- -
- 100%
- +
In der Diskussion über Sprachbarrieren oft außer Acht gelassen, aber zentral für Krankenhäuser und das medizinische Personal ist die rechtliche Frage, „wer das Risiko zu tragen hat, wenn es zu einem Schaden kommt und wer verantwortlich dafür ist, dass ein Dolmetscher herangezogen werden muss“ (Kletečka-Pulker 2013: 46). Aus rechtlicher Sicht ist es notwendig, dass die PatientInnen vor einer Behandlung aufgeklärt werden, damit sie ihre Einwilligung zu dieser Behandlung geben können. Um dies zu gewährleisten, müssen sich alle am medizinischen Gespräch beteiligten Personen verständigen können – das bloße Aushändigen von schriftlichen Unterlagen kann nicht als ausreichend betrachtet werden. Das Aufklärungsrecht sowie die Aufklärungspflicht sind immer gültig, außer bei medizinischen Notfällen (vgl. Spickhoff 2010: 65). Werden die PatientInnen nicht oder nicht ausreichend aufgeklärt, wird deren Einwilligung zur Behandlung unwirksam, und die behandelnden ÄrztInnen tragen die rechtlichen Folgen (vgl. Kletečka-Pulker 2013: 45). Aus diesem Grund müssen die behandelnden ÄrztInnen feststellen, ob die PatientInnen sich mit ihnen ausreichend verständigen können, bevor sie mit ihnen den Behandlungsvertrag abschließen. Sprachbarrieren können ebenso die anschließende Behandlung beeinträchtigen, denn auch für diese benötigen ÄrztInnen bestimmte Informationen vonseiten der PatientInnen (vgl. Spickhoff 2010: 66). ÄrztInnen tragen immer die Beweislast, ob die PatientInnen die Erklärungen, die auf Deutsch vorgetragen wurden, verstanden haben, und ob sie die notwendigen Angaben machen konnten. Die sprachliche Situation wird allerdings nicht immer richtig eingeschätzt, denn in manchen Fällen schaffen es PatientInnen mit geringen Deutschkenntnissen, dem medizinischen Personal gegenüber den Eindruck zu vermitteln, dass ihre Sprachkenntnisse für eine erfolgreiche Kommunikation ausreichen (vgl. Bührig/Meyer 2015: 303). Ergeben sich Behandlungsfehler oder Schäden durch Sprachbarrieren, muss überprüft werden, ob diese hätten vermieden werden können (Kletečka-Pulker 2013: 54). Das Aufklären der PatientInnen kann auch anderen ÄrztInnen überlassen werden, doch tragen die delegierenden ÄrztInnen Anleitungs- und Aufsichtspflichten (vgl. Kletečka-Pulker 2013: 65). Grundsätzlich ist dem nicht medizinischen Personal das eigenständige Aufklären nicht gestattet. Ein für medizintouristische Settings rechtlich relevanter Aspekt ist die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes in den Fällen, in denen die Aufklärung einer/eines ihrer BürgerInnen in einem anderen Land nicht ausreichend war und aufgrund dessen eine Gesundheitsschädigung entstanden ist (vgl. Spickhoff 2010: 60). Der Zusammenhang zwischen Sprachbarrieren und der Wahrscheinlichkeit medizinischer Fehler wird auch von Wasserman et al. (2014: 2) thematisiert. Zu den möglichen Fehlerquellen zählen sie u.a. die Verwendung nicht qualifizierter Dolmetschender (Personen aus dem Familien- und Freundeskreis) und das Zurückgreifen auf medizinisches Personal, das nur über begrenzte Kenntnisse der Sprache der PatientInnen verfügt. Die AutorInnen der Studie weisen auf die Notwendigkeit hin, die Überwindung von Sprachbarrieren aus Sicht des Risikomanagements und weniger aus einem humanitären Blickwinkel zu betrachten.
