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„Na geht doch, warum nicht gleich? Hier ist dein Feuerzeug, Jessi.“
„Danke, ich habe ihn echt nicht kommen gesehen.“
„Steck es beim nächsten Mal am besten direkt in deine Hosentasche. Da ist es sicher vor dem kleinen Scheißer.“ Sie schaute durch den Kragen unter ihren Pulli. Von da griff ihr direkt eine Hand an den Mund. Liebevoll taste Enrico ihre Lippen ab. „Du bist ein Scheißer, hörst du. Ein kleiner Scheißer. Aber ein süßer.“
„Das Gleiche gilt für Kopfhörer. Die sind vor ihm auch nicht sicher“, sagte Lara-Lena zu uns Neuen. „Meine sind schon ganz durchgekaut.“ Enrico steckte beim Wort Kopfhörer neugierig seinen Kopf aus Joelles Kragen. Joelle ließ ihn gewähren.
„Nein, Enrico, da sind keine Kopfhörer. Beruhige dich.“ Sie setzte ihn zurück auf den Tisch und wickelte ihn in eine kleine Decke. „Hier, nimm deine Trinkflasche.“ Doch Enrico wollte keine langweilige Milch trinken. Er hatte etwas viel Besseres entdeckt. Freudig, nicht mehr unterm Pulli sein zu müssen, sprang er über Joelles Kopf zum Nachbartisch, an dem Michi und Alex saßen.
„Hey, Enrico? Wie gehts?“ Alex kraulte Enrico am Bauch, während dieser seine Zunge in Alex Saftflasche steckte. Es dauerte nicht lange, bis sich sein Fell am Kinn in den Farben des Saftes färbte.
Ich widmete mich wieder meinen Nudeln. „Wo ist Enricos Mutter?“, fragte ich in die Runde und schaute zu dem kleinen Vervet-Affen. Dieser saß mittlerweile nicht mehr vor Alex, sondern bei Herman an der Bar und ließ sich von ihm am Rücken kraulen. So kann man sich auch Drinks erbetteln, dachte ich mir. Enricos Betteln war bis hierhin zu hören.
„Seine Mutter lebt irgendwo im Gehege bei den wilden Vervets“, sagte Anna kauend. „Er ist drei Monate alt und lebt seit seiner Geburt bei uns. Seine Mutter hat ihn verstoßen, deswegen kümmern wir uns um ihn.“
„Er schläft in der Regel bei Daniel in der Hütte. Ihr müsst mal sehen, wenn Daniel Enrico für die Nacht wickelt. Er ist so ja schon so süß, aber in Windeln …“, schwärmte Nathalie. Ich konnte es mir gut vorstellen. Dieser kleine Babyaffe hatte mich in seinen Bann gezogen. Noch nie hatte ich so etwas Niedliches und Süßes gesehen.
„Wer ist noch mal Daniel?“, fragte Marlene.
„Daniel sitzt dahinten bei Adelle, Flo und Sarah am Tisch. Er ist schon seit knapp fünf Monaten hier.“ Nathalie deutete auf den Tisch hinter uns. Dort hatte Daniel einen gut gefüllten Teller vor sich stehen, dessen Inhalt er in sich hineinschaufelte. Er trug Bart und somit mehr Haare im Gesicht als auf dem Kopf. In seinem Tank-Top machte er einen sehr sportlichen Eindruck. Wie ein Turner sah er aus. Klein, aber kräftig. Ich schätzte ihn auf Ende dreißig, Anfang vierzig.
„Ich dachte, man kann maximal drei Monate hier auf der Farm bleiben“, hakte Marlene nach. „Wie hat er das den hinbekommen?“
„Indem man drei Monate am Jahresende und drei Monate am Jahresanfang bucht“, sagte Joschka in ihre Richtung. „Dann hat man sein halbes Jahr zusammen.“
McKenzie meldete sich mit einem Räuspern zu Wort. Er war seit dem Essen auffällig still geworden und stocherte die ganze Zeit gelangweilt in seinem Essen herum.
„Oh sorry, McKenzie“, entschuldigte sich Anna bei ihm von der anderen Tischseite aus. „Guys, we have to speak English. It is respectless when we speak German and another person on the table can not understand what we are saying.“ Komisch, hatte sie sich doch die ganze Zeit auch auf Deutsch unterhalten. Ich überlegte, wie das auf dem Zimmer zwischen ihm und mir erst werde sollte. Ich verstand ihn ja kaum.
