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3. Der Kampf um die Deutsche Nationalstiftung der Anima — eine gesamtdeutsche Frage
Geschichte und Entwicklung der Deutschen Nationalstiftung der Anima sind in mancher Hinsicht, ähnlich wie jene der Benediktinerabteien Farfa und Nonantula, ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Reichsgedankens in Italien. Aus kleinen Anfängen, großherzigen Schenkungen einer Familie Peter von Dordrecht in den heutigen Niederlanden, Diözese Utrecht, damals noch Suffraganbistum von Köln, des Kardinals Enkenvoirt, Freunde des Papstes Hadrian VI., ist die Anima bald durch kleine und größere Beträge aus allen Gauen des Römischen Reiches Deutscher Nation zur führenden Stellung einer Deutschen Nationalstiftung in Rom emporgestiegen. Im modernen staatspolitischen Begriff war der eigentliche Gründer also die Niederlande. Wenn sie ihre Stiftung für alle Mitglieder der damaligen „Natio Alemannorum“ bestimmte, so dachten sie begreiflicherweise an die Landsleute ihrer eigenen Heimat (Westdeutschland, Rheinland und namentlich die Niederlande). Dietrich von Nieheim, der umstrittene Kurialist, kommt erst an zweiter Stelle, so verdienstvoll sein Wirken für die Anima war. Bewegt ist die Geschichte der Anima in den folgenden Jahrhunderten. Niederländer, Flamen, Belgier und zuletzt Italiener des zum Reichsfürstentum erhobenen Bistums Trient, Österreicher und Reichsdeutsche (im neuen Sinne der Staatsbürgerschaft) scheinen in ihren wechselvollen Schicksalen auf. Nicht alle Gebiete des Römischen Reiches Deutscher Nation, mit dessen Ursprung, Geschichte und Entwicklung die Pilgerstiftung „Unserer Lieben Frau der Seelen“ in Rom eng verbunden ist, haben im Laufe der Jahrhunderte in gleich starker Weise auch an der finanziellen Entwicklung der Anima Anteil gehabt. Ein Blick in das Bruderschaftsbuch, das von 1464 bis 1601 reicht und mit ungefähr 3000 Namenseintragungen eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte des Deutschtums in Rom bildet (gleichzeitig mit jenem des deutschen Campo Santo bei St. Peter [von 1501] und des päpstlichen Heiligen-Geist-Spitales), zeigt uns, wie mannigfach nach Stämmen, Landschaften und Bistümern gegliedert die deutschsprachige Katholikengemeinde Roms in allen Jahrhunderten gewesen ist. Die Anima war auf geschichtlich nicht ganz geklärtem Wege seit Kaiser Friedrich III. unter weltlichen Rechtsschutz geraten. Vielleicht war das kaiserliche Protektorat, das später Maximilian in einem eigenen Staatsdokument festlegte, ein durch die damaligen Verhältnisse verursachter Übergriff weltlicher Macht (15. Februar 1517) in eine rein religiös-kirchliche Stiftung. Mit dem Glanz und Niedergang der Habsburgerfamilie eng verbunden, haben alle großen Ereignisse der Reichsgeschichte immer wieder in der ehrwürdigen Marienkirche der Anima ein Echo gefunden. Feierlich wurden mit einem Te Deum in dieser Kirche der Sieg Wallensteins, die Schlacht bei Nördlingen und vor allem die Befreiung Wiens von den Türken (1683) der deutschen Gemeinde und den Römern in ihrer Bedeutung für die gesamteuropäische Kultur zum Bewußtsein gebracht. Das kaiserliche Protektorat hatte für die Anima zur Folge, daß sie unter dem Einfluß des Fürstenabsolutismus zur Hof- und Repräsentationskirche der Habsburger in Rom wurde, während die Bruderschaft als ursprüngliche Trägerin des Besitzes und auch des Stiftungszweckes nach der Mitte des 17. Jahrhunderts sich allmählich auflöste. Der Anima gegenüber konnte ihre Schwesterstiftung des deutschen Friedhofs bei St. Peter, auch wenn manche ihren geschichtlichen Ursprung bis auf die karolingische Zeit zurückführen wollen, nicht aufkommen, selbst nicht, als um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein Würzburger Ordenspriester gegen die Italienisierung reformierend entgegenzuwirken suchte. Auch diese zweite deutsche Stiftung, die wie die Anima ursprünglich nur für Pilgerbetreuung bestimmt war, wurde in den unsicheren Zeiten des spätmittelalterlichen Roms unter Reichsschutz gestellt. So sind beide, als das Römische Reich Deutscher Nation 1806 sein Ende fand, mit oder ohne Zustimmung des Vatikans unter das weltliche Schutzrecht der österreichischen Kaiser gekommen, was schließlich auch in den päpstlichen Breven für die Anima (1859) und den Campo Santo (1876) feierlich anerkannt worden ist. Es kann geschichtlich nicht bestritten werden, daß dieses weltliche Schutzrecht auch seine großen Vorteile hatte, wenn man an die unsicheren rechtlichen Verhältnisse im Kirchenstaate denkt, die aus allen Botschaftsberichten leider nur zu klar ersichtlich sind. Jedenfalls wurde die Stiftung der Anima im kritischen Jahre 1870, als der neue italienische Staat religiöse Vermögen zur Bezahlung seiner Schulden nach Belieben einziehen wollte, durch die Überschreibung in den Catasto di Roma26a) als „Ospizio reggio austriacob)“ und als „Imperiali e Reali Stabilimentic)“ vor den Zugriffen der geldbedürftigen neuen Herrscher Roms gerettet. Das Jahr 1918 hat mit dem Ende der Habsburgermonarchie diesem Schutzrecht ein Ende bereitet, um so mehr, als das Saint-Germain-Österreich ausdrücklich in der Präambel des Friedensvertrages erklärte, sich nicht als Nachfolgerin der Habsburgermonarchie betrachten zu wollen. So hatte auch Papst Benedikt XV. in einer Ansprache hervorgehoben, um den Weg für spätere Konkordate freizulegen, daß alle Rechte der früheren diesbezüglichen Herrscher in der Kirche nunmehr an den Apostolischen Stuhl zurückgefallen seien. Es war zu verständlich, daß nach dem Ersten Weltkriege, besonders aber nach der neuerlichen Ernennung eines Österreichers zum Rektor (1923), die Frage einer Neufassung des in vieler Hinsicht veralteten Breves von 1859 verschiedene Kreise interessieren mußte, nachdem der Text schon seit Jahrzehnten in vielen Teilen durch die Geschichtsereignisse überholt war und überdies geschichtliche Unwahrheiten enthielt. Tatsächlich hat das päpstliche Breve 1859 die berechtigten Ansprüche der Holländer nur teilweise anerkannt (in deutscher Übersetzung):
„Der zur Kirche S. Maria dell’Anima bestellte Klerus ist unter Deutschen zu wählen, die zur germanischen Nation gehören. Was die Belgier und Holländer betrifft, die ursprünglich das Recht hatten, in diesen Klerus zugelassen zu werden, so soll ihnen ein Entgelt gewährt werden durch Überweisung eines Jahreszuschusses aus den Einkünften der frommen Gründung, nämlich hundertzwanzig Scudi für einen Belgier und ebensoviel für einen Holländer, zu leisten an das belgische oder andere Priesterkolleg, jedesmal wenn sich dort von ihren diesbezüglichen Bischöfen ausgewählte und gesandte Personen befinden.“
Belgier, Holländer und Luxemburger und nicht zuletzt Reichsdeutsche meldeten deshalb nach 1918 nicht zu Unrecht ihre Ansprüche, stammten doch die grundlegenden und ursprünglichen Stiftungen, denen die spätere Entwicklung der Anima ihre Bedeutung verdankte, aus den Niederlanden, die im 14. Jahrhundert zum Römischen Reich Deutscher Nation gehörten, ferner aus den Gebieten der Diözesen Paderborn, Kulm (Danzig) — Brixen und Trient können nicht übersehen werden —, um nur einige zu nennen. Dabei ist es schwierig, heute noch im einzelnen nachzuweisen, wie viele Beiträge aus anderen Diözesen Deutschlands und Österreichs geleistet worden sind. Selbst die diesbezügliche Archivarbeit des Rektors Lohninger (Linz) konnte darüber nicht unbedingte Sicherheit verschaffen. Nur das Österreich der Nachkriegszeit hatte eine neue Stiftung, die 1924 Kardinal Erzbischof Piffl (Wien) mit Geschenken