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Der bequeme Platz entpuppt sich als eine »Landschaft« aus Decken, Matratzen und Kissen mitten auf der Terrasse, die unter dem rötlichen Mond ausgebreitet liegt, und für eisgekühlte Getränke auf kleinen Tischchen ist ebenfalls gesorgt. Langstielige Rosen und prachtvolle Lilien in Vasen säumen die Ränder des Platzes. Die Terrasse geht nahtlos über in einen weitgeschwungenen parkähnlichen Garten, der geheimnisvoll im Mondlicht schimmert. In diesem außergewöhnlichen Mondlicht, das nach wie vor die Farbe von dunklem Kupfer hat.
Staunend sehen Madeleine und Jean-Luc zu dem geisterhaft wirkenden Erdtrabanten auf, und jetzt erinnert sich Madeleine auch, dass sie etwas darüber in der Zeitung gelesen hat. »Finsternis sorgt für blutfarbenes Aussehen des Mondes«.
Simon dirigiert seine beiden Gäste auf zwei besonders bequeme, große Kissen und meint: »Vom Blutmond geht eine eigenartige Kraft aus, heißt es. Er verwischt die Grenzen zwischen sehr verschiedenartigen Welten, er hilft uns, klarer zu sehen …«
Madeleine glaubt sonst nicht an solche Sachen, doch in diesem Moment schaut sie nur ehrfürchtig und hält alles für möglich. So sehr ist die Nacht für sie mit magisch knisternder Energie aufgeladen. Dicht neben sich fühlt sie Jean-Lucs Wärme und merkt: Sie WILL ihn. Unbedingt. Jetzt sofort!
Er spürt ihr jäh aufflammendes Verlangen und zieht sie nah an sich heran, ihre Gesichter wenden sich einander zu. Er ist attraktiv, durchzuckt es Madeleine, das fand ich schon auf der Demo … und ihre Lippen treffen sich zu einem heißen Kuss.
Als sie sich wieder voneinander lösen, hören sie Simons sanften, doch auch bestimmt klingenden Tadel. »Mes enfants, bitte zügelt eure Leidenschaft noch einen winzigen Moment. Ich habe etwas zu verkünden, das auch für euch wichtig sein wird, hoffe ich.«
Zum ersten Mal meint Madeleine ein seltsames Vibrieren in seiner Stimme zu hören, einen schwer zu deutenden Unterton, der ihr Angst macht. Nur einen winzigen Augenblick.
»Ich gebe dir, Marina, in dieser geweihten Blutmondnacht einen neuen Namen: Mara Noire sollst du von nun an heißen.« Und mit diesen feierlichen Worten überreicht Simon der neu Getauften eine schwarze Reitgerte sowie ein Glas Champagner.
Seine »Verkündung« kommt Madeleine ein wenig albern vor, so dass sie ihr Gesicht abwendet, damit er ihr Lächeln nicht sieht. Mon dieu, das ist ja wie bei den Bhagwan-Jüngern, denkt sie, ja, ganz genau wie bei den Sannyasins.
Als Madeleine sieht, mit welch strahlenden Augen und mit wie viel Würde die dominante Frau diese Ehre annimmt, vergeht ihr leichtes Unbehagen und ihr Gefühl, dass dies hier lächerlich und pathetisch ist. Sie fragt sich flüchtig, ob sich Simon und Marina – nein, Mara –nun auch endlich ausziehen und miteinander schlafen werden oder ob es am Ende zu wildem Gruppensex kommen wird.
Aber nichts dergleichen geschieht.
Die beiden setzen sich nur ruhig in die Kissen, trinken einander zu und beobachten dann ihre beiden Gäste.
Schade, denkt Madeleine ganz kurz, aber ihr ist klar, dass es ihr nicht zusteht, einen solchen Wunsch zu äußern. Sie wird den Gedanken nicht los, dass Simon noch etwas auf dem Herzen hat. Er scheint allerdings zu spüren, wie dringend das Pärchen, das er zu dieser außergewöhnlichen erotischen Séance in sein Haus geladen hat, Entladung und Entspannung nötig hat.
