Sinfonie der Lust | Erotischer Roman

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»Ich verbinde dir jetzt die Augen«, raunte er, als er ihr erneut über die pochende Klit leckte. Kurz darauf wurde es dunkel. Würde das Safeword doch noch zum Einsatz kommen? Er wollte offensichtlich, dass sie sich ganz auf ihre Gefühle einließ. Sie lag wie eine hilflose Schildkröte mit gefesselten Armen auf dem Rücken. Derart ausgeliefert hatte sie kaum eine Chance, sich zu wehren. Aber wenn sie geglaubt hatte, es wäre damit erledigt gewesen, dann hatte sie sich geirrt. Ben fesselte ihre Fußgelenke mit etwas Gürtelartigem. Vielleicht waren es diese schwarzen Manschetten, die sie ihm vor Kurzem in einem Internetshop gezeigt hatte? Anschließend zog er ihre Beine immer mehr auseinander, bis er sie in einer weit gespreizten Stellung fixiert hatte. Sie vermutete, dass es der Bettpfosten war, an dem sie festgebunden wurde. So geöffnet lag sie wie eine köstliche Auster vor ihm, die nur darauf wartete, vernascht zu werden. Wieder summte es leise und der Vibrator kitzelte über ihre empfindlichen Brustwarzen. Gefühlvoll ließ Ben den kühlen Kunststoff über ihren Bauch bis zwischen ihre Beine gleiten. Es war schon interessant, dass etwas Glattes, Kaltes sie derart aus der Fassung bringen und erhitzen konnte. Sobald sie das Vibrieren an ihrer Perle spürte, war es auch schon wieder fort, an einer anderen Stelle ihres Körpers. Mal an einer ihrer Kniekehlen, dann an ihren Fingern und dann wieder an ihrem Mund. Er spielte mit ihr und schien es zu genießen. Sie wurde immer unruhiger und wand sich unter seinen Liebkosungen. Immer wieder drückte sie ihr Becken durch, forderte ihn auf, sie endlich zu nehmen, bis sie plötzlich die feuchte Spitze des Vibrators an ihrem Anus bemerkte. Ganz langsam und vorsichtig drückte er das schlanke Spielzeug in ihre Rosette. Sie stöhnte und wimmerte. Sie hielt es nicht länger aus: »Verdammt, komm endlich rein. Ich will dich in mir spüren.«
»Hast du etwas gesagt?«, fragte Ben und leckte erneut über ihre geschwollenen Schamlippen. Dabei spielte er immer noch mit ihrem Hintereingang und schob erneut zwei seiner kräftigen Finger in sie. Vanessa wurde immer ungeduldiger, aber egal wie sehr sie Ben zu verstehen gab, er solle endlich ihre Lust stillen, er legte eine stoische Geduld an den Tag, sie weiter zu reizen. So war es immer. Wenn sie ihn zu sehr drängte, verlangsamte er sein Spiel und hielt sie so auf einem gleichbleibenden Erregungslevel.
Ben war ein wirklich guter Liebhaber und brachte sie immer zum Ziel. Gerade jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er sie endlich erlösen würde. Beim Orgasmus fühlte sie sich oft wie in einem Wurmloch im Weltall, das einen verschluckte und an einer anderen Stelle im Universum wieder ausspuckte. Bei einem sanften Höhepunkt ließ sie sich hingegen einfach auf der Milchstraße treiben. Wenn sie allerdings einen dieser unbeschreiblichen weltverändernden Höhepunkte bekam, dann verglühte sie wie eine Sternschnuppe beim Eintritt in die Erdatmosphäre, bevor sie dann wieder in der Realität aufschlug.
Seine Zunge zuckte über ihre erhitzte Scham, sein warmer Atem berauschte sie und trieb sie weiter an, auf diesen fernen Ort zu. In ihr baute sich das süße Gefühl immer weiter auf. Ihr Atem ging schneller. Sie stöhnte verzückt, als er sie zart in die Brustwarze kniff. Anscheinend war das für Ben ein Zeichen und er fingerte sie nun schneller, legte es offensichtlich darauf an, dass sie über die Klippe fiel. Es dauerte dann auch nur noch wenige Augenblicke, bis sie erlöst aufschrie. Lange noch bebte es tief in ihrer Mitte.