Das Gesetz schreibt in Österreich nicht vor, dass nur ausgebildete DolmetscherInnen beim Aufklärungsgespräch dolmetschen dürfen. Haftungsrechtlich gilt es allerdings zu klären, wer die dolmetschende Person beauftragt hat (vgl. Kletečka-Pulker 2013: 66ff.). Ist das Krankenhaus der Auftraggeber, dann „ist ein etwaiges Fehlverhalten des Dolmetschers dem Träger der Krankenanstalt gem. § 1313a ABGB zurechenbar“ (Kletečka-Pulker 2013: 69). Um die Möglichkeit eines Regresses in Anspruch zu nehmen, muss bestimmt werden, ob die dolmetschende Person vom Krankenhaus beauftragt wurde, und ob das Fehlverhalten durch Fahrlässigkeit oder vorsätzlich erfolgte. Wenn externe DolmetscherInnen beauftragt werden, entscheidet die vertragliche Vereinbarung, ob ein Regress möglich ist. Dolmetschen MitarbeiterInnen des Krankenhauses, muss berücksichtigt werden, dass ihr Arbeitsauftrag arbeitsrechtlich nicht die Dolmetschleistung umfasst. Im Fall eines Schadens würde eine bestehende Versicherung diesen nicht decken, da die dolmetschende Person keine geeignete Ausbildung aufweist (vgl. Kletečka-Pulker 2013: 65ff.). „Dies ändert an dem Umstand nichts, dass diese Personen auch als Erfüllungsgehilfen gem. §1313a ABGB dem Träger der Krankenanstalt zuzurechnen sind“ (Kletečka-Pulker 2013: 69). Werden dolmetschende Begleitpersonen eingesetzt, „darf der Arzt auf Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung vertrauen, soweit aufgrund der Reaktion des Patienten nicht das Gegenteil offenkundig wird“ (Kletečka-Pulker 2013: 63). Wenn ÄrztInnen bemerken, dass die dolmetschende Person selbstständig antwortet, ohne die Frage weiterzuleiten, oder dass die Dolmetschzeit viel kürzer als die Redezeit auffällt, sollte davon ausgegangen werden, dass die Dolmetschung nicht korrekt oder unvollständig ist.
Abschließend kann festgehalten werden, dass die gängigsten Lösungsstrategien zur Überwindung von Sprachbarrieren wie der Einsatz einer Lingua Franca und das Dolmetschen durch Angehörige bzw. durch medizinisches und nicht medizinisches Personal nicht ausreichend sind, um PatientInnen- und ÄrztInnensicherheit zu gewährleisten. Die Förderung einer Translationskultur in den Krankenhäusern (vgl. Pöchhacker 2000a, Bührig/Meyer 2015: 303), durch die eine strategische und reflektierte Überwindung der Sprachbarrieren erfolgen kann, ist in allen medizinischen Settings notwendig.
2.3 Rollen und Aufgaben der DolmetscherInnen in der Kommunikation
Werden DolmetscherInnen zur Überbrückung von Sprachbarrieren eingesetzt, stellt sich die Frage, welche Rolle sie in der Kommunikation einnehmen und welche Aufgaben sie übernehmen (dürfen und sollen). Mit dem Rollenverständnis und der Rollenproblematik setzen sich neben der Translationswissenschaft (vgl. dazu Mason 1999, Angelelli 2004 sowie 2008, Allaoui 2005, Hsieh 2008, Hsieh/Kramer 2012, Mason/Ren 2012, Pöllabauer 2015) auch die Psychologie und die Soziologie auseinander. Das Rollenverständnis einer Person ist eng mit der Interpretation der eigenen Arbeit oder Tätigkeit verbunden und basiert häufig auf einer Gegenüberstellung von Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Eine Rolle besteht aus jenen Verhaltensweisen und Erwartungen, die in einem bestimmten sozialen Rahmen berücksichtigt werden sollten (vgl. Lee/Llewellyn-Jones 2014: 12). Bei der Rollendiskussion wird in der Dolmetschwissenschaft gelegentlich eine metaphorische Sprache verwendet, um zu beschreiben, was beim Dolmetschen gemacht wird (vgl. Roy 2002: 347); so werden DolmetscherInnen unter anderem als Sprachrohr bezeichnet. Solche metaphorischen Ausdrücke wurden laut Roy vor allem eingeführt, um den kognitiven Prozess – damals Hauptfokus der Dolmetschwissenschaft – zu beschreiben. In Bezug auf DolmetscherInnenrollen haben Metaphern laut Roy zwei Funktionen:
