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„Das ist nicht dein Ernst!“, stieß er ungläubig hervor.
Filißter nickte. „Doch.“
„Wie kommst du denn auf eine derart abartige Idee?“, rief Schlossisweg in höchster Erregung. „Das ist, jetzt in der Hauptsaison, völlige Idiotie!“
Filißter legte ebenfalls übergangslos den Schalter um. Seine Hand klatschte verärgert auf die Tischplatte.
„Ich habe keine Veranlassung, das mit dir zu diskutieren! Dir ist bekannt, dass im Gewölbekeller an einer Stelle Einsturzgefahr besteht, die sofort beseitigt werden muss. Schließlich habe ich als Eigentümer auch eine Verkehrssicherungspflicht dir gegenüber. Wenn dir oder einem deiner Mitarbeiter ein Steinbrocken auf den Kopf fällt, bin ich dran!“
„Davon weiß ich gar nichts“, brauste der Wirt auf. „Da unten ist doch alles in Ordnung!“
„Ist es eben nicht“, gab Filißter zurück. „Ich war am Wochenende, als ihr geschlossen hattet, mit einem Statiker unten und habe die schadhafte Stelle begutachten lassen. Da muss sofort gehandelt werden!“
„… und wer ersetzt mir den Ausfall?“
„Verdammt noch mal, schau in deinen Pachtvertrag. Für derartige Gefahrenfälle gibt es in Paragraf 123 eine Klausel. Bei Gefahr in Verzug hat der Pächter die erforderlichen Handlungen, die zur Beseitigung der Gefahr erforderlich sind, ohne Schadensersatzansprüche vorzunehmen beziehungsweise zu dulden!“
Das Ehepaar Schlossisweg starrte den Immobilienmakler an, als hätten sie einen Verrückten vor sich. Schließlich löste sich Schlossisweg aus seinem Schock, beugte sich nach vorn, schlug mit der Faust auf den Tisch und brüllte: „Du kannst mich mal! Ich werde auf keinen Fall schließen! Verklag mich, wenn du willst! Und jetzt komm in die Gänge und verlasse auf der Stelle mein Haus!“
Filißter blieb erstaunlicherweise völlig ruhig und sah ihn einen Moment nur durchdringend an, dann erhob er sich. „Du hast ja keine Ahnung, welchen Ärger du dir mit deiner uneinsichtigen Haltung einhandelst“, sagte er leise, dann wandte er sich zur Tür. „Danke, ich finde allein raus.“
Das Zuschlagen der Haustür war deutlich hörbar. Annalena sah ihren Mann nachdenklich an. „Neppi, hoffentlich hast du da gerade keinen Fehler gemacht.“
Er stand auf und nahm sie in die Arme. „Der Kerl ist doch völlig verrückt. Jetzt sind die Geschäfte gerade richtig ins Laufen gekommen und der Spinner will, dass wir schließen, nur damit er ein paar Euro sparen kann. Da können wir ja gleich Insolvenz anmelden! Das kann er vergessen!“
Er gab ihr einen Kuss, dann ließ er sie wieder los. „Machst du mir bitte einen Kaffee, ich muss dann wieder in die Weinstube.“
Filißter saß kaum im Wagen, als auch schon sein Handy klingelte. Am Apparat war der Italiener. Woher wusste er, dass er gerade bei Schlossisweg gewesen war? Wurde er möglicherweise bespitzelt? Sein Blick irrte durch alle Scheiben seines Wagens und prüfte die Straße. Er konnte kein verdächtiges Fahrzeug in der Nähe erkennen.
„Waren Sie erfolgreich?“
„Es tut mir schrecklich leid. Ich habe alle Register gezogen, aber Schlossisweg war völlig uneinsichtig. Bitte tun Sie meiner Frau nichts, ich habe wirklich alles versucht!“
Für einen Moment war Stille in der Leitung, dann sprach der Mann weiter: „Wir werden uns selbst der Sache annehmen. Fahren Sie nach Hause und warten Sie auf meinen Anruf.“
Filißters nervöser Magen entließ einen Schwall Magensäure in seinen Mund. Hustend würgte er sie wieder hinunter, dann startete er den Motor und fuhr los.
Ihr Mann war gerade mal zwanzig Minuten aus dem Haus, als es an der Tür klingelte. Annalena Schlossisweg öffnete. Draußen stand ein gut aussehender südländischer Typ mit dunkler Sonnenbrille und lächelte sie an.
„Liebe Frau Schlossisweg, bitte entschuldigen Sie diesen Überfall, aber ich muss Sie bitten, mich auf einem kleinen Ausflug zu begleiten.“
Annalena runzelte ärgerlich die Stirn. „Was soll der Blödsinn? Ich kenne Sie nicht. Ich gehe nirgendwo mit hin. Verschwinden Sie oder ich rufe die Polizei!“
Die freundliche Miene des Mannes veränderte sich nicht, als er mit einer fließenden Handbewegung sein Jackett zurückschlug und den Blick auf eine Pistole freigab, die er in einem Holster am Gürtel trug.
„Ich verstehe, dass Sie überrascht sind, aber ich muss trotzdem auf meiner Bitte bestehen.“ Seine Stimme wurde etwas schärfer. „Ich hoffe doch, dass ich keine härtere Gangart einschlagen muss.“
Die junge Frau war völlig gelähmt vor Schreck. Schließlich stotterte sie: „Wer sind Sie, was wollen Sie von mir?“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Ihnen wird nichts geschehen. Wir möchten nur gern die Einsicht Ihres Ehemannes in eine für uns wichtige geschäftliche Transaktion beschleunigen.“ Seine Tonlage wurde schlagartig schärfer. „Also los jetzt!“ Er legte die Hand an den Pistolengriff.
„Ich muss meinem Mann eine Nachricht hinterlassen, sonst macht er sich Sorgen“, wandte sie ein.
„Wir werden ihn schon informieren, glauben Sie mir.“ Er trat einen Schritt zur Seite, so dass sie einen Blick auf einen Pkw mit getönten Scheiben werfen konnte, der direkt vor dem Gartentor parkte. Sie sah ein, dass Widerstand keinen Sinn hatte. Gewohnheitsgemäß nahm sie einen Schlüsselbund vom Schlüsselbrett hinter der Eingangstür, dann lief sie dem Mann voraus zum Auto.
Zehn Minuten später erhielt Nepomuk Schlossisweg einen Anruf auf sein Handy. Die Nummer war unterdrückt. Sekunden später wich dem Maulaffenwirt alles Blut aus dem Gesicht.
„Dieser verdammte Filißter!“, fluchte er, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte. „Sagen Sie ihm, dass ich mich beugen werde. Sagen Sie ihm aber auch: Wenn er meiner Frau auch nur ein Haar krümmt, werde ich ihn totschlagen! So wahr ich Schlossisweg heiße!“ Seine Stimme brach.
„Bleiben Sie gelassen“, erwiderte der Mann. „Mit solchen unangebrachten Reaktionen tun Sie Ihrer Frau keinen Gefallen. Es geht ihr gut und daran wird sich auch nichts ändern, wenn Sie sich den Anweisungen von Herrn Filißter beugen.“ Das Gespräch war zu Ende.
Der Wirt stand hinter dem Tresen und starrte sein Handy an. War dieser Filißter nun völlig verrückt geworden? Nur mühsam konnte er sein cholerisches Temperament so zügeln, dass er das Mobiltelefon nicht wütend auf den Boden schmetterte. Erneut bat er einen Mitarbeiter, ihn zu vertreten. Im Stechschritt verließ er das Lokal und hastete durch die Innenstadt. Sein Ziel war das Immobilienbüro Filißter. Dieser Schweinehund konnte was erleben!
Engelchen bekam einen gewaltigen Schrecken, als der ihr bekannte Nepomuk Schlossisweg wie ein wütender Stier mit hochrotem Kopf in ihr Büro stürmte.
„Aber Herr Schlossisweg, was ist das für ein Benehmen? Sie haben keinen Termin!“
„Ist er drinnen?“ Die Wut des Mannes war unübersehbar.
„Sie haben keinen Termin!“, zeterte die Sekretärin. „Außerdem ist Herr Filißter geschäftlich außer Haus.“
„Das werden wir ja sehen“, fauchte er, drehte sich wortlos um und peilte die Tür von Filißters Büro an. Ohne anzuklopfen stürmte er hinein.
Der Immobilienmakler saß hinter seinem Schreibtisch und starrte dem ungestümen Besucher völlig verdattert entgegen. Vor ihm stand ein Cognacschwenker, in den er sich großzügig eingeschenkt hatte und den er gerade an die Lippen führen wollte. „Was soll das?“, brachte er hervor.
„Entschuldigung, er ließ sich leider nicht aufhalten“, schimpfte die Sekretärin, die Schlossisweg nachgeeilt war, ziemlich aufgelöst. „Soll ich die Polizei benachrichtigen?“
„Nein, nein! Ist schon gut“, winkte Filißter ab.
Schlossisweg drehte sich um, schob die Frau zur Tür hinaus und schlug sie hörbar zu. Anschließend wandte er sich wieder Filißter zu.
„Du verdammter Drecksack! Was hast du mit meiner Frau angestellt?“
Schlossisweg beugte sich über den Schreibtisch, packte den Makler an der Hemdbrust und zog ihn aus dem Sessel heraus. Dabei warf er einen Stapel Akten auf den Boden. Das Cognacglas kippte um und die hellbraune Flüssigkeit ergoss sich über die Schreibunterlage aus hellgrünem Leder.
„Lass mich sofort los! Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!“ Mit beiden Händen versuchte Filißter sich aus dem schraubstockartigen Griff des jungen Mannes herauszuwinden.
Schlossisweg war außer Rand und Band. Mit der freien Hand holte er aus und gab Filißter eine klatschende Ohrfeige.
„Du weißt genau, wovon ich spreche. Du hast doch deinen Handlanger losgeschickt, um mich unter Druck zu setzen!“
„Was redest du denn da für einen Unsinn?“, stieß der malträtierte Immobilienmakler keuchend hervor und stieß in verzweifelter Abwehr beide Fäuste gegen die Brust des Angreifers. Der musste seinen Griff lockern und taumelte nach hinten gegen einen Besuchersessel. Mit einem krachenden Geräusch plumpste er in die Polster. Die Tür wurde erneut aufgerissen und die Sekretärin stand schreckensbleich im Türrahmen.
„Herr Filißter, um Gottes willen, ich rufe jetzt wirklich die Polizei!“
„Nichts machen Sie! Raus!“, brüllte ihr hocherregter Chef sie an. „Sie sehen doch, dass ich alles im Griff habe!“
Sie zuckte zusammen und schloss wortlos die Tür von draußen. So einen Ton war sie nicht gewohnt.
Der Sturz in den Sessel brachte Schlossisweg wieder etwas zur Besinnung. Wütend starrte er sein Gegenüber an.
„Mich hat einer angerufen und gesagt, ich soll deinen Anweisungen Folge leisten und den ‚Maulaffenbäck‘ schließen. Er habe meine Frau in seiner Hand.“
Filißter hatte schwer atmend beide Hände erhoben und hielt sie als Demonstration seiner friedfertigen Absichten nach oben.
„Neppi, bitte beruhige dich. Ich habe deine Frau bestimmt nicht entführen lassen. Glaube mir.“ Er unterbrach sich und ließ sich wieder in den Bürostuhl fallen. Mit der Rechten wischte er sich den Schweiß von der Stirn, dann schlug er vor: „Wir müssen uns dringend unterhalten. Es gibt ein paar Dinge, die du wissen musst.“ Er senkte seine Stimme: „Ich werde genauso erpresst wie du … Bitte warte einen Moment.“
Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, wobei er sich mit den Fingern durch seine derangierten Haare fuhr, ging zur Verbindungstür zu seinem Vorzimmer und öffnete sie. Seine Sekretärin stand wie ein aufgescheuchtes Huhn im Zimmer und sah ihn mit entsetztem Blick an.
„Engelchen, jetzt beruhigen Sie sich. Es ist ja alles gut. Lediglich eine kleine Meinungsverschiedenheit. Machen Sie uns bitte einen Kaffee … und bringen Sie einen Lappen mit, ich habe etwas Cognac verschüttet.“
Frau Engelstoß sah ihren Chef prüfend an, aber nachdem offenbar wirklich wieder alles friedlich war, machte sie sich daran, Filißters Wunsch zu erfüllen. Als Sekretärin eines Immobilienmaklers musste man manchmal hart im Nehmen sein.
Nachdem das Büro wieder aufgeräumt und der gewünschte Kaffee serviert war, beugte sich Filißter über den Schreibtisch seinem Besucher entgegen und erklärte mit gesenkter Stimme: „Das, was ich dir jetzt sage, muss absolut unter uns bleiben. Denn wenn etwas davon nach außen dringt oder gar die Presse davon Wind bekommt … ich mag es mir gar nicht ausmalen.“ Er räusperte sich. „Du musst wissen, die Kerle, die von mir verlangen, dass der ‚Maulaffenbäck‘ geschlossen wird, haben auch meine Frau entführt!“
Betroffen riss Schlossisweg seinen Augen auf. „Du meinst, auch deine Frau ist …?“ Er konnte es nicht fassen.
Filißter nickte. „Sie haben Miez in ihrer Gewalt. Und wenn ich nicht für die sofortige Schließung des ‚Maulaffenbäck‘ sorge, dann …“ Mit einer resignierenden Handbewegung ließ er den Satz unvollendet.
„Das ist ja schrecklich!“ Nach einer kurzen Pause fuhr Schlossisweg fort: „Hast du wenigstens den Hauch einer Ahnung, was das alles soll? Schuldest du jemandem Geld? Oder bist du sonst jemandem auf die Zehen getreten?“
Fili Filißter schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Nichts von all dem! Ich schwöre dir, ich habe keine Ahnung, was diese Typen von mir wollen. Wie es aussieht, sind es Italiener. Einer war vor kurzem hier bei mir im Büro. Dabei habe ich gar keine Geschäftsverbindungen nach Italien. Es ist für mich einfach unverständlich!“ Er wischte sich über die schweißnasse Stirn.
Schlossisweg hatte sich erhoben und war ans Fenster getreten. „Fili, wir müssen uns was einfallen lassen. Wir können doch nicht wehrlos zusehen, dass sie unsere Frauen entführen!“
„Aber was? Polizei kommt nicht in Frage. Wenn die Kerle das merken, wäre das Leben unserer Ehefrauen keinen Pfifferling mehr wert.“
Es trat eine bleierne Stille ein. Jeder hing seinen Gedanken nach. Plötzlich drehte sich Schlossisweg abrupt um.
„Ich habe da eine Idee. Bei mir im ‚Maulaffenbäck‘ gibt es einen Stammtisch. Die nennen sich ‚Die Schoppenfetzer‘. Einer der Stammtischbrüder ist Erich Rottmann, ein ehemaliger Kriminaler. Du hast sicher schon von ihm in der Zeitung gelesen. Er hat hier in Würzburg schon einige knifflige Kriminalfälle gelöst. Soweit ich weiß, war er früher einmal ein hohes Tier bei der Mordkommission.“
„Ja, jetzt wo du es sagst, kann ich mich auch an den Namen erinnern. Und du meinst …?“
„Wir könnten diesen Rottmann doch ins Vertrauen ziehen. Ich könnte mir vorstellen, dass er uns helfen wird. So gewissermaßen als Privatermittler.“
„Wir müssten halt sicher sein, dass nichts nach außen dringt.“
„Wenn er merkt, wie brisant die Sache ist, wird er sicher den Mund halten. Die Kosten dafür übernimmst allerdings du!“
Filißter winkte ab. „Das wäre meine geringste Sorge. Sei mir nicht böse, aber darüber muss ich noch einmal schlafen. Sorge du auf jeden Fall dafür, dass die Forderungen der Entführer erfüllt werden.“
„Okay, ab morgen ist der ‚Maulaffenbäck‘ geschlossen – und du bekommst keine Pacht mehr.“
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