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Wie vom Blitz getroffen verlor ich aus heiterem Himmel auf einmal die Kontrolle über mich und meinen Körper, war wie benommen, wollte erst dagegen ankämpfen, mich aufbäumend dagegen wehren, musste jedoch erkennen, dass alle Anstrengung, meine aufkommende sexuelle Erregung zu unterdrücken, vergeblich war. Mein ohnmächtiger Versuch, schnell noch die Notbremse zu ziehen, im allerletzten Moment wenigstens eine winzige Distanz zwischen unseren Hüften herzustellen, weil ich eine solch auffällige Begehrlichkeit von mir überhaupt nicht kannte, sogar als zutiefst unangenehm empfand, scheiterte schlicht an der realen Existenz meines plötzlich erwachten Sexualorgans.
Gitti hatte diese begehrliche Veränderung an meinen Unterkörper sofort bemerkt, löste ihren rechten Arm von meinem Hals, ließ ihn über meinen Hintern gleiten und drückte mich kraftvoll mit beiden Händen ganz fest an ihren Körper:
„Lass nur, ich mag es, wenn du mich begehrst!“ Diese sehr bestimmend in mein Ohr geflüsterten Worte wirkten auf mich geradezu ermunternd, zumal mich ihre zarten Hände dabei mit ganzer Kraft eng an ihren warmen Schoss gedrückt hielten. Taumelnd registrierte ich irgendwann das Schwinden meiner Sinne, merkte gerade noch, wie sich alles in mir aufzulösen schien.
In einem letzten wachen Moment dachte ich kurz daran, mit ihr hinter meine künstliche Wand zu verschwinden, so wie Spatz und Wolf es getan hatten, irgendetwas aber hielt mich letztlich davon ab. War es wieder einmal dieser respektvolle Umgang mit der tiefen Zuneigung, mit der allzu großen Achtung vor dem Phänomen Frau, vor dem weiblichen Körper, oder war es eher das Festhalten dieses wunderbaren Augenblicks? In diesem Moment wusste ich einfach gar nichts mehr. Alles rationale Denken hatte aufgehört, wurde jetzt ungebremst und ausschließlich von Emotionen gesteuert. Ich verlor mich, Körper an Körper mit Gitti vereint, ließ mich fallen, hinein in einen Sinnesrausch, benommen, trunken, einfach nur süchtig nach Liebe.
Gittis Lippen glitten über mein glühendes Gesicht, hauchten in mein Ohr, saugten sich förmlich an ihm fest. Ihre Zunge bohrte sich tiefer und tiefer in meine Höhlung, heftiger werdend ihr Atem. Gleichzeitig aber spürte ich ihre rechte Hand, die sich ganz vorsichtig zwischen unsere aufgeheizten Körper schob, mein Spannung geladenes Körperteil erreichte, und merkte ganz deutlich, wie ihre Finger mit sanftem Druck über meine sensibelste Stelle hinweg glitten. In der Bewegung ihrer Hand lag jetzt etwas Geheimnisvolles, so als gingen von ihren Fingerspitzen unsichtbare Fäden aus, die in mir einen völlig neuen Zeitbegriff webten. Zärtlich wiederholte sie ihre Streicheleinheiten bis ich, erst zögerlich dann aber mit Nachdruck begann, meine rechte Hand gefühlvoll zwischen ihren Venushügel zu schieben. Zentimeter für Zentimeter näherten sich meine zitternden Finger ihrer aufgeheizten Vulva, der vorsichtigen Versuchung erlegen, durch langsam auf und abgleitendes Streicheln in ihre tiefsten Geheimnissen vorzudringen.
Durch die dünnen Nylons hindurch erfühlte meine zittrige Hand, wie die feuchte Wärme ihres Schosses nach und nach auch meinen ganzen Körper durchströmte, sich mit meiner aufgestauten Hitze zu vereinen drohte. Im gleichen Moment aber musste ich erkennen, dass alle Bemühungen meine Beherrschung rational steuern zu wollen, mit einem Schlag außer Kraft gesetzt wurden. Gleich einem Vulkan schoss ein heißer Strom durch mich hindurch, der den ganzen Hitzestau implodierend in sich zusammenfallen und meinen ganzen Körper erzittern ließ. Gleich einem Lavastrom, suchte er sich den nicht mehr zu unterbindenden Weg nach außen.