Jean-Luc beginnt, Madeleine zu streicheln, und sie empfindet keine Hemmungen, es stört sie nicht, dass sie Zuschauer hat, und in dem Moment, da ihr Spielpartner über ihre Rohrstockstriemen streicht, bewusst, fest, in dem Moment stöhnt sie wolllüstig auf, fällt in tiefen Rausch und jagt bereits auf ihren ersten Orgasmus zu.
Jean-Luc ist viel heftiger gezüchtigt worden als sie. Ab und an kommt auch sie an seine geschwollenen Spuren, die sich kreuz und quer über Schenkel und Po ziehen, doch auch ihn treibt nur rauschhafte Wildheit, sie umklammern einander wie Tiere. Madeleine will nach seinem schönen Schwanz mit der stark durchbluteten, rot glänzenden Eichel greifen – da erscheint auf einmal Mara Noire und streift Jean-Luc rasch und geschickt ein Kondom über. Es ist eine einzige fließende Bewegung, die das heftige Liebesspiel der beiden kaum ins Stocken bringt.
Eine Weile noch zögert Madeleine die Erlösung hinaus, und Jean-Luc folgt ihr. Sie genießt die quälenden Minuten, in denen alles in ihr danach schreit, KOMMEN zu dürfen. Beide atmen schnell, fast schluchzend, und schwitzen stark. Raum und Zeit scheinen sich auszudehnen, der gewaltige rote Mond über ihnen verschlingt sie. Und dann öffnet Madeleine sich seufzend Jean-Lucs aufragender Männlichkeit. Mit einem ersterbenden Laut, einem seltsamen Ächzen, stößt er nicht eben sanft in sie hinein, indem er ihre Schenkel auseinanderdrückt, sie in den Kniekehlen gepackt haltend. Sie schreit lustvoll auf, einmal nur, kurz und spitz. Der Duft von Jasmin, Rosen und Schafgarbe treibt herüber. Die Champagnergläser Simons und Maras klirren leise. Dann spürt Madeleine den Orgasmus, eine süß glühende Woge von den Haarwurzeln bis unter die Fußsohlen, ihre Möse klopft wie ein Herz, sie IST in dem Moment ihr Herz. Jean-Lucs köstliche Wärme umhüllt sie, ist in ihr, er dringt heftiger in sie ein und entlädt sich zuckend ebenfalls, Sekundenbruchteile nach ihr und bricht über ihr zusammen. La petite morte, der kleine Tod, hat ihn ereilt.
Nur sehr langsam wird der brausende Nachklang dieses Rausches leiser und blasser, und lange dauert es, bis Madeleine sich soweit erholt hat, dass sie wieder sprechen kann, zumindest flüstern.
»Das war … das war kosmisch.«
Sie kann sich nicht erinnern, dieses Wort zuvor schon einmal verwendet zu haben. Sie ist keine von diesen esoterisch angehauchten, spirituell bewegten Hippiefrauen. Sie ist knallharte Feministin. Eigentlich.
Wohlig ermattet kuschelt sie sich in Jean-Lucs Arme, und er breitet fürsorglich eine Decke über sie. Immerhin haben sie schon Mitte September, und je weiter die Nacht fortschreitet, desto kühler wird es. Immer noch hängt dieser kupferrote, wie verzauberte Mond über den Bäumen des parkähnlichen Gartens.
Es dauert eine Weile, bis Madeleine merkt, dass sich irgendeine Spannung um sie herum aufbaut, und sie geht von Simon aus. Auch von Marina, nein Mara, aber mehr von ihm.
»Ich finde es wunderschön, dass dich dieses Erlebnis so sehr beeindruckt hat, Madeleine«, knüpft der Comte de Bergerac an ihre Bemerkung an. »Das ermutigt mich, euch beiden meinen Plan zu erläutern, meine Vision …« Und geschmeidig erhebt er sich, stellt sich in der Mitte des »Liebeslagers« auf und beginnt eine Ansprache. Er redet sich in Feuer, gestikuliert zwar sparsam, aber kühn, und seine Augen funkeln und leuchten im Mondlicht.
Gebannt hängen Jean-Luc und Madeleine an seinen Lippen, gebannt, und zunehmend beklommen, ja ängstlich.