On the one hand, these descriptions attempt to convey the difficulty of the simultaneous tasks in interpreting while reminding everyone that the interpreter is uninvolved on any other level; at the same time, the same descriptions encourage interpreters to be flexible, which usually means be involved. While descriptions and standards of ethical practice extensively, sometime exhaustively, list what interpreters should not do, they seldom, if ever, explain what interpreters can do, that is, explain what ‘flexible’ means. Consequently, no one really knows where to draw the line on the involvement of the interpreter. (Roy 2002: 347)
Anfang des 21. Jahrhunderts beobachtete Roy, wie ethische Standards und Normen in erster Linie darauf eingingen, was DolmetscherInnen nicht tun dürfen. Das Gegenteilige – was getan werden darf – ließen sie stattdessen außer Acht. Nachstehend wird versucht, einige der bekanntesten Rollenverständnisse zusammenzufassen, auf die in der dolmetschwissenschaftlichen Rollendiskussion häufig Bezug genommen wird.
Eines der ersten Rollenmodelle ist jenes von Jalbert (1998). Dieses beinhaltet folgende Rollenverständnisse: translator, cultural informant, culture broker or cultural mediator, advocate und bilingual professional. DolmetscherInnen mit einer Rolle als translator sorgen für einen rein sprachlichen Transfer. Im Fall des cultural informant helfen DolmetscherInnen dem medizinischen Personal, die PatientInnen besser zu verstehen, indem Erläuterungen kultureller Natur angeboten werden. Beim culture broker werden die Erläuterungen aus dem vorigen Rollenverständnis um die Kulturmittlung ergänzt. Hierbei sollen von den DolmetscherInnen für eine gegenseitige Verständigung aller Beteiligten auch soziokulturelle Hintergründe berücksichtigt werden. DolmetscherInnen, die im Sinne des advocate handeln, vertreten die Interessen der PatientInnen. Bilingual professionals sind durch tiefgreifende institutionelle und medizinische Kenntnisse in der Lage, das Gespräch mit den PatientInnen zu führen und die daraus gewonnenen Informationen anschließend an das medizinische Personal zu übermitteln.
Eine ähnliche Unterteilung findet sich im Rollenmodell von Weiss und Stuker (1999: 258), bei dem vier idealtypische Rollen beschrieben werden: die wortwörtliche Übersetzung, die kulturelle Vermittlung, die PatientInnen-Fürsprache und die Co-Therapie. Bei der wortwörtlichen Übersetzung orientieren sich die DolmetscherInnen am Ausgangstext. Dabei geht es um eine rein sprachliche Übertragung des Gesagten, ohne die kulturelle Dimension zu beachten. Dies impliziert, dass kulturbezogene Begriffe oder Elemente, die nur durch Kulturkenntnisse vollständig zu begreifen sind, von den DolmetscherInnen unberücksichtigt bleiben. Die kulturelle Vermittlung ist hingegen auf das Vermitteln sowie Erklären jener sozialen und kulturellen Aspekte, die die Kommunikation beeinflussen können, ausgerichtet. DolmetscherInnen orientieren sich weniger am Ausgangstext und können durch die eigene Kulturkompetenz problematische Elemente erklären. Die PatientInnen-Fürsprache ist jenes Rollenkonstrukt, bei dem die DolmetscherInnen die Interessen der PatientInnen vertreten. Dabei wird von ihnen mittels einer freien Dolmetschung eine ausgleichende Funktion ausgeübt, welche das Machtgefälle zwischen den Beteiligten reduziert. Beim Rollenkonzept der Co-Therapie werden die DolmetscherInnen als Teil der Therapie angesehen: Die DolmetscherInnen sind für die Therapie mitverantwortlich, nehmen an der Gestaltung des Behandlungskonzepts teil und intervenieren selbstständig im therapeutischen Gespräch.
