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Schließlich blieb sein Blick bei Anne hängen und ebenso wie ein paar Tage zuvor, verschlug ihr bloßer Anblick ihm auch jetzt kurz den Atem.
Als er danach allerdings eine schlanke Dunkelhaarige kurz etwas länger ins Visier nahm, da ihre hübschen, kleinen Brüste jeweils mit einer silbernen Kreole verziert waren, hatte er plötzlich das Gefühl, als sein Blick höher zu ihrem Gesicht wanderte, dass sie ihn ebenfalls direkt ansah.
Erschrocken legte er ad-hoc seinen Feldstecher zur Seite. Dann schämte er sich dafür, dass er die Damen so unverhohlen beobachtet hatte. Denn nun kam er sich erneut wie ein Spanner vor und war es wohl auch.
Doch als er erneut zum Strand hinuntersah, war dieser Gedanke vorerst vergessen und er bereute es nicht, den Feldstecher zur Seite gelegt zu haben, da er nun wieder die gesamte Szenerie überblicken konnte.
Mit Erstaunen stellte er dabei fest, dass die Frauen mittlerweile, im Takt der eingesetzten Trommeln, um die Holzhaufen herumtanzten, während ihre nackten Körper ekstatisch zuckten und sie irgendetwas sangen. Dies ging eine ganze Weile so, so dass Martin sich schon zu langweilen anfing.
Doch dann mit einem Mal verstummten die Trommeln und die Frauen stellten sich in zwei Halbkreise vor den kleinen brennenden Holzhaufen auf.
Die ihm zugewandten Frauen nahmen kurze Zeit später, jeweils einen von mehreren identisch aussehenden Beuteln von einer Frau entgegen, die Martin auch ohne Fernglas und Verkleidung erkannte, handelte es sich doch wieder einmal um Roswita.
Als alle ihren Beutel öffneten, griff Martin neugierig erneut zum Feldstecher. Konzentriert scannte er dieses Mal bewusst nur die Hände der Damen ab und so erkannte er, dass die Beutel lediglich eine Scheibe Brot enthielten.
Ein wenig enttäuscht, wollte er gerade das Fernglas zur Seite legen, da trat Anne vor, deren Brotscheibe ein wenig dunkler war als die der anderen. In ihrem Gesicht erkannte er, das sie irritiert war, als sie von Roswita ein Haarband entgegennahm, mit dem sie sich die Haare sorgsam zusammenband.
Derweilen ergriff Roswita ihren Dolch mit dem sie zuerst in Richtung des kleinen, brennenden Holzstapels deutete, bevor sie ihren Arm erhob und mit dem Dolch irgendetwas in die Luft zu schreiben schien.
Daraufhin rannte Anne los.
Erschrocken hielt Martin die Luft an, bevor er vernehmlich zischte: „Nee, sie wird doch nicht…!“.
Währenddessen erwischte die Jugendfreundin seiner Schwester einen guten Absprung und sprang mit einem gewaltigen Satz über die brennenden Hölzer. Jubelnd und frenetisch kreischend, wurde sie von den Frauen auf der anderen Seite empfangen und begrüßt.
Danach trat Anne ein Stück zur Seite und die Beutel wurden erneut von Roswita verteilt. So wiederholte sich diese Szene abwechselnd auf beiden Seiten, bis alle Frauen über das Feuer gesprungen waren.
Als die Letzte gesprungen war, nahmen sich alle an den Händen und tanzten um den großen Holzhaufen herum, während sie enthusiastisch ein Lied sangen.
Unterdessen wartete Martin gespannt darauf, was als Nächstes geschieht, wobei er die dunkle Vorahnung hatte, dass sich das ganze Schauspiel bei dem großen Holzhaufen wiederholen wird.
Und tatsächlich, auf einmal teilten sich die Damen erneut in zwei Halbkreise auf und die junge Dame des Nordens, aus dem Eingangsritual, löste sich von den anderen.