Oh nein, er ist ja geradezu besessen von seiner Idee!, schießt es der jungen Frauenrechtlerin durch den Sinn. Deutlich ist zu sehen, dass Mara Noire schon vorher in diesen Plan eingeweiht war und ihn gutheißt. Den zwei Gästen jedoch wird immer mulmiger zumute.
»Ich will euch zu nichts drängen oder überreden«, schließt Simon, »Die Entscheidung liegt ganz allein bei euch. Überlegt es euch in Ruhe. Mara und ich werden uns dorthin zurückziehen«, er weist mit der Hand auf eine halbrunde Eichentür zu seiner Linken, die in das Haupthaus zurückführt, »und ihr könnt wählen: Nehmt ihr den rechten Ausgang (es ist eine Stahltür), dann gelangt ihr durch einen Saal zum Vordereingang meines Hauses, findet dort eure Kleidung und auf dem Vorplatz wartet ein Chauffeur, um euch heimzufahren. Ich würde es akzeptieren und es müsste dann auch keinen gezwungenen, verlegenen Abschied voller Rechtfertigungen und Heuchelei geben. Ihr würdet einfach wieder in euer altes Leben zurückkehren und könnt mein Angebot vollkommen vergessen. Ich …, ich brauche euch beiden aber wohl nicht zu sagen, dass …«, erstmals gerät er ins Stocken und räuspert sich, »wie sehr ich mich freuen würde, wenn ihr zu mir kommt. Wenn ihr also den linken Eingang wählt und euch auf das einlasst, was ich euch, erst einmal nur ganz grob umrissen, beschrieben habe. Aber noch einmal: Fühlt euch ganz frei.«
Er lächelt das nackte Pärchen an und verlässt dann die Runde tatsächlich, begleitet von Mara Noire. Die Tür aus hellem Eichenholz schließt sich hinter ihnen.
Für mehrere Minuten herrscht perplexes, unbehagliches Schweigen zwischen Madeleine und Jean-Luc.
Dann stößt der junge Fabrikdirektor fassungslos hervor: »Er …, er scheint diesen Wahnsinn tatsächlich ernst zu meinen.« Diese paar Worte zeigen Madeleine bereits, wo er steht, und er spricht auch ihre Gedanken aus.
Wahnsinn, ja, so ist es ihr auch vorgekommen. Eine krude Utopie, etwas bedenklich Phantastisches, das auf keinen Fall in die Realität umgesetzt werden kann.
Und doch, es hat auch etwas Betörendes, Verlockendes, Verführerisches. Es bringt in ihr jene dunkle Saite zum Schwingen und Klingen, die allzu lange unterdrückt worden ist, die sie stets nur im Verborgenen, kurz, hastig, schamvoll, angerührt hatte …
Nein.
Madeleine gibt sich entschlossen einen Ruck.
Sie blickt Jean-Luc an, findet ihn weiterhin sympathisch und sieht ihren Entschluss in seinen Augen widergespiegelt.
O mein Gott, er ist doch im Grunde genommen der Feind, der Erzkapitalist, und ich habe mit dem …, schießt es ihr flüchtig durch den Sinn und sie spürt, wie sie in ihr »altes Leben« zurückgleitet.
Es ist Zeit, denkt sie und erhebt sich.
Wortlos tut Jean-Luc es ihr gleich. Sie brauchen nicht zu reden. Wie ferngesteuert, nur flach atmend, begeben sie sich nach rechts, zu der Tür aus Stahl.
Ebenfalls schweigend legen sie drinnen ihre Kleidung wieder an und schleichen dann leise, fast auf Zehenspitzen, zum Ausgang, wo tatsächlich ein Wagen mit Chauffeur wartet.
Ein wenig verlegen sind sie doch, als sie nebeneinander im Fond der gleichmäßig dahin schnurrenden Limousine sitzen. Madeleine fragt sich insgeheim, ob sie nicht vielleicht einen Fehler gemacht haben. Ob es Jean-Luc wohl ähnlich geht? Sie fühlt eine diffuse Gereiztheit in sich aufsteigen, eine Mischung aus Rechtfertigungsdrang und Ungeduld.
