das Vieh liess man nicht gern länger aus den Augen, es könne ihm ja während der Abwesenheit etwas passieren.72 Einige meinten, man hätte sowieso überhaupt keine Zeit gehabt für andere Arbeit. Dieses Argument war aber, wie wir gesehen haben, mindestens für den Winter etwas vorgeschoben. Welche Möglichkeiten hatte man effektiv in dieser Jahreszeit, ausser der Waldarbeit? In Obwalden nahmen Bauern nicht selten stundenweise einfache nachgelagerte Arbeiten im Holzgewerbe an, zu Hause mit dem Herstellen von Schindeln und anderen einfachen Artikeln aus Holz, dann in Sägereien und Zimmereien, eventuell in den Parkettfabriken und Schreinereien. In Engelberg konnte man Arbeit im Zusammenhang mit dem schon stark entwickelten Wintersport finden, bei Seilbahnen und Skiliften. Die Schneeräumung der Strassen wurde nicht selten von Bauern besorgt – allerdings wurden dazu meistens Pferde gebraucht. Auch sonst nahmen Bauern Arbeiten im Strassenunterhalt an73 – es waren dies zumindest Tätigkeiten an der frischen Luft. Es gab solche, die nebenher als Klauen- und Schweineschneider oder als Störmetzger zu einem Zusatzeinkommen kamen. Einige versuchten ihr Glück im Handel mit Kleinvieh. Kaum verbreitet war, wie männliche Heimarbeit überhaupt, in unserer Untersuchungsgegend das Schnitzen und Herstellen von feineren Holzartikeln (etwa Spielzeug).74 Und insgesamt waren, um es nochmals zu betonen, die Möglichkeiten zu einem Nebenerwerb sehr begrenzt.
Ganz anders verhielt es sich bei der weiblichen Heimarbeit, insbesondere der Handstickerei in Innerrhoden.75 Von den meisten Interviewten, Männern und Frauen, wurde sie als wichtig, ja absolut notwendig für das Familieneinkommen angesehen, nur vereinzelt als blosser Zusatzverdienst gewertet. Der Zwang zum Sticken ergab sich natürlich vor allem bei sehr kleinen Landwirtschaftsbetrieben, bei vielen Kindern oder nicht sehr fähigen Ehemännern. Die Löhne aus der im Allgemeinen schlecht bezahlten Arbeit wurden vor allem für den Kauf jener Lebensmittel verwendet, die man nicht selber produzierte. Die Handstickerei hatte zwar 1945 ihre Blütezeit längst hinter sich. Schon der Ausgang des Ersten Weltkriegs und dann die Weltwirtschaftskrise hatten massive Absatzeinbrüche gebracht, umso mehr als sich auch die Mode änderte. Um 1950 beobachtete man nochmals eine kurze Konjunktur; damals soll es noch 1500 Heimarbeiterinnen gegeben haben, weit mehr als die Hälfte aller Bauernfrauen.76 Nach 1955 folgte indes der endgültige Absturz. Es wurden keine Stickereikurse mehr durchgeführt, die Stickereizentrale, welche die Schutzmarken ausgab, 1970 geschlossen. Die teils ausgefeilten Techniken gingen verloren und Wiederbelebungsversuche jüngeren Datums haben eher folkloristischen Charakter. Teils gab man den ehemaligen Stickerinnen einfachere und noch schlechter bezahlte Arbeiten («Fädelen», Roulieren) für die Herstellung von Taschentüchern77 als Ersatz mit nach Hause.