von Schweizer Wohltätern gemacht hat. Sonst verdankte die Anima ihren wirtschaftlichen Weiterbestand nur den Kapitalien (Häusern), die vorausgehende Jahrhunderte hinterlassen hatten. Je mehr ich mich nach meiner Ankunft in Rom in die Geschichte der Anima auf Grund von Geschichtsurkunden vertiefte, um so rascher erkannte ich, daß tatsächlich in ihr ein Stück vom Römischen Reich Deutscher Nation erhalten ist, daß es also ein gesamtdeutsches Haus war, in dem, keinen Schlagbaum kennend, ungeachtet aller Treue zur römischen Kirche, deutscher Geist herrschen und kreisen muß; wo ein halbes Jahrtausend deutscher Auslandsgeschichte auf mich täglich einwirkt und so viele Grabdenkmäler meiner Vorgänger mich an des Reiches Herrlichkeit erinnern, will ich Sonderwünschen keinen Raum in meinem Herzen geben, sondern die Stiftung so leiten, daß sie ihrer Geschichte und Vergangenheit würdig sei. Schon einmal war in der alten österreichisch-kaiserlichen Zeit ein Rektor (Lohninger, Linz) über diese seine gesamtdeutsche Haltung gestürzt. Sollte mir vielleicht eines Tages ein ähnliches Schicksal bestimmt sein? Die Hauptfragen des Kampfes um die Anima betrafen besonders folgende vier ungeklärte Teile des obgenannten päpstlichen Breves, wobei bekannt ist, daß die römische Kurie aus Traditionalismus oder politischen Rücksichten nicht rasch grundlegende Urkunden ändert — diese Breven mit ihren stereotypen Formulierungen hinken deshalb gewöhnlich der Zeitgeschichte nach:
Die Rechtsansprüche der Belgier, Holländer und Luxemburger
Erstere forderten mehrere Häuser als Entschädigung für die während des Krieges zerstörte Universitätsbibliothek von Löwen. Eine gründliche Studie verfaßte der Direktor des Holländischen Instituts für Geschichtsforschung in Rom, Gisbert Brom, Verlag Löscher (Regensberg), Rom 1909. Jahre hindurch wurde dieser Streit weitergeschleppt, der die deutsche Nationalstiftung in ihrem Dasein bedrohte. Die zweite wichtige Frage war die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Stiftung, in dem bis 1918 immer auch ein Vertreter der kaiserlichen österreichischen Vatikanbotschaft war. Nicht minder wichtig als dritte Frage war jene der Staatsangehörigkeit des jeweiligen Rektors, beziehungsweise des Vorschlagsrechtes einer Kandidatenliste durch die Bischofskonferenzen Österreichs oder auch Deutschlands, ferner als vierte Frage die Neuordnung der Seelsorge der deutschsprachigen Katholiken in Rom. Bereits Papst Benedikt XV. hatte für die Neuordnung der Anima eine Kommission eingesetzt, die aus je einem Vertreter der vier stiftungsberechtigten Nationen und dem Rektor der Anima bestand; Sekretär war der frühere Uditore der Wiener Nuntiatur Monsignore Rossi-Stockalper. Es zeigte sich aber bald, daß die Ansprüche der drei erstgenannten Staaten leichter zu ordnen waren als jene des Vertreters der deutschen Vatikanbotschaft, dem es in erster Linie um seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat und um die Parität von Reichsdeutschen und Österreichern in der Besetzung des Rektorats zu tun war. Dabei konnte als Aktivposten österreichischerseits betont werden, daß die österreichischen Bundeskanzler Schober, Seipel und Dollfuß nach 1918 wiederholt mit bestem Erfolg bei der italienischen Regierung und auch beim Duce vermittelt hatten, um die Befreiung der Anima von der enormen Kriegsentschädigung als „Beni nemici stranieri27)“ durchzusetzen (es handelte sich im Jahre 1921 um eine Summe von 1 Million Lire). Dank dieser hochherzigen Vermittlung, die über ausdrücklichen Wunsch des Kardinalstaatssekretärs Gasparri erfolgte, der dafür auch den Konsistorialadvokaten Patriarca einschaltete, wurde damals das Stiftungskapital von der höchsten zuständigen italienischen Finanzbehörde als esente27a) von dieser außerordentlichen Kriegssteuer erklärt, während sonst die Anima als „Feindesbesitz“ dazu verpflichtet gewesen wäre. Übrigens hat auch das italienische Konkordat, der Lateranvertrag des Jahres 1929 die Rechtsstellung von ausländischen Stiftungen im Kriegsfalle nicht genügend geklärt. In meiner Denkschrift „Su i diritti dei Neerlandesi“, Rom 192328) konnte ich auf Grund der sorgfältigen Vorarbeiten [Liber domorum „Animae“29), auctor Josephus Lohninger] wissenschaftlich genau die Herkunft der einzelnen Häuser und in erster Linie die Wünsche und Ansprüche der drei genannten Staaten als berechtigt nachweisen. Auf Vermittlung des Kardinalprotektors Merry del Val erfolgte bald darauf eine schriftliche Vereinbarung mit den Bischofskonferenzen von Mecheln und Utrecht, daß künftighin von der Anima jährlich ein Beitrag zum Unterhalt eines flamländischen Geistlichen im belgischen Kolleg gezahlt wird und daß ferner ein Holländer als Kaplan einen Freiposten in der Anima zur Verfügung haben kann. Für Luxemburg blieb die Gewohnheit der Zuerkennung eines Freipostens im Turnus mit reichsdeutschen und österreichischen Bistümern weiter erhalten. An den genannten vier Fragen waren begreiflicherweise auch Reichsdeutsche besonders interessiert. Da der Vatikan, wohl unter dem Eindruck der unsicheren politischen Verhältnisse Mitteleuropas, die Ausarbeitung eines neuen apostolischen Breves für die Anima hinausschob, waren nicht wenige staatspolitische Intrigen die Folge, obwohl eine rechtzeitige Verständigung zwischen den drei berufenen Bischofskonferenzen (Wien, Freising, Fulda) mindestens zu einer Parität beider Gebiete geführt hätte, was der Gerechtigkeit und in erster Linie dem Ursprung der Animastiftung entsprach. Seitdem die österreichischen Vatikanbotschafter Lebzeltern und Lützow die Anima von der Italienisierung befreit und eine deutsche Seelsorge dortselbst begründet hatten, war die Animakirche der selbstverständliche Mittelpunkt der Katholiken deutscher Sprache in Rom geworden*). Vollkommen klar war es, daß der Rektor des Priesterkollegs als solcher auch Rektor der Kirche und damit der erste rechtlich berufene Seelsorger war, wenn nicht seitens des Kardinalvikars (can. 480, par. 3) die beiden Ämter voneinander getrennt wurden, was die tatsächliche Auflösung jeder Disziplin des Hauses bedeutet hätte. Ebenso klar war es, daß die Anima keine eigentliche Pfarrkirche war, sondern nur eine außerordentliche Hilfsseelsorge darstellte, nachdem Nationalpfarren nur mit Zustimmung des Papstes gegründet werden können (can. 216). Die Reibungen und Schwierigkeiten in der deutschen Seelsorge in Rom gehen viele Jahrzehnte zurück und haben in den Jahren 1900 ff. begonnen, als die Frage der Ernennung eines eigenen Kardinalprotektors für die deutsche Auslandsseelsorge in Italien bei der Fuldaer Bischofskonferenz behandelt wurde. Die in meinen Händen befindlichen zahlreichen Briefe des damaligen österreichischen Vatikanbotschaftsrates Montel, die er darüber mit dem verdienten Rektor Antonio de Waal vom deutschen Campo Santo wechselte, zeigen die Problematik dieser und ähnlicher Protektorate, deren Bedeutung mehr vom diplomatischen Geschick der betreffenden Persönlichkeit als vom Text der meistens aalglatt formulierten Ernennungsbreven des päpstlichen Staatssekretärs abhängt. Übermäßige Begeisterung löste ein solches neues Protektorat auch bei den Bischöfen Italiens nicht aus, am wenigsten in Florenz, die dank der unklaren Textierung des Breves für den ersten Kardinalprotektor, Fürstbischof Kopp (Breslau), Eingriffe in ihre natürlichen Rechte als Ordinarli loci und eine Nebenregierung von außen befürchteten. Überdies sahen sie in nationalen Abspaltungen von der normalen Seelsorge eine Gefährdung des universellen katholischen Gedankens. Tatsächlich fehlte es nicht an üblen Erfahrungen in Sizilien mit den orientalischen Kirchenbehörden. Auch die Gründung einer Zentralstelle in Rom für die gesamte deutschsprachige Seelsorge in Italien war von nicht minder großer Bedeutung. So schreibt De Waal (1903) an den Vermittler dieser delikaten Angelegenheit, Montel:
„Und nun etwas eingehender auf mein großes Anliegen wegen der Seelsorge unserer deutschen Kolonien in Italien. Es muß durchaus eine Zentralstelle in Rom geschaffen werden, welche für das Ganze und das Einzelne sorgt, den Pfarrern ihre Anstellung gibt, über die zur Verfügung stehenden Gelder je nach Bedürfnis verfügt, neue Geldquellen findet, Unordnungen schlichtet und bessert, jährliche Rechenschaftsberichte einfordert usw., und ich möchte wünschen, daß diese Zentralstelle dauernd an den Campo Santo geknüpft würde. Denn der Rector vom Campo Santo ist durch die materielle Verwaltung seines Hauses nicht derart in Anspruch genommen, daß er neben der Förderung der Studien und den anderen Obliegenheiten nicht auch Zeit fände, sich der deutschen Mission in Italien anzunehmen. Ich möchte Ihrem freundlichen Erwägen den Gedanken unterbreiten, ob es nicht gut wäre, den jedesmaligen Erzbischof von Köln zum Protector und obersten Chef des Werkes zu machen, schon darum, weil aus der Kölner Kirchenprovinz die meisten materiellen Mittel fließen und auch am leichtesten Priester zu erhalten sind, welche sich der Mission widmen wollen. Der Rector des Campo Santo wäre dann der Delegat des Kölner Erzbischofs und hätte demselben alljährlich einen Bericht vorzulegen, der dann auch in Fulda dem Episkopat unterbreitet werden könnte. Bei einer gewissen Freiheit der Hände hätte in allen wichtigen Fragen der Delegat sich an seinen Chef zu wenden. Eine solche Institution kann aber nur durch eine Verfügung des Heiligen Stuhles in Kraft treten, durch welche zugleich den Bischöfen in Italien bekanntgegeben wird, daß der Rector vom Campo Santo in päpstlichem Auftrag handelt, wenn er sich an sie wendet.“ Ferner schreibt De Waal (1903) an den Vermittler dieser delikaten Angelegenheit, Botschaftsrat Montel: „In dem Buch der Rückerinnerung steht auf jedem Blatt Ihr Name, denn Sie sind stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden.“
Schon von Anfang an stand aber der Wiener Kardinal Erzbischof Gruscha den Bestrebungen einer deutschen Seelsorge in Verbindung mit der Anima kühl und fast ablehnend gegenüber, um so mehr als im Ernennungsdekret nur die Rede war vom „Protector catholicorum Germanicorum“ (also Reichsdeutscher) und das Protektorat auch einem reichsdeutschen Kardinal übergeben wurde (zuerst Kopp, dann die Kölner Erzbischöfe). 1904 erfolgte die Ernennung des ersten Kardinalprotektors in der Person des Breslauer Fürstbischofs Kopp. Es war der Erfolg der von De Waal an vier Bischofskonferenzen unterbreiteten Denkschrift. Der Wortlaut war folgender: (in deutscher Übersetzung):
„Aus dem Staatssekretariat vom 2. November 1904. Papst Pius X. hat in gütiger Erhörung der Bitten der preußischen Bischöfe, die zu einer erhöhten und wirksameren Seelsorge für die aufenthaltsoder reisehalber in Italien weilenden Katholiken Deutschlands darum nachsuchten, daß eben diesen Katholiken durch päpstliche Machtvollkommenheit ein Protektor gegeben würde, zu solchem Amt Eminenz Kardinal Georg Kopp, Bischof von Breslau, erwählt. Da aber derselbe nicht leicht aus seiner Diözese die geistige Fürsorge für seine Mitbürger in Italien leiten kann, so hat der Heilige Vater des weiteren gewährt, ihm zu gestatten, auf einen Priester mit Wohnsitz in Rom und der Benennung eines Kommissars Teile seines Amtes zu übertragen. Von dieser päpstlichen Ermächtigung Gebrauch machend, hat daher Kardinal Kopp das Amt eines Kommissars dem Rektor des Deutschen Priesterkollegs in der Ewigen Stadt Antonio de Waal übergeben, und der Heilige Vater hat diese Wahl bestätigt. Hiervon mögen alle Kenntnis erhalten, für die es aus irgendeinem Grunde von Interesse sein kann. Kardinal Merry del Val.“
Unrichtig beraten von der deutschen Vatikanbotschaft, suchte Kardinal Joseph Schulte nach dem Ersten Weltkrieg in der Anima eine deutsche Nationalpfarrei im Sinne des can. 216, par. 4, durchzusetzen, und zwar so, daß der Rektor der Kirche völlig ausgeschaltet und ein von Köln ernannter Priester die Seelsorgeverrichtungen als eine Art Pfarrer oder Curatus (nach norddeutschem Sprachgebrauch eine selbständige Seelsorge) durchzuführen hatte. Dabei war Kardinal Schulte beeinflußt vom Beispiel der Errichtung polnischer Nationalpfarreien in der Diözese Danzig, die Papst Pius XI. auf ständiges Drängen des polnischen und französischen Vatikanbotschafters genehmigt hatte. Die geschichtliche Entwicklung hat aber in kurzer Zeit diese letztere Einführung als einen tief bedauerlichen kirchlichen Mißgriff erkennen lassen. Sie war kein Segen, sondern wurde der Beginn einer nationalen Spaltung innerhalb Danzigs, durch eine vom Ausland (Warschau) ständig geförderte Radikalisierung des polnischen Bevölkerungselementes unter dem Deckmantel der Religion. Gegen diese Bestrebungen des Kölner Kardinals verfaßte ich 1924 eine eigene Denkschrift*) zur Verteidigung des geschichtlichen und kirchenrechtlichen Standpunktes der Anima, auch um die Unmöglichkeit von zwei Kardinalprotektoraten im gleichen Hause besonders hervorzuheben. Das zweite Kapitel hatte den Titel: „Die Stellung der Anima zum Protektorate der Assistenza religiosa dei cattolici tedeschi residenti in Italia30). Welche Rechte kommen dem jeweiligen Kardinalprotektor der Assistenza religiosa hinsichtlich der Anima und ihrer Seelsorge zu?“ Geschichtlich hat sich dieses Protektorat so entwickelt, daß mit den in verschiedenen Häusern der Grauen Schwestern nach und nach infolge Anstellung eigener Hausgeistlicher auch Seelsorgestationen für die dort befindlichen deutschen Kolonien geschaffen wurden. Kardinal Kopp, der Protektor der Grauen Schwestern, ernannte diese Hausgeistlichen in den Häusern der Grauen Schwestern in Italien, die den Titel „Rektoren“ führten, und übte so ein gewisses Protektorat über diese deutschen Seelsorgestellen in Italien aus. Am 22. November 1904 wurde Kardinal Kopp vom Papst zum „Protector catholicorum Germanicae nationis in Italia degentium31)“ ernannt, um diese neu erstandenen religiösen Sammelpunkte der deutschen Katholiken Italiens neu zu organisieren und ihre religiösen Aufgaben zu regeln. Bald darauf erfolgte durch einen Erlaß des Kardinals Kopp vom 8. Jänner 1905 die Bestellung des damaligen Superiors der Grauen Schwestern in Italien, De Waal, zu seinem Stellvertreter (Kommissär) für die Überwachung dieser Seelsorgestellen. Weder im päpstlichen Schreiben an Kardinal Kopp noch auch im Ernennungsdekret an De Waal ist von einer Einbeziehung Roms die Rede. Die Bestellungsurkunde für De Waal ist so gehalten, daß sie nur für die Seelsorgestellen außerhalb Roms gelten kann. Da der sonst hochverdiente De Waal aus nicht genügender Beachtung des Kirchenrechtes wiederholt seine Befugnisse überschritt, nahm auch der damalige Rektor der Anima, Lohninger, an der Konferenz der deutschen Seelsorger Italiens nicht teil (14. bis 17. September 1908). Er lehnte die Einladung zu dieser Konferenz mit der Begründung ab, daß die Anima bereits einen Protektor habe und in Seelsorgeangelegenheiten dem Kardinalvikar von Rom unterstellt sei. Es sei nicht Gepflogenheit, römische Institute, die bereits einen Kardinalprotektor in Rom haben, noch einem zweiten Protektorate außerhalb Roms zu unterstellen.
Verschiedene Mißhelligkeiten zwischen Seelsorgern der deutschen Gemeinden Italiens in den Häusern der Grauen Schwestern, besonders die Eingriffe De Waals in fremde Rechtskreise, führten dazu, daß Kardinal Kopp das Protektorat der deutschen Seelsorge Italiens zurücklegte und gleichzeitig ihn von der Stelle eines Kommissärs dieser deutschen Seelsorge enthob. Nun wurde Kardinal-Erzbischof von Köln, Fleischer, vom Papste zum Protektor ernannt, da dieses Protektorat nicht an eine bestimmte Diözese gebunden war. Dieser gab der deutschen Seelsorge in Italien eine feste Organisation und verband, überzeugt von der besonderen Stellung der Anima, um allen Streitigkeiten ein Ende zu machen und weitere Übergriffe auszuschalten, das Kommissariat mit der Anima, als der ersten deutschen Kirche Roms und dem Zentrum des katholischen Lebens der Deutschen in Italien*).
Schlußergebnis:
Das rechtliche Verhältnis der Anima zum Protektorate der Assistenza religiosa ist auf Grund der Geschichte folgendes:
1. Beide stehen ohne rechtliche Beziehung nebeneinander, da die Anima in geistlichen Dingen auf Grund der päpstlichen Bullen unmittelbar dem Kardinalvikar von Rom unterstellt ist. In Rom ist der Rektor der Anima innerhalb der Kirche und des Hospizes auf Grund des Breves vom Jahre 1859 und außerhalb derselben auf Grund einer langjährigen Gewohnheit primärer deutscher Seelsorger, der dem Kardinalprotektor der Anima und dem Kardinalvikar unmittelbar unterstellt ist, ohne gleich den übrigen Rektoren der deutschen Gemeinden Italiens dem Protektorate der Assistenza religiosa rechtlich zu unterstehen. Das gleiche gilt für die ausschließlich für die Seelsorge an der Anima bestimmten Kapläne.
2. Wenn auch auf Grund der Geschichte dem „Protettorato della Assistenza religiosa32)“ gegenüber der Anima keine Rechte zukommen, so erscheint im Interesse einer einheitlichen Gestaltung der Seelsorge in ganz Italien ein Zusammenhang durchaus wünschenswert, und zwar in dem Sinne, daß der Rektor der Anima auf Grund der Berichte der Seelsorgekapläne an den jeweiligen Kardinalprotektor der Assistenza religiosa für die Bischofskonferenz von Fulda einen Jahresbericht über die religiösen Verhältnisse der deutschen Kolonie in Rom übermittelt*). Jedenfalls dürfte niemals, wenn der Kommissär für die deutsche Seelsorge in Italien eine andere Persönlichkeit wäre als der Rektor der Anima, ersterer irgendwelche Ingerenz auf die von der Anima zu leistende Seelsorge ausüben. Eine diesbezügliche Unterordnung der Anima wäre eine Rechtsverletzung und Verleugnung der ganzen Geschichte der Anima.