»Habe ich dir erlaubt, zu kommen?«, fragte er, nachdem er sie kurz darauf auf den Mund geküsst hatte.
»Ich hatte dir gesagt, du sollst endlich reinkommen.«
»Tja, ich bin aber noch gar nicht fertig mit dir.« Er rollte sich vorsichtig zwischen ihre Schenkel. Ganz langsam, Stück für Stück, schob sich sein gewaltiger Schwanz in ihre feuchte Muschi, bis er sie vollkommen ausfüllte. Vorsichtig begann er, sich zu bewegen, sodass sie ihn intensiv spüren konnte. Nach und nach wurde er schneller.
»Oh, jaaa!«, entfuhr es ihr erneut, halb stöhnend, halb schreiend. Ben schien das Wechselbad zwischen heftigen und schnellen, tiefen Stößen und seinen langsamen, fast fließenden Bewegungen zu genießen. Er machte sie wahnsinnig, sie wollte nichts anderes, als erneut in einem Sonnensturm zu verbrennen. Es war ihr auch völlig egal, ob Ben es ihr erlaubte. Als sie kam, knurrte er ungehalten und vögelte sie mit weiteren heftigen Stößen, bis auch er sich seinem Höhepunkt ergab.
Erst jetzt spürte sie das unangenehme Kribbeln in ihren Händen, die immer noch hinter dem Rücken zusammengebunden waren.
»Willst du etwas trinken?«, fragte er sie, nachdem er sie wieder entfesselt hatte und sie beide erschöpft auf dem Bett lagen.
»Ja, bitte. Mein Mund klebt, ich muss dieses süße Zeug loswerden.«
»Bier?«
»Bier ist jetzt genau das Richtige!«
Ben stand auf und ging in die Küche. Vanessa starrte die Decke an und verfolgte die Reflexionen der blinkenden Leuchtreklame, die von der anderen Straßenseite her in die Wohnung schien und in regelmäßigen Abständen Schatten an die Decke warfen. Vanessa war befriedigt und fühlte sich pudelwohl in ihrer Haut. Ein ordentlicher Orgasmus war die beste Medizin gegen einfach alles. Dieser Schwebezustand machte die Ärgernisse des Alltags nichtig und klein. Es gab kein besseres Gefühl, als derart begehrt zu werden.
»Hier, Baby.« Ben drückte ihr eine Flasche in die Hand.
»Danke.« Vanessa hörte ihr Handy klingeln. »Hier, halt mal kurz«, bat sie Ben. Als sie nach kurzem Suchen das Gerät endlich in der Hand hielt, war der Teilnehmer bereits weg. »Verpasster Anruf von Lara« las sie auf dem Display. Süße, jetzt nicht, dachte sie und hatte dabei ein schlechtes Gewissen. Vielleicht sollte sie doch kurz zurückrufen. Ben sah sie mit gerunzelter Stirn an. Nein, definitiv nicht jetzt, dieser Abend war für ihren Spaß reserviert, um ihre Freundin musste sie sich ein anderes Mal Gedanken machen.
»Alles gut bei dir? Du siehst aus, als würdest du über etwas nachdenken. Hat’s dir nicht gefallen?«
»Nein, nein, alles gut. Nein, nicht nur gut, fantastisch war es! Es ist nur … Lara wollte mich erreichen.«
»Deine Freundin, bei der du am Sonntag gewesen bist?«
»Sie glaubt, ihr Mann betrügt sie. Und ich vermute, sie hat damit recht …«
»Wäre nicht der Erste, der seine Alte verarscht.«
»Rede nicht so. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie.«
»Warum? Will sie sich was antun?« Er nahm einen Schluck aus der Flasche.
»Quatsch. Du bist so unsensibel wie ein Holzhammer.«
»Der Hammer hat dir eben aber noch ganz gut gefallen, oder?«
Vanessa sah sein breites Grinsen und knuffte ihn in die Seite. Und dann kam ihr eine Idee. Lara brauchte auch einen Ben. Einen Typen, der ihr zeigte, wo der Hammer hing. Jetzt grinste sie auch. Aber wollte sie Ben mit ihrer besten Freundin teilen? Nein, eher nicht.