Es war der unvermeidbare Samenerguss, der mich jäh aus dem Trancezustand herausriss und mit einem Schlag wieder in die Wirklichkeit zurückkatapultierte. Im selben Augenblick wünschte ich in den Boden zu versinken, so peinlich war mir in diesem Moment das unbeherrschte Reagieren meines Körpers. Gitti hielt mich noch immer fest umschlungen, unternahm alles Erdenkliche um mich wieder zu beruhigen, flüsterte mir lauter Zärtlichkeiten ins Ohr und bat mich ganz leise, das Streicheln ihrer erogenen Zone doch in jedem Fall fortzusetzen. Zuerst zögerte ich, schaute etwas unsicher in die Runde. Da aber keiner von den Tanzenden um mich herum auch nur das Geringste mitbekommen hatte, unternahm ich jetzt den zaghaften Versuch, bemüht bei meinem Vorgehen ganz behutsam zu sein, durch zärtlich streichelnde Bewegungen, Gittis begehrlicher Aufforderung so gut es ging nachzukommen. Fortan wiegten wir uns eng umschlungen wie ein unzertrennliches Liebespaar, sorgfältig bemüht im Takt der Musik zu bleiben, bis ich schon nach kurzer Zeit auch bei ihr ein Gefühl von Erlösung erspüren konnte.
Take Five ging zu Ende, nicht aber unsere verschmelzende Umklammerung. Bevor jedoch der nächste Musiktitel begann, versuchten wir schnell eine Nische in der Ecke vor dem Sofa zu erhaschen, was zwischen den dicht gedrängt sitzenden Gästen gar nicht so einfach war. Schließlich gelang es uns unter dem Fenster vor dem Heizkörper eine winzige Ecke auszumachen, in die wir uns eng aneinander geschmiegt fallen lassen konnten.
Irgendwie fühlte ich mich ermattet und innerlich sogar ein wenig ausgebrannt, und überlegte jetzt krampfhaft, wie es mir aus dieser benachteiligten Sitzposition heraus gelingen könnte, ein erlösendes Getränk für uns beide aufzutreiben. Durch auffällige Gesten versuchte ich meinem Umfeld verständlich zu machen, was uns zur Vervollständigung unseres Glückszustandes einfach noch fehlte, und erst nach mehrmaligem Anlauf wurde endlich mein flehentliches Bitten erhört. Man reichte uns durch die vielen kleinen Sitzgruppen hindurch zwei Senfgläser mit Rotwein, die über Köpfe hinweg balanciert, endlich über Umwege ihr Ziel erreichten.
Die Trinkbecher mit beiden Händen fest umschlossen, so als würde man uns dieses kostbare Gut gleich wieder wegnehmen wollen, berührten sich lautlos unsere Gläser, hinterließen dabei kaum einen Klang, weil sich unsere Finger verhakelt hatten, jeden störenden Laut unterdrückten, einfach nicht mehr voneinander lassen wollten.
Unendlich lange sahen wir uns tief in die Augen, küssten uns innig, zärtlich liebkosend, taten alles um diesen wundervollen Augenblick festzuhalten und ließen, unsere Körper fest in der Umklammerung, den ersten Schluck des Weines ganz langsam auf uns einwirken. Unsere Oberschenkel ineinander geschoben, die Gläser auf den Knien ruhend, saßen wir uns schweigend eine geraume Zeit gegenüber. Nur aus weiter Ferne nahm ich die Gespräche der Anderen wahr, wie nebulöse Wortfetzen an meinen Ohren vorbeischwirrend, im absorbierenden Dunst des Raumes verendend. In diesem Zustand war ich für jeden klaren Gedanken unfähig, weil innerlich viel zu aufgewühlt.
Gitti hatte ihre Augen halb geschlossen, ihr Kopf nur scheinbar schlafend, ruhte dicht angeschmiegt auf meinen Schultern. Diese neuen starken Gefühle beschäftigten mich jetzt ungeheuerlich, rasten durch meinen Kopf, fuhren geradezu Achterbahn. Langsam versuchte ich sie wieder für mich zu sortieren, sie auszuloten, in geordnete Bahnen zu lenken. Trotzdem war ich ein wenig verunsichert, fragte mich, welchen Platz würde Gitti wohl zukünftig einnehmen, schließlich war sie ja noch an Gero gebunden.
