Zwischen Gartenbau und Gartenkunst: Gärtner und Gartengestalter in Wien und Umgebung 1918–1945

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Der aus Sachsen stammende, aber lange Zeit in Österreich, unter anderem als Sekretär der Dendrologischen Gesellschaft für Österreich-Ungarn, tätige Camillo Schneider verlegte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs seinen Wohn- und Arbeitsplatz nach Berlin.147
Danach gibt es für längere Zeit keine vorliegenden Informationen über ausgewanderte Gärtner. Erst mit der Ausschaltung des Parlaments durch Engelbert Dollfuß 1933 und dem damit einhergehenden Verbot der NSDAP finden sich Spuren von österreichischen Gartenarchitekten in Deutschland.
Ein Beispiel ist der Salzburger Gartenarchitekt Hans Kern. Er war im Juni 1932 der NSDAP beigetreten und wurde im Mai 1935 wegen Hochverrats zu 18 Monaten schweren Kerkers verurteilt. Nachdem er im April 1936 bedingt entlassen wurde, reiste er im Juni 1936 nach München, wurde als Flüchtling anerkannt und begann bei der Gartengestaltung Max Müller in Bamberg zu arbeiten. Bereits ein Jahr später arbeitete er als Landschaftsberater, später als Landschaftsanwalt in Halle an der Saale. Kern kehrte als Landschaftsanwalt nach dem „Anschluss“ nach Österreich zurück. Über seine weitere Arbeitsbiografie ist nichts bekannt.148
Ein anderes Beispiel ist Viktor Mödlhammer. Auch für ihn waren politische Gründe – seine „nationale Gesinnung“, wie er es nannte – ausschlaggebend für seinen Aufenthalt in Deutschland. Er arbeitete allerdings nur einige Monate, von November 1937 bis März 1938, bei Gartengestalter Rose in Dresden, bevor er nach Österreich zurückkehrte.149
Wie viele österreichische Gärtner und Gartengestalter nach dem „Anschluss“ als Gartentechniker ins „Altreich“ wechselten, ist nicht bekannt.
2.3.4.2 Deutsche Gärtner und Gartenarchitekten in Österreich
Nach dem „Anschluss“ 1938 kamen natürlich auch „reichsdeutsche“ Gartenarchitekten in Österreich zum Einsatz und sie brachten zumeist eigenes Personal mit. Der bekannte Gartenfachmann Hermann Mattern war mit der Planung und Ausführung der Außenanlagen der „Krupp-Anlage“ im niederösterreichischen Berndorf beauftragt und setzte seinen Mitarbeiter Heinz Schulze als Bauleiter ein.150 Er war auch als „Landschaftsanwalt“151 für Alwin Seifert tätig und mit der Gestaltung der Grünflächen der Autobahn Wien – Brünn – Breslau beauftragt.152 Neben Mattern arbeiteten Ludwig Schnizlein153 und Friedrich Heiler154 als Landschaftsanwälte in Österreich (damals Ostmark).
In Wien avancierte 1941, nach der Zwangspensionierung von Fritz Kratochwjle, der deutsche Gartentechniker Rudolf Stier zum Wiener Gartenamtsleiter. Er hatte diese Position bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs inne.155
Rudolf Stier war allerdings nicht der erste deutsche Leiter des Wiener Stadtgartenamtes. Bereits 1861 wurde der gebürtige Leipziger Rudolph Siebeck zum ersten Wiener Stadtgärtner und 1871 zum ersten städtischen Gartendirektor bestellt. Zu seinen bedeutendsten Arbeiten zählt die – gemeinsam mit dem Landschaftsmaler Josef Selleny geplante – Anlage des Wiener Stadtparks. Siebeck hatte die Leitung der Stadtgartendirektion bis 1878 inne.156
Nur wenige Jahre später, 1884, wurde der in Frankfurt am Main geborene Gustav Sennholz zum Leiter des Stadtgartenamtes bestellt. Er hatte zuvor eine Ausbildung an der Gärtnerlehranstalt Wildpark-Potsdam absolviert und danach bei den Gebrüdern Siesmayer gearbeitet.157 Sein Name ist in Wien fest mit der Anlage des Türkenschanzparks verbunden. Während seiner Amtszeit – sie dauerte bis 1895, verbesserte er die Standortbedingungen der Ringstraßenbäume, wandelte den alten Hernalser Friedhof in einen Park um und gestaltete die Grünflächen bei der Karlskirche.158
Auch abseits der städtischen Gärten zog es Baumschulisten und Gartenarchitekten nach Wien. So etwa Gustav Frahm159, er stammte aus Holstein und gründete 1898 in Tullnerbach-Preßbaum die Baumschule Holsatia. Er selbst kehrte 1910 wieder in seine Heimat zurück. Die Baumschule wurde von seinem Schwiegersohn Wilhelm Dressen weitergeführt und 1920 an den jüdischen Unternehmer Siegfried Kann verkauft.160 Im März 1903 übersiedelte der in Münsterberg in Schlesien geborene Viktor Goebel nach Wien.161 Bereits 1905 schien sein Büro im Branchenverzeichnis in der Rubrik „Landschaftsgärtner und Garten-Architekten“ auf.162 Er gründete eine Baumschule samt Staudengärtnerei und war als Planer, etwa für Erzherzog Franz Ferdinand, sehr erfolgreich. Goebel war bis zu seinem Tod 1924 in Wien aktiv.163
Im Jahre 1912 übersiedelte der am 23. September 1888 in Berlin geborene Alfred Kasulke nach Wien um als Geschäftsführer der Firma J.L. van Eynelhoben ein Jahr lang tätig zu sein. Im darauffolgenden Jahr arbeitete er als Gartenarchitekt im „Gartenbauetablissement“ W. Stingl, dorthin sollten noch einige Landsmänner nachfolgen.164
In den 1920er-Jahren zog es viele Deutsche nach Wien. Der Gartenbaubetrieb Hermann Rothe A.G. plante eine Zweigniederlassung in Wien und rekrutierte Gartentechniker.165 Auf diesem Weg kam Wilhelm Hartwich nach Wien, etwas später traf Wilhelm Vietsch ein. Die beiden gründeten die Unternehmung Hartwich und Vietsch.166
Ungefähr zur selben Zeit übersiedelte auch Wilhelm Wolf nach Österreich. Er arbeitete zunächst als Gartentechniker in Wien, heiratete aber 1926 Helene Pollak und führte mit ihr bis 1938 gemeinsam die Gärtnerei „Helenium“. Wolf war auch berufspolitisch sehr aktiv und gründete gemeinsam mit anderen die „Vereinigung der Gartengestalter Österreichs“.167
Um 1923 kam Wilhelm Schmidt nach Wien.168 Er war zunächst bei Wilhelm Debor, später bei der Firma Gebhardt & Füssl beschäftigt und übersiedelte 1929 nach seiner Berufung in das städtische Gartenamt Essen wieder nach Deutschland. Schmidt war maßgeblich an der Gründung der Gruppe Deutsch-Österreich der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst beteiligt und war bis 1929 auch deren Vorstand.169
Ebenfalls Mitte der 1920er-Jahre verschlug es den gebürtigen Rheinländer Otto Gälzer nach Wien. Er arbeitete zunächst bei Wilhelm Debor, später bei Wenzel Stingl und gründete 1930 seinen eigenen Betrieb, der rasch zu einem der größten landschaftsgärtnerischen Betriebe Österreichs wurde. Aufgrund seiner deutschen Herkunft und der Kontakte zur NSDAP bekam er 1939 auch den Auftrag zur Ausführung der landschaftsgärtnerischen Arbeiten der eingangs erwähnten „Krupp-Anlage“ in Berndorf.170
Wie stark die Konkurrenz zwischen den in Wien ansässigen deutschen Gartenarchitekten und den einheimischen Gartenarchitekten war, ist schwer zu sagen. Es gibt viele Hinweise auf eine gute berufliche Zusammenarbeit und freundschaftliche Verbindungen. Die Bruchlinien innerhalb der Berufsgruppe der Gartenarchitekten verliefen eher entlang politischer und weltanschaulicher Grenzen. Mit dem „Anschluss“ 1938 änderte sich dieses Bild jedoch, da nun „Reichsdeutsche“ sowohl bei der Ämtervergabe als auch bei Aufträgen eher bedacht wurden. Dies belegt unter anderem eine Aussage Albert Eschs, der 1946 erklärte, durch Otto Gälzer und Alwin Seifert künstlerisch (gemeint war damit wohl auch ökonomisch) unterdrückt worden zu sein.171
2.3.4.3 Entwicklungen im deutschen Gartenbau ab 1933
Mit der im Jänner 1933 erfolgten Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler begann die Transformation Deutschlands zu einem totalitären Staat. Erklärtes Ziel der Machthaber war die absolute Kontrolle von Bürgern und Organisationen durch die NSDAP und ihre Organe.
Für den deutschen Gartenbau bedeutete dies die Neuordnung der Berufsgruppe172 auf allen Ebenen. Gustav Allinger, ab 1933 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst, begrüßte diese Neuorganisation und kündigte eine radikale Änderung der Verbandsstrukturen an:
„Nachdem die Idee des Nationalsozialismus nach jahrelangem Kampf den Sieg errungen und Adolf Hitler die Reichsgewalt übernommen hatte, sind die politischen und wirtschaftspolitischen Ziele eindeutig festgelegt. Gleichzeitig aber ist von der Führung des Reiches und der Länder und mit maßgebender Unterstützung der dafür eingesetzten parteiamtlichen Stellen der NSDAP. auch die große berufsständische und kulturelle Neuordnung zielbewußt eingeleitet worden. Es ist selbstverständlich, daß im Zuge dieser Neuordnung auch die bisher vorhandenen Berufs- oder Liebhaberverbände des Gartenbaues und der Gartengestaltung von der Bewegung erfaßt werden müssen, daß ihre Arbeit auf eine neue Grundlage gestellt wird und daß sie gleichzeitig auf Grund der neuen Eingliederung auch neue Aufgaben zugewiesen erhalten. Ebenso selbstverständlich aber ist, daß diejenigen Verbände oder Vereinigungen, die in den letzten Jahren schon nicht recht lebensfähig waren, oder die sonst wie als entbehrlich und überflüssig, vielleicht sogar als für die Berufseinheit schädlich bezeichnet werden müssen, restlos zu verschwinden haben.“173
Es sollte die „Einheitsfront des Gartenbaues“ geschaffen werden die sich aus dem „berufsständischen Aufbau“, dem „kulturellen Aufbau“ und dem „Aufbau der Arbeitsfront“ zusammensetzte.174 Die Umsetzung der Neuorganisation des berufsständischen Aufbaues wurde im Auftrag des Reichsbauernführer Darré vom „Reichsverband des Deutschen Gartenbaues“ übernommen. Dieser Verband wurde bereits im April 1933 mit der „Zusammenfassung und Gleichschaltung aller Vereine und Verbände des Erwerbsgartenbaues einschließlich der Landschaftsgärtner […] durch das Amt für Agrarpolitik der NSDAP. beauftragt“,175 im Herbst 1933 war dieser Auftrag beinahe vollständig ausgeführt.