»Du grinst, als hättest du grad im Lotto gewonnen.« Ben streichelte ihr über die Nippel, die sich unter seinen Berührungen erneut wie unruhiges Wasser kräuselten.
»Ich glaube, ich weiß, wie man ihr helfen kann. Ich muss nur einen passenden Ben für sie finden.«
»Ich suche mir meine Liebhaberinnen gerne selbst aus. Also vergiss deine Idee schnell wieder. Ich bin kein Mann für alle Fälle!«
»Nein. Obwohl ich zugeben muss, dass ich kurz mit dem Gedanken gespielt habe. Lara braucht einen sensiblen Mann. Einen, der ihr mangelndes Selbstwertgefühl wieder aufpoliert. Ich weiß nur noch nicht, wo ich den finden soll.«
»Was soll das sein? Dachtest du dabei an einen Mann oder einen Außerirdischen? Einen sensiblen Mann?« Ben lachte auf: »Du willst einen Schwulen für Lara?«
»Du bist echt unmöglich. Nein, natürlich nicht. Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Lara ist sehr feinfühlig und so besonders. Wollen wir es mal so sagen, sie ist das totale Gegenteil von mir.«
Ben schielte zur Decke, als könne er dort eine Lösung des Problems finden.
»Mein Freund Marc ist auch anders. Total. Der lebt auf einem eigenen Planeten. Er könnte ebenso mal eine Frau gebrauchen, die ihn nicht nur wie einen dressierten Hund vorführt.« Er saugte an ihrer harten Knospe. »Aber im Ernst, können wir da nicht ein anderes Mal drüber reden? Ich habe gerade wieder Appetit.«
»Nein, warte, lass uns diesen Gedanken noch zu Ende führen. Was meinst du damit? Du machst mich neugierig.«
»Ach, nichts. Der hängt immer noch diesem Miststück nach, das ihm schon seit Jahren den Kopf verdreht. Ich habe ihm gesagt, er soll die Schnalle endlich vergessen und sich mal was Ordentliches suchen.«
»Hm, das sind wirklich zwei hoffnungslose Romantiker, die ihr Leben vergeuden, anstatt sich einfach zu amüsieren«, grübelte sie.
»Das könnte uns beiden nicht passieren!«, bemerkte Ben zwinkernd.
»Wenn ich nur wüsste, wie ich Lara aus ihrem Schneckenhaus locken kann. Wenn er etwas mit Musik am Hut hätte, wäre das eine gute Basis.«
»Musik?«
»Ja, sie hängt ständig in einem Forum rum, aber nicht etwa, um sich dort einen Liebhaber an Land zu ziehen, nein, sie diskutiert nur über Klavierkonzerte und so anspruchsvolle Dinge.« Vanessa rekelte sich. »Ich möchte duschen. Es klebt überall.«
»Duschen? Ich dachte eigentlich an etwas anderes, mein Honigmäulchen. Aber die Idee ist nicht schlecht.« Er stand auf und warf sie über die Schulter. »Komm, meine Magd, du darfst mich jetzt waschen.«
»Ben, du bist unmöglich, du denkst immer nur an dein Vergnügen.« Sie trommelte mit den Fäusten gegen seinen Rücken.
»Sag das nicht, als Gegenleistung würde ich mir sogar Gedanken machen, wie wir unseren beiden Verhuschten auf die Sprünge helfen können.«
»Du meinst also, wir sollten sie mal zusammenbringen? Vielleicht könnten wir einfach zu viert essen gehen?« Sie baumelte immer noch kopfüber. Ben stellte sie zurück auf ihre Füße. Und schob sie unter die Dusche. Er drehte das Wasser auf und küsste sie leidenschaftlich.
»Das kannst du getrost vergessen. So einfach ist das nicht. Marc würde Verdacht schöpfen, dass er verkuppelt werden soll und dann würde er sofort auf stur schalten. Da könnte ihm Angelina Jolie nackt auf dem Silbertablett serviert werden.«
»Ja, vielleicht hast du recht. Lara würde mir auch einen Vogel zeigen. Für so ein Abenteuer würde sie nicht einfach ihre Ehe wegwerfen.«
»Außerdem wäre das doch keine echte Herausforderung.« Er griff nach dem Duschgel und begann damit, sie ausgiebig zu waschen. »Du weißt doch, wie gerne ich spiele, die beiden sollen sich mal schön ganz von selbst kennenlernen. Wenn man es richtig anstellt, muss man nur ein ganz klein wenig nachhelfen.«
Sein glitschiger Finger bahnte sich einen Weg zwischen ihre Pobacken. Vanessa schnappte nach Luft. »Oh, ja.« Wie öde wäre das Leben ohne seine Spiele? Sie stöhnte. Und was wäre ihr Liebesleben ohne seinen Sex?
