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2. Ebenso müssen in einer transzendentalen Logiku n e n d l i c h eU r t e i l ev o nb e j a h e n d e nnoch unterschieden werden, wenn sie gleich in der allgemeinen Logik jenen mit Recht beigezählt sind und kein besonderes Glied der Einteilung ausmachen. Diese nämlich abstrahiert von allem Inhalt des Prädikats (ob es gleich verneinend ist) und sieht nur darauf, ob dasselbe dem Subjekt beigelegt oder ihm entgegengesetzt werde. Jene aber betrachtet das Urteil auch nach dem Werte oder Inhalt dieser logischen Bejahung vermittelst eines bloß verneinenden Prädikats und was diese in Ansehung des gesamten Erkenntnisses für einen Gewinn verschafft. Hätte ich von der Seele gesagt, sie ist nicht sterblich, so hätte ich durch ein verneinendes Urteil wenigstens einen Irrtum abgehalten. Nun habe ich durch den Satz: die Seele ist nicht sterblich, zwar der logischen Form nach wirklich bejaht, indem ich die Seele in den unbeschränkten Umfang der nicht sterbenden Wesen setze. Weil nun von dem ganzen Umfange möglicher Wesen das Sterbliche einen Teil enthält, das Nichtsterbliche aber den anderen, so ist durch meinen Satz nichts anderes gesagt, als dass die Seele eines von der unendlichen Menge der Dinge sei, die übrig bleiben, wenn ich das Sterbliche insgesamt wegnehme. Dadurch aber wird nur die unendliche Sphäre alles Möglichen in so weit beschränkt, dass das Sterbliche davon abgetrennt und in dem übrigen Umfang ihres Raums die Seele gesetzt wird. Dieser Raum bleibt aber bei dieser Ausnahme noch immer unendlich, und können noch mehrere Teile desselben weggenommen werden, ohne dass darum der Begriff von der Seele im Mindesten wächst und bejahend bestimmt wird. Diese unendlichen Urteile also in Ansehung des logischen Umfanges sind wirklich bloß beschränkend in Ansehung des Inhalts der Erkenntnis überhaupt, und in sofern müssen sie in der transzendentalen Tafel aller Momente des Denkens in den Urteilen nicht übergangen werden, weil die hierbei ausgeübte Funktion des Verstandes vielleicht in dem Felde seiner reinen Erkenntnis a priori wichtig sein kann.
3. Alle Verhältnisse des Denkens in Urteilen sind die a) des Prädikats zum Subjekt, b) des Grundes zur Folge, c) der eingeteilten Erkenntnis und der gesammelten Glieder der Einteilung untereinander. In der ersteren Art der Urteile sind nur zwei Begriffe, in der zweiten zwei Urteile, in der dritten mehrere Urteile im Verhältnis gegeneinander betrachtet. Der hypothetische Satz: wenn eine vollkommene Gerechtigkeit da ist, so wird der beharrlich Böse bestraft, enthält eigentlich das Verhältnis zweier Sätze: Es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, und der beharrlich Böse wird bestraft. Ob beide dieser Sätze an sich wahr seien, bleibt hier unausgemacht. Es ist nur die Konsequenz, die durch dieses Urteil gedacht wird. Endlich enthält das disjunktive Urteil ein Verhältnis zweier oder mehrerer Sätze gegeneinander, aber nicht der Abfolge, sondern der logischen Entgegensetzung, sofern die Sphäre des einen die des anderen ausschließt, aber doch zugleich der Gemeinschaft, insofern sie zusammen die Sphäre der eigentlichen Erkenntnis ausfüllen, also ein Verhältnis der Teile der Sphäre eines Erkenntnisses, da die Sphäre eines jeden Teils ein Ergänzungsstück der Sphäre des anderen zu dem ganzen Inbegriff der eingeteilten Erkenntnis ist, z. E. die Welt ist entweder durch einen blinden Zufall da oder durch innere Notwendigkeit oder durch eine äußere Ursache. Jeder dieser Sätze nimmt einen Teil der Sphäre des möglichen Erkenntnisses über das Dasein einer Welt überhaupt ein, alle zusammen die ganze Sphäre. Die Erkenntnis aus einer dieser Sphären wegnehmen heißt, sie in eine der übrigen setzen, und dagegen sie in eine Sphäre setzen heißt, sie aus den übrigen wegnehmen. Es ist also in einem disjunktiven Urteile eine gewisse Gemeinschaft der Erkenntnisse, die darin besteht, dass sie sich wechselseitig einander ausschließen, aber dadurch dochi mG a n z e ndie wahre Erkenntnis bestimmen, indem sie zusammengenommen den ganzen Inhalt einer einzigen gegebenen Erkenntnis ausmachen. Und dieses ist es auch nur, was ich des Folgenden wegen hierbei anzumerken nötig finde.