Das Sticken der Frauen fand in der Stube statt und wurde mit künstlichem Licht mittels spezieller Beleuchterkugeln teils bis spät in die Nacht hinein betrieben.78 Die Töchter lernten das Metier bei der Mutter, ausserdem gab es Kurse mit Prüfungen. Diese Tätigkeit passte gut zur appenzellischen landwirtschaftlichen Ökonomie. Die meist kleinen Betriebe benötigten nicht zwei vollzeitliche Arbeitskräfte. Die Frauen wurden, wie oben erwähnt, in der Regel nur zu Hilfsarbeiten oder beim Heuen beigezogen. Auf gröbere Arbeiten sollten sie ohnehin verzichten, denn sonst wären ihre Hände zur feinen Stickarbeit nicht mehr fähig gewesen. Weil das Sticken Priorität hatte, kultivierten die allermeisten Frauen auch keinen eigenen Garten. Ebenso machte die Kochkunst der Bäuerinnen in Appenzell keine Höhenflüge, es musste rasch und einfach vor sich gehen. Nur die Religion setzte dem Arbeitseifer Grenzen. Messbesuche, Andachten, die brauchtümlichen Gebete (vor allem der Rosenkranz), der ausgedehnte Totenkult und Wallfahrten schufen Freiräume. Und selbstverständlich durfte an Sonn- und Feiertagen nicht gestickt werden.79 An Werktagen aber konnte, alle Tätigkeiten zusammengenommen, auch für die Frauen nicht selten ein Arbeitstag von 12 bis 14 Stunden resultieren. Indessen hatte das Sticken auch eine gesellschaftliche Komponente: Es wurde nämlich vielfach gemeinschaftlich ausgeführt, und man konnte sich dabei unterhalten, gewissermassen das weibliche Gegenstück zu den geschilderten männlichen Mussestunden.
In Obwalden war die Zusatzarbeit der Frauen weniger wichtig, weil sie ja eine grössere Rolle bei der Selbstversorgung mit Lebensmitteln spielten. Eine gewisse Parallele zur Stickerei stellte dort aber das «Hüetlen» dar.80 1892 hatte ein Auswärtiger in Sarnen einen Betrieb zur Herstellung von Strohhüten gegründet. Diese wurden zunächst von Frauen in Heimarbeit angefertigt. Später wurde die Herstellung weitgehend in der Fabrik konzentriert und mechanisiert. Frauen und auch Männer arbeiteten dort im Schichtbetrieb. Nach 1945 ging es auch hier bergab, ebenfalls unter dem Diktat der Mode. 1974 erfolgte die Schliessung des einst wichtigsten Industriebetriebes in Obwalden, der auf dem Höhepunkt in der Zwischenkriegszeit noch rund 600 Personen beschäftigt hatte und auch von den Interviewpartnern bei der Frage nach einem Nebenerwerb immer zuerst genannt wurde. Eine Heimarbeit der Frauen erfolgte sonst nur partiell, vorwiegend im Textilsektor. Im Zweiten Weltkrieg waren es häufig Militäraufträge, die dann nach dem Frieden natürlich wegfielen. Ziemlich verbreitet war die Störschneiderei. In Engelberg strickten Frauen Sportartikel.81 Dort und ebenso in Appenzell gab es für Frauen selbstverständlich auch Arbeitsplätze im Tourismus (Service in Gasthäusern, Arbeit in Hotels). Die Arbeit im Service wurde von der Geistlichkeit wegen der in ihren Augen moralischen Gefährdung kritisch betrachtet.82
Anmerkungen
1 Vgl. 1.3 und die dort erwähnte Literatur.
2 Durchschnittswerte sagen wenig aus, weil die Streuung gross ist und auch das Pachtland mitberücksichtigt werden müsste. Es gab auch Nebenerwerbsbetriebe von weniger als 1 ha.
3 Zur Zauntechnik noch Enq 365; Fuchs, 76f. (mit Abb.).
4 Dazu ausführlich Inauen J., Heimweiden.
5 Schmidli, 43ff. Vgl. zur Alpwirtschaft daneben noch Fuchs, 166ff.
6 Obwaldner Heimatbuch, 303ff.; Müller; Rohrer.
7 Hess. Zum Alpwesen im inneralpinen Raum Mathieu, 234ff. Im Berner Oberland existierten die verschiedenen Typen nebeneinander.
8 Dieser Kult um das Rindvieh war zweifellos in AI ausgeprägter als in OW. Zu den Viehschauen Fuchs M. Zur früher wichtigen Unterscheidung von Sennen und Heubauern, welche nur Vieh hielten, bzw. nur Heu produzierten, vgl. Inauen J., Heimweiden.