5
Wenn man Ben danach fragte, was er beruflich täte, sagte er für gewöhnlich, dass er Leiter eines Geheimdienstes sei. Diese Antwort war so absurd, dass keiner mehr genauer nachzufragen wagte. Vielleicht war es nicht nur seine spezielle Art von Humor, die ihn so etwas erwidern ließ, sondern auch die Tatsache, dass er im Leben gern mehr erreicht hätte, als nur die gute Seele einer Maschinenschlosserwerkstatt zu sein. Es gab keinen Grund, sich dieses Jobs zu schämen, schließlich war er Vorarbeiter und die rechte Hand seines Chefs. Bei ihm liefen viele Fäden zusammen. Seine lockere, aufgeschlossene Art seinen Mitmenschen gegenüber hatte ihn in eine Position gebracht, die keiner Ämter und Titel bedurfte. Jedenfalls hatte er in seinem Job ein mehr als gutes Auskommen und es gab keinen Grund zu klagen.
Ganz so weit hergeholt war die Sache mit dem Geheimdienst dann aber doch nicht. Er sammelte Informationen über Menschen und speicherte diese in einer kleinen privaten Datenbank ab. Rein informativ natürlich, wie er sich einredete, um sein Gewissen zu beruhigen, denn er würde dieses Wissen nur einsetzen, um sich selbst zu schützen. Niemals wieder wollte er als Opfer dastehen, weil er jemandem auf den Leim gegangen war, der sein Vertrauen nicht verdiente. Diese Lehre hatte er gezogen. Überraschungen in Bezug auf Menschen in seinem Umfeld konnte und wollte er sich nicht mehr leisten. Negative Erlebnisse der Art wie damals, als er ausgeraubt wurde, zum Beispiel. Oder auch bei der Sache mit Marc, als ihm gewisse Informationen gefehlt hatten und es fast zu einer Katastrophe gekommen wäre. Das alles bestärkte ihn in seinem Willen, jederzeit die Kontrolle zu behalten. Er wusste, dass es eine Macke war, aber es tat niemandem weh und es gab ihm ein gutes Gefühl.
Wegen Marc, dieser Knalltüte, saß Ben jetzt auch schon wieder vor seinem Notebook und beendete den Registrierungsvorgang in einem Online-Musikforum. »Hardrock« und »Metal« hatte er beim Ausfüllen des Profils als seine musikalischen Lieblingsgenres angegeben. Er hatte nicht so fürchterlich viel Ahnung davon, aber es würde ausreichen, um in dem Forum erst einmal Fuß zu fassen. Und dann würde er seine Fühler nach diesem verhuschten Fräulein ausstrecken, von dem ihm Vanessa erzählt hatte. Vanessa, diese entzückende Bitch, die einzige Frau, von der er sich manchmal etwas sagen ließ. Genau genommen konnte er ihr keinen Wunsch abschlagen. Aber das sollte sie – um Gottes willen – besser nie erfahren.
Vanessa hatte es sich offenbar in den Kopf gesetzt, ihrer kleinen Freundin vögeltechnisch etwas auf die Sprünge zu helfen. Er hätte ja auch nichts dagegen gehabt, hier etwas Nachhilfe zu geben, aber er war selbstlos genug, um auch an seinen besten Kumpel zu denken. Im Grunde genommen sein einziger Freund und auch das war eher eine ziemlich schräge Verbindung. Er musste immer noch schmunzeln, wenn er daran zurückdachte, wie sie zustande gekommen war.