Das Sortieren meiner Gefühle, das lethargische Schweigen, aus heiterem Himmel unterbrach Gitti plötzlich meine geistige Abwesenheit, indem sie mir ganz spontanen einen Kuss aufdrückte und mich, keinen Widerspruch duldend, erneut zum Tanzen drängte. Erfrischt als wäre sie einem Bad entsprungen, zog sie mich durch das dichte Knäuel der Tanzenden bis in die Zimmermitte direkt unter den Dunstschleier der Lampe, verschränkte ihre Arme um meinen Hals und dirigierte mich, wie ein Wildpferd am Lasso hängend, mitten hinein in das kleine Zentrum der Lebenslust.
Wir plauderten aufgekratzt über alles was uns gerade in den Kopf kam, tanzten schwerelos, losgelöst von allem Irdischen, ich schwebte wie eine leichte Wolke über meiner kleinen großen Welt. Als könnten wir nie wieder voneinander lassen, glitten wir von einem Tanz zum anderen hinein das Glück des Vergessens, bis wir total ermattet, uns gegenseitig stützend, wieder zurück auf unsere Sofaecke rutschten. Beide waren wir ausgebrannt, mussten erst einmal verschnaufen, griffen nach den Gläsern, tranken mit gekreuzten Armen, so als hätten wir uns eben erst kennen gelernt, erzählten uns alberne Geschichten, lachten wie kleine Kinder, ausgelassen, befreiend, voll der Überzeugung, in diesem einzigartigen Moment wird die Kraft der Liebe die Zeit für uns anhalten.
Auch bei einem Teil meiner Gäste hatte ich den Eindruck, dass sie diese Nacht für endlos erklärt haben mussten, denn keiner machte Anstalten sich dem Sog seines Partners zu entziehen, oder gar meine Fete verlassen zu wollen. Ob im Dunstschleier meines Zimmers oder auf dem Treppenabsatz, ein Abklingen des Geräuschpegels konnte ich nirgendwo ausmachen, obwohl es mittlerweile bereits auf drei Uhr zuging. Erst als die Nacht sich anschickte dem neuen Tag ganz sanft das Feld zu räumen, wurde es allmählich stiller in meinem Haus zwischen den Welten.
Ob in seliger Zweisamkeit vereint, oder dem ausgiebigen Alkoholgenuss erlegen, nach und nach ergab sich jeder dem natürlichen Bestreben, gemeinsam mit seiner Eroberung in eine horizontale Lage zu kommen. Ähnlich wie im Dornröschenmärchen, in dem der Hofstaat in eine plötzliche Starre verfällt, lagen irgendwann all meine Gäste voll narkotisiert und durcheinander gewürfelt, dicht an irgendeinen Partner gekauert, und schliefen einen kollektiven Schlaf.
Gitti ging es genau wie mir, die aufregende Spannung des verliebt seins hatte uns bisher vom Einschlafen abgehalten. Vermutlich waren wir auch die Letzten, die noch gegen die Müdigkeit ankämpften, weil wir uns einfach nicht ergeben wollten. Durch die dicht beschlagenen Fensterscheiben dämmerte schon der Morgen, als wir beide eng ineinander gerollt schließlich den vergeblichen Kampf gegen das Wachbleiben aufgaben. Beim Hinüberdämmern in das andere Ufer der Nacht hatte ich noch den köstlichen Geschmack erfüllten Begehrens auf der Zunge und ließ mich fallen, hinein in einen glückseligen Traum.
Irgendwann unterbrach ein penetrant wiederkehrendes lautes Klopfen meinen wundervollen Traum, und zwar genau an der Stelle, wo meine Lippen dabei waren Gittis kleine Brüste zärtlich zu umschmeicheln. Ich war völlig benommen und gar nicht in der Lage irgendetwas zu realisieren, als diese dumpfen Schläge, die wie das Schlagen einer Trommel unaufhörlich mein Gehör malträtierten, wie wild auf mich einhämmerten. Als hätte mich ein Blitz getroffen, katapultierte ich mich aus meinem träumenden Glückstaumel, schnellte jäh hoch und glaubte meinen Augen nicht zu trauen, denn in der weit geöffneten Wohnungstür stand, meinen Namen laut in den Raum schreiend, meine Nachbarin:
„Stehen sie auf, schnell, es brennt, stehen sie auf!“ Sie war total aufgeregt, fuchtelte wild mit ihren Händen herum und drängte mich, umgehend mit ihr nach unten zu kommen. Ihre Verbalattacke zeigte so schnell bei mir erst einmal keine Wirkung, denn ich war krampfhaft bemüht überhaupt aufzustehen, und unternahm alle Anstrengungen um in die Senkrechte zu kommen, rieb mir verzweifelt die Augen, weil ich nach wie vor überzeugt war, dass ich mich noch im Traumland befände.