Mit stockendem Atem griff Martin erneut zum Fernglas und so konnte er deutlich erkennen, wie sie eine Art Trampolin mit etwas Abstand zum Feuer platzierte. Dann lief sie zurück und rannte auf das Trampolin zu, ehe ihr Körper in einem hohen Bogen emporstieg. Diese Bewegung mündete in einem Salto überm Feuer, bevor sie mit federnd weichem Knie perfekt auf der anderen Seite landete.
Dort hoben sie ein paar Damen auf die Schultern und trugen sie so ums Feuer, wobei der allgemeine Jubel keine Grenzen mehr kannte. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, rannte sie unvermittelt Anne entgegen und sprang ihr rittlings um die Hüften.
Überrascht stockte Martin der Atem, als er sah, wie sie sich wild und ausdauernd küssten, nachdem sich die beiden etwas zugeflüstert hatten, dass sie dann den Anwesenden feierlich mitteilten.
‚Wie jetzt! Anne und die Frau des Nordens?‘, senkte er fragend sein Fernglas, als er versuchte diese überraschende Information zu verarbeiten. Dabei bemühte er sich den Gedanken zur Seite wegzuschieben, was Anne und seine Schwester wohl so alles getrieben hatten, als sie, wie so oft, bei ihnen früher übernachtet hatte. So konzentrierte er sich lieber wieder darauf, was unter ihm vor sich ging.
Nach einer kurzen Konzentrationsphase nahm Anne selbst Anlauf, bevor sie ebenfalls mit einem gewaltigen Satz über das Feuer sprang. Allerdings war ihre Landung bei weitem nicht so elegant, wie die ihrer Vorgängerin, sondern glich mehr einer Judorolle. Doch sprang sie sofort auf und rannte jubelnd und mit erhobenen Armen zu dem steinernen Tisch, wo Roswita und Lotta schon auf sie warteten. Vor Freude strahlend ergriff sie Lottas hingehaltene rechte Hand, während sie rote Flecken am Hals bekam.
Roswita nahm unterdessen einen dicken Stift in die Hand und schrieb damit etwas auf ein rotes Tuch, dass eine Art Acht in der Mitte hatte. Nachdem sie den Stift zur Seite gelegt hatte, knüpfte sie bedächtig einen leichten Knoten in das Tuch und legte es feierlich über die Hände der beiden. Danach ergriff sie erneut ihre Athame mit der rechten Hand und schrieb damit lächelnd ein Zeichen in die Luft, woraufhin die beiden ihre andere Hand zu einem Schwur erhoben.
Lächelnd und mit einem Nicken quittierte Roswita dies, bevor sie etwas sagte, dass die beiden andächtig wiederholten, während sie sich gegenseitig in die Augen sahen.
Doch so sehr Martin sich auch anstrengte, verstand er kein Wort von dem, was gesagt wurde. Jedoch konnte er deutlich erkennen, wie die beiden sich hinterher erneut leidenschaftlich küssten, bevor jede mit der linken Hand ein Ende des Tuches ergriff.
Als beide gleichzeitig an dem Tuch zogen, zog sich der lockere Knoten zusammen, wobei Anne Lotta zu sich hinzog, und sie umarmte. Gut sichtbar und so wie eine Trophäe hielten sie dann das Tuch stolz in die Höhe, woraufhin die anderen Damen laut aufjubelten, bevor sie das frisch verbundene Paar einzeln beglückwünschten. Danach nahmen sich Anne und Lotta an die Hand und liefen den Strand hinunter sowie aus Martins Sichtfeld.
Was dann folgte, war nicht mehr so spannend aus Martins Sicht, außer dass einige Damen die Stallleuchten holten, um die darin befindlichen roten Kerzen am kleinen Feuer anzuzünden, bevor sie diese zu den Tischen zurücktrugen.
Dort begangen sie ausgiebig zu essen und zu plaudern. Danach wurde aufgeräumt, sich angekleidet und nach und nach löste sich die Versammlung auf, bis auf zwei Frauen, die zurückblieben, um die Feuer zu hüten.
Daraufhin machte sich bei Martin eine bleierne Müdigkeit breit, so dass er es gerade noch schaffte, seine Isoliermatte auszurollen und in seinen Schlafsack zu schlüpfen, bevor er erschöpft von all den neuen Eindrücken einschlief.