Ben war ein passionierter Bergsteiger. Seine Urlaube verbrachte er in der Regel damit, in den bekannten Kletterregionen Deutschlands kleinere und größere Gipfel zu erklimmen. Besonders beliebt war bei ihm das Elbsandsteingebirge. Nur zwei Autostunden von Berlin entfernt konnte er dort auch mal ganz spontan seiner Leidenschaft frönen. Ein wahres Paradies für Kletterer. Er hatte auch vor einigen Jahren eine Lizenz als Bergführer erworben und veranstaltete mit interessierten Anfängern oder Neulingen Erlebniswochenenden. Es war im Laufe der Jahre bereits ein kleiner Nebenerwerb geworden, bei dem er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden konnte.
Um seine Touren bekannt zu machen, hatte er eine Webseite eingerichtet, auf der er seine Dienste als Bergführer anbot und entsprechende Pauschaltouren anpries. Immer mal wieder gab es über diesen Kanal Anfragen, und wenn er es einrichten konnte, organisierte er diese Wochenenden. Einmal hatte ein solcher Ausflug allerdings in einem Desaster geendet. Sein Kletterpartner hatte sich mit der teuren Ausrüstung und seiner Geldbörse aus dem Staub gemacht und Ben besaß keinerlei Informationen, die ihm dabei geholfen hätten, den Dieb aufzuspüren und zur Verantwortung zu ziehen. Deshalb begann er damals, sich seine Gäste vorher genauer anzuschauen. Erst wenn er genügend Daten über ihre Identität und ihre Vertrauenswürdigkeit eingeholt hatte, ließ er sich auf das Abenteuer ein. So vergewisserte er sich nach Möglichkeit, dass sein potenzieller Kletterpartner mit großer Wahrscheinlichkeit über ein geregeltes Einkommen verfügte und mit beiden Beinen fest im Leben stand. Wenn es ihm nicht gelang, an Informationen heranzukommen, die ihm dies glaubhaft machten, oder wenn er den Eindruck hatte, dass die Person einen unsteten Lebenswandel führte, sagte er die Anfrage ab. Schon bald hatte er ein zielsicheres detektivisches Gespür entwickelt, und was er anfangs zu seiner eigenen Absicherung betrieben hatte, wurde langsam aber sicher zu einer wahren Obsession.
Auch Marc hatte ihn im vergangenen Jahr über eine solche Anfrage angeschrieben. Mit ein paar rudimentären Vorkenntnissen vom Hallen-Bouldern ausgestattet, wollte er seine Fähigkeiten am blanken Felsen weiter vertiefen, dafür suchte er einen erfahrenen Führer. Das perfekte Arrangement für Ben. Obwohl er für Marc sofort einen Eintrag in seiner Datenbank anlegte und sich alle verfügbaren Informationen in Bezug auf seinen potenziellen Schützling beschaffte, hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen können, dass es für den neuen Kunden so eine Art Selbstfindungstrip werden sollte. Was er über Marc herausgefunden hatte, klang recht beeindruckend: erfolgreicher Leiter eines Architekturbüros, das für prestigeträchtige Objekte verantwortlich zeichnete, Gewinner mehrerer Architekturwettbewerbe. Musikalisches Talent, spielte ab und an zum eigenen Vergnügen als Barpianist in einem Berliner Nobelrestaurant. Er betrieb gelegentlich Trendsportarten wie Snowboarden und Kitesurfen. Überzeugter Single, jedenfalls hatte Ben zu diesem Zeitpunkt noch keine Verbindungen zum weiblichen Geschlecht ausmachen können. Das schien eine gemeinsame Basis zu sein, doch wenn er hier etwas genauer recherchiert hätte, dann hätte er sich womöglich die unangenehme Überraschung erspart, die ihn später ereilte.
Ein ergiebiges Wochenende stand an. Marc hatte das für Ben auch finanziell lohnende All-inclusive-Alleinunterhalter-Paket gebucht, was für ihn bedeutete, dass er selbst auch mehr Zeit haben würde, sein Hobby zu genießen, je nachdem wie geschickt sich sein Schüler anstellte. Da Marc die Grundfertigkeiten schon mitbrachte und auch sonst nicht gerade mit Ungeschicklichkeit geschlagen zu sein schien, war in dieser Hinsicht aber nichts zu befürchten. Außerdem verfügte er offenbar über Verbindungen zu bekannten Persönlichkeiten der Stadt. Da rechnete sich Ben für die Abende beim Bier so manch interessantes Gespräch aus. Kurzum, die Anfrage dieses Architekten-Tausendsassas war wie ein Goldnugget für ihn gewesen, in jeder Hinsicht. So schien es zumindest damals.