Der „Reichsverband des Deutschen Gartenbaues“ übernahm zusehends die Funktion der Interessenvertretung des gesamten Gartenbaues und untergliederte sich in folgende Fachgruppen: Obstbau, Gemüsebau, Samenbau, Blumen- und Pflanzenbau, Baumschulen, Garten-, Park- und Friedhofsgestaltung und Behördengartenbau. Jede dieser Gruppen hatte einen ehrenamtlichen „Führer“ und konnte nach Bedarf in Sondergruppen aufgeteilt werden. So differenzierte sich beispielsweise die Gruppe Garten-, Park und Friedhofsgestaltung, deren „Führer“ Gustav Allinger war, in die Sondergruppen Deutsche Gartenarchitekten, Gartenausführende und Friedhofsgärtner.176
Der Reichsverband wurde unter der Leitung von Johann Boettner später zur Gänze in den Reichsnährstand eingegliedert und Boettner zum ehrenamtlichen Leiter des Erwerbsgartenbaues ernannt.177 Wilhelm Ebert wurde Leiter der Unterabteilung Gartenbau im Reichsnährstand.178
Um auch den kulturellen Aufbau voranzutreiben, wurde „im Einvernehmen mit dem Kampfbund für deutsche Kultur“ und im Auftrag von dessen Reichsorganisationsleiter Hans Hinkel die „Deutsche Gesellschaft für Gartenkultur“ gegründet und alle Gartenbauvereine – seien es gartenkünstlerische, wissenschaftliche oder Laienvereine – wurden ihr eingegliedert, jüdische Mitglieder waren selbstverständlich bereits vorher ausgeschlossen worden.179 Die Gesellschaft für Gartenkultur war ebenfalls untergliedert und zwar thematisch in einen Bereich für gartenkünstlerische Vereine (hier sollte die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst die Führungsrolle übernehmen), einen Bereich für botanische Vereine (Deutsche Dahliengesellschaft, Kakteenfreunde, Rosenfreunde etc.) und einen Bereich für allgemeine Gartenkultur (Deutsche Gartenbau-Gesellschaft). Präsident der Gesellschaft für Gartenkultur war Johann Boettner.180 Die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst (DGfG) wurde im Zuge dieser Zusammenlegungen deutlich in ihrer pluralistischen Ausrichtung beschnitten.
„Die DGfG. wird sich künftig auf ihre kulturellen Aufgaben beschränken und kein Tummelplatz mehr sein zur Austragung von Sonderinteressen beamteter oder freischaffender Berufsgenossen. […] Die Geschäftsstelle der DGfG. wird nach Berlin verlegt, so daß die Erledigung der Arbeiten von zentraler Stelle rasch und reibungslos möglich sein wird. Es wird ferner sorgfältig überprüft werden, ob die Gestaltung, Erscheinungsweise und die Schriftleitung der Zeitschrift ‚Gartenkunst‘ im Zusammenhang mit den Maßnahmen der ‚Deutschen Gesellschaft für Gartenkultur‘ Änderungen erfahren soll und kann, mit dem Ziel, die Zeitschrift und die von ihr erörterten Ideen einem weit größeren Kreis von Personen, vor allen Dingen aber der Jugend, zugänglich zu machen.“181
Die Zeitschrift „Gartenkunst“ diente ab diesem Zeitpunkt der Verbreitung der NSIdeologie im Gartenbau – sie war zu einem Propagandainstrument geworden. Auf diese Weise kamen auch die Mitglieder der Sektion Österreich der DGfG in direkten Kontakt mit den Anschauungen des NS-Regimes.