9 Allg. Moser/Brodbeck.
10 Dies war schon vor der in den 1960er-Jahren propagierten Politik der «inneren Aufstockung», welche auch anderswo eine massive Zunahme der Schweinebestände mit sich brachte, der Fall. Bereits 1951 überstieg in AI die Anzahl der Schweine diejenige der Rinder leicht, während sie in OW nur etwa die Hälfte betrug.
11 Zu meiner Jugendzeit noch viel erwähnt; zit. auch bei Fuchs, 133.
12 Dies gilt natürlich nur für die hauptberuflichen Landwirte, bei nebenberuflichen ergab sich von selbst eine wesentlich veränderte geschlechtliche Arbeitsteilung. Dasselbe gilt für die südalpinen Regionen durch die dort häufige saisonale Abwesenheit der Männer.
13 Auch die Bauernseelsorger warnten davor, die Frauen körperlich überzubeanspruchen. Wäspi, Bauernseelsorge, 266.
14 AI M. I.; M. W.
15 Weiss, 310.
16 Schmid, 45.
17 Fritzsche, 21f., 23f., 179.
18 Ein Beispiel mit 17 Kindern aus Engelberg bei Furrer, 34ff. Vgl. auch Witzig, 206 und 247.
19 Hersche, 214ff.
20 Vgl. 9.6.
21 AI M. W.
22 Vgl. 3.6.
23 Dies weil die Grundstücke im Talgebiet ja in aller Regel umzäunt waren.
24 Ebel, 149. Die Feststellung z. B. in PB Eggerstanden 1952 und PB Haslen 1956. Vgl. zum Topos Fuchs M., 16.
25 Vgl. 9.4 und 9.5.
26 Laur, 204. Noch etwas höher war der Anteil im Wallis, Tessin und Lugnez, etwas niedriger im Luzerner Hinterland. In den klassischen Korngebieten fiel er auf weniger als 80 %. 1950 betrug der Anteil der familienfremden Arbeitskräfte in AI 9 %. Schmidli, 40. Die statistischen Zahlen geben aber keinen Aufschluss darüber, wie gross dabei der Anteil der Verwandten, also immerhin «familiennaher» Personen, ist.
27 Fuchs, 26. Etwas grösser waren die Unterschiede in Ausserrhoden.
28 Früher auch Sennen.
29 Dabei konnte dies unter Umständen wegen der auszuzahlenden Löhne das gesamte Betriebsergebnis merklich schmälern, sodass unter dem Strich oft gar nicht viel mehr als bei Durchschnittsbetrieben herausschaute.
30 Vgl. 3.6.
31 Gerade diese Funktionen – für die man ja gewählt werden musste – könnten aber dazu geführt haben, dass man den höheren sozialen Rang nicht allzusehr herausstrich, um die Neidgefühle der weniger Glücklichen im Rahmen halten zu können. Ein mir in OW geschildertes Beispiel (M. W.), wo ein reicher Bauer in seinen Wäldern Arbeitende mit Wasser und trockenem Brot abspeiste, sich selber aber an den Speckseiten, die bei ihm reichlich im Kamin hingen, gütlich tat, dürfte vereinzelt sein.
32 Beim Essen konnte man vor allem auf Fleisch verzichten, beim Trinken auf Alkohol und den Wirtschaftsbesuch überhaupt. Bei den Kleidern und Schuhen schonte man die vorhandenen schöneren Stücke, indem man sie nur am Sonntag trug. Die in den Bäuernhäusern üblichen Kachelöfen heizten nur die Stube und eventuell angrenzende Räume mehr oder weniger; die Schlafräume profitierten in aller Regel nicht oder nur wenig von dieser Wärme. Möbel mussten ein Leben lang oder noch länger halten und wurden wie alle anderen Gegenstände meist erst ersetzt, wenn sie gar nicht mehr zu reparieren waren. Ein Fahrrad war kein Luxus, sondern vor allem für Nebenverdienende eine Notwendigkeit, um an den Arbeitsort zu gelangen. Ebenso waren Skier nicht ein unnötiges Sportgerät, sondern für Kinder aus abgelegenen Berghöfen die einzige Möglichkeit, im Winter mit einem vertretbaren Aufwand die Schule im Tal besuchen zu können. Als fast einzige weitere Reisen wurden Wallfahrten unternommen, wobei man bei entfernteren Zielen, besonders Einsiedeln, auch die Bahn nahm. Vgl. 5.5. Nicht als Luxus betrachtet wurde das Rauchen, auch wenn die «Lindauerli», die charakteristischen Deckelpfeifen der Appenzeller, oft kalt im Mund hingen. Ein Abonnement der Lokalzeitung oder ein Radio waren ebenfalls in den meisten Bauernfamilien vorhanden und in gewissem Masse auch notwendig (Wettervorhersage, amtliche Bekanntmachungen, landwirtschaftliche Marktmitteilungen usw.). Am ehesten erstaunt, dass offenbar nicht wenige Bauernhaushalte über ein Grammophon verfügten (vgl. dazu 9.5 zum Tanz).
33 Vgl. zur Versicherung noch 3.5.
34 Bräuninger, 606ff.
35 AI M. K.
36 Imf VV, 24f.; 190; Imf Kerns, 217f.
37 In Engelberg gab es dafür einen speziellen Ausdruck: «kööschä». Imf MW, 470.
38 AI V. N.
39 Allemann, 285.
40 Interessanterweise wurde entgegen dem eingangs erwähnten äusseren Anschein der Landschaft die Frage in OW eher negativ beantwortet: Von Egoisten, Einzelgängern, Konkurrenten war dort mehr die Rede.
41 Zu den Wegrechten noch Fuchs, 74.
42 Vgl. 3.4.
43 Vgl. 5.4, 6 und 7.3.
44 Mir ist kein weiteres vergleichbares Beispiel bekannt. Eine gewisse Parallele war mit Einschränkungen der Freitagsmarkt im ausserrhodischen Hauptort Herisau. Auch in der lokalen Literatur wurde der Appenzeller Markt noch kaum thematisiert, abgesehen von Inauen J., Heimweiden, 42ff. Sein Entstehen liegt im Dunkeln. Allg. zu den bäuerlichen Märkten Weiss, 123f.; zu OW Hugger, Handbuch, 536ff.
45 Wer keine grösseren Geschäfte zu erledigen hatte, ging oft auch erst nach dem Mittagessen, umgekehrt kehrten nicht allzu weit entfernt Wohnende schon vor diesem nach Hause zurück.
46 Bessere verfügten über einen Tuch- oder Lederrucksack.
47 Auch das Viehinspektorat befand sich in einer Wirtschaft nahe am Viehmarkt, der «Sonne».
48 Ein Trunk besiegelte das Geschäft; es war üblich, dass dabei der Käufer die Zeche übernahm.
49 Schweizerische Variante des bekannten Kartenspiels.
50 AI R. I. Der Mittwoch galt vielfach als Unglückstag, in AI war es jedoch eher der Freitag. ASV 2/141–143, Karten 271ff.; Zihlmann, 317.
51 Zu OW dazu Imf VV, 536ff.
52 Fuchs. Der Autor war gebürtiger Appenzeller und Kapuzinerpater und promovierte mit seiner Arbeit in Volkskunde. Erstaunlich ist, dass er mögliche Zusammenhänge mit der Religion – die in unserer Untersuchung im Vordergrund stehen – kaum je thematisierte. Könnte es sein, dass er sich gerade wegen seines geistlichen Status hier mehr als nötig zurückhielt? Viele Hinweise zur bäuerlichen Tätigkeit auch bei Inauen J., Heimweiden.