Aus weiter Ferne, von draußen kommend, registrierte ich in meinem vermeintlichen Wachkoma letzte akustische Warnsignale einer Feuerwehr, die gerade dabei waren wieder abzuebben, bis sie, wie auf ein Kommando hin, plötzlich schlagartig verstummten. Alle Kraft zusammen nehmend rappelte ich mich mühsam auf, und stand zunächst zur Säule erstarrt zwischen den am Boden liegenden, ineinander verflochtenen Leibern. Meine Nachbarin geriet fast außer sich und drängte mich, doch nun endlich zu kommen. Als ich auf sie zuwankte, wollte ich einfach nicht wahrhaben, was ich da vor mir sah:
Aus dem Treppenhaus kommend arbeiteten sich dicke Schwaden schwarzer Rauchwolken langsam bis in mein Zimmer vor, rollten wie eine dunkle Regenwolke auf mich zu und nahmen mir fast den Atem. Spätestens jetzt war ich hell wach und wieder Herr meiner Sinne. Mir selbst einen Stoß versetzend, hüpfte ich torkelnd über das am Boden liegende Menschenknäuel, rüttelte Gitti und danach alle anderen wach und rannte wenig später, nur mit der Unterhose bekleidet, als hätte man mich beim verbotenen Liebesakt ertappt, hinter meiner Nachbarin her die Treppe hinunter.
Schon auf dem ersten Treppenabsatz konnte ich erkennen, dass die dicken Rauchschwaden, aus der Besenkammer kommend, im Begriff waren sich in rasender Geschwindigkeit weiter nach oben zu arbeiten, um mittlerweile das gesamte Treppenhaus einzunebeln. Durch die dichte schwarze Wand hindurch sah ich hin und wieder, wenn auch nur schemenhaft, die silbernen Blitze blanker Feuerwehrhelme huschen. Zwischen dem undurchsichtigen Nebel erblickte ich einige emsig durcheinander wirbelnde Männer, die mit angelegter Gasmaske damit beschäftigt waren, mittels einer langen Eisenstange ein großes, stark qualmendes Monster aus der Besenkammer herauszuziehen.
Endlich auf dem unteren Treppenabsatz angekommen, stand ich mit zitternden Knien wie ein Häufchen Elend hinter meiner mit zusammengekniffenen Augen dastehenden Nachbarin. Vor lauter Angst schlotternd sah ich auf die total verschlafenen, durchnächtigten Gestalten, die sich mittlerweile treppauf hinter mir wie zu einem Gruppenfoto drapiert hatten. Wie angewurzelt standen sie alle auf den Stufen der Treppe, jeglicher Lebensäußerung unfähig. Ich blickte durchweg in blasse, erschrockene Gesichter, die sich Taschentücher oder Kleidungsstücke vor den Mund gehalten hatten. Sah wie meine Freunde mit geröteten Augen und kreidebleichen Gesichtern wortlos die Rettungsaktion der Feuerwehrmänner verfolgten.
Immer noch völlig benommen hatte ich das Gefühl, wie ein Außenstehender an dieser bizarren Szenerie teilzunehmen. Meine verschlafenen Augen beobachteten, wie die Männer in ihren schwarzen Uniformen mit vereinten Kräften, bewaffnet mit Schaufeln, Stangen und einem roten Schaumlöscher, den schwelenden, bereits nach draußen beförderten Brandherd mit dickem weißem Schaum besprühten, der sich wie eine frische Schneedecke wellenförmig über das qualmende Monster legte.
Schon nach dieser kurzen Löschaktion wurde mir langsam klar, der vermeintliche Übeltäter war der zusammengerollte alte Teppich gewesen. Diese nachlässig in die Kammer abgestellte Rolle hatte vermutlich dem letzten Pärchen als Ruheplatz nach dem Schlüpfersturm gedient und beim Einschlafen musste einer der Liebenden seine Zigarette nicht richtig entsorgt, oder sie in taumelnder Erregung im Teppich ausgedrückt haben.
Die Brandursache war damit für mich zweifelsfrei geklärt. Nicht so klar waren mir allerdings in diesem Moment die Folgen, die dieser abenteuerliche Abschluss meiner illustren Geburtstagsfete für mich noch haben konnte. Und obwohl mich meine Nachbarin vor Ort verbal erst einmal zur Schnecke gemacht hatte, half sie mir zu meinem großen Erstaunen im Nachhinein bei der Protokollaufnahme, zu der ich allein wohl gar nicht fähig gewesen wäre. Unaufhörlich hatte sie beschwichtigend auf den Feuerwehrhauptmann eingeredet, der sich offensichtlich wohl auch durch ihren Redeschwall wieder hatte beruhigen lassen. Wie ich später feststellen konnte, mussten ihre mit viel Geschick vorgetragenen Argumente diesen Mann letztlich sogar überzeugt haben:
Dies sei ausnahmslos mein jugendlicher Leichtsinn gewesen, gepaart mit der hinlänglich bekannten Unachtsamkeit junger Leute, all diese leichtsinnigen Verhaltensweisen hätten letztlich zu diesem kleinen Vorkommnis geführt. Erstaunlicherweise musste das für den Hauptmann irgendwie einleuchtend geklungen haben, denn er schien es sogar zu glauben, hatte dem absolut nichts mehr entgegenzuhalten, machte kehrt und befahl seinen Leuten den Rückzug. Als die alarmierte Feuerwehr nach einer knappen halben Stunde, und dass ohne die Androhung irgendeiner Strafe wieder abzog, war ich mehr als beruhigt und konnte endlich wieder tief durchatmen, ein großer Stein fiel lautlos von meinem Herzen.
Trotzdem war ich zutiefst hilflos, stand wortlos fröstelnd, nur mit einer dünnen Unterhose bekleidet, inmitten meiner ebenso spärlich bekleideten Gäste, und starrte hilflos auf die große, noch leicht vor sich hin schwelende Teppichrolle.
Ein wenig ratlos waren wir alle, standen barfuss auf dem feuchtkalten Rasen und mussten erkennen, wie schnell sich der Hauch von dolce Vita, der eine ganze Nacht lang über uns geschwebt hatte, ganz schnell wieder im Nichts auflösen konnte.
Durch den aufsteigenden Nebel mühten sich bereits die ersten Sonnenstrahlen. Für mich und meine Freunde endete, wenn auch mit einem kleinen Schrecken, ein aufregender Geburtstag und ein neuer Septembermorgen nahm seinen Anfang.
3
Ausgerechnet am Morgen nach meinem Geburtstag musste ich recht früh in das DEFA Studio fahren. Meine letzten Gäste hatten sich gegen sieben Uhr verabschiedet, und ich musste mich sputen um die auffälligsten Hinterlassenschaften meiner Fete einigermaßen aus dem Weg zu räumen, hüpfte eilig ins Bad, um unter der Dusche meinem Normalzustand wieder ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Als ich wenig später ungefrühstückt aus dem Haus stürzte, fühlte ich mich doch etwas wacklig auf den Beinen und verlangsamte meinen Gang um mir zur Stärkung eine Zigarette anzuzünden.
Schon mit den ersten Rauchwölkchen schickte ich alle störenden Gedanken erleichtert in den Morgenhimmel, denn das wunderbare Erlebnis mit Gitti hatte sich ganz tief in mir eingekrallt. Meine Gedanken balancierten zwischen Traum und Wirklichkeit. Dieses Fallenlassen hatte ich bisher in keiner Beziehung, und schon gar nicht in dieser Intensität gefühlt, mehr noch, unsere Schwingungen waren absolut auf gleicher Ebene verlaufen. Ob geistig oder sexuell, unsere Empfindungen hatten sich auf wundersame Weise ergänzt, sich im Miteinander ausgetauscht, waren letztlich sogar ein wenig in einander verschmolzen. Für mein Zeitempfinden hatte das intensive Zusammensein mit Gitti eine gefühlte Ewigkeit gedauert und trotzdem befürchtete ich, dass all dies vermutlich wohl ein schöner Traum bleiben würde. Gitti hatte schließlich einen Partner an den sie durch ihre Ehe mehr oder weniger gebunden war, ich hingegen war ledig und frei.