Provokative Reunion
„Hast du mich vermisst?“, nahm Ole die zart in sein Ohr gehauchten Worte zuerst gar nicht richtig wahr, jedoch reichten sie aus, um ihn zu wecken. Ohne recht zu wissen, wo er war oder wer sonst noch anwesend war, rieb er sich verschlafen die Augen, bevor er seine Umwelt wahrnahm und erschrak.
Denn, obwohl er von der hellen Sonne geblendet war, konnte er dennoch Angelas zierliche Silhouette erkennen, die vor ihm oder vielmehr rittlings auf ihm drauf hockte, während sie ihn mit ihren grau-grünen Augen anstrahlte.
„Angela…, wo kommst du denn auf einmal her?“, kratzte er sich ungläubig am Kopf, während er sich mit dem Oberkörper etwas aufrichtete und sie verblüfft anstarrte. Als genau in diesem Moment ihr Lächeln jedoch für einen Moment verschwand, wurde ihm sofort unwohl zumute. Denn er ahnte, was gleich passieren würde, wenn sie ihn weiterhin so anschaute.
Doch so, als ob sie es sich spontan anders überlegt hatte, lächelte sie ihn im nächsten Moment wieder an. „Ach du Dummerchen, das weißt du doch genau, oder was denkst du von mir?“, sagte sie gespielt erbost, während sie dabei wie selbstverständlich auf seiner allmorgendlichen Wasserstange unruhig hin und her rutschte, sowie als dessen Folge ebenfalls auf seiner übervollen Blase. Dabei verhakte sie sich kurz mit ihrem Nefertiti Piercing an seinem Hafada Piercing, welches er ihr und ihrer Tante Ronja zu verdanken hatte.
Als sie ihn daraufhin schelmisch angrinste, wurde er sich der Tatsache erst bewusst, dass sie ebenso nackt war, wie er selbst, mal abgesehen von einem quer gelegten Laken, dass nur seine Nierengegend bedeckte.
„Sicher weiß ich es noch, dass wir dich krankheitsbedingt in St. Tropez zurücklassen mussten. Doch wie es aussieht, geht es dir wieder gut und deine Wunden sehen ebenfalls gut verheilt aus. Das freut mich echt, nur sag mal Hübschen: Tut das Not, dass du kaum hier angekommen, Anne erneut herausforderst?“, sagte er, während er dabei ein wenig zurück rutschte, so dass Angela auf seinen Oberschenkeln zum Sitzen kam.
„So, tue ich das? Soll das etwa bedeuten, dass ihr beiden wieder in ein monogames Verhaltensmuster zurückgefallen seid?“, lächelte sie ihn amüsiert fragend an.
„Ja, das tust du und nein, sicher nicht!“, brummte er. Dennoch wusste er wie Anne auf ihr allzu freizügiges und zur Selbstinszenierung neigendes Verhalten zumeist reagierte, daher versuchte er seine Taktik zu ändern. „Also, wenn du nicht möchtest, dass ich mich gleich hier der 2 Liter Bier entledige, die ich gestern Abend so in etwa getrunken habe, solltest du mich besser aufstehen lassen!“, sah er sie drohend an.
„Hm, weiß nicht?“, erwiderte sie fragend seinen Blick, wobei sie lediglich ihren Oberkörper etwas vorneigte und ihre rechte Augenbraue ein wenig anhob. „Auf deinen Natursekt habe ich jetzt eigentlich gar keinen Bock. Aber dich gehen zu lassen, mag ich noch weniger!“, fügte sie nach einer kurzen, bewussten Pause bedächtig an.
„Komm schon Angie, das ist eklig und nun lass mich endlich aufstehen!“, zog er genervt seine Oberschenkel abwechselnd so an, dass er sie dadurch immer ein wenig in die Höhe hob.
„Ole, nenn mich nicht Angie!“, wurde ihre Stimme ad-hoc hart und gebieterisch. „Denn du weißt, wie ich genannt werden möchte!“, richtete sie sich drohend vor ihm auf und starrte ihm direkt in die Augen.