Jean-Luc räuspert sich und meint: »Ich weiß nicht, unser Verhalten kommt mir trotz allem, was der Comte gesagt hat, doch ein wenig schäbig vor. Ich wünschte, ich hätte ihm wenigstens einen Scheck hingelegt.«
Madeleine stöhnt genervt auf. »Das ist natürlich alles, woran Sie denken können – Monsieur Meunier!«
Er prallt zurück. »Was willst du – wollen Sie damit sagen?«
»Es ist einfach typisch für ein Kapitalistenschwein, wie Sie eins sind!«, entfährt es ihr unbeherrscht.
Seine Augen funkeln sie zornig an. »Was erlauben Sie sich, Sie – Sie Kampflesbe!«
Sie starren sich gegenseitig in Grund und Boden. Die Atmosphäre zwischen ihnen ist zum Schneiden dick und auf einmal, urplötzlich, es kommt wie eine Naturgewalt über das ungleiche Paar, brechen sie alle beide in wildes Lachen aus.
Verdammt, das tut so gut!
Irgendwann liegen sie sich in den Armen, lachen Tränen, müssen einander regelrecht stützen, und als es endlich vorüber ist, sinken sie erschöpft in die Ecken der Rückbank.
Ihr Abschied voneinander ist warm und herzlich.
Als Madeleine zu ihrer Wohnung hinaufsteigt, sehnt sie sich nach einer lauwarmen, reinigenden Dusche. Als sie unter den prickelnden Wasserstrahlen steht und leicht mit der Hand über ihre Striemen fährt, denkt sie: Es war schön. Danke Bernard, danke Jean Luc, Simon und sogar Mara Noire, aber – es war nur eine Episode.

Das Warten kommt Simon und Mara wie eine Ewigkeit vor, dabei dauert es gar nicht so lang. Sie sitzen tatenlos in dem silbern und apricotfarben eingerichteten Chambre. Nur Mara Noires perfekt manikürte Finger spielen versonnen mit ihrem Feuerzeug. Doch ebenso wenig wie der Comte verspürt sie Lust zu rauchen.
Simon de Bergeracs Gehör ist ungewöhnlich fein, und so glaubt er irgendwann das Geräusch einer zuklappenden Autotür, dann des startenden Motors zu hören.
Er steht auf, beißt sich auf die Lippen und schreitet dann zu der Tür, die direkt auf die Terrasse herausführt.
Leere, traurige, sinnlos gewordene Kulisse ist der Platz unter dem sich langsam wieder »normalisierenden« Mond. Welch passende Metapher.
»Ich war mir sicher, so sicher!«, klagt Simon. Er ist nicht böse, nur traurig.
Tröstend legt ihm Mara Noire eine Hand auf den Arm.
»Ich weiß«, sagt sie. »Es wird eine andere Zeit geben. Einen weiteren magischen Moment, und geeignetere Partner.«
»Ja«, murmelt er. Es klingt verloren. Unruhig geht er auf und ab. »Und doch, sie schienen so perfekt zu sein. Alles passte: Du und ich auf der dominanten Seite, dann der unterwürfige Mann, die submissive, ein wenig widerspenstige Frau, die gezähmt werden muss.« Während er so mit sich selbst hadert, fühlt er sich verunsichert, verletzt, gar nicht mehr wie der souveräne, unangreifbare Adlige, der seiner dunklen Neigung frönt und glaubt, die Welt nach seinen Wünschen formen zu können. Er braucht eine Weile, um über das so enttäuschende Ende dieser kosmischen Nacht hinwegzukommen.
Endlich findet er Trost und Halt in Mara Noires Ruhe, in ihrer unerschütterlichen, stoischen, stolzen Haltung. Bei all ihrer Jugend ist sie stark, zuverlässig und treu.
Allmählich sickert die Tatsache in Simons wie leergefegten Sinn ein, dass sie recht hat. Es werden sich andere Möglichkeiten ergeben, es ist noch viel Zeit, er ist doch erst Mitte 30.
Er lächelt Mara an, nimmt ihre Hand und küsst sie.
»Lass uns schwimmen gehen«, lädt er sie ein. Das Landhaus verfügt im Keller über ein eigenes kleines Schwimmbad. »Und danach öffnen wir eine weitere Flasche Champagner und trinken auf unsere geheimen Welten, trinken darauf, dass ich meine Vision eines Tages Wirklichkeit werden lasse.«
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