Als das Wochenende nahte, war zunächst auch noch alles im Lot gewesen, denn das Wetter spielte mit. Es sollte heiter bis wolkig sein bei angenehmen Temperaturen und auf jeden Fall trocken bleiben, was die wichtigste Voraussetzung war. Die verschlafene Pension am Hang des Elbtals in abgelegener Idylle nahe dem Kurort Dorf Wehlen, in der er sich mit seinen Gästen immer einquartierte, war auch noch frei. Für die ältere Dame, die sie betrieb, war Ben ohnehin schon seit längerer Zeit der Lieblingsstammkunde und sie hatte ihm versichert, dass sie an diesem Wochenende die einzigen Gäste sein würden.
Vor Ort stellte sich die Lage aber plötzlich ganz anders dar. Keine Spur von herzlicher, unausgesprochener Vertrautheit. Dieser Architekt war unerträglich eingebildet und hochnäsig. Er schien Ben nicht als Lehrer akzeptieren zu wollen, sondern sah ihn wohl mehr als unvermeidlichen Helfer an. Dazu kam, dass Marc sich sehr introvertiert zeigte, alle seine Versuche, ihn aus der Reserve zu locken, scheiterten kläglich. Eigentlich hätte er sich innerlich zurückziehen und das Klettern genießen können. Aber auch das wollte ihm nicht gelingen, denn dieser Typ hatte das Talent, ihn zur Weißglut zu treiben.
Als er ihn am Ende des ersten Tages darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Marc elementare Regeln der Sicherheit nicht beachtet hatte, eskalierte der Streit und es wäre fast handgreiflich geworden. Marc hatte ihm deutlich gemacht, dass Ben sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern solle, er könne ganz gut selbst für sich sorgen. Allzu gern hätte er diesem großspurigen Kotzbrocken die Fresse poliert, aber so viel Professionalität bewahrte er sich dann doch, dass er dies unterließ, wenn auch mit geballten Fäusten in der Tasche. Aus dem gemütlichen Abend beim Bier wurde jedenfalls auch nichts mehr und für den geplanten zweiten Tag schwante ihm nichts Gutes.
Diese Befürchtung wurde bereits frühmorgens in der Pension zur Gewissheit, als Ben von dem Geräusch quietschender Reifen geweckt wurde, das vom Parkplatz vor dem verträumten Haus in sein Zimmer drang. Sollte Marc etwa grußlos abgereist sein? Nein, seine Ausrüstung hing noch an der Garderobe.
Ben hatte zu diesem Zeitpunkt ein verdammt mulmiges Gefühl und er ahnte, dass er schnell handeln musste. Er fühlte sich für seinen Schützling verantwortlich. Für eine Verfolgung war Marc schon zu weit voraus, aber er schnappte sich seinen besten Feldstecher und schwang sich in seinen Wagen. In halsbrecherischer Fahrt schleuderte er um die Serpentinen. Ben steuerte eine Stelle an, von der aus man einen überragenden Blick auf das gesamte Elbtal hatte. Sollte er nicht fündig werden, so musste er es an einer ähnlichen Stelle hinter der nächsten Windung des Flusses noch einmal versuchen. Er kannte die Gegend wie seine Westentasche und er würde diese Nadel im Heuhaufen, sprich den einsamen Kletterer, zwischen Hunderten Sandsteinfelsen schon aufspüren.
Und er hatte Glück. Bereits an seinem ersten Aussichtspunkt, nachdem er den Blick zweimal hatte streifen lassen, bemerkte er ihn. Wie ein Insekt klebte da ein Mensch an der Wand des »Wurmkopfes« in einer Entfernung von etwa 800 Metern Luftlinie. Eindeutig, ein Verrückter ohne Sicherheitsausrüstung. Aber klar, die war ja auch in der Pension geblieben. Wenigstens nur der »Wurmkopf«, ein relativ leichter Felsen, dachte Ben, ein Selbstmörder schien Marc zumindest nicht zu sein.
