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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar
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Umschlaggestaltung und Satz : Rhombos-Verlag, Bernhard Reiser, Berlin
Verlag:
RHOMBOS-VERLAG
Kurfürstenstr. 17
D-10785 Berlin
www.rhombos.de
verlag@rhombos.de
Verkehrsnummer: 13597
Autor:
Dr. jur. Dietmar Kettler
Knooper Weg 10, D-24103 Kiel
Internet: http://www.recht-für-radfahrer.de/
eMail: email@Dietmar-Kettler.de
© 2013 RHOMBOS-VERLAG, Berlin, ISBN 978-3-944101-31-6 (E-Book-Version)
© 2013 RHOMBOS-VERLAG, Berlin, ISBN 978-3-944101-07-1 (3., überarbeitete, erweiterte u. aktualisierte Auflage)
© 2007 RHOMBOS-VERLAG, Berlin, ISBN 978-3-938807-99-6 (2., überarbeitete u. aktualisierte Auflage)
© 1998 BLV Verlagsgesellschaft mbH, München, ISBN 3-405-15174-0 (1. Auflage)
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Druck: PRINT GROUP Sp. z o.o.
Printed in Poland
E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
ISBN 978-3-944101-31-6 (E-Book-Version)
Dietmar Kettler
RECHT FÜR RADFAHRER
– EIN RECHTSBERATER –
3., überarbeitete, erweiterte u. aktualisierte Auflage, 2013
E-Book-Ausgabe

Der Verfasser
Dr. Dietmar Kettler ist Rechtsanwalt in Kiel und seit Jahren als Kenner der Materie ausgewiesen. Er versteht es, die praktisch wichtigen Rechtsfragen lebendig zu erörtern und abgewogen zu beantworten.
Radfahren wird immer populärer – im alltäglichen Berufsverkehr und auch in der Freizeit. Radfahren ist auch vernünftig: einfach, bequem, schnell, obendrein preiswert und gesund. Radfahren ist alltäglich und ungefährlich.
Radfahrerinnen und Radfahrer unterliegen Regeln ─ insbesondere Verkehrsregeln ─, weil sie allesamt keine Robinsons auf der Insel sind. Solche Regeln sind im zwischenmenschlichen Miteinander und insbesondere in dichtem Verkehr unumgänglich. Zum allergrößten Teil sind sie rechtlicher Natur. Sie sollen das Miteinander erleichtern und vor Verkehrsunfällen schützen.
Einige Rechtsregeln sind antiquiert und wirken sich als Schikane für Radfahrer aus. Aber weder die Rechtsregeln selber noch die ergangene Rechtsprechung und die juristische Literatur sind durchweg fahrradfahrerfeindlich. Helldrivern auf Stahlrössern werden jedoch Schranken gesetzt. Schikaniert wird der rechtstreue Radfahrer mehr von den realen Verhältnissen auf der Straße als von der Rechtsordnung.