4. Die Modalität der Urteile ist eine ganz besondere Funktion derselben, die das Unterscheidende an sich hat, dass sie nichts zum Inhalte des Urteils beiträgt (denn außer Größe, Qualität und Verhältnis ist nichts mehr, was den Inhalt eines Urteils ausmachte), sondern nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.P r o b l e m a t i s c h eUrteile sind solche, wo man das Bejahen oder Verneinen als bloß möglich (beliebig) annimmt.A s s e r t o r i s c h e,da es als wirklich (wahr) betrachtet wird.A p o d i k t i s c h e,in denen man es alsn o t w e n d i gansieht.12 So sind die beiden Urteile, deren Verhältnis das hypothetische Urteil ausmacht (antecedens und consequens) imgleichen in deren Wechselwirkung das disjunktive besteht (Glieder der Einteilung), insgesamt nur problematisch. In dem obigen Beispiel wird der Satz: es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, nicht assertorisch gesagt, sondern nur als ein beliebiges Urteil, wovon es möglich ist, dass jemand es annehme, gedacht, und nur die Konsequenz ist assertorisch. Daher können solche Urteile auch offenbar falsch sein und doch, problematisch genommen, Bedingungen der Erkenntnis der Wahrheit sein. So ist das Urteil: dieW e l ti s td u r c hb l i n d e nZ u f a l ld a,in dem disjunktiven Urteil nur von problematischer Bedeutung, nämlich dass jemand diesen Satz etwa auf einen Augenblick annehmen möge, und dient doch (wie die Verzeichnung des falschen Weges unter der Zahl aller derer, die man nehmen kann), den wahren zu finden. Der problematische Satz ist also derjenige, der nur logische Möglichkeit (die nicht objektiv ist) ausdrückt, d. i. eine freie Wahl einen solchen Satz gelten zu lassen, eine bloß willkürliche Aufnehmung desselben in den Verstand. Der assertorische sagt von logischer Wirklichkeit oder Wahrheit, wie etwa in einem hypothetischen Vernunftschluss das Antezedens im Obersatze problematisch, im Untersatze assertorisch vorkommt, und zeigt an, dass der Satz mit dem Verstande nach dessen Gesetzen schon verbunden sei. Der apodiktische Satz denkt sich den assertorischen durch diese Gesetze des Verstandes selbst bestimmt und daher a priori behauptend und drückt auf solche Weise logische Notwendigkeit aus. Weil nun hier alles sich gradweise dem Verstande einverleibt, sodass man zuvor etwas problematisch urteilt, darauf auch wohl es assertorisch als wahr annimmt, endlich als unzertrennlich mit dem Verstande verbunden, d. i. als notwendig und apodiktisch behauptet, so kann man diese drei Funktionen der Modalität auch so viel Momente des Denkens überhaupt nennen.
Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe
D R I T T E RA B S C H N I T T
§ 10
Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien
Die allgemeine Logik abstrahiert, wie mehrmalen schon gesagt worden, von allem Inhalt der Erkenntnis und erwartet, dass ihr anderwärts, woher es auch sei, Vorstellungen gegeben werden, um diese zuerst in Begriffe zu verwandeln, welches analytisch zugeht. Dagegen hat die transzendentale Logik ein Mannigfaltiges der Sinnlichkeit a priori vor sich liegen, welches die transzendentale Ästhetik ihr darbietet, um zu den reinen Verstandesbegriffen einen Stoff zu geben, ohne den sie ohne allen Inhalt, mithin völlig leer sein würden. Raum und Zeit enthalten nun ein Mannigfaltiges der reinen Anschauung a priori, gehören aber gleichwohl zu den Bedingungen der Rezeptivität unseres Gemüts, unter denen es allein Vorstellungen von Gegenständen empfangen kann, die mithin auch den Begriff derselben jederzeit affizieren müssen. Allein die Spontaneität unseres Denkens erfordert es, dass dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen und verbunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthesis.