„Sicher erinnere ich mich daran, wie du genannt werden willst, und zur Not weiß ich ja auch, wo ich deinen Namen ansonsten ablesen kann!“, nickte er in Richtung ihres Venushügels, wo ihr Name, neben ein paar keltischen Symbolen, kunstvoll eintätowiert war.
Als sie sich danach aber immer noch nicht weiter rührte, schmiss er sie einfach unsanft zur Seite ab und stand auf, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
Als Ole ins Zimmer zurückkam, lag Angela zu seiner Überraschung noch immer so da, wie er sie zurückgelassen hatte. So huschte ihm ein schelmisches Lächeln übers Gesicht, während er sich schwungvoll neben ihr aufs Bett plumpsen ließ. Anders als von ihm erwartet, animierte sie dies jedoch nur zu einem kurzzeitigen, abfälligen Brummen, ehe sie sich zu ihm hindrehte und ihren Kopf mit einem zufriedenen Seufzer auf seiner Brust platzierte.
Milde lächelnd sah er daraufhin an sich herunter und auf ein Meer aus schwarzen Haaren, dass sich überall auf seinen Oberkörper verteilt hatte, von denen jedoch ein strenger Geruch ausging. „Hui, da muss einer aber nah am Feuer gestanden haben!“, rümpfte er angeekelt seine Nase.
„Mm, das habe ich, wenn ich nicht gerade darüber gesprungen bin!“, murmelte sie daraufhin verschlafen.
„So, so! Du meinst also, du musstest letzte Nacht übers Feuer springen?“, verzog er erneut ungläubig sein Gesicht.
„Sicher, das ist doch Tradition zu Beltane, um sich vor bösen Geistern zu schützen!“, öffneten sich für einen Moment ihre Augen einen Spalt weit, wobei sie ihn wie ein zufriedenes Kätzchen anlächelte.
„Oh, dann bist du also schon gestern Abend angereist und warst mit den Vollmondfrauen unterwegs!“, riss er besorgt seine Augen auf, weil dies bedeutete, dass Lotta und Anne ebenfalls jeden Moment hier auftauchen konnten.
„Ole!“, verschwand das zufriedene Lächeln aus ihrem Gesicht, wobei sie sich erneut ein Stück drohend aufrichtete, ehe sie ihn mit ihrem Blick durchbohrte. „Sag mal, bist du eigentlich immer noch so schwer von KP. Das sagte ich doch bereits und dies bedeutet ebenfalls, dass ich die ganze Nacht nicht geschlafen habe! Außerdem wird gleich wieder getanzt und meine Füße schmerzen noch immer von vorhin. Also, halt den Mund und schlaf oder massiere mir die Füße, dann tust du wenigstens etwas Sinnvolles!“.
„Ähm“, sah er sie verschreckt an. Dennoch konnte er sich die besorgte Frage nicht verkneifen: „Und wo sind dann Lotta und Anne abgeblieben?“.
„Ach Ole,“, ließ sie sich erschöpft auf seinen Oberkörper zurücksinken, wobei sie hörbar ausschnaufte, ehe sie anfügte: „Die haben sich vorhin verliebt in die Büsche geschlagen und werden sich dort bestimmt gegenseitig die Seele aus dem Leib vögeln! So, nun ist aber Schluss mit den dämlichen Fragen und es wird geschlafen. Du weißt doch sicherlich noch, wie unangenehm ich werden kann, wenn ich nicht das bekomme, was ich möchte!“.
„Was?“, schreckte Martin aus dem Tiefschlaf gerissen hoch, als sich 2 weiche Lippen auf seine legten.
„Es ist alles in Ordnung, ich bin es nur, Sophia!“, flüsterte sie ihm daraufhin sanft ins Ohr, bevor sie ihn erneut küsste.
„Sophia?“, riss Martin überrascht die Augen auf. „Was machst du denn hier! Und wie um alles in der Welt hast du mich hier oben gefunden?“, betrachtete er sie überrascht.
„Na, indem ich dich gesucht habe!“, lächelte sie ihn glücklich an. „Oder vielmehr, weil Mamá mir vorhin den entscheidenden Hinweis gegeben hat, dass du dich diesem Ort sehr verbunden fühlst“, beugte sie sich zu ihm hinunter und setzte zu einem erneuten Kuss an.
Unbewusst spitzte er die Lippen, dann jedoch zögerte er, während er seinen Kopf ein Stück zurückzog, weil er an gestern Nachmittag dachte, nachdem sie ihre Mutter erwähnt hatte.
Doch, bevor er allzu lange über diese delikate Situation nachdenken konnte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen und öffnete den Reißverschluss seines Schlafsacks. „Es ist wirklich alles in Ordnung, glaube mir!“, sagte sie erneut in einen beruhigenden Tonfall, ehe sie ungefragt zu ihm in den Schlafsack krabbelte und sich an ihn heran kuschelte. Danach schwieg sie und ließ stattdessen eine Hand sanft über seinen bettwarmen Körper gleiten.
Währenddessen kämpfte Martin mit sich, um nicht dem innerlichen Druck nachzugeben, lautstark zu protestieren, oder aufzuspringen und wegzurennen. Fühlte er sich doch erneut allzu sehr bedrängt von ihrer forschen Vorgehensweise, so dass er stocksteif vor ihr lag und sie mit großen Augen anstarrte, doch je länger er sie gewähren ließ, umso mehr gewann ein anderes Gefühl in ihm die Oberhand und dieses lange nicht verspürte Gefühl war einfach nur großartig! Die sanften Berührungen ihrer Fingerspitzen und das sanfte Kratzen ihrer Fingernägel auf seiner Haut riefen irgendwann ein so wohliges Kribbeln in ihm hervor, dass er vor Glück erschauderte.
Als dieses Gefühl jedoch schwächer wurde, da ihre Bewegungen immer mehr ins Stocken gerieten, während ihre Atmung immer flacher und schneller wurde, wurden auch seine Augenlieder immer schwerer, so dass er kurz darauf ebenfalls einschlief.
Himmel, Erde und Anderswelt
Anne konnte ihr Glück noch immer nicht fassen und war seit dem Moment völlig euphorisiert, als Lotta sie gefragt hatte, ob sie eine Handfasting mit ihr eingehen wollte. Freudestrahlend hatte sie zugestimmt und war daraufhin ebenfalls, ohne lange zu zögern, über das große Feuer gesprungen, um mit diesem traditionellen Opfer das Wohlwollen der Götter zu erbitten.
Nach der Zeremonie, bei der sie ihre Verbindung symbolisch mittels eines Knoten besiegelt hatten, hatte sie sich mit Lotta in einer kleinen Bucht zurückgezogen, wo sie sich im schwarzen Sand und in der warmen Brandung leidenschaftlich geliebt hatten.
Noch immer durchströmte sie ein Gefühl von Verbundenheit zu Lotta wie flüssiges Glück, aber auch zu allen anderen, ob es nun Menschen, Tiere, Pflanzen oder die 4 Naturelemente waren. Sie fühlte sich eins mit ihnen, was ein ebenso wundervolles, wie auch berauschendes Gefühl war.
Dass es gerade mal 2 Monate her war, seitdem sie zuletzt versucht hatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, kam ihr gerade so unwirklich vor, wie all die anderen Sachen, die seitdem Moment passiert waren, nachdem Lotta sie auf einer Autobahnraststätte bei Neumünster aufgegabelt hatte, an der sie gestrandet war, weil sie zuvor einem ekligen Autofahrer fast einen Finger gebrochen hatte, der sie als Tramperin zuerst freundlich lächelnd mitgenommen hatte, jedoch nur um sie hinterher zu begrapschen.
Zu diesem Zeitpunkt war sie sowohl physisch wie auch psychisch am Ende. Physisch forderte ihr Sportstudium täglich neue Höchstleistungen von ihr, ebenso wie der Job als Trainerin in einem Fitnessstudio und beides hatten ihre Kräfte mit der Zeit aufgebraucht. Dass diese Form von exzessivem Sport eine verbreitete, wenn auch recht unbekannte Form von Magersucht ist, ist ihr erst vor kurzem bewusst geworden. Denn die körperlichen Ermüdungserscheinungen überdeckten wunderbar ihre psychischen Probleme, die sie mit ihrem Kind Ich hatte, welches sich noch unter der harten Knute ihres Vaters wähnte. Außerdem hatte sie erst durch Lotta erfahren, dass Bisexualität nichts Unnatürliches ist. Im Gegenteil, der glückliche Umstand, dass sowohl Lotta wie auch sie selbst sich in kürzester Zeit in Ole, wie auch ineinander, verliebt hatten, komplementierte ihr Glück.
Und in dieser Triade ergänzten sich alle prächtig. Ole gab ihr die Stärke und den Rückhalt, um aus den Schatten ihres patriarchischen Vaters zu treten, welcher ihr zuvor das Leben sprichwörtlich zur Hölle gemacht hatte, nachdem er sie einmal mit ihrer besten Freundin im Bett erwischt hatte.
Zudem zeigte Lotta ihnen, dass Liebe teilbar ist, was für sie eine befreiende Erfahrung war, da in dieser Beziehungsform keiner einen Ausschließlichkeitsanspruch auf den anderen hegt, weder auf dessen körperliche noch auf dessen geistige Liebe.
Dies mag auf den ersten, durch westliche Sozialisation geprägten Blick abwegig, ja sogar ein wenig unmoralisch klingen, entpuppte sich aber für Ole und sie bei näherer Betrachtung als die natürlichere, wenn auch etwas kompliziertere Art des Zusammenlebens, bei der sie sich jedoch noch ab und zu ein wenig schwertat. Denn Polyamorie, wie diese Art des Zusammenlebens heißt, baut unter anderen auf der Erkenntnis auf, das Eifersucht nur ein Gefühl ist, das dadurch hervorgerufen wird, dass man zu wenig Aufmerksamkeit oder Anerkennung von seinem Partner bekommt.
Ole hatte sie zwar noch nie mit zu wenig Aufmerksamkeit oder Anerkennung bedacht. Dennoch verflog ihre Euphorie schlagartig, als sie ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat und Angela hüllenlos schlafend in seinem Arm vorfand.
Überrascht blieb Anne noch im Türrahmen zum Schlafzimmer stehen, während sie argwöhnisch die Szene betrachtete, die sich ihr hier unverhofft bot.
Eben noch vor Glück schwebend und sich mit allem verbunden fühlend, fühlte sie jetzt nur noch eine tiefsitzende Wut in sich. ‚Oh Ole, was macht sie nur mit dir?‘, zischte sie kopfschüttelnd, während sie allzu deutlich eine fast schon vergessene Szene vor ihrem inneren Auge sah, die sich vor ein paar Wochen in Süd-Frankreich abgespielt hatte. Und genauso verständnislos wie jetzt hatte sie ihn damals betrachtet, als er völlig entblößt und gefesselt unter einem eiskalten Duschstrahl stand, nachdem Angela ihn dort mit einem Weidenstock dominiert hatte.
‚Was hat sie nur, dass du dich so von ihr behandeln lässt und du sie dann noch so friedlich bei dir schlafen lässt?‘ betrachtete sie ihn verständnislos. Denn wenn sie an seiner Stelle wäre, hätte sie sich das nicht gefallen lassen und Angela ordentlich die Meinung wissen lassen. Danach hätte sie nie wieder ein Wort mit ihr gewechselt und sie nicht einmal mehr mit dem Arsch angeschaut. Doch stattdessen lagen sie innig ineinander verschlungen im Bett und schliefen friedlich beieinander, so als sei nichts gewesen.
Damals, wie auch jetzt machte sie dies maßlos wütend. So musste sie sich regelrecht zusammennehmen, um Angela nicht stellvertretend für ihren hörigen Freund, an die Gurgel zu springen. Denn für sie stand außer Frage, dass Angela ihn quasi verhext haben musste. Ansonsten konnte sie es nicht akzeptieren, was sich hier gerade abspielte.
Dabei wäre sie nur zu gerne an Angelas Stelle, um kurz seinen Herzschlag zu hören, seinen mittlerweile liebgewonnenen Geruch zu riechen, und um das leichte Heben und Senken seines Brustkorbes zu spüren. Dann hätte sie ihn sanft geweckt, ihn ebenso sanft geküsst und ihm von ihrer Handfasting erzählt, weil dieser öffentliche Bund mit Lotta sie so unendlich glücklich machte. Außerdem war sie neugierig auf seine Reaktion.
Auf dem Weg hierher hatte sie sich alles ganz genau ausgemalt und diese Vorfreude hatte sie so berauscht, dass sie nicht anders konnte und den ganzen Weg hierher selig gelächelt hatte.
Doch nun war es fraglich, ob es überhaupt noch eine Neuigkeit für ihn war. Aus Angst sich nicht länger beherrschen zu können, drehte sie sich um und wollte gerade in die Küche zurückgehen, wo Lotta sich bestimmt noch mit Leonora unterhielt, doch dann hielt sie plötzlich inne und lächelte. ‚Nein, das werde ich ganz sicher nicht tun!‘, nickte sie sich selbst zu, bevor sie mit entschlossenen Schritten vors Bett trat.
Dort hob sie ihren rechten Arm über den Kopf und ließ diesen schwungvoll auf Angelas Po niedersausen.
Der Klaps auf Angelas Hintern war so kräftig, dass dieser akustisch von den Wänden widerhallte und ihre Hand kurz rot werden ließ, während sie unangenehm kribbelte, was sie aber nicht im Geringsten störte.
Wie erwartet schreckte Angela augenblicklich hoch und hielt sich die deutlich rote Pobacke, während sie Anne völlig verdattert ansah.
Doch noch bevor Angela ihre Sinne sortieren konnte, nahm Anne sie freundschaftlich in den Arm und strahlte sie an. „Hallo kleine Nichte, es ist Zeit zum Joggen. Und ich finde, dass es an der Zeit ist, das Kriegsbeil zwischen uns zu begraben! Findest du nicht auch?“
„Wie, du willst heute Morgen tatsächlich noch joggen? Wozu das denn!“, strich Angela sich ihre langen Haare aus dem Gesicht. „Weißt du, ganz ehrlich ich mag heute nicht!“, versuchte sie sich dabei aus Annes eiserner Umarmung zu befreien. Als es ihr jedoch nicht gelang, verzog sie genervt ihr Gesicht: „Meinst du nicht, dass wir heute nicht schon genügend Bewegung hatten und auch noch haben werden?“.
„Hm, na ja okay!“, tat Anne schulterzuckend und mit einem aufgesetzten Schmollmund ihre Reaktion ab, ehe sie Ole ansah, der sie noch immer ebenso verdattert ansah, wie Angela zuvor. „Und du, was ist mit dir? Magst du vielleicht eine Runde mit mir drehen oder hattest du auch schon genügend Bewegung heute Morgen?“
Beim letzten Satz hatte sie leider ihre Stimmlage nicht mehr so gut unter Kontrolle, wie sie es erhofft hatte und so schwang dort ein deutlich aggressiverer Unterton mit. Während sie sich über sich selbst ärgerte, zog sie Angela so fest an sich heran, dass Angela erst heftig ausatmete, bevor ihr die Luft ganz wegblieb.
Und auch Ole atmete heftig durch die Nase aus, da er von Annes Verhalten völlig überrascht war und sich fragte, was wohl gleich noch kommen würde. Darum nickte er ein wenig übertrieben, bevor er sich erhob und nuschelte: „Alles gut, ich komme sehr gerne mit dir mit!“.
Doch schon nach gut 2.000 Metern ging Ole die Puste aus und er hatte Probleme damit, Anne auf dem Fersen zu bleiben, da das Tempo, dass sie heute Morgen vorlegte, nicht seinen Möglichkeiten entsprach und schon gar nicht denen direkt nach dem Aufstehen. Sie jedoch auf diesen Umstand hinzuweisen, wagte er nicht, da ihr Gesicht nichts Gutes verriet.
Doch als sie am nächsten Knotenpunkt einen Weg einschlug, der sie noch weiter von ihrem neuen Zuhause wegführte, blieb er schnaufend stehen. „Anne, hab Erbarmen mit mir!“, schrie er ihr hinterher und stützte sich dabei vorne auf seine Knie ab, während er nach Atem rang.