So sind es etwa Tiefbauämter und Ordnungsämter, die den Radverkehr auf Pseudo-Radwege verlagern, die man zu Lasten der früheren Gehwege angelegt hat. Tiefbauämter muten Radfahrern halsbrecherische Slalomfahrten um Poller, Bushaltestellen und reichlich verteiltes „Straßenmobiliar“ und krass untermaßige Radwege zu und erzwingen mit skurrilen Radwegeführungen Umwege. Das Tiefbauamt ist es, das bei neu gebauten Radwegen oft erst gar keine Bauabnahme durchführt, sodass Radfahrer schon am Tage der Eröffnung baufällige Buckelpisten hinnehmen müssen. Die Straßenverkehrsbehörden unterlassen jahrzehntelang die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen der Radwege mit der ausdrücklichen Begründung, dergleichen könne man nicht leisten. Tiefbauämter und Ordnungsämter machen auch übelste Radwege entgegen dem geltenden Recht benutzungspflichtig, weil dem Sachbearbeiter der zuständigen Behörde das aus einem Bauchgefühl heraus entgegen jahrzehntelanger Unfallforschung sicherer erscheint als die Einhaltung des geltenden Rechts oder weil irgendwelche angeblichen Sachzwänge gegen die Einhaltung des Rechts sprächen. Tiefbauämter und Ordnungsämter schalten absichtlich Rote Wellen für Radfahrer und installieren zu ihren Lasten Bettelampeln. Sie sind es, die Induktionsschleifen verlegen, die auf Radfahrer schlechterdings nicht ansprechen. Tiefbauämter und Ordnungsämter richten ausgeklügelte, aber rechtswidrige Einbahnstraßensysteme ein, nur um Kraftfahrern mehr (kostenlosen) Parkraum zur Verfügung zu stellen. Bau- und Ordnungsämter betrachten Radverkehrsanlagen bei der Baustellenplanung allzu oft als Verfügungsmasse, die selbstverständlich in Anspruch genommen wird und missachten dann auch noch die Regeln der Baustellenabsicherung. Tiefbauämter und Ordnungsämter dulden es, dass temporäre oder gar dauerhafte Verkehrszeichen auf Radwegen aufgestellt werden oder veranlassen das. Der Bauhof ist es, der erst gar keinen Winterdienst auf Radwegen einrichtet und die Polizei lässt auch noch zu, dass Schneeberge entgegen dem geltendem Recht von der allgemeinen Fahrbahn und den Gehwegen auf die Radwege geschaufelt werden. Grünflächenämter lassen Radwege von Büschen, Bäumen, Brombeersträuchern und Rosen zuwuchern. Polizei und Politessen vernachlässigen den Schutz der Radfahrer, wenn sie gegen Raser, Drängler, Oberlehrer und Falschparker unter den Kraftfahrern kaum etwas unternehmen und Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu Lasten von Radfahrern kaum verfolgen.
Bei Regelverletzungen bedauern sich Radfahrer häufig genug als die neben Fußgängern schwächste Gruppe der Verkehrsteilnehmer. Es dürfte jedoch in jeder Gruppe Rücksichtsvolle und Rücksichtslose geben – zumal sich viele Bürger mal so und mal anders fortbewegen. Natürlich ist der Radfahrer im Falle eines Unfalles schwächer als der durch ein bis zwei Tonnen Stahl geschützte Autofahrer. Doch der parkt ungerührt auf Radwegen, weil er Radfahrer gesehen hat, die sich ja auch durch Rotlichtverstöße oder auf dem Gehweg „ihr Recht nehmen“.
Aber auch ganz andere Bereiche des Rechts interessieren den Radfahrer: Im Falle eines Unfalles interessiert die Haftungsfolge des eigenen Tuns, der engagierte Radfahrer fragt nach Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Stadtplanung, und wenn man dann das Rad noch steuerlich absetzen kann, ist das Rad eine „runde Sache“.
Die Vielfalt der behandelten Themen spiegelt das Bild der Radfahrerinnen und Radfahrer wider. Sie sind eine wenig homogene Gruppe: Anfänger, Kinder, Ältere, Durchschnittsfahrer, Gruppen, aber auch schnelle Alltagsradfahrer, Kuriere, Sportler. Der Bürger, der sein Hollandrad an fünf Sonntagen des Jahres aus dem Keller holt und gemütlich durch die Lande radelt, hat wenig gemein mit der Bikerin, die ihr 2.500-Euro-Rad täglich durch den Großstadtdschungel lenkt. Der körperlich vielleicht unsicher gewordene Radfahrer höheren Alters, der in der Kleinstadt zum Einkaufen fährt und bei jeder Annäherung eines Kfz bremst oder gar absteigt, hat andere Interessen als die verkehrsgewandte Radfahrerin, die ein schnelles Fortkommen sucht. Aber allen kann ihr Rad gestohlen werden, und alle haben eventuell schon einmal beim Rad- oder Teilekauf „fabrikneuen Schrott“ gekauft und es erst nachher gemerkt.
