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Als eine kirchenrechtlich lauwarm verfaßte Gegenschrift des Kardinals Schulte, die an alle deutschen Bischöfe geschickt wurde, trotzdem nicht von dieser Absicht einer Nationalpfarrei abrückte, ohne meine starken Gegengründe wesentlich zu widerlegen, trug ich die ganze Sache, die eine Gefährdung darstellte, in einer Sonderaudienz Papst Pius XL vor, nachdem bereits früher Kardinalvikar Pompili die für alle Fälle schon ausgearbeiteten Statuten mit den Worten verurteilt hatte: „Un Curato tedesco non c’è a Roma33).“ Nach seiner mir gegenüber ausgesprochenen Auffassung schaffe ein solches Protektorat kein neues Recht, denn es gibt keine parallel laufende oder konkurrierende hierarchische Jurisdiktion. Es ist nur eine moralische und finanzielle Hilfe, praktisch überhaupt nur möglich, wenn der Ortsbischof dafür Verständnis hat und seine Zustimmung gibt. Die Antwort des Papstes war noch entschiedener: „Solange Wir hier sind, werden Wir niemals die Errichtung von Nationalpfarreien in Rom gestatten.“ Entmutigt von nicht wenigen Intrigen, die in dieser Sache von Geistlichen gesponnen wurden, wohl hauptsächlich, um die Tätigkeit eines Österreichers an der Deutschen Nationalstiftung unmöglich zu machen, schrieb ich an Kardinal Erzbischof Piffl nach Wien: „Ich will enttäuscht lieber meine Tätigkeit als einfacher Hochschullehrer in Graz fortsetzen, aber ich komme nicht mehr als derselbe zurück, denn die unfairen Formen dieses Kampfes haben meinen Idealismus und meine hohe Auffassung vom Priestertum als Träger von Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit geschwächt.“ Nur seinen ermunternden Worten folgend, habe ich damals standgehalten. Ich habe in diesem unrühmlichen Kampfe, in dem sich auch groß- und kleindeutsche politische Auffassungen gegenüberstanden, die schwierige Lage von Geistlichen beobachtet, die als kirchenrechtliche Beiräte bei ausländischen diplomatischen Vertretungen beim Vatikan angestellt sind. Es sind moralische Zwittergestalten, da sie durch ihren Beruf zuerst der Kirche gehören, andererseits aber oft genug mit ihrem Staat in Widerstreit geraten müssen. Erst im Jahre 1930 wurde die bereits von Kardinal Fischer empfohlene Lösung neuerdings angewandt, indem der Rektor der Anima zum Kommissär des Kardinalprotektors der deutschen Auslandsseelsorge in Italien (Schulte, Köln) ernannt wurde. Diese Ordnung wurde auch im Frühjahr 1946 und im April 1948 mündlich und schriftlich vom Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz (Kardinal Frings, Köln) beibehalten („Vertretung der deutschsprachigen Seelsorge Italiens bei den zuständigen kirchlichen und staatlichen Behörden“). Indem ich den Kölner Kardinal Schulte von der reichsdeutschen auf eine gesamtdeutsche Seelsorge umstimmen konnte (1930), verminderten sich Reibungsflächen und überflüssige Schwierigkeiten. Vorzügliche Hilfe haben mir in den folgenden Jahren die Generalsekretäre des Reichsverbandes katholischer Auslandsdeutscher (Scherter, Büttner) geleistet, durch deren Weitblick und diplomatisches Geschick eine große Tätigkeit entfaltet werden konnte, die hauptsächlich die deutschsprachigen katholischen Gemeinden in Mailand, Florenz, Neapel, Palermo, San Remo, Genua und Triest betraf. Das Ergebnis meiner langjährigen Erfahrungen waren zwei Denkschriften, die im Interesse der Geschichte im folgenden inhaltlich wiedergegeben seien (17. Jänner 1946):
Vorschläge für eine Neuordnung
Es kann darüber kein Zweifel bestehen, daß nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen für das gesamte Deutschtum katastrophalen Folgen im Ausland die Neuordnung der Auslandsseelsorge für die Katholiken deutscher Sprache eine dringende Notwendigkeit geworden ist. Diese betrifft nicht bloß die Frage des Protektorates, das mit dem Tode von Kardinal Schulte erloschen ist, sondern mit Beispiel die zielbewußte Ausbildung eines den neuen und überaus schwierigen Aufgaben der Auslandsseelsorge in jeder Weise gewachsenen Klerus, die finanzielle Sicherstellung, ferner die vollständige Entpolitisierung dieses Werkes.
Der augenblickliche Zustand aller Auslandsgemeinden ist trostlos. Von den vielen Unternehmungen ist nur ein Trümmerfeld übriggeblieben. Tatsächlich funktioniert ganz nur mehr die Seelsorge in Rom, wo auch trotz des Einmarsches der Alliierten im Juni 1944 der Gemeindegottesdienst niemals unterbrochen worden ist, sondern die Funktionen regelmäßig wie früher gehalten werden, teilweise unter gutem Besuch seitens der Gemeindemitglieder. In den anderen Städten Italiens, Mailand, Venedig und Florenz, ist alles auf ein Minimum reduziert. Genua, Palermo sind aufgelöst, Triest arbeitet so ungefähr weiter, in Neapel ist dasselbe Bild. Soweit die Auslandsgemeinden nicht bereits aufgelöst wurden, sind sie gespalten, jedenfalls durch den allgemeinen Deutschenhaß für längere Zeit auf kulturellem Gebiet zur Untätigkeit verurteilt.
Die Lage derselben wird dadurch um so delikater, weil unter den Deutschschweizern und Österreichern leider Gottes unter dem Einfluß der Alliierten eine große Zurückhaltung herrscht gegenüber allem, was mit Deutschland etwas zu tun hat. Bei letzteren ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß vielleicht katholische Kreise, die Deutschtum mit Nazismus (!) verwechseln, auch auf dem Gebiete der Seelsorge eigene Wege im Ausland gehen wollen, was manchen Absichten der Alliierten entsprechen und deshalb ihre Förderung finden würde. Ich habe seit meiner Bestellung zum Kommissär im Jahre 1930 immer mit allem Nachdruck den in Italien tätigen deutschen Seelsorgern nahegelegt, nicht von einer deutschen Seelsorge zu sprechen, sondern nur von einer solchen der deutschsprachigen Katholiken, weil das Wort deutsch, besonders in Italien, fast nur im Sinne von reichsdeutsch ausgelegt wird, wodurch das ganze Werk eine wesentliche Einschränkung oder einseitige Richtung erfahren müßte.
Die wichtigste Schlußfolgerung aus den politischen Veränderungen des Zweiten Weltkrieges ist, daß die Auslandsseelsorge ganz und ausschließlich als ein rein kirchliches Werk unter die ausschließliche Autorität des Episkopates gebracht werden muß, um jeder Mißdeutung, als sei es eine Art „klerikaler“ Pangermanismus, zu begegnen. Letzteres würde in allen Ländern jede segensreiche Arbeit schon im vorhinein lähmen und dieselbe ungezählten Intrigen aussetzen. Es ist deshalb ein Vorteil, daß in der Unklarheit eines politisch zerrissenen Deutschland der Reichsverband der katholischen Auslandsdeutschen, dessen viele und große Verdienste niemand bestreiten kann, untergegangen ist.
Nach einer Tätigkeit von fast 25 Jahren im Ausland und nach über 15 Jahren Kommissariat für die deutschsprachigen Katholiken Italiens unterbreite ich deshalb den Hochwürdigsten Herren Bischöfen von Deutschland und Österreich die folgenden nur aus der Erfahrung gereiften Vorschläge mit der Bitte, dieselben auf der nächsten Bischofskonferenz zu überprüfen, um eventuell dem Heiligen Stuhl konkrete Anträge stellen zu können für eine Neuorganisation der Auslandsseelsorge. Diese muß allen Katholiken deutscher Sprache, welcher Staatsangehörigkeit sie auch sind, eine religiöse Betreuung ferne von ihrer Heimat sichern. Sie muß über allen politischen und parteilichen Veränderungen stehen, indem sie nur das Heil der unsterblichen Seelen, die Förderung der Liebe zur heiligen Kirche und zur Heimat und die karitative Arbeit als höchste Ziele vor Augen hat.