53 Zum agro-liturgischen Kalender ausführlich Hersche, 635ff und Abb. S. 350.
54 Dort läutete man zwischen 14 und 16 Uhr den Sonntag ein, was das Zeichen dafür war, die Arbeit nach und nach zu beenden. Altermatt, 271; Zihlmann, 151. Zum Tirol vgl. Wopfner II, 316; III, 24. In III, 92, bringt Wopfner sogar das Beispiel eines Gelöbnisses von Bauern, den Feierabend schon um 13 Uhr zu beginnen. Mit dem auch sonst verbreiteten Brauch hängt der Begriff «Sonnabend» für Samstag zusammen. Vgl. allg. HDA, Lemmata «Abendläuten», «Feierabend», «Samstag». Auch in protestantischen Gegenden war eine frühere Arbeitsniederlegung am Samstag gebräuchlich. BE H. W.
55 Vgl. bes. 6 und 7.1.
56 Die genannten Zeiten hängen natürlich sehr stark von der Anzahl der Tiere ab, deren Bestand in OW offenbar im Schnitt etwas kleiner war.
57 Erst später tränkte man im Stall. Fuchs, 111.
58 Dieselbe Praxis soll im Ausserrhoder Hinterland üblich gewesen sein, allerdings ging man zu diesem Zweck in die Wirtschaft. AR H. H.
59 Zur disziplinierenden Funktion der Milchzentralen vgl. 3.4.
60 Fuchs, 84ff.
61 AI W. F.
62 Vgl. 7.5.
63 Diese Pflegearbeiten begannen schon im Frühjahr. Fuchs, 72.
64 Etwa in OW dem Maikäfersammeln. OW B. D. AI war von dieser früheren Plage kaum betroffen.
65 Die Waldarbeit wird von Fuchs nicht thematisiert. Sie konnte natürlich nur in den paar freien Stunden zwischen den Stallzeiten stattfinden. Das Mittagessen wurde dann, wenn das Waldgrundstück allzu weit entfernt war, vorverlegt oder mitgenommen. In diesem Fall wurden oft auch einige dem Melken vor- oder nachgelagerte Stallarbeiten anderen überlassen, etwa den Söhnen, um die Zeit im Wald besser nutzen zu können. In aller Ruhe konnte man nachher zu Hause, damals selbstverständlich noch ohne Maschinen, das Brennholz herrichten. Nur die Reisigwellen («Pöscheli») musste man im Wald selber binden.
66 AI M. S.
67 Man überliess solche Dinge eher Handwerkern, war wohl auch nicht immer genügend mit Werkzeug ausgerüstet.
68 Die Engelberger Tourismuszentren wurden schon in der Zwischenkriegszeit weitgehend mit Bahnen erschlossen, welche dann auch im Winter einige Arbeitsmöglichkeiten boten.
69 Offenbar mehr in AI als in OW.
70 Denkbar ist vielleicht das Ausleihen von Pferden an Bauern, die mit ihnen umgehen konnten.
71 AI H. K.
72 Auch die Furcht vor Diebstählen mag eine Rolle gespielt haben.
73 Die meisten Strassen waren noch nicht asphaltiert und mussten daher ständig gepflegt werden.
74 Dies war aber etwa im Berner Oberland der Fall. Im Lötschental gab es die Maskenschnitzerei.
75 Zur Stickerei bes. Neff, K. A.; Vogler; Bräuninger, 72ff.
76 Grosser, 495. Die dörfliche weibliche Bevölkerung stickte nur wenig.
77 Deren Herstellung widmeten sich nunmehr die wenigen nach der Krise verbliebenen Stickereiunternehmer bevorzugt.
78 Bilder mit stickenden Frauen im Freien sind gestellt.
79 Eine Frau, die dabei erwischt wurde, musste den Verdienst als Opfer der Kirche abliefern. Vogler, 64.
80 Garovi, 182f.; Furrer, 87.
81 Die vom Schweizerischen Heimatwerk in den 1930er-Jahren unternommenen Versuche, in OW die Handweberei einzuführen, verliefen schliesslich im Sand. Anderswo (Graubünden, Berner Oberland) waren sie erfolgreich. Vgl. zu den Anfängen Laur, 583ff.