Durch das vorliegende Buch möchte ich beim juristischen Laien die Kenntnis über die Rechtsregeln mehren und um Verständnis dafür werben. Es ist für ihn verständlich geschrieben. Manchem Leser, der mit wissenschaftlicher Literatur gar nicht vertraut ist, werden vielleicht die Urteils- und Literaturzitate lästig sein. Sie sollen dem Interessierten eine Vertiefung ermöglichen. Dadurch dient das Buch auch dem mit der Materie befassten Juristen als zuverlässiger Leitfaden durch die verschiedenen betroffenen Gesetze. Es enthält vor Gericht verwertbare Auslegungshilfen, Argumente und weiterführende Hinweise.
Der gezielte Zugang auf bestimmte Information findet sich über das Inhaltsverzeichnis und über das detaillierte Sachverzeichnis. Der überdurchschnittlich interessierte Laie sei darauf hingewiesen, dass die einschlägige juristische Literatur in manchen größeren öffentlichen Bibliotheken (und in Universitätsbibliotheken) zur Einsichtnahme vorhanden ist. Gesetzestexte können in Buchhandlungen gekauft werden.
Das Buch soll praxisnah sein. Für Anregungen und Kritik bin ich daher dankbar. Das Buch erscheint nun in dritter Auflage. Das gibt mir Gelegenheit, mich an dieser Stelle zu bedanken für die Rückmeldungen zur vorangegangenen Auflage.
Seit der Vorauflage gab es zahlreiche Gesetzesänderungen. Verkehrsrecht und Steuerrecht sind weiterhin eine Spielwiese der Gesetzgeber. Im Zivilrecht und Strafrecht hat es hingegen nur wenige Änderungen gegeben. Die StVO ist seit der zweiten Auflage von „Recht für Radfahrer“ mehrere mal geändert worden, die Änderungen betrafen größtenteils jedoch nur den Autoverkehr und die Befugnisse der Behörden. Größere Änderungen in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Radfahrer hat es nicht gegeben. Wie wichtig dem Bundesverkehrsministerium der Radverkehr ist, zeigt eine Posse aus der Welt der Ministerien: Die vom Bundesverkehrsministerium seit 2002 immer wieder angekündigte radverkehrsrelevante StVO-Novelle wurde 2009 verkündet und war seit dem 1. September 2009 in Kraft. Seit dem 13. April 2010 meinte der Bundesverkehrsminister aber, diese Novelle sei wegen eines Formfehlers nichtig. Das Verkehrsministerium stellte seither wieder die alte Fassung der StVO auf seiner Webseite als die gültige dar, während das Justizministerium weiterhin davon ausging, dass die neue Fassung galt und diese als die gültige präsentierte. Welche Fassung galt, mussten sich die Verkehrsteilnehmer selbst aussuchen. Viele Verkehrsbehörden ließen sich durch die Unsicherheit bremsen: Insbesondere bei der Anordnung von Schutzstreifen für Radfahrer herrschte große Unsicherheit, was nun galt, die Anordnung unterblieb dann gleich ganz. Auch, ob und wie man freiwilligen Radverkehr auf links gelegenen Radwegen erlauben kann, war manchen Behörden wegen der ministerialen Ansage unklar; die Aufhebung illegaler linker Radwegebenutzungspflichten unterblieb, unnötige wurden neu angeordnet. Und manche Verkehrsbehörde hoffte gar darauf, dass mit der Bereinigung des Formfehlers auch gleich die Anordnung von Radwegebenutzungspflichten erleichtert werde. Sie verweigerten unter Hinweis auf die seit April 2010 herrschende Rechtsunsicherheit die Aufhebung von (schon 1997/98 mit der damaligen StVO-Novelle) rechtswidrig gewordenen Benutzungspflichten. Bestrebungen des Verkehrsministeriums, den Formfehler zeitnah zu beheben, waren über lange Zeit für die Normadressaten nicht erkennbar; statt dessen gab der Verkehrsminister inhaltliche Änderungsentwürfe in eine Verbändeanhörung. Erst zum 1. April 2013 hat das Bundesverkehrsministerium die von ihm verursachte totale Rechtsunsicherheit durch eine neue Novelle beseitigt. Auf diesem Stand ist daher auch die 3. Auflage von „Recht für Radfahrer“.
Mit der Novelle zum 1. April 2013 wollte der Verkehrsminister Verkehrszeichen in der bis zum 30. Juni 1992 geltenden Fassung wiederbeleben, die allenfalls von sehr gut sortierten Verkehrsrechtsanwälten und einigen wenigen Antiquariaten recherchiert werden können. Das Vorhaben ist jedoch misslungen; die in ihrer Gültigkeit abgelaufenen Schilder bleiben daher ungültig. Das betrifft auch zahlreiche Radwegbeschilderungen.
Im Juli 2013 gab es dann nach jahrelanger Diskussion um die Dynamopflicht noch plötzlichen Tätigkeitsdrang bei Bundesrat und Bundesverkehrsministerium, die längst veraltete Pflicht wurde abgeschafft. Aber es wurde eine Regelung verabschiedet, die weder die bisher üblichen Batterie- und Akku-Lichter legalisiert noch technisch sauber definiert, was künftig erlaubt sein soll. Die Neuregelung gilt seit dem 1. August 2013.
Vor allem gab es in großem Umfang neue Rechtsprechung einzuarbeiten. Die Gerichte arbeiten unablässig an einer Art Strickliesel und produzieren und veröffentlichen Urteile zu (fast) allen Themen rund um das Rad. Seit der Vorauflage konnten so auch einige Grundsatzfragen zum Radverkehr gerichtlich geklärt werden. ♦
Wie funktioniert Recht?
Juristische Laien meinen oft, wenn sie eine Gerichtsentscheidung in einer Tageszeitung, einer Zeitschrift oder einem Buch gefunden haben, die dort wiedergegebene Aussage sei „Recht“, „ihr Fall“ müsse genauso entschieden werden. Vor dieser Annahme kann ich nur warnen. Es sei hier deutlich gesagt: Dass eine Frage irgendwann irgendwo mal in einer bestimmten Weise entschieden worden ist, bedeutet nicht, dass der eigene ─ ähnliche ─ Fall genauso entschieden werden muss. Erstens ist das Leben viel zu vielgestaltig, als dass der eigene Fall einem anderen, schon entschiedenen, gleichen könnte. Zweitens sind sich Gerichte durchaus uneinig in der Auslegung von Gesetzen – was sich auch bei guten Gesetzen nicht vermeiden lässt. Wie weit rechts man fahren muss, um dem Rechtsfahrgebot zu genügen: Darauf gibt es keine allgemein gültige und immer richtige Antwort. Urteile ─ auch von Obergerichten ─ bieten also für spätere Fälle nur Argumente, kein bindendes Präjudiz (zu deutsch: Vorentscheidung). Und letztlich erfolgt die Wiedergabe eines Urteils in den nichtjuristischen Medien sehr oft missverständlich oder gar falsch.
Das führt zu der Frage: Wie funktioniert Recht?
Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen Normen einerseits und Sachverhalten andererseits.
Normen (Regeln, Vorschriften) sind allgemein gehalten und enthalten u.a. Gebote und Verbote. Sie sind von einem Normgeber im vorhinein für die Zukunft und für eine unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten gesetzt (daher auch: „Gesetz“).
Sachverhalte sind hingegen ganz konkret: Das Geschehen, das sich zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort zugetragen hat, bildet einen Sachverhalt.
Normen haben einen Geltungsanspruch; sie sollen auf möglichst jeden Sachverhalt der darin benannten Art angewendet werden. (Rechts-) