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Schritt 3: Fachliche Analyse
Die Lehrperson fragt sich laut denkend und im Austausch mit den anderen Lernenden, nach welchen Prinzipien das Vorgehen funktioniert. Hier kommt der vorhandene fachliche und theoretische Wissensvorsprung der Lehrperson (im Beispiel der Satz des Pythagoras) zum Tragen. Unter Umständen wird aber auch eine (gemeinsame) Recherche beispielsweise im Internet nötig.
Schritt 4: Erfahrungsbasierte Analyse
Die Lehrperson erinnert sich an Fälle aus ihrer beruflichen Praxis, bei der sie selbst entsprechende Aufgaben zu lösen hatte (z.B. einen rechten Winkel überprüfen), und diskutiert mit den anderen Lernenden, ob das neue Vorgehen in all diesen Fällen einsetzbar gewesen wäre. Sofern die anderen Lernenden auch über entsprechende Erfahrungen verfügen, können auch sie diese als Testfälle einbringen.
Schritt 5: Klärung von Anwendungsproblemen
Die Lehrperson und die Lernenden fragen sich, ob sie nun in der Lage wären, das neue Vorgehen tatsächlich im beruflichen Alltag einzusetzen. Sie probieren es aus und diskutieren später ihre Erfahrungen und die aufgetretenen Schwierigkeiten.
DIE LEHRPERSON ALS LERNMODELL IM ÜBERBLICK
1. Kontext sicherstellen
2. Verständnissicherung
3. Fachliche Analyse
4. Erfahrungsbasierte Analyse
5. Klärung von Anwendungsproblemen
A4.4 Anregungen zu den einzelnen Schritten
Zu Schritt 1: Sicherstellen, dass alle von derselben Handlungssituation ausgehen
Genauso wie bei Handeln vorbereiten ist es wichtig, dass alle Beteiligten möglichst plastisch dieselbe Gebrauchssituation vor Augen haben. Nur so ist ein konstruktives gemeinsames Lernen möglich. Gestaltet man gerade eine Unterrichtseinheit nach dem Rezept Handeln vorbereiten und bringen die Lernenden – wie im Beispiel mit dem rechten Winkel – die neue Vorgehensweise bei Schritt 3 oder auch später ins Spiel, dann sollte dies schon der Fall sein. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die neu eingebrachte Vorgehensweise sich tatsächlich auf die betreffende Situation bezieht. Ist dies nicht der Fall oder taucht die neue Vorgehensweise sonst einmal während des Unterrichts spontan auf, muss als Erstes sichergestellt sein, dass man sich über den Kontext einig ist.
Zu diesem Zweck befragt die Lehrperson zuerst einmal die Lernenden, die das neue Vorgehen in den Unterricht mitbringen (z.B. die App bzw. deren Einsatz), zur Gebrauchssituation. Wann wird das Verfahren eingesetzt? Zu welchem Zweck? Unter welchen Umständen? Die anderen Lernenden können ebenfalls Fragen stellen. Sind diese geklärt, berichten alle, ob und in welcher Form ihnen diese Situation bekannt ist.
Zu Schritt 2: Verfahren grundsätzlich in den Griff bekommen
Um sich differenzierter mit dem Verfahren auseinanderzusetzen, muss man es zuerst einmal im Prinzip verstehen. Das entspricht den Schritten 5 und 6 von Handeln vorbereiten. Zuerst sind die Lernenden, die das neue Verfahren eingebracht haben, im Sinne von Schritt 5 in der Verantwortung, den anderen das Vorgehen modellhaft zu demonstrieren (z.B. die genaue Handhabung der App im Kontext). Die Lehrperson kann hier die Rolle eines/einer aktiven Lernenden einnehmen und nachfragen, wenn ihr irgendetwas unklar ist. Sie kann auch in einem Protokoll das Verfahren schriftlich festhalten.
Anschliessend geht es im Sinne von Schritt 6 von Handeln vorbereiten darum, mit spontan kreierten Beispielen erste Erfahrungen zu sammeln und allfällige Unklarheiten zu beseitigen. Die Lehrperson kann hier beim Einstieg helfen, indem sie zusammen mit der ganzen Klasse ein Beispiel kreiert und durcharbeitet (z.B. indem sie die Rechtwinkligkeit einer Ecke der Wandtafel überprüft). Anschliessend ist sie selbst Lernende und entwirft, tauscht und bearbeitet weitere Beispiele.
Zu Schritt 3: (Kritische) Analyse des Vorgehens vor dem Hintergrund des fachlichen Wissens
Bis zu diesem Punkt wurde das Verfahren einmal zur Kenntnis genommen – ohne einen Gedanken daran, warum es funktioniert oder ob es überhaupt funktionieren kann. Dies holt die Lehrperson nun nach, indem sie laut denkend Verbindungen zu ihrem Fachwissen herstellt (z.B. dazu, dass in rechtwinkligen Dreiecken die Gesetzmässigkeit gilt, die sich durch den Satz des Pythagoras darstellen lässt, und dass die App diese Gesetzmässigkeit nutzt). Sofern die Lernenden bereits über das entsprechende Wissen verfügen, kann die Lehrperson diese auch auffordern, diese Aufgabe zu übernehmen. Wie sehr die Lehrperson hier ins Detail gehen will, hängt davon ab, was zum Verständnis des Vorgehens unbedingt nötig ist (Hintergrund: C3 Situierte Abstraktion). Darüber hinaus spielen die zur Verfügung stehende Zeit, das Vorwissen und die Interessen der Lernenden und die relevanten Ziele des Lehrplans eine Rolle (z.B. braucht man für den Gebrauch der App den Satz des Pythagoras nicht zu kennen; er kann aber im Lehrplan verlangt sein oder bei den Lernenden auf Interesse stossen).
Es kann vorkommen, dass die Lehrperson spontan die Verbindung zu ihrem fachlichen Vorwissen nicht herstellen kann oder gar nicht über entsprechendes Wissen verfügt (z.B. da sie immer mit dem Verhältnis 3:4:5 gearbeitet hat und den Satz des Pythagoras gar nicht kennt)[2]. Dann kann sie diese fachliche Einordnung auf die nächste Woche verschieben und die relevanten Zusammenhänge in der Zwischenzeit so weit wie möglich aufarbeiten. Alternativ können sich aber auch alle an einer gemeinsamen Recherche im Internet oder an anderen Orten beteiligen (Beispiel: C8 Gewisse Ungewissheit, Beispiel 2).
Haben die Lernenden das neue Verfahren im Rahmen einer betrieblichen Weiterbildung kennengelernt, können sie möglicherweise nützliche Hinweise geben. Auf jeden Fall sollte diese theoretische Einbindung stattfinden. Ein mögliches Resultat der dabei angestellten Überlegungen kann auch sein, dass das Verfahren gar nicht funktionieren kann oder zumindest nicht in der Form, wie es von den Lernenden vorgestellt wurde.
Zu Schritt 4: (Kritische) Analyse des Vorgehens vor dem Hintergrund des Erfahrungswissens
Auch wenn das Verfahren grundsätzlich funktioniert, heisst das noch nicht, dass es – zumindest in der vorgestellten Form – im beruflichen Alltag zu gebrauchen ist. Um das zu klären, kann die Lehrperson ihren ganzen Erfahrungsschatz an erinnerten Situationen zur Verfügung stellen, in denen das neue Verfahren prinzipiell anwendbar sein sollte (Hintergrund: C7 Schnelles Denken, langsames Denken). Sie greift dazu eine geeignete Situation heraus – nach Möglichkeit sogar eine, bei der sie spontan Zweifel hat, ob das neue Verfahren dort brauchbar ist – schildert sie und überlegt dann allein oder zusammen mit den Lernenden, wie der Gebrauch des Verfahrens in diesem Fall aussehen würde (z.B. könnte sie sie sich an eine Situation erinnern, in der die eine Wand sehr uneben und es daher schwierig war, die relevante Seite verlässlich zu messen. In diesem Fall würde sich zeigen, dass die App genau gleich gut einsetzbar ist wie das alte Verfahren mit Papier und Bleistift und man unabhängig davon die unebene Wand in den Griff bekommen muss).
Ein mögliches Resultat dieser gedanklichen Untersuchungen kann sein, dass das neue Verfahren nur in ganz bestimmten Situationen einsetzbar ist, in anderen muss auf das alte, der Lehrperson vertraute Verfahren zurückgegriffen werden (z.B. wenn der Akku des Smartphones leer ist). Wichtig ist dabei, dass die Lehrperson nicht allzu hart mit dem neuen Verfahren ins Gericht geht, nur um ihr altes, liebgewordenes Vorgehen zu verteidigen (z.B. ist das Argument mit dem Akku nicht wirklich ein überzeugendes Argument, denn genauso könnte man darauf hinweisen, dass das Rechnen mit Papier und Bleistift nur funktioniert, wenn man den Bleistift nicht vergessen hat). Aber auch wenn sich zeigen sollte, dass das neue Verfahren gut in allen Situationen anwendbar ist, an die sich die Lehrperson erinnern kann, sind diese Überlegungen nützlich. Anhand der verschiedenen Situationen wird es möglich sein, verschiedene Gebrauchsprobleme zu diskutieren, für die man eine Lösung finden muss (z.B. der Umgang mit der unebenen Mauer, wo die Erfahrungen und Lösungen mit dem alten Vorgehen direkt für den Einsatz der App relevant sind).
Zu Schritt 5: Anwendungsfragen und Anwendungsprobleme klären
Abschliessend geht es darum, den Lernenden im Sinne der Schritte 7 und 8 von Handeln vorbereiten zu helfen, das neue Verfahren im beruflichen Alltag kompetent anzuwenden. Hier übernimmt die Lehrperson einerseits die Rolle, wie das für die Schritte 7 und 8 vorgesehen ist: Sie leitet die Lernenden an, einen geeigneten Spickzettel zu schreiben, und bespricht und löst zusammen mit ihnen die auftretenden Gebrauchsprobleme. Andererseits ist es auch hilfreich, wenn die Lehrperson selbst die Rolle einer Lernenden übernimmt, einen Spickzettel erstellt und wenn möglich selbst das Verfahren in Gebrauchssituationen einsetzt, sodass sie die dabei gemachten Erfahrungen mit den Lernenden teilen kann.
A4.5 Erklären statt handeln
A4 Die Lehrperson als Lernmodell und A3 Phänomene einordnen sind beides Variationen von A1 Handeln vorbereiten. Man kann sie problemlos kombinieren und anstelle einer neuen, durch die Lernenden eingebrachten Vorgehensweise ein neues Erklärungsmuster gemeinsam lernen und erproben. Alle hier zu den einzelnen Punkten gemachten Überlegungen behalten ihre Gültigkeit.
A5 DAS GEMEINSAME LERNPROJEKT
Dritte Variation zum Rezept A1 Handeln vorbereiten
Viele Kapitel dieses Buches sind so geschrieben, dass Sie sie unabhängig voneinander lesen können. Dieses Kapitel hingegen ist vermutlich nur verständlich, wenn sie vorher A1 Handeln vorbereiten und eventuell auch A4 Die Lehrperson als Lernmodell gelesen haben.
Das Rezept A4 Die Lehrperson als Lernmodell baut auf A1 Handeln vorbereiten auf und variiert es so, dass nicht die Lehrperson das Vorgehen in den Unterricht einbringt, sondern die Lernenden. Vermutlich wird dies aufgrund des sich beschleunigenden Technologiewandels in Zukunft vermehrt vorkommen, da Bildungspläne, Lehrmittel und Lehrpersonen unmöglich rechtzeitig alle Entwicklungen antizipieren können (Hintergrund: C8 Gewisse Ungewissheit).
Eine noch radikalere Variation entsteht, wenn Lernende von einer Handlungssituation berichten, mit der die Lehrperson keine oder kaum Erfahrungen gesammelt hat und für die auch die anderen Lernenden kein geeignetes Vorgehen kennengelernt haben.
A5.1 Wenn die Lernenden und die Lehrperson gemeinsam Neuland betreten – ein paar illustrative Beispiele
Die Lehrperson einer Klasse Zeichnerinnen und Zeichner EFZ ist noch mit Plänen auf Papier und entsprechenden zweidimensionalen Darstellungen wie Grundrissen, Aufrissen etc. aufgewachsen. Der technologischen Entwicklung folgend wird im Unterricht aber längst CAD eingesetzt. Und seit einiger Zeit können die Lernenden auf ihren Geräten ihr persönliches, aus dem Betrieb vertrautes Programm nutzen. Bearbeiten die Lernenden eine Aufgabe, fordert die Lehrperson jedoch, dass für die Besprechung zweidimensionale Pläne gedruckt werden.
Während die Klasse Mirjams Lösung diskutiert, fällt der Lehrperson beim Studium ihrer Pläne auf, dass bei einem Treppenaufgang die Bewohner den Kopf stark einziehen müssten, da die Höhe der Decke dort nur etwa 1,60 Meter beträgt. Sie fordert die Lernenden auf, diesen Sachverhalt anhand des gedruckten Planes zu verifizieren. Mirjam protestiert mit der Begründung, dass dies niemand mehr so machen würde, sondern dass man das Problem direkt in der 3-D-Darstellung überprüfen könne. Sie demonstriert, wie sie in ihrem Programm an der entsprechenden Stelle einen Vektor zwischen Boden und Decke einfügt, und bestätigt dann, dass dessen Länge tatsächlich 1,63 Meter beträgt.
Die Lehrperson hat keine Mühe, diese Messmethode zu akzeptieren. Sie fragt aber die Klasse, warum Mirjam dieses Problem nicht aufgefallen ist. Eigentlich wäre es ja praktisch, wenn das Programm selbst auf solche Punkte aufmerksam machen würde. Eine Diskussion zeigt, dass bisher keines der Programme, die von den Lernenden verwendet werden, diese Funktionalität anbietet. Daraus entwickelt sich ein kleines Projekt zur Frage, wie man 3-D-Darstellungen systematisch nach Problemen dieser Art absuchen kann – zumindest bis die technologische Entwicklung dafür automatische Lösungen anbietet.
Die Lehrperson wird hier mit einer Situation konfrontiert – systematisches Überprüfen von 3-D-Darstellungen auf Probleme –, zu der sie kein erprobtes Verfahren kennt und wo auch die Lernenden keine Vorschläge aus den Betrieben mitbringen können. Verschiedene Ursachen können zu einer solchen Unterrichtssituation führen. Im Beispiel ist es vor allem der beschleunigte Technologiewandel, der sich auswirkt. Wie schon bei A4 Die Lehrperson als Lernmodell betont, ist zu erwarten, dass dies in Zukunft immer häufiger der Fall sein wird.
Dazu noch zwei Beispiele:
• Elektroauto: Eine Lernende erzählt, dass gestern bei ihnen in der Garage darüber diskutiert wurde, in Zukunft auch Elektroautos warten zu wollen, dass aber noch niemand in der Garage über das notwendige Know-how verfüge. Lernende und Lehrperson sind sich einig, dass dieses Thema eigentlich in der Schule behandelt werden sollte.[3]
• Pflegeroboter: Wie ein Lernender berichtet, fährt beziehungsweise steht bei ihnen im Altersheim seit kurzem ein Pflegeroboter herum, aber niemand auf der Abteilung weiss so recht, wie man ihn sinnvoll einsetzen kann. Die Lernenden würden gerne etwas dazu hören.