Ich verstehe aber unterS y n t h e s i sin der allgemeinsten Bedeutung die Handlung, verschiedene Vorstellungen zueinander hinzuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen. Eine solche Synthesis ist rein, wenn das Mannigfaltige nicht empirisch, sondern a priori gegeben ist (wie das im Raum und in der Zeit). Vor aller Analysis unserer Vorstellungen müssen diese zuvor gegeben sein, und es können keine Begriffe demI n h a l t enach analytisch entspringen. Die Synthesis eines Mannigfaltigen aber (es sei empirisch oder a priori gegeben), bringt zuerst eine Erkenntnis hervor, die zwar anfänglich noch roh und verworren sein kann und also der Analysis bedarf; allein die Synthesis ist doch dasjenige, was eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammelt und zu einem gewissen Inhalte vereinigt; sie ist also das Erste, worauf wir Acht zu geben haben, wenn wir über den ersten Ursprung unserer Erkenntnis urteilen wollen.
Die Synthesis überhaupt ist, wie wir künftig sehen werden, die bloße Wirkung der Einbildungskraft, einer blinden, obgleich unentbehrlichen Funktion der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben würden, der wir uns aber selten nur einmal bewusst sind. Allein, diese Synthesis aufB e g r i f f ezu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstande zukommt und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft.
Die reineS y n t h e s i s,a l l g e m e i nv o r g e s t e l l t,gibt nun den reinen Verstandesbegriff. Ich verstehe aber unter dieser Synthesis diejenige, welche auf einem Grunde der synthetischen Einheit a priori beruht: So ist unser Zählen (vornehmlich ist es in größeren Zahlen merklicher) eineS y n t h e s i sn a c hB e g r i f f e n,weil sie nach einem gemeinschaftlichen Grunde der Einheit geschieht (z. E. der Dekadik). Unter diesem Begriffe wird also die Einheit in der Synthesis des Mannigfaltigen notwendig.
Analytisch werden verschiedene Vorstellungenu n t e reinen Begriff gebracht (ein Geschäft, wovon die allgemeine Logik handelt). Aber nicht die Vorstellungen, sondern dier e i n eS y n t h e s i sder Vorstellungen auf Begriffe zu bringen, lehrt die transz. Logik. Das Erste, was uns zum Behuf der Erkenntnis aller Gegenstände a priori gegeben sein muss, ist dasM a n n i g f a l t i g eder reinen Anschauung; dieS y n t h e s i sdieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft ist das Zweite, gibt aber noch keine Erkenntnis. Die Begriffe, welche dieser reinen SynthesisE i n h e i tgeben und lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen, tun das Dritte zum Erkenntnisse eines vorkommenden Gegenstandes und beruhen auf dem Verstande.
Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungeni ne i n e mU r t e i l eEinheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einerA n s c h a u u n gEinheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt. Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zustande brachte, bringt auch, vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung überhaupt, in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt, weswegen sie reine Verstandesbegriffe heißen, die a priori auf Objekte gehen, welches die allgemeine Logik nicht leisten kann.
Auf solche Weise entspringen gerade so viel reine Verstandesbegriffe, welche a priori auf Gegenstände der Anschauung überhaupt gehen, als es in der vorigen Tafel logische Funktionen in allen möglichen Urteilen gab; denn der Verstand ist durch gedachte Funktionen völlig erschöpft und sein Vermögen dadurch gänzlich ausgemessen. Wir wollen diese Begriffe nach dem AristotelesK a t e g o r i e nnennen, indem unsere Absicht uranfänglich mit der seinigen zwar einerlei ist, ob sie sich gleich davon in der Ausführung gar sehr entfernt.
Tafel der Kategorien
1.
Der Quantität: E i n h e i t V i e l h e i t A l l h e i t
2.Der Qualität: R e a l i t ä t N e g a t i o n L i m i t a t i o n 3.Der Relation: derI n h ä r e n zund Subsistenz (substantia et accidens) derK a u s a l i t ä tund Dependenz (Ursache und Wirkung) derG e m e i n s c h a f t(Wechselwirkung zwischen den Handelnden und Leidenden)4.
Der Modalität: M ö g l i c h k e i t– Unmöglichkeit D a s e i n– Nichtsein N o t w e n d i g k e i t – zufälligkeit
Dieses ist nun die Verzeichnung aller ursprünglich reinen Begriffe der Synthesis, die der Verstand a priori in sich enthält und um deren willen er auch nur ein reiner Verstand ist; indem er durch sie allein etwas bei dem Mannigfaltigen der Anschauung verstehen, d. i. ein Objekt derselben denken kann. Diese Einteilung ist systematisch aus einem gemeinschaftlichen Prinzip, nämlich dem Vermögen zu urteilen (welches ebenso viel ist, als das Vermögen zu denken) erzeugt, und nicht rhapsodistisch aus einer auf gut Glück unternommenen Aufsuchung reiner Begriffe entstanden, von deren Vollzähligkeit man niemals gewiss sein kann, da sie nur durch Induktion geschlossen wird, ohne zu gedenken, dass man doch auf die letztere Art niemals einsieht, warum denn gerade diese und nicht andere Begriffe dem reinen Verstande beiwohnen. Es war ein eines scharfsinnigen Mannes würdiger Anschlag desA r i s t o t e l e s,diese Grundbegriffe aufzusuchen. Da er aber kein Prinzipium hatte, so raffte er sie auf, wie sie ihm aufstießen, und trieb deren zuerst zehn auf, die erK a t e g o r i e n(Prädikamente) nannte. In der Folge glaubte er noch ihrer fünfe aufgefunden zu haben, die er unter dem Namen der Postprädikamente hinzufügte. Allein seine Tafel blieb noch immer mangelhaft. Außerdem finden sich auch einige modi der reinen Sinnlichkeit darunter (quando, ubi, situs, imgleichen prius, simul), auch ein empirischer, (motus), die in dieses Stammregister des Verstandes gar nicht gehören, oder es sind auch die abgeleiteten Begriffe mit unter die Urbegriffe gezählt (actio, passio), und an einigen der letzteren fehlt es gänzlich.
Um der letzteren willen ist also noch zu bemerken, dass die Kategorien, als die wahrenS t a m m b e g r i ff edes reinen Verstandes, auch ihre eben so reinena b g e l e i t e t e nB e g r i f f ehaben, die in einem vollständigen System der Transzendental-Philosophie keineswegs übergangen werden können, mit deren bloßer Erwähnung aber ich in einem bloß kritischen Versuch zufrieden sein kann.
Es sei mir erlaubt, diese reinen, aber abgeleiteten Verstandesbegriffe dieP r ä d i k a b i l i e ndes reinen Verstandes (im Gegensatz der Prädikamente) zu nennen. Wenn man die ursprünglichen und primitiven Begriffe hat, so lassen sich die abgeleiteten und subalternen leicht hinzufügen und der Stammbaum des reinen Verstandes völlig ausmalen. Da es mir hier nicht um die Vollständigkeit des Systems, sondern nur der Prinzipien zu einem System zu tun ist, so verspare ich diese Ergänzung auf eine andere Beschäftigung. Man kann aber diese Absicht ziemlich erreichen, wenn man die Ontologischen Lehrbücher zur Hand nimmt, und z. B. der Kategorie der Kausalität, die Prädikabilien der Kraft, der Handlung, des Leidens; der der Gemeinschaft, die der Gegenwart, des Widerstandes; den Prädikamenten der Modalität die des Entstehens, Vergehens, der Veränderung u. s. w. unterordnet. Die Kategorien mit den modis der reinen Sinnlichkeit oder auch unter einander verbunden, geben eine große Menge abgeleiteter Begriffe a priori, die zu bemerken und wo möglich bis zur Vollständigkeit zu verzeichnen, eine nützliche und nicht unangenehme, hier aber entbehrliche Bemühung sein würde.
Der Definitionen dieser Kategorien überhebe ich mich in dieser Abhandlung geflissentlich, ob ich gleich im Besitz derselben sein möchte. Ich werde diese Begriffe in der Folge bis auf den Grad zergliedern, welcher in Beziehung auf die Methodenlehre, die ich bearbeite, hinreichend ist. In einem System der reinen Vernunft würde man sie mit Recht von mir fordern können; aber hier würden sie nur den Hauptpunkt der Untersuchung aus den Augen bringen, indem sie Zweifel und Angriffe erregten, die man, ohne der wesentlichen Absicht etwas zu entziehen, gar wohl auf eine andere Beschäftigung verweisen kann. Indessen leuchtet doch aus dem Wenigen, was ich hiervon angeführt habe, deutlich hervor, dass ein vollständiges Wörterbuch mit allen dazu erforderlichen Erläuterungen nicht allein möglich, sondern auch leicht sei zustande zu bringen. Die Fächer sind einmal da; es ist nur nötig, sie auszufüllen, und eine systematische Topik, wie die gegenwärtige, lässt nicht leicht die Stelle verfehlen, dahin ein jeder Begriff eigentümlich gehört, und zugleich diejenige leicht bemerken, die noch leer ist.
§ 11
Über diese Tafel der Kategorien lassen sich artige Betrachtungen anstellen, die vielleicht erhebliche Folgen in Ansehung der wissenschaftlichen Form aller Vernunfterkenntnisse haben könnten. Denn dass diese Tafel im theoretischen Teile der Philosophie ungemein dienlich, ja unentbehrlich sei,d e nP l a nz u mG a n z e ne i n e rW i s s e n s c h a ft, sofern sie auf Begriffen a priori beruht, vollständig zu entwerfen und sie mathematischn a c hb e s t i m m t e nP r i n z i p i e na b z u t e i l e n,erhellt schon von selbst daraus, dass gedachte Tafel alle Elementarbegriffe des Verstandes vollständig, ja selbst die Form eines Systems derselben im menschlichen Verstande enthält, folglich aufa l l eM o m e n t eeiner vorhabenden spekulativen Wissenschaft, ja sogar ihreO r d n u n g,Anweisung gibt, wie ich denn auch davon anderwärts13 eineP r o b egegeben habe. Hier sind nun einige dieser Anmerkungen.
D i ee r s t eist: dass sich diese Tafel, welche vier Klassen von Verstandesbegriffen enthält, zuerst in zwei Abteilungen zerfällen lasse, deren erstere auf Gegenstände der Anschauung (der reinen sowohl als empirischen), die zweite aber auf die Existenz dieser Gegenstände (entweder in Beziehung aufeinander oder auf den Verstand) gerichtet sind.
Die erste Klasse würde ich die derm a t h e m a t i s c h e n,die zweite derd y n a m i s c h e nKategorien nennen. Die erste Klasse hat, wie man sieht, keine Korrelate, die allein in der zweiten Klasse angetroffen werden. Dieser Unterschied muss doch einen Grund in der Natur des Verstandes haben.
2te Anm. Dass allerwärts eine gleiche Zahl der Kategorien jeder Klasse, nämlich drei sind, welches ebenso wohl zum Nachdenken auffordert, da sonst alle Einteilung a priori durch Begriffe, Dichotomie sein muss. Dazu kommt aber noch, dass die dritte Kategorie allenthalben aus der Verbindung der zweiten mit der ersten ihrer Klasse entspringt.