Ein weiteres Rollenmodell, auf das häufig Bezug genommen wird, sieht folgende vier Rollen vor: conduit, clarifier, culture broker und advocate (vgl. Niska 2002: 133). Bei der Rolle als conduit wird ähnlich wie bei der wortwörtlichen Übersetzung nur gedolmetscht (Niska 2002: 138). DolmetscherInnen, die als clarifier und culture broker agieren, verlassen das Feld des reinen Dolmetschens: Als clarifier werden Erläuterungen angeboten, als culture broker werden insbesondere soziokulturelle Aspekte erklärt. Als advocate werden ähnlich wie bei der PatientInnen-Fürsprache die Interessen und Rechte der PatientInnen vertreten.
In ihrer Untersuchung zum medizinischen Dolmetschen befasst sich Angelelli (2004) mit der Rolle der DolmetscherInnen in medizinischen Settings. Ihr Triangulationsansatz ermöglicht die Berücksichtigung der Perspektiven aller an der Interaktion beteiligten Menschen. In Anlehnung an Wadensjö (1998: 8) zeigt Angelelli auf, dass die medizinische Dolmetschung nicht in einem sozialen Vakuum erfolgt: Sie findet in einer Institution – beispielsweise im Krankenhaus – statt, welche bestimmte Ziele verfolgt. Wie alle anderen Beteiligten nehmen DolmetscherInnen nicht nur sprachlich an der Interaktion teil:
[…] interpreters who not only participate linguistically, but who also bring to the interpreted communicative event all the social and cultural factors that allow them to co-construct a definition of reality with other co-participants to the interaction. (Angelelli 2008: 150)
Je nach Situation können DolmetscherInnen mehrere Rollen einnehmen, die Angelelli mit folgenden Metaphern beschreibt: detectives, multi-purpose bridges, diamond connoisseurs und miners (vgl. Angelelli 2004: 129ff.). Detectives versuchen beim Dolmetschen gezielte situationsrelevante Informationen von den PatientInnen zu erhalten, auch wenn dies bedeutet, häufiger Fragen zu stellen als normalerweise üblich. Als multi-purpose bridges ermöglichen DolmetscherInnen die gleichzeitige Erreichung der Ziele der PatientInnen und der ÄrztInnen. Dabei können sie in dieser Rolle auf kulturspezifische Elemente hinweisen oder diese sogar glätten, damit sie den Zweck der Interaktion nicht gefährden. DolmetscherInnen als diamond connoiseurs sind in der Lage, über den bloßen Schein einer Aussage hinauszugehen und für den Zweck der Interaktion relevante von nicht relevanten Informationen zu unterscheiden. Miners können schließlich den besten Weg finden, um zu den benötigten Informationen zu gelangen, etwa falls PatientInnen sich während der Interaktion wenig kooperativ zeigen.
Ähnlich sieht das Rollenverständnis von Leanza (2005: 170) aus, das auf der Basis einer deskriptiven und wenig normativen Studie erarbeitet wurde. In der Studie, für die Leanza auf die Triangulation zurückgreift, beschreibt er folgende Rollen, die von den DolmetscherInnen, abhängig von ihrer Handhabung kultureller Unterschiede, eingenommen werden: system agent, community agent, integration agent und linguistic agent. Wird in der Rolle des system agent gedolmetscht, werden Erläuterungen insbesondere für PatientInnen angeboten, damit sie die Normen und soziokulturellen Werte der Zielkultur verstehen können. Community agents verfolgen die Kulturmittlung vorwiegend in Richtung des medizinischen Personals, um kulturelle Unterschiede für dieses sichtbar zu machen. Als integration agents unterstützen DolmetscherInnen die PatientInnen, sich in die Zielgesellschaft zu integrieren. Sie übernehmen außerdem die Funktion des welcoming und des support/follow-up (vgl. Leanza 2005: 186), die außerhalb der dolmetschvermittelten Interaktion zu beobachten ist. DolmetscherInnen, die als linguistic agents handeln, versuchen soweit wie möglich eine unparteiische Rolle einzunehmen. Kulturunterschiede werden nur dann berücksichtigt, wenn diese die Translation betreffen.