In solchen Fällen bringen die Lernenden entsprechende Situationen in den Unterricht ein. Sie haben irgendwo etwas beobachtet, standen vor einer Herausforderung und fragen sich nun, wie man damit am besten umgeht. In der Weiterbildung von Lehrpersonen, wo diese die Rolle von Lernenden übernehmen, erlebe ich diesen Moment immer wieder: Lehrerinnen und Lehrer stellen regelmässig Fragen zu Situationen aus dem Schulalltag, auf die weder ich noch die anderen Kursteilnehmenden sofort eine gute Antwort bereithaben, die aber dringend einer Lösung bedürfen. Bei einem entsprechend offen gestalteten Unterricht an der Berufsfachschule ist zu erwarten, dass auch da Lernende immer wieder solche nicht direkt beantwortbare Fragen einbringen werden.
Möglicherweise wird aber auch von aussen – beispielsweise über den Lehrplan oder in Form von Tagesaktualitäten – eine Situation an den Unterricht herangetragen wird. Dazu auch ein Beispiel aus der Lehrerbildung: Ein Kollege hatte den Auftrag erhalten, bei einer Gruppe von Lehrpersonen die Nutzung neuer Medien im Unterricht zu schulen. Er verstand in dem Moment noch nicht viel davon und die betroffenen Lehrpersonen auch nicht. Also entwickelten sie gemeinsam etwas.
Beim Rezept A4 Die Lehrperson als Lernmodell geht es um den Fall, in dem ein Vorschlag für ein Vorgehen vorliegt, den die Lernenden eingebracht haben – dafür aber eventuell noch keine Erfahrungen mit dem Einsatz dieses Verfahrens in konkreten Situationen vorhanden ist. Hier, beim Rezept A5 Das gemeinsame Lernprojekt, existiert keine Idee für ein Vorgehen, dafür aber eine ganz konkrete Situation, für die man ein neues Vorgehen brauchen würde. Damit steht die Klasse samt Lehrperson nicht nur vor einer Lern-, sondern vor einer echten Entwicklungsaufgabe. Lehrperson und Lernende zusammen werden in diesem Moment zum Projektteam, in dem jeder und jede in unterschiedlichen Rollen Vorwissen, Interessen und Fähigkeiten einbringen kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man ein solches Projekt angehen kann. Hier ein Vorschlag, wie man im Rahmen der Möglichkeiten des Fachunterrichts vorgehen könnte. Er lehnt sich an das Format des Problem Based Learning (PBL) an (z.B. Weber 2004), erweitert dieses aber um den wichtigen Schritt 5.
A5.2 Ein Rezept in fünf Schritten
Das Rezept ist nicht wirklich erprobt. Rückmeldungen über Verständlichkeit und Nützlichkeit sind daher sehr erwünscht!
In Zentrum stehen:
• Eine bestimmte Situation (wie «Elektroautos warten» oder «Pflegeroboter nutzen»), deren Bewältigung die Lernenden möglichst bald beherrschen sollten.
• Weder die Lehrperson noch die Lernenden kennen ein geeignetes Vorgehen, um diese Situationen professionell anzugehen.
Schritt 1: Sicherstellen, dass alle von derselben Handlungssituation ausgehen
Wie in allen anderen Rezepten stellt die Lehrperson zuerst sicher, dass alle Anwesenden von derselben Situation ausgehen.
Schritt 2: Ideen für mögliche Lösungen entwickeln
Die Anwesenden entwickeln gruppenweise oder für sich allein Lösungsideen, die dann im Plenum diskutiert werden. Daraus ergeben sich meist Fragen, die geklärt werden müssen, um zu einer brauchbaren Lösung zu gelangen.
Schritt 3: Recherche
Alle gehen gruppenweise oder einzeln auf die Suche nach Antworten auf die Fragen aus Schritt 2.
Schritt 4: Neues Vorgehen konzipieren
Aufgrund der Resultate der Recherche und der Erfahrungen aller Beteiligten mit ähnlichen Situationen wird ein neues, praxistaugliches Vorgehen entwickelt und an erfundenen Beispielen getestet.
Schritt 5: Anwendungsfragen und Anwendungsprobleme klären
Das neue Vorgehen wird, wo immer möglich, in der Praxis eingesetzt. Die Erfahrungen werden diskutiert und auftretende Probleme nach Möglichkeit gelöst.
DAS GEMEINSAME LERNPROJEKT IM ÜBERBLICK
1. Kontext sicherstellen
2. Lösungsideen entwickeln
3. Recherche
4. Neues Vorgehen konzipieren
5. Klärung von Anwendungsproblemen
A5.3 Anregungen zu den einzelnen Schritten
Zu Schritt 1: Sicherstellen, dass alle von derselben Handlungssituation ausgehen
Diese Grundvoraussetzung muss hier genauso geschaffen werden wie im Schritt 2 von A1 Handeln vorbereiten. Wie viel Aufwand das bedeutet, hängt von der Situation ab und von dem, was im Unterricht vorangegangen ist. Im CAD-Beispiel ist die Situation im Wesentlichen eingeführt. Es ist aber sicher hilfreich, wenn die Lehrperson kurz zusammenfassend festhält: Es geht darum, beim Planen eines Gebäudes mit CAD systematisch zu überprüfen, ob Normen wie minimale Deckenhöhe etc. eingehalten werden.
Wird hingegen eine neuartige Situation von den Lernenden spontan eingebracht, wie beispielsweise der Einsatz von Pflegerobotern, dürfte mehr Aufwand notwendig sein, um zu klären, von welcher Situation die Rede sein soll. Können die Lernenden nicht viel Konkretes erzählen (z.B. «Bei uns steht seit einigen Tagen ein Pflegeroboter herum und niemand weiss so recht, was damit anfangen.»), muss die Lehrperson helfen, die Situation genauer zu definieren, damit überhaupt ein bearbeitbares Projekt entsteht. Im Beispiel könnte der vorläufige Arbeitstitel lauten: «Pflegeroboter der aktuell gegebenen Technologie im Pflegeprozess sinnvoll und produktiv einsetzen».
Zu Schritt 2: Ideen für mögliche Lösungen entwickeln
Die Situation gelangt ja in den Fokus der Aufmerksamkeit, da sie ein Problem darstellt, eine zu lösende Aufgabe. Im Sinne der Schritte 3 und 4 von Handeln vorbereiten geht es als Nächstes darum, zu versuchen, einzeln oder gruppenweise mithilfe des vorhandenen Vorwissens Lösungsansätze zu finden. In den beiden Beispielen würde es darum gehen, möglichst viele Ideen zu entwickeln, wie man einen CAD-basierten 3-D-Plan systematisch analysieren kann beziehungsweise wie man Pflegeroboter einsetzen könnte. In dieser Phase haben Lehrperson und Lernende dieselbe Rolle. Die Lehrperson kann und soll alleine für sich oder zusammen mit einer Gruppe Ideen entwickeln.
Diese Ideen werden gesammelt und nach ihrer vermuteten Nützlichkeit geordnet. Idealerweise entsteht daraus eine Liste von offenen Fragen, von deren Klärung man sich eine Lösung des Problems verspricht. Im CAD-Beispiel mit seiner relativ konkreten Fragestellung könnte man beschliessen, die beiden vielversprechendsten Vorgehensideen weiterzuverfolgen und beispielsweise abzuklären, wie weit diese durch existierende CAD-Programme bereits unterstützt werden.
Im Roboterbeispiel, dem eine viel offenere Frage zugrunde liegt, könnte man für die weitere Bearbeitung die Ideen in zwei Gruppen einteilen: 1) begrüssenswerte Einsatzarten, die man intensiv verfolgen möchte, und 2) Einsatzarten, von denen man nur abklären möchte, ob es dazu schon Überlegungen oder Erfahrungen gibt.
Zu Schritt 3: Recherche
Im Gegensatz zum Schritt 5 bei Handeln vorbereiten steht hier kein Modell zu Verfügung, das vorgeführt werden kann. Lehrperson und Lernende müssen daher nach Lösungsideen auf die Suche gehen. Dazu sollten alle verfügbaren Quellen berücksichtigt werden: Internet, Lehrbücher, Arbeitskolleginnen und -kollegen (sowohl der Lehrperson wie der Lernenden), Fachpersonen etc.
Denkbar ist, dass sich wirklich alle – also Lehrperson und Lernende – an der Recherche beteiligen und beispielsweise während des Unterrichts im Internet auf die Suche gehen. Es ist aber auch möglich, dass die Lehrperson diese Aufgabe übernimmt. Bis sie mit Ergebnissen aufwarten kann, wird diese Arbeit an der Situation unterbrochen und eine oder mehrere Wochen später mit neuem Hintergrundwissen wieder aufgenommen.
Wie erfolgreich eine solche Suche sein kann, hängt von der problematischen Situation ab. Beim CAD-Beispiel ist es denkbar, dass jemand in einem Diskussionsforum im Internet auf eine Lösung stösst, die einigermassen erprobt scheint und im Forum auch schon diskutiert wurde. Hier könnte also die Suche unter Umständen recht schnell ein brauchbares Resultat erbringen.
Beim Roboterbeispiel dürfte es zu dem Zeitpunkt, zu dem ich dieses Buch schreibe, etwas schwieriger sein, schnell konkret zu werden. Vielleicht wird man in Prospekten von Roboterherstellern auf Einsatzvorschläge und die damit verbundenen Werbeaussagen stossen, die entsprechend vorsichtig zu bewerten sind. Darüber hinaus findet man vielleicht einzelne Forschungsartikel, die den Einsatz von Pflegerobotern thematisieren. Die Verantwortlichen, die den Roboter angeschafft haben, sollten etwas zu ihren Zielen sagen können, und vielleicht findet sich an einer benachbarten Fachhochschule eine Fachperson, die sich schon intensiver mit dem Thema beschäftigt hat.
Zu Schritt 4: Neues Vorgehen entwickeln
Ausser man stösst bei der Recherche unerwartet auf ein bewährtes Vorgehen, ist es mit dem Zusammentragen von Informationen nicht getan. Um sie nutzen zu können, muss auf ihrer Basis eine im praktischen Alltag einsetzbare Vorgehensweise entwickelt werden. Wurde im CAD-Beispiel im Internet ein Vorgehensvorschlag gefunden, würde es nun darum gehen, diesen konkret bei einer Darstellung zu erproben, welche die in der Klasse eingesetzten Programme generieren. Wie bei Schritt 4 bei A4 Die Lehrperson als Lernmodell kommt hier das Erfahrungswissen der Lehrperson zum Tragen. Sie kann erinnerte Gebrauchssituationen aus ihrem Erfahrungsschatz als eine Art Simulationsumgebung zur Verfügung stellen, um die Brauchbarkeit des sich entwickelnden Verfahrens kritisch zu prüfen. Bei dem CAD-Beispiel erinnert sich die Lehrperson vielleicht an Fälle, bei denen ein Problem bei der Planung übersehen oder erst im allerletzten Moment erkannt wurde. Gemeinsam kann man überprüfen, ob das Verfahren hier besser abgeschnitten hätte oder ob es allenfalls noch angepasst werden muss.