Wieder raste Ben durch die Serpentinen, ohne auf möglichen Gegenverkehr Rücksicht zu nehmen, der zu dieser Stunde am Sonntagmorgen allerdings auch eher unwahrscheinlich war. Aus den wenigen Metern Luftlinie wurden auf der Straße mehrere Kilometer. Er selbst hatte seine Ausrüstung wohlweislich mitgenommen und sie in Sekundenbruchteilen angelegt, als er, so weit es ging, an die Stelle herangefahren war und geparkt hatte. Er musste noch ein paar Hundert Meter sprinten, um bis zu dem Felsen zu gelangen, auf dessen Gipfel er Marc bereits stehen sehen konnte.
Genau in dem Moment, als er atemlos am Fuße des »Wurmkopfes« angelangt war, verlor Marc oben offenbar das Gleichgewicht. Jedenfalls hörte Ben über sich ein schabendes Geräusch und er machte sich schon auf das Schlimmste gefasst. Aber Marc hatte wohl noch mal einen Halt gefunden. Auf jeden Fall strampelten zehn Meter über Ben die Füße des Verrückten in der Luft. Der erfahrene Kletterer brüllte irgendetwas Dämliches nach oben, er konnte nicht mehr sagen, was genau es gewesen war, Marc hatte nur wissen sollen, dass Hilfe da war.
Wie Spider-Man war Ben den Felsen hochgeschossen. Auf der Hälfte bei etwa fünf Metern war ein Sicherheitsring eingeschlagen. Dort verankerte er im Vorbeiklettern flugs seinen Karabiner. Als er weitere zwei Meter geschafft hatte, spürte er, wie ihn etwas mit unglaublicher Wucht am Kopf traf. Marc hatte loslassen müssen und war auf ihn gestürzt. Instinktiv packte sich Ben das vorbeifallende Bündel, das ihn aber gnadenlos mit in die Tiefe riss.
Der Fall endete etwa zweieinhalb Meter über dem Boden. Ben hing an der Sicherheitsleine, die auf der halben Felshöhe befestigt war. Die Pendelbewegung schlug ihn gnadenlos gegen das Gestein, aber das würde allenfalls ein paar Prellungen geben. Das menschliche Bündel, das er immer noch umklammert hielt, wurde langsam unerträglich schwer. »Ich lass’ dich jetzt fallen«, kündigte er an, um die Drohung im selben Augenblick wahr zu machen. Das würde er schon überleben.
Als er sich etwas gesammelt und abgeseilt hatte, stand Marc bereits unten, etwas mitgenommen aussehend, aber völlig intakt. Er hielt sich die Hüfte und rieb sich die Stirn, wo ihm wahrscheinlich bald ein prächtiges Horn sprießen würde.
»Konntest du nicht besser aufpassen?«, blaffte Marc ihn an, als er unten angekommen war. Die Worte brauchten einige Sekunden, bis sie Bens Hirn erreicht hatten. Ihm blieb der Mund offen stehen und plötzlich machte sich ein gnadenloser Lachanfall über ihn her. Ben hielt sich den Bauch und er krümmte sich vor scheinbaren Schmerzen. Dann schallte sein Lachen durch das ganze Tal und wurde von der gegenüberliegenden Seite als Echo zurückgeworfen. Als dann auch Marc in das Lachen eingestimmt hatte, war klar, dass das Eis gebrochen war und sie fortan ein eingeschworenes Team sein würden.
***
Ben hatte jetzt die Bestätigungs-E-Mail erhalten und sich in den geschützten Bereich des Forums begeben. Er würde erst einmal ein paar Marken setzen. Im Bereich »Vorstellung neuer Mitglieder« tönte er, er sei Experte auf den Gebieten »Sex, Drugs und Rock-n-Roll«. Das mit dem Sex mochte stimmen, bei den anderen beiden Themen war er sich nicht so sicher. Anschließend klinkte er sich in eine Diskussion über das neue Album einer Band mit dem Namen »Psychokill« ein. Er hatte noch nie von denen gehört, aber er behauptete in diesem Thread, dass das vorletzte Album viel besser gewesen sei. Sicherheitshalber würde er sich das nachher auch gleich mal laden. Nichts ging über eine perfekte Tarnung. Schließlich ging es ja in erste Linie darum, Marc in dieses Forum zu bekommen. Dazu musste Ben aber erst einmal glaubhaft von dieser Plattform begeistert sein.