1. Finanzielle Sicherstellung
Beim Bonifatiuswerk, dessen Verlegung in eine größere Stadt Mitteldeutschlands aus praktischen Gründen zu empfehlen wäre, wird eine Sektion Auslandsmission errichtet, deren Aufgabe die Gründung und Erhaltung von Bonifatiusgemeinden für die Seelsorge deutschsprachiger Katholiken im Ausland ist. Sie untersteht zwei von den Bischofskonferenzen Deutschlands und Österreichs bestimmten Ordinarien, die auch bei den Bischofskonferenzen die offiziellen Referenten für die Auslandsseelsorge sind. Die finanzielle Sicherstellung der Auslandsseelsorger erfolgt durch die freiwilligen Beiträge der Kirchen in Deutschland und Österreich anläßlich des jährlichen Bonifatiussonntages, ferner durch einen Jahresbeitrag jeder einzelnen Diözese als solcher. Da die im Ausland lebenden Katholiken deutscher Sprache in ihrer Mehrheit wohl für längere Zeit wirtschaftlich nicht in der Lage sind, einen Priester zu erhalten, ist der Beitrag des Bonifatiuswerkes die einzige praktische Möglichkeit, den rein kirchlichen Charakter der Auslandsseelsorge zu wahren und anderseits, sobald wieder normale Valutenüberweisungen möglich sind, den Seelsorger unabhängig zu machen von manchen Verhältnissen, die man heute auf vielen Gebieten nicht vorausahnen kann. Mit jeder deutschen Auslandsgemeinde müßte ferner ein Karitassekretariat verbunden werden, das mit den Zentralen in Freiburg und Wien arbeitet.
2. Das Protektorat
Das Protektorat über die Auslandsseelsorge übernehmen die Bischofskonferenzen Deutschlands und Österreichs, die dasselbe ausüben durch die beiden von ihnen gewählten Bischöfe, die auch die Sektion „Auslandsmission des Bonifatiuswerkes“ unter sich haben.
3. Ausbildung der Auslandspriester
Schon mit Rücksicht auf die delikate Lage des Deutschtums in den folgenden Jahren müßte die Auswahl der Priester nicht auf eine einzelne Diözese beschränkt bleiben, sondern sich auf alle erstrecken, Nord und Süd, einschließlich Österreich. Zweifellos werden die österreichischen Gemeinden als erste im Ausland ihre Organisation beginnen. Von entscheidender Bedeutung ist deshalb auch die Heranziehung und Vorbereitung solcher Priester für ihre sehr schwierige Aufgabe im Ausland. Es kann nicht dem Zufall überlassen werden, ob sich jemand freiwillig meldet, und ebenso kann niemand dazu befohlen werden, wenn er nicht zuvor eine gute pastorale Anweisung erhalten hat.
Aus diesen Erwägungen sollte das mit großem Weitblick vom verstorbenen Bischof Franz Geyer in Banz errichtete Werk besonders gefördert werden als Zentralinstitut für die Heranbildung dieser Auslandsseelsorger*). Ein solches Werk kann aber besonders unter den heutigen schwierigen Verhältnissen des Deutschtums nur in Rom eine wahre Zukunft haben. Hier wird der Blick der jungen Priester erweitert. Sie haben die Möglichkeit, mit Mitbrüdern jener Länder in persönliche Verbindung zu treten, in die sie später geschickt werden. Sie können Sprachen lernen, um im Ausland dem betreffenden Klerus in der Seelsorge sich freiwillig (aushilfsweise) zur Verfügung zu stellen. Überdies wird es unendlich leichter sein, in den nächsten Jahrzehnten von Rom solche Priester hinauszuschicken als von Deutschland oder Österreich. Durch die Verbindung mit der Sektion Emigrazione in der Konsistorialkongregation würde das ganze Institut auch seine kanonistische Sicherstellung und Förderung durch den Heiligen Stuhl erhalten, wie auch die italienische Auslandsseelsorge in reichem Maße dieses Wohlwollen empfindet. Die Ernennung der Seelsorger sollte am vorteilhaftesten durch die Konsistorialkongregation erfolgen, was die kirchenrechtliche Stellung dieser Seelsorger bedeutend stärken würde. Sollte dies nicht zu erreichen sein, dann wäre der Superior dieser religiösen Vereinigung zuständig im Einvernehmen mit den beiden genannten Bischöfen und dem Bonifatiuswerk.
Dieses Institut könnte provisorisch mit der Anima oder dem Campo Santo Teutonico verbunden werden, bis in Rom ein geeignetes Haus aus dem Erlös der in Banz verkauften Liegenschaften gekauft werden kann. Sobald sich die Verhältnisse ein wenig bessern, dürfte auf Vermittlung des Heiligen Stuhles eine solche Transaktion bei den alliierten Behörden angeregt werden können.
Die von Bischof Geyer gegründete Gesellschaft von Auslandsseelsorgern müßte neue Satzungen erhalten oder wenigstens eine gewisse Umformung im Sinne einer freien religiösen Vereinigung von Weltpriestern des Istituto secolare (can. 685 ff.), die sich durch ein Votum simplex für eine bestimmte Reihe von Jahren zur Arbeit in der Auslandsseelsorge verpflichten. Die Satzungen der Scalabrini dürften manche Anregungen geben, die aber dem deutschen Wesen entsprechend abgeändert werden müßten. Während des Romaufenthaltes müßte diesen Priestern oder Theologen ein genaues Studienprogramm vorgeschrieben werden, wobei der Besuch der Propagandahochschule besonders zu empfehlen wäre mit Rücksicht auf die dem Missionscharakter angepaßten Vorlesungen aus Pastoral.
Der junge Priester, der sich heute für eine so überaus schwierige Mission meldet, muß ein feines psychologisches Sicheinfühlen in die Mentalität anderer Nationen lernen, wenn er einer Welt von Gegnern des Deutschtums überhaupt gewachsen sein will. Ich würde vorschlagen, daß die betreffenden Priester dieses nach Rom verlegten Instituts sich dem Kardinalvikariat für die seelsorgliche Arbeit in der Bannmeile (sehr verwahrloste Bezirke wie Torrmarancia, Quadraro) an Sonn- und Feiertagen freiwillig zur Verfügung stellen, was hier den besten Eindruck machen würde. Mehrere junge nordamerikanische Priester, die in der Anima studierten, haben in diesen römischen Stadtvierteln wirklich apostolisch mehrere Jahre hindurch als freiwillige unbezahlte Seelsorgehelfer gewirkt. Wenn dieses Institut Theologen aufnimmt, müßten dieselben eventuell auf den Titulus missionum oder mensae communis34) (can. 981, par. 2; 982, par. 2) geweiht werden, weil sie sich auch für immer der Auslandsseelsorge verpflichten.
Die Auslandsseelsorge für die Katholiken deutscher Sprache hat in den nächsten Jahrzehnten gewaltige Schwierigkeiten zu überwinden, um das Zerstreute zu sammeln und verlorene Seelen zurückzugewinnen, nachdem jahrelang die Kirche die einzig mögliche Organisation für die Deutschen im Ausland sein wird. Sie hat aber auch eine andere wertvolle Aufgabe, durch Klugheit, wahrhaft apostolische Gesinnung und großen Seeleneifer mitzuwirken, um das harte Urteil des Auslandes über die sogenannte durch nichts zu beweisende „Kollektivschuld aller Deutschen“ ohne Unterschied zu mildern. Das apostolische Breve des Jahres 1961 hat manche Fragen geordnet, nicht alle glücklich.
Nach dem Anschluß Österreichs im März 1938 nahm das Berliner Auswärtige Amt die einzig richtige Stellung durch die mir vom Vatikanbotschafter von Bergen übermittelte Erklärung ein, „daß die Anima trotz ihres nationaldeutschen Charakters eine rein kirchliche Stiftung werden soll, ohne Einmengung politischer oder diplomatischer Stellen“ — diese Auffassung entsprach meiner wiederholt geäußerten Stellungnahme in dieser delikaten Frage, die durch den Untergang der Habsburgermonarchie wie ein Bleigewicht über dieser altehrwürdigen Stiftung lastete.
26) a) das Grundbuch von Rom
b) „königlich-österreichisches Hospiz“
c) „kaiserlich-königliche Besitzungen“
27) Güter feindlicher Ausländer
27a) ausgenommen
28) „Über die Rechte der Niederländer“ (im Originalmanuskript steht „Neerlandesi“, gemeint ist wohl „Niederländer“ = Neederlandesi)
29) „Buch der Anima-Häuser“
*) Vgl. meine Bücher „Die deutsche Kulturarbeit in Italien“, Münster 1934, Verlag Aschendorff, mit genauen geschichtlichen Beilagen und Literaturverzeichnis, ferner „Die österreichische Vatikanbotschaft 1806—1918“, München 1952.
*) Buchdruckerei Tyrolia, Bozen, 1924.
30) „Seelsorge für die deutschen Katholiken in Italien“
31) „Protektor der Katholiken deutscher Nation in Italien“
*) Vgl. seinen Brief vom 31. Oktober 1909; der gesamte diesbezügliche Briefwechsel befindet sich im Archiv der Anima.
32) „Protektorat über die Seelsorge“
*) Manches, aber nicht das Wesentliche, dürfte durch das Dekret der päpstlichen Konsistorialkongregation (1951) über die Auswandererseelsorge überholt sein, jedoch kann man die nach Italien sich begebenden Deutschen nicht als Auswanderer im strengen Sinne des Rechtes bezeichnen.
33) „Einen deutschen Seelsorger in Rom gibt es nicht“
*) Vgl. das bedeutende Werk „Mission de France“.
34) Titel der Missionen oder Tischtitel (der kirchenrechtliche Ausdruck „titulus“ ist der Nachweis der Existenzgrundlage, die nach kirchlicher Vorschrift für jeden Kleriker gesichert sein muß)
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