„You are not hungry, McKenzie?“ Anna war McKenzies Gestocher auch aufgefallen. Doch er wollte nicht wirklich reden. Müde schaute er durch seine Harry-Potter-Brille und stützte seinen Kopf mit der Hand ab.
„I äääm good, thäääänks. Just tired.“
„Wie lange habt ihr Pause gemacht in Gobabis?“, fragte Nathalie neugierig nach. „Musste der Fahrer bei euch auch irgendwelche Erledigungen machen?“
„Zwei Stunden …“ Jetzt war Jessi in ihrem Element. „Zwei ganze Stunden haben wir auf den Fahrer gewartet. Und wisst ihr, warum? Wegen tausend Eiern …“
„Tausendachtzig, Jessi“, korrigierte ich sie lachend. „Tausendachtzig.“ „Ach, das wundert mich noch nicht mal. Wir mussten auch lange auf den Fahrer warten“, grinste Nathalie. Wahrscheinlich hatten alle so ihre Erfahrungen auf der Hinfahrt zur Farm gemacht. Gott sei Dank waren wir jetzt da.
„Is there everyone second?“ Gott sei Dank, dachte ich mir. Es gab zwei Essensrunden. Man durfte nachnehmen. Glücklich schaute ich zu Anna. Sie hatte sich wieder vor den Töpfen und Schüsseln positioniert und zählte von da die vielen Hände, die sich auf ihre Frage gemeldet hatten. Wie eine Rakete beim Start waren diese nach oben in die Luft geschossen ...
„9,10, 11 - okay, I think there is still one spoon pasta and sauce for everybody. Enjoy.“ Sie hatte ihren Satz noch nicht mal ausgesprochen, da rannten die Ersten schon los. Enrico eingeschlossen. Er war es dann auch, der als Erster mit einer langen Spagetti vom Buffet davonlief.

MOVE YOUR BODY
(CHAPTER EIGHT)
Wieder standen wir Newbies im Mittelpunkt und genau da, wo soeben Anna noch die zweite Essensrunde eingeläutet hatte. Auch Dossie hatte sich mittlerweile zu uns gesellt und alle ihre Kollegen mitgebracht. Zu ihrem Team gehörten Izelle, Devi, Edlin und Eugene. Sie saßen zusammen am knisternden Feuer und schauten zu den Newbies. Bei allen hatten wir uns gerade eben noch per Händedruck persönlich vorgestellt, wie wir es schon bei den Volontären getan hatten. Vor allem der Händedruck von Eugene und Devi blieb mir wie der von Alex fest in Erinnerung. Der zarte und weiche von Izelle und Edlin eher weniger. Vorne stehend fiel mir auf, dass Alex und Michi bei den Volontären sitzen geblieben waren. Wie ich anfangs erst vermutet hatte, gehörten sie nicht zu Dossies Team, sondern waren wie die anderen Volontäre und Projektteilnehmer. Die Oldies der Oldies quasi. Beide schauten ebenfalls gespannt in unsere Richtung.
„So, Newbies. It is time to present yourself “, sagte Anna und grinste uns an. „It is tradition that the Newbies say something about their background, their hobbies and expectations. Are you single or not, do you have tattoos or piercings, how long will you stay and what are you looking for during your stay. What do you want to experience, Marlene?“ Sie schaute zu Marlene, die ganz rechts neben Jessi und McKenzie stand.
„Yes?“
„Do you want to start?“
„For sure.“ Erleichtert atmete ich durch. Ich hatte keine Lust, als Erster mit der Selbstpräsentation zu beginnen, und wollte mir erst einmal anschauen, was die anderen so antworten würden.