So ist dieA l l h e i t(Totalität) nichts anderes als die Vielheit als Einheit betrachtet, dieE i n s c h r ä n k u n gnichts anderes als Realität mit Negation verbunden, dieG e m e i n s c h a f tist die Kausalität einer Substanz in Bestimmung der anderen wechselseitig, endlich dieN o t w e n d i g k e i tnichts anderes als die Existenz, die durch die Möglichkeit selbst gegeben ist. Man denke aber ja nicht, dass darum die dritte Kategorie ein bloß abgeleiteter und kein Stammbegriff des reinen Verstandes sei. Denn die Verbindung der ersten und zweiten, um den dritten Begriff hervorzubringen, erfordert einen besondern Aktus des Verstandes, der nicht mit dem einerlei ist, der beim ersten und zweiten ausgeübt wird. So ist der Begriff einer Zahl (die zur Kategorie der Allheit gehört) nicht immer möglich, wo die Begriffe der Menge und der Einheit sind (z. B. in der Vorstellung des Unendlichen), oder daraus, dass ich den Begriff einerU r s a c h eund den einerS u b s t a n zbeide verbinde, noch nicht sofort derE i n f l u s s,d. i. wie eine Substanz Ursache von etwas in einer anderen Substanz werden könne, zu verstehen. Daraus erhellt, dass dazu ein besonderer Aktus des Verstandes erforderlich sei; und so bei den Übrigen.
3te Anm. Von einer einzigen Kategorie, nämlich der derG e m e i n s c h a f t,die unter dem dritten Titel befindlich ist, ist die Übereinstimmung mit der in der Tafel der logischen Funktionen ihm korrespondierenden Form eines disjunktiven Urteils nicht so in die Augen fallend, als bei den übrigen.
Um sich dieser Übereinstimmung zu versichern, muss man bemerken, dass in allen disjunktiven Urteilen die Sphäre (die Menge alles dessen, was unter ihm enthalten ist) als ein Ganzes in Teile (die untergeordneten Begriffe) geteilt vorgestellt wird, und, weil einer nicht unter dem anderen enthalten sein kann, sie als einanderk o o r d i n i e r t,nichts u b o r d i n i e r t,so dass sie einander nichte i n s e i t i g,wie in einer Reihe, sondernw e c h s e l s e i t i g,als in einemA g g r e g a t,bestimmen (wenn ein Glied der Einteilung gesetzt wird, alle übrigen ausgeschlossen werden, und so umgekehrt), gedacht werden.
Nun wird eine ähnliche Verknüpfung in einemG a n z e nd e rD i n g egedacht, da nicht eines, als Wirkung, dem anderen als Ursache seines Daseins,u n t e r g e o r d n e t,sondern zugleich und wechselseitig als Ursache in Ansehung der Bestimmung der anderenb e i g e o r d n e twird (z. B. in einem Körper, dessen Teile einander wechselseitig anziehen und auch widerstehen), welches eine ganz andere Art der Verknüpfung ist als die, so im bloßen Verhältnis der Ursache zur Wirkung (des Grundes zur Folge) angetroffen wird, in welchem die Folge nicht wechselseitig wiederum den Grund bestimmt und darum mit diesem (wie der Weltschöpfer mit der Welt) nicht ein Ganzes ausmacht. Dasselbe Verfahren des Verstandes, wenn er sich die Sphäre eines eingeteilten Begriffs vorstellt, beobachtet er auch, wenn er ein Ding als teilbar denkt, und wie die Glieder der Einteilung im ersteren einander ausschließen und doch in einer Sphäre verbunden sind, so stellt er sich die Teile des letzteren als solche, deren Existenz (als Substanzen) jedem auch ausschließlich von den übrigen zukommt, doch als in einem Ganzen verbunden vor.
§ 12
Es findet sich aber in der Transzendentalphilosophie der Alten noch ein Hauptstück vor, welches reine Verstandesbegriffe enthält, die, ob sie gleich nicht unter die Kategorie gezählt werden, dennoch, nach ihnen, als Begriffe a priori von Gegenständen gelten sollten, in welchem Falle sie aber die Zahl der Kategorien vermehren würden, welches nicht sein kann. Diese trägt der unter den Scholastikern so berufene Satz vor: quodlibet ens est unum, verum, bonum. Ob nun zwar der Gebrauch dieses Prinzips in Absicht auf die Folgerungen (die lauter tautologische Sätze gaben), sehr kümmerlich ausfiel, sodass man es auch in neueren Zeiten beinahe nur ehrenhalber in der Metaphysik aufzustellen pflegt, so verdient doch ein Gedanke, der sich so lange Zeit erhalten hat, so leer er auch zu sein scheint, immer eine Untersuchung seines Ursprungs und berechtigt zur Vermutung, dass er in irgendeiner Verstandesregel seinen Grund habe, der nur, wie es oft geschieht, falsch gedolmetscht worden. Diese vermeintlich transzendentalen Prädikate derD i n g esind nichts anderes als logische Erfordernisse und Kriterien allerE r k e n n t n i sd e rD i n g eüberhaupt und legen ihr die Kategorien der Quantität, nämlich derE i n h e i t,V i e l h e i tundA l l h e i t,zum Grunde, nur dass sie diese, welche eigentlich material, als zur Möglichkeit der Dinge selbst gehörig, genommen werden müssten, in der Tat nur in formaler Bedeutung als zur logischen Forderung in Ansehung jeder Erkenntnis gehörig brauchten, und doch diese Kriterien des Denkens unbehutsamerweise zu Eigenschaften der Dinge an sich selbst machten. In jedem Erkenntnisse eines Objekts ist nämlichE i n h e i tdes Begriffs, welche manq u a l i t a t i v eE i n h e i tnennen kann, sofern darunter nur die Einheit der Zusammenfassung des Mannigfaltigen der Erkenntnisse gedacht wird, wie etwa die Einheit des Thema in einem Schauspiel, einer Rede, einer Fabel. ZweitensW a h r h e i tin Ansehung der Folgen. Je mehr wahre Folgen aus einem gegebenen Begriffe, desto mehr Kennzeichen seiner objektiven Realität. Dieses könnte man dieq u a l i t a t i v eV i e l h e i tder Merkmale, die zu einem Begriffe als einem gemeinschaftlichen Grunde gehören (nicht in ihm als Größe gedacht werden), nennen. Endlichd r i t t e n sV o l l k o m m e n h e i t,die darin besteht, dass umgekehrt diese Vielheit zusammen auf die Einheit des Begriffes zurückführt und zu diesem und keinem anderen völlig zusammenstimmt, welches man dieq u a l i t a t i v eV o l l s t ä n d i g k e i t(Totalität) nennen kann. Woraus erhellt, dass diese logischen Kriterien der Möglichkeit der Erkenntnis überhaupt die drei Kategorien der Größe, in denen die Einheit in der Erzeugung des Quantum durchgängig gleichartig angenommen werden muss, hier nur in Absicht auf die Verknüpfung auchu n g l e i c h a r t i g e rErkenntnisstücke in einem Bewusstsein durch die Qualität eines Erkenntnisses als Prinzips verwandeln. So ist das Kriterium der Möglichkeit eines Begriffs (nicht des Objekts desselben die Definition, in der dieE i n h e i td e sB e g r i f f s,die Wahrheit alles dessen, was zunächst aus ihm abgeleitet werden mag, endlich dieV o l l s t ä n d i g k e i tdessen, was aus ihm gezogen worden, zur Herstellung des ganzen Begriffs das Erforderliche desselben ausmacht; oder so ist auch dasK r i t e r i u me i n e rH y p o t h e s edie Verständlichkeit des angenommenenE r k l ä r u n g s g r u n d e soder dessenE i n h e i t(ohne Hilfshypothese), dieW a h r h e i t(Übereinstimmung unter sich selbst und mit der Erfahrung) der daraus abzuleitenden Folgen, und endlich dieV o l l s t ä n d i g k e i tdes Erklärungsgrundes zu ihnen, die auf nichts mehr noch weniger zurückweisen, als in der Hypothese angenommen worden, und das, was a priori synthetisch gedacht war, a posteriori analytisch wieder liefern und dazu zusammenstimmen. – Also wird durch die Begriffe von Einheit, Wahrheit und Vollkommenheit die transzendentale Tafel der Kategorien gar nicht, als wäre sie etwa mangelhaft, ergänzt, sondern nur, indem das Verhältnis dieser Begriffe auf Objekte gänzlich beiseite gesetzt wird, das Verfahren mit ihnen unter allgemeine logische Regeln der Übereinstimmung der Erkenntnis mit sich selbst gebracht.