Für ihre Rollenuntersuchung analysierte Hsieh (2008) das Selbstbild sowie die kommunikativen Ziele und Strategien von medizinischen DolmetscherInnen. Aus den Beobachtungen und Interviews mit den DolmetscherInnen, die an der Studie teilnahmen, wurde deutlich, dass DolmetscherInnen verschiedene Rollen einnehmen, da sie vielfältige Herausforderungen und Probleme in ihrem Alltag zu meistern haben (vgl. Hsieh 2008: 1381). Neben den bereits erwähnten neutraleren Rollen als conduit und advocate nennt Hsieh zwei weitere Rollen: manager und professional. Obwohl die DolmetscherInnen der Studie grundsätzlich neutral handeln wollen, greifen sie – falls notwendig – aktiver in die Interaktion ein, um z.B. die Entstehung einer ÄrztInnen-PatientInnen-Beziehung zu fördern, Probleme in der Behandlung zu vermeiden oder die Erreichung der kommunikativen Ziele von PatientInnen und VertreterInnen der medizinischen Institution zu ermöglichen (vgl. Hsieh 2008: 1381ff.). Als manager versuchen DolmetscherInnen verschiedene Aufgaben wie jene der Mediation, der Ko-Therapie, der Unterstützung und der Organisation zu erfüllen (vgl. Hsieh 2008: 1375ff.). In der Rolle als professionals (vgl. Hsieh 2008: 1379ff.) setzen DolmetscherInnen verschiedene Strategien ein, um als ExpertInnen wahrgenommen zu werden. Dazu gehören u.a. die Vorstellung vor der Interaktion, das ausgebildete Auftreten sowie die Unterbrechung der Kommunikation im Fall von Missverständnissen. Da die von den DolmetscherInnen zu leistenden Aufgaben sehr komplex sind, wird stets zwischen den Rollen gewechselt.
Der gemeinsame Nenner aller Rollenmodelle ist ihre Betrachtung als Kontinuum. Da die genannten Rollen idealtypische Rollen sind, wird davon ausgegangen, dass sie in der Kommunikation nie einzeln auftreten, sondern in verschiedenen Momenten derselben Interaktion wiederzufinden sind (vgl. Allaoui 2005: 28). Als bahnbrechendes Modell gilt das role-space model von Lee und Llewellyn-Jones (2014), die eine dynamische Rollenkonzeption vorschlagen, die sich im Laufe der Interaktion kontinuierlich entwickelt: „ […] rather than a rule-based description of ‘role’ a more complete and usable notion is that interpreters’ behaviours are governed by the role space they create and inhabit in any given situation“ (Lee/Llewellyn-Jones 2014: 10). Role-space ergibt sich aus einem kartesischen Koordinatensystem, das folgende drei Achsen besitzt: „the interpreter’s alignment with the interlocutors, the interpreter’s management of the interaction und the interpreter’s ‚presentation of self‘“ (Lee/Llewellyn-Jones 2014: 10). DolmetscherInnen können die Länge der drei Achsen abhängig von der Gesprächssituation variieren und somit den Anforderungen, die an sie gestellt werden, gerecht werden. In diesem Modell gibt es daher keine unterschiedlichen Rollenverständnisse, sondern nur ein einziges Rollenverständnis, das sich dynamisch entwickelt und ständig der Situation angepasst wird.
Einige der dolmetschwissenschaftlichen Studien zur Rolle der DolmetscherInnen basieren auf der Analyse dolmetschvermittelter Situationen, an denen nicht ausgebildete Dolmetschende beteiligt sind.1 Diese Untersuchungen werden nicht selten als Ausgangspunkt für allgemein normative Diskussionen genutzt. Im Rahmen der universitären Dolmetschausbildung sowie im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen von nicht ausgebildeten DolmetscherInnen ist eine normative Rollendiskussion sinnvoll, da Studierenden zu Beginn ihres Studiums sowie nicht ausgebildeten Dolmetschenden die nötigen Dolmetschkompetenzen fehlen und dadurch die Wahrscheinlichkeit oder sogar die Gefahr zunimmt, dass sie ihren Zuständigkeitsbereich überschreiten. Abseits dieser Rahmen kann aber eine wertfreie Diskussion zum Thema fruchtbarer sein. Solch eine Diskussion kann z.B. durch die Durchführung deskriptiver Untersuchungen angeregt werden, die die von DolmetscherInnen übernommenen Aufgaben während der Interaktion beschreiben. Als Beispiel dient Angelelli (2004: 44ff.), die in ihrer Untersuchung des medizinischen Dolmetschens die tägliche Arbeit der angestellten DolmetscherInnen im beobachteten Krankenhaus beschreibt, die aus Telefondolmetschen, dialogischem Dolmetschen sowie Übersetzungsaufträgen besteht. Darüber hinaus besuchen sie Weiterbildungskurse, nehmen an MitarbeiterInnenbesprechungen teil und müssen ihre Tätigkeiten genau dokumentieren. Aus den Interviews mit diesen Dolmetscherinnen und Dolmetschern zur Wahrnehmung ihrer Rolle wird deutlich, dass die meisten von ihnen mehr als sprachlichen Transfer realisieren. Sie vermitteln zwischen unterschiedlichen Sozio-Kulturkreisen (sie erklären z.B. Realia und die medizinische Fachterminologie in einer patientInnenfreundlichen Sprache) und managen die gesamte Kommunikation zwischen ÄrztInnen und PatientInnen, indem sie den Informationsfluss steuern und beidseitige Verständigung fördern (vgl. Angelelli 2004: 132ff.).
Wie die Beispiele der angewandten translationswissenschaftlichen Forschung zeigen, findet beim dialogischen Dolmetschen in medizinischen Situationen mehr als ein rein sprachlicher Transfer statt. Manche Rollenverständnisse wie jenes des conduit basieren nämlich auf einer zu stark vereinfachten Sicht der DolmetscherInnentätigkeit:
[…] interpreting should be understood more broadly, as an activity in its own right, coordinated with and embedded within an ongoing set of actions. In fact, what interpreters do or say is only partially, and sometimes hardly at all, limited to translating other people’s talk. Instead, interpreters’ action manifests a choice between several alternatives available to them at any particular time within the frame of the ongoing activity. These alternatives […] embody interpreters’ moment-by-moment decisions about what role will be the most appropriate in a particular interactional environment. (Bolden 2000: 390)
Dazu kommt, dass sowohl eine normative Rollendiskussion als auch gewisse ethische Richtlinien vieler Berufsverbände den beobachteten interaktiven Handlungen widersprechen (vgl. Angelelli 2004, Menz et al. 2013: 25). Dies spiegelt sich ebenfalls im Gebot der Unsichtbarkeit wider, welches von zahlreichen Ausbildungseinrichtungen als anzustrebendes Ideal präsentiert wird (vgl. Menz et al. 2013: 25). Aus diesem Grund ist aus Sicht der Autorin der vorliegenden Studie eine normative Weiterführung der Rollendiskussion für ein postgraduales Zielpublikum nicht zielführend, da sich daraus in erster Linie Interaktionsdilemmata und innere Konflikte bei den DolmetscherInnen ergeben können, wenn sie das Gefühl bekommen, gegen wichtige Prinzipien zu verstoßen.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.