Wenn ich jetzt versuchte nüchtern darüber nachzudenken, begann meine anfängliche Euphorie, die auch an diesem Morgen überhaupt nicht nachlassen wollte, ganz allmählich wieder zu zerbröseln, und letztlich ergab sie sich dem Zwang der nüchternen Realität. Genau diese Wirklichkeit aber wollte ich auf keinen Fall annehmen, wollte sie einfach beiseite wischen, wollte weiter träumen, musste aber erkennen, dass sich erste trübe Schleier über den gerade gelebten Traum legten. Die eben noch vorhandenen imaginären Glücksmomente wurden im Handumdrehen wieder weggewischt, aufgesaugt vom nebligen Dunst des Alltäglichen.
An ihrer Stelle tauchten scharf konturierte Bilder wie aus dem Nichts vor mir auf, stellten sich mir in den Weg, überlebensgroß, blieben unverrückbar und in jedem dieser Bilder sah ich plötzlich ein Hindernis, stand vor einer Barriere, vor Problemen die aus verschiedenen Gründen vorerst nicht zu lösen waren. Zwiespältige Gefühle schlichen sich in mein Unterbewusstsein, nagten an meiner Hochstimmung, stellten mir die unbequeme Frage nach einer klaren Entscheidung. Aber wollte ich überhaupt Fragen zulassen, Konflikte an mich heranlassen, oder wollte ich mich wieder einmal dem Augenblick des kleinen Glücks hingeben? War der Zustand in den ich über Nacht gefallen war nur eine Momentaufnahme, oder konnte ich auf ein gemeinsames Morgen hoffen? Fragen, die mich total verunsicherten, die ich einfach nicht beantworten konnte, vielleicht aber auch gar nicht wollte.
Im Widerstreit der Gefühle kamen Zweifel auf, darunter mischten sich Gedanken an meine frühere Freundin Marion, schließlich war sie in Babelsberg meine erste große Liebe gewesen. War diese Nacht mit Gitti vielleicht der Beginn einer neuen Liebe, und war es die uneingeschränkte wirklich große Liebe, die ich damals in jener Babelsberger Sommernacht auch schon bei Marion glaubte gefunden zu haben, oder war es vielmehr jene Blindheit, die man grundsätzlich einer totalen Verliebtheit zuschreibt?
Wenn ich jetzt die beiden Beziehung miteinander verglich, Gitti aus meiner Betrachtung herausließ, traten Marions Konturen schon etwas deutlicher in den Vordergrund und das alles verklärende Rosarot, in dem ich sie einst gesehen hatte, wich dem nüchternen, analytischen Blick auf das Wesentliche unserer damaligen Beziehung:
Marion hatte ich bei einem Tanzabend im Ratskeller kennen gelernt. Sympathie und ein kleiner Anflug von Verliebt sein war von uns beiden ausgegangen, genau wie das natürliche Verlangen nach Körperlichkeit, nach dem Ausloten unserer sexuellen Intimität. Nach diesem ersten Kennen lernen war nicht einmal eine Woche verstrichen, und es gab wieder einen heißen Tanzabend in den Clubräumen des Ratskellers. Am Ende des Abends hatte auch Marion das Bedürfnis mit zu mir zu kommen, weil wir beide überzeugt waren, jetzt müsse es einfach sein.
Es war eine Nacht, die sich noch lange in meinem Gedächtnis aufgehalten hat, einzig vom Überschwang der Gefühle diktiert, wie es so oft bei der ersten großen Begegnung zweier Liebenden empfunden wird. Im Taumel zwischen heftigen Umarmungen und zärtlichen Küssen dauerte es quälende Stunden bis ich glaubte, dass sich unsere Schwingungen nach unendlich zähem Ringen endlich auf gleicher Wellenlänge getroffen hätten. Bei mir hatte sich dieses Gefühl von Harmonie zwar erst ganz allmählich hergestellt, und deshalb wollte ich unbedingt herausfinden, ob auch unsere Körper in der Lage waren, sexuell einen harmonischen Gleichklang zu entwickeln. Aber schon wenig später schlich sich bei mir so etwas wie Enttäuschung ein. Zu meinem Bedauern musste ich erkennen, dass wir im erotischen Umgang miteinander grundsätzlich sehr unterschiedliche Vorstellungen und Empfindungen hatten. Im Nachhinein erinnere ich mich noch sehr genau an den Verlauf jenes Abends, diktiert von der Suche nach der großen Liebe, an meine unendliche Sehnsucht nach Erfüllung, und an die einzelnen Vorgänge, wie sie auf meinem Sofa abgelaufen sind, sich nachhaltig in mein Gedächtnis eingegraben haben:
Ungewöhnlich lange war ich damit beschäftigt Marion auszuziehen, um sie nach Überwindung meiner Scheu endlich meiner Begehrlichkeit zuführen zu können, sie einfach zu nehmen, um so meinem zögerlichen Verhalten ein für allemal ein Ende zu setzen, so mein Vorsatz. Dieses ständige Hinauszögern von entschlossenem Handeln, besonders wenn es darum ging, eine Frau richtig zu erobern, hatte primär etwas mit meiner damaligen Einstellung des Herangehens an den weiblichen Körper, mit meiner Auffassung von Sexualität, zum Teil aber auch mit meinen total verklemmten Ansichten im Umgang mit dem weiblichen Wesen zutun, Relikte aus der religiös geprägten Erziehung meiner Eltern. Was auch immer es gewesen sein mag, in meinem Unterbewusstsein hatte sich schon in frühen Kindheitstagen diese ängstliche Ehrfurcht vor der Sexualität des weiblichen Körpers eingenistet. Falsch sortierte Befindlichkeiten, die auch noch später jedes vordergründige sexuelle Begehren unterdrückten, mich permanent daran hinderten, pure Sexualität genussvoll ausleben zu können.
Den Akt der körperlichen Vereinigung betrachtete ich vielmehr als die absolute Krönung, hielt ihn für den Tabernakel der Liebe, sah in ihm das allerhöchste Glücksgefühl. Sich mit seinem ganzen Körper, mit allen Sinnen uneingeschränkt dem Partner hinzugeben, für mich der Beweis für die wahre, für die große Liebe. Dieses Denken steuerte in jenen Tagen einzig und allein mein gesamtes Handeln. Reines animalisches Verlangen hatte ich weit hinter die Größe einer wahren Beziehung gestellt, und ausnahmslos der ethischen Begrifflichkeit von Liebe untergeordnet.
Die Nachhaltigkeit solcher Augenblicke, Momente in denen ich ganz andere Erfahrungen machen musste, hat noch lange in mir gelebt. Auch heute erinnere ich mich noch genau an einzelne Sequenzen jener Nacht mit Marion, an meine überaus schüchterne, zärtliche Vorgehensweise, an das Zittern meiner Finger, die zaghaft versuchten Marions Körper zu berühren, wie sie unendlich zögerten, sich sogar sträubten, ja beinahe verkrampften, sich umständlich mühten, um bis zu ihren kleinen runden Hügeln vorzudringen. Kein anderes Begehren im Sinn, als ihre zarten Brüste sanft streicheln zu können.
Ohne es zu wollen, hatten zwei Gefühlswelten in mir rumort, waren einen ungleichen Kampf gegeneinander angetreten, lösten ein Beben in mir aus, von dem ich befürchten musste, dass es mich augenblicklich zerreißen könnte. Mein rationales Denken war in diesem Moment wie ausgelöscht, ich wusste überhaupt nicht mehr, war es genau diese immerwährende verdammte Ehrfurcht, oder war es schlicht die ungeheure Aufregung in mir, die mit einem Schlag meinen ganzen Körper erschütterte, ihn nahezu handlungsunfähig machte. Alle Voraussetzungen für eine körperliche Vereinigung, für das genussvolle Ausleben von Sexualität, waren damit schon im Vorfeld wieder ausgeschaltet worden, hatten das gemeinschaftliche Erlebnis einer gegenseitigen Befriedigung einfach blockiert. Wie nicht anders zu erwarten, kam es bei mir zur vorzeitigen Ejakulation.