„Hey guys. I am Marlene and I come from …“ Ihr Satz wurde plötzlich von lauter Musik unterbrochen, gefolgt von einem lauten Seufzer aus McKenzies Richtung. Er ahnte, was jetzt kommen würde. In der Vergangenheit hatte ich schon häufig Videos gesehen, in denen auf öffentlichen Plätzen, Marktplätzen, Bahnhöfen oder Flughäfen plötzlich viele Menschen auftauchten und zu lauter Musik anfingen zu tanzen. Immer hatte ich mich gefragt, wie es wohl sein würde, als Ahnungsloser im tanzenden Mob zu stehen. Würde man mitmachen oder nur dumm aus der Wäsche gucken? Meine Schwimmbewegungen mit den Armen deuteten auf Mitmachen hin. Innerhalb von Sekunden waren alle Volontäre und Koordinatoren von ihren Plätzen aufgesprungen. Wir standen nebeneinander in einem großen Kreis, machten zur Musik Kraulbewegungen und wippten mit dem Körper hin und her. Anna gab den Takt und die Bewegungen vor. Ich gab mir Mühe, meine Bewegungen wie ihre aussehen zu lassen, auch wenn mir das sichtlich schwerfiel. Die Musik änderte sich und es kamen neue Bewegungen, Schrittfolgen und Drehungen dazu, die meine koordinativen Fähigkeiten in sämtlichen Belangen überforderten. Es waren einfach zu viele Schritte, da kam ich nicht hinterher. Während alle mit ihrer Drehung schon fertig waren, drehte ich mich noch immer in die falsche Richtung und stieß fast mit Jessi zusammen.
„Andere Richtung, Zilas. Andere Richtung.“ Zu einem Lied musste man in die Hocke gehen, worauf vor allem Bewegungsmuffel McKenzie keine Lust hatte. Im Gegensatz zu seinem steifen Hüftschwung waren meine orthodoxen Tanzbewegungen noch filigran und sehenswert. Er war heillos überfordert, was insbesondere Edlin zum Lachen brachte. Immer wieder kommentierte er McKenzies Bewegungen, worauf er postwendend einen Mittelfinger vom Amerikaner zurückgefeuert bekam.
„Shut up, Ääädlin“, sagte McKenzie in Edlins Richtung, nachdem dieser erneut „down McKenzie“ gebrüllt hatte. Edlin hielt sich den Bauch vor Lachen und vergaß ganz das Tanzen.
Zu McKenzies Erleichterung war das Getanze nach gut zehn Minuten wieder vorbei. Alle setzten sich zurück auf ihre Plätze und griffen nach ihren Getränkeflaschen und Cola-Dosen. Wir Newbies blieben vorne stehen. Wir hatten ja noch eine Aufgabe vor uns. Anna ließ die Musikbox verstummen und wiederholte noch einmal, was alles in unserer Selbstpräsentation vorkommen sollte: Name, Alter, Nationalität, Länge Aufenthalt, Single oder vergeben, Tattoos und Piercings und Erwartungen.
Diesmal wurde Marlene nicht unterbrochen:
„Hey guys, my name is Marlene. I am 18 years old, and I come from Austria. I have no tattoos, only one piercing and I will stay for four weeks. Ähm, anything else?“
„Hobbies and single or not“, erinnerte sie Anna.
„Ah yes. I am single and hobbies are … taking photos, meeting friends and drinking with them alcohol.“ Sie lachte. Schon im Bus hatte sie mir erzählt, dass Wein ganz oben auf ihrer Skala stand.
„Thank you Marlene“, sagte Dossie. „McKenzie. You are the next.“
„Hobbies dancing, haha.“
„Shut up, Äääädlin. My hobbies are definitely not dancing. No way.“ Edlin kippte beim Gedanken an seine Bewegungen fast vom Baumstamm vor Lachen. „I ääm McKäääännzie from the United States of Ääämerica. I live in Määässäächusetts and I äääm twenty-four years old. I äääm dealing with real estates and I will stay for ten weeks.“ Glücklich, es hinter sich gebracht zu haben, trat er ein Schritt zurück und lehnte sich an die Bar.
„Do you have some expectations or favorite animals here? You told me that it is your fifth stay on the farm.“ Anna schaute ihn neugierig an. Stimmt, von einem Lieblingstier hatte er uns auf der Fahrt noch nichts erzählt. Nur von der jährlichen Warterei in Gobabis hatte er berichtet.
„Well, I have no expectations. I just want to enjoy each day. And favorite animals. Good question …“ Er überlegt kurz. „My favorite animals are Gumbi ää …“ Er fing frech an zu grinsen. „Ääänd Ääädlin, haha.“
„F*** you, haha.“ Jetzt zeigte Edlin McKenzie einen Finger. Ich meine, dass es der aus der Mitte war. Nun war Jessi an der Reihe. Sie erzählte, sie stamme aus Zürich und würde insgesamt sechs Wochen bleiben. Sie freue sich vor allem auf die großen Katzen- und Löwenfütterungen und sei generell gespannt auf die Zeit hier.
„I am single and I have no tattoos und piercings“, ergänzte sie, ohne eine Miene zu verziehen, und streckte ihre Arme so in die Luft, dass jeder ihre Tattoos sehen konnte. Ich lachte, nachdem ich den Joke verstanden hatte.
„What is that for a tattoo?“, deutete Dossie fragend auf einen ihrer Arme.
„This one? That is my mother.“ Stolz strich sie über das Gesicht einer Frau am rechten Arm. Es war gestochen scharf gestochen.
„I like that“, zwinkerte ihr Dossie zu. „It is beautiful. Your mom looks beautiful.“
„She is …“ Beim Anblick von Jessis Mutter fiel mir auf, dass ich nervös mein Gewicht von einem auf das andere Bein verlagerte. Jetzt war ich dran und ich merkte, wie sich mein Herzschlag vor Aufregung ein wenig beschleunigte. Das hatte ich vor jeder Präsentation. Egal, ob in der Schule oder in der Ausbildung. Doch auf Englisch hatte ich noch nie eine Selbstpräsentation gehalten. Dementsprechend fing ich sichtlich nervös an.
„Hallo, äh Hello. My name is Silas, but you can call me Siles. That is the English version.“ Ich hörte einige lachen. Der Joke kam Gott sei Dank an. Danke für den Gag, Richie. Ich lachte mit. Die Aufregung war verflogen. „I am twenty-one years young and I come from Germany. I work in a bank and finished my vocational training two weeks ago. I will stay four weeks. I think I will, I will … bereuen?“ Hilfesuchend schaute ich zu Jessi.
„Regret?“
„Yes, regret, thanks Jessi. I think I would regret if I missed the opportunity to travel to Namibia.“
„Single, tattoos or piercings?“
„I am single, and I did not find any tattoos or piercings on my body. But I will continue the search and inform you about the results. Thank you.“ Erleichtert schaute ich in die Runde.
„Thanks Siles. Good luck by searching.“ Dossie musste lachen. „Thank you, Newbies for your self presentation. I think all of you will have the time of your life here. You will experience a lot of things. Enjoy your stay. You can sit down. Oldies …“ Wir setzten uns zurück auf unsere Plätze. Jetzt waren die Oldies mit ihrer Selbstpräsentation dran. In ihren Gruppen traten sie einzeln nach vorne. Jede Gruppe hatte ihren eigenen Song, den sie wie ein Gospelchor performten, ehe sich danach jeder einzeln vorstellte und ein paar Sätze von sich erzählte. Es war wirklich interessant, von jedem etwas zu erfahren und zu hören. Vor allem Daniel und Alex, die gemeinsam in einer Gruppe waren, sorgten mit ihrer Selbstpräsentation für einige Lacher. Alex erzählte, dass er mehrere Intimpiercings besaß, worauf Daniel in seiner Präsentation verriet, dass er Alex sein Intimpiercing geschenkt hatte. Auch Joschkas Selbstpräsentation stach heraus. Sein Satz „I am taken“ wurde von vielen Mädchen mit einem „aww“ in Nathalies Richtung kommentiert, die darauf glücklich grinste. Nach allen Gruppen stellte sich dann noch Dossie mit ihren Kollegen vor.
„Eugene is my favourite animal here at Harnas“, sagte sie, der darauf ein bisschen rot wurde. Ich musste lachen. Bei den ganzen Leuten konnte die Zeit doch nur gut werden. Und bei diesem kleinen Affen auch. Ich streichelte Enrico am Kopf. Er saß vor mir auf seiner Decke und nuckelte an seiner Flasche. Mit jedem Streichelzug wurden seine Augen schwerer und schwerer, bis er schließlich im Sitzen einschlief. Gute dreißig Minuten und einen langen Fußmarsch mit Taschenlampe durch den Busch später tat ich es ihm unterm Moskitonetz in meinem Bett gleich. Nur ohne Windel und im Liegen.
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