2.4 Drittes Reich 1938–1945
Bereits mit dem „Juliabkommen“ von 1936 begann, wie der Historiker Hanns Haas es ausdrückt, der „kalte Anschluss“. Der Begriff „Anschluss“ im engeren Sinne bezeichnet den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12. März 1938.182
Die Eingliederung Österreichs ging zügig voran. Am Tag nach dem Einmarsch in Österreich bekam der kommissarische Leiter Josef Bürckel von Adolf Hitler den Auftrag, die österreichische NSDAP zu reorganisieren und die Volksabstimmung im April vorzubereiten, die bekanntlich mit 99,6 % Ja-Stimmen für den „Anschluss“ endete.183 Bereits am 15. März wurde in Wien vom Chef der Sicherheitspolizei Reinhard Heydrich eine Gestapoleitstelle errichtet und in den folgenden Wochen und Monaten wurde die österreichische Wirtschaft in die deutsche eingegliedert, die Landeshoheit der Bundesländer aufgelöst und der ehemalige Bundesstaat der Reichsregierung in Berlin unterstellt.184
Zeitgleich erfolgte die Gleichschaltung der Presse, indem das „Presseamt“ Josef Bürckels in den meisten Zeitungen „kommissarische Hauptschriftleiter“ und „kommissarische Verlagsleiter“ einsetzte, mit 15. März 1938 bereits die erste Wiener Ausgabe des „Völkischen Beobachters“ herausbrachte und im Laufe des Jahres rund die Hälfte der österreichischen Zeitungen einstellte.185 Damit einher ging die Entlassung und Inhaftierung vieler Journalisten und die Ausgrenzung jüdischer Journalisten.186
Unmittelbare Auswirkungen auf die „arische“ Bevölkerung hatte der rasche Abbau der Arbeitslosigkeit. Betrug die Arbeitslosenrate 1937 noch 22 Prozent, so sank sie bis 1938 auf 12,7 % und betrug 1939 nur noch 3,7 %. Dieses „Beschäftigungswunder“ wurde durch die Abwanderung vieler Facharbeit ins „Altreich“, die Ausweitung der Bürokratie, die Vertreibung von politisch und rassisch Verfolgten aus dem Arbeitsprozeß und durch Rekrutierungsmaßnahmen für Armee und Arbeitsdienst erreicht.187
Ein übergeordnetes Ziel des Hitler-Regimes war die Angleichung der österreichischen Wirtschaft an die Verhältnisse im „Altreich“. 1941 mussten jedoch führende Parteifunktionäre eingestehen, dass diese Angleichung trotz aller Bemühungen nicht gelungen war.188
2.4.1 Nationalsozialismus in Wien
Das Verhältnis der neuen Machthaber zu Wien war ambivalent. So verkündete zunächst Bürgermeister Hermann Neubacher:
„Wir werden diese deutsche Stadt Wien nationalsozialistisch verwalten und wir werden diese deutsche Stadt Wien einem ungeahnten Aufbau zuführen, einem Aufbau, der der Kritik der Welt standhalten wird, und einer Ausgestaltung, über die als oberster, unvergleichlicher Bauführer unser Führer des deutschen Volkes und des Großdeutschen Reiches Adolf Hitler mit seiner ganzen wahrhaft königlichen Baugesinnung stehen wird.“189
Hitler meinte jedoch im Rahmen vertraulicher Tischgespräche, dass er zwar Wien bewundere, aber vorhatte, „Wiens Vormachtsstellung auf kulturellem Gebiet in den Alpen- und Donaugauen zu brechen und ihm einmal in Linz eine Konkurrenz erstehen zu lassen und zum anderen Graz so auszubauen, daß seiner von jeher nicht so sehr für Wien begeisterten Bevölkerung in kultureller Hinsicht der Rücken gestärkt werde“.190
Bereits im Herbst 1938 kam es zur flächenmäßigen Ausweitung Wiens, es wurden zahlreiche Umlandgemeinden, wie z. B. Hadersdorf-Weidlingau, Liesing, Purkersorf, Rodaun, Mödling, Münchendorf und Schwechat eingemeindet. Insgesamt wurden 97 Gemeinden angegliedert, die Fläche der Stadt wuchs von 27.800 ha auf 121.800 ha und die Einwohnerzahl erhöhte sich um rund 213.000 auf 2.087.000 Personen.191 Die neu geschaffenen Bezirke trugen die Nummern 22 bis 26.192
Die vor dem „Anschluss“ existierenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Stadt, hauptsächlich die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot mit den daraus resultierenden Schwierigkeiten, sollten durch ein eigenes Wirtschaftsprogramm gelöst werden.193 Dabei hatte der „Anschluss“ zu einer Erhöhung der Arbeitslosenzahl beigetragen: So war im April 1938 die Zahl der Stellensuchenden in Wien von 204.000 auf 235.000 gestiegen. Aufgrund der Vertreibungen, der anlaufenden Rüstungsindustrie und schließlich durch den Kriegsausbruch konnte die Arbeitslosigkeit bis Ende September 1941 in Groß-Wien auf 871 registrierte Arbeitslose gesenkt werden.194
Das Wohnungsproblem konnte, trotz anders lautender Ankündigungen, nicht durch Neubauten gelöst werden, sondern es wurde durch die Deportation und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung gemildert.195
1939 avancierte Bürckel zum Gauleiter Wiens. Ihm waren auf politischer Ebene bis 1940 zwei große „Erfolge“ beschieden: „die völlige Zerschlagung Österreichs und der Aufbau der Reichsgauverwaltung sowie die Übernahme der Führung auch in der Wiener Gemeindeverwaltung“.196
2.4.2 Parteimitgliedschaft in der NSDAP
Da es unter den österreichischen Gartenarchitekten einige NSDAP-Mitglieder gab, ist es erforderlich, die Bedeutung der Mitgliedschaft und die Möglichkeiten der Erlangung einer Mitgliedschaft darzustellen.
In die NSDAP sollten, gemäß einem Ausspruch Hitlers, nur die besten Nationalsozialisten aufgenommen werden.197
Nach der Machtübernahme in Deutschland stieg die Mitgliederzahl rasant von 850.000 im Jänner 1933 auf 2,5 Millionen im Frühjahr 1933 an.198 Diese Flut von Neumitgliedern veranlasste die NSDAP-Führung im April 1933 eine Aufnahmesperre zu erlassen, die allerdings nicht für die Angehörigen der NSDAP-Jugendverbände galt.199
Mit der von Reichsschatzminister Franz Xaver Schwarz erlassenen Anordnung 18/37 vom 20. April 1937 wurde eine Lockerung der Mitgliedersperre verfügt und gleichzeitig der Status des „Parteianwärters“ geschaffen: Er hatte alle Pflichten, insbesondere Melde- und Beitragspflicht, allerdings konnte er nicht alle Rechte eines ordentlichen NSDAP-Mitgliedes beanspruchen. Die „Parteianwärterschaft“ gab es nur im Zeitraum vom 1. Mai 1937 bis 1. Mai 1939.200
Trotz der nach wie vor bestehenden Reglementierungen erlebte die NSDAP nach der Lockerung der Mitgliedersperre 1937 und der Einführung der „Parteianwärterschaft“ die größte Eintrittswelle ihrer Geschichte. Von Juni bis Dezember 1937 traten 783.466 Personen der NSDAP bei, von Dezember 1937 bis Juni 1938 stieg die Zahl der Aufnahmen mit 1.336.702 Neumitgliedern noch einmal erheblich an. Im Jahr 1939 wurden allein 171.484 Parteimitglieder aus der „Ostmark“ neu erfasst.201
Die Freiwilligkeit des Beitritts zur Partei war oberstes Gebot, obwohl sich die örtlichen Stellen ab 1939 zunehmend unter Druck gesetzt fühlten, die Vorgaben Hitlers zu erfüllen, nach denen 10 % der Bevölkerung Mitglieder der NSDAP sein sollten.202 Alle „Volksgenossen“, die deutsche Staatsbürger waren, einen guten Leumund und das 21. Lebensjahr vollendet hatten, konnten der Partei uneingeschränkt nur vom 1. Mai 1939 bis 2. Februar 1942 beitreten, da mit 2. Februar 1942 für die Dauer des Krieges eine totale Mitgliedersperre verhängt wurde. Ausgenommen davon waren nur Überweisungen aus den Reihen der Hitlerjugend.203 Mit der Verordnung 24/44 verfügte Reichsschatzminister Schwarz, dass ab dem 31. Oktober 1944 keine Aufnahmeanträge, mit Ausnahme von Kriegsversehrten, mehr vorgelegt werden durften.204
In Österreich wurde durch eine Verordnung der Bundesregierung vom 19. Juni 1933 jegliche Betätigung für die NSDAP verboten, was einem Verbot der Partei gleichkam.205 Das Betätigungsverbot blieb formal bis zum Anschluss an das Deutsche Reich, genauer gesagt bis zur Bildung der nationalsozialistischen Bundesregierung am 11. März 1938, in Kraft, obwohl bereits vorher Vertrauensleute der illegalen NSDAP in führende Positionen des austrofaschistischen Ständestaates berufen worden waren.206 Diese Periode wird in der NS-Terminologie auch als „Verbotszeit“ bezeichnet.207
Im Dezember 1939, nach der Aufhebung der im März 1938 für den Gau Wien eingeführten totalen Mitgliedersperre, wurden die Wiener „Parteianwärter“ schrittweise, je nach Verdiensten und Wichtigkeit für die Partei, bis 1942 als Parteimitglieder aufgenommen. Zu einer früher angekündigten „allgemeinen Aufnahmeaktion“ kam es nicht, es wurden nur die bereits gestellten Ansuchen abgearbeitet. Danach galt auch hier die im Februar 1942 verhängte totale Mitgliedersperre.208
1942 gab es auf dem Reichsgebiet des ehemaligen Österreich 688.478 NSDAPMitglieder, bei der Registrierung von NSDAP-Mitgliedern im Jahr 1946 ergab sich ein Mitgliederstand von 536.662.209
In Wien gab es Ende 1938 rund 100.000 Parteimitglieder, von denen rund 23.000 „Alte Kämpfer“ und weitere 42.000 „Illegale“ waren. Bis 1942 stieg die Zahl der NSDAP-Mitglieder im nunmehrigen Groß-Wien auf rund 160.000 an und nach 1945 gab es laut Registrierung nur noch 115.000 Wiener Nationalsozialisten. Der Historiker Gerhard Botz führt diesen Mitgliederschwund auf Kriegs- und Wanderungsverluste zurück.210
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Definition der Begriffe „Alte Kämpfer“ und „Illegale“, die häufig verwendet werden und sich in Akten finden.
„Alte Kämpfer“, also Mitglieder der ersten Stunde, waren Personen, die bis zum Jahr 1928 der NSDAP beitraten und eine Mitgliedsnummer unter 100.000 hatten. Sie genossen Privilegien bei parteiinternen Sozialleistungen und durften das Goldene Parteiabzeichen tragen.211
Unter den „Illegalen“ verstand man jene Personengruppe „die erst nach dem Parteiverbot in Österreich zum Nationalsozialismus gestoßen waren“. Sie erhielten aufgrund der fehlenden bürokratischen Strukturen in diesem Zeitraum das einheitliche Aufnahmedatum 1. Mai 1938 zugeteilt und Mitgliedsnummern zwischen 6.100.000 und 6.600.000 sofern sie nachweisen konnten, dass sie in der Verbotszeit beigetreten oder „sich aktiv im nationalsozialistischen Sinne betätigt hatten“.212
Tabelle 4: NSDAP-Mitglieder unter den in Kapitel 7 beschriebenen Personen.213
Mitglieder Eintrittsdatum Mitgliedsnummer Gälzer, Otto214 1. Mai 19381 6.123.924 Hartwich, Wilhelm 1. August 19352 3.672.583 Ihm, Eduard 1. Jänner 19411, 2 9.235.288 Mödlhammer, Viktor 1. Mai 19332 1.622.725 Stowasser, Josef Juli 19363 6.197.783 Trenkler, Otto215 1. Mai 19381 6.121.102 Wladar, Josef Oskar 1. März 19321 896.205Die Frage, wie viele Gärtner tatsächlich NSDAP-Mitglieder waren, kann hier nicht beantwortet werden, da nicht alle bekannten Gärtner systematisch kontrolliert wurden. Von den rund 100 überprüften Personen konnte bei 24 eine NSDAP-Mitgliedschaft nachgewiesen werden.
2.4.3 Widerstand, Vertreibung, Ermordung
Auch unter Widerstandskämpfern, Vertriebenen und in Konzentrationslagern Internierten und Ermordeten finden sich auch einige Personen mit gärtnerischen Wurzeln – hier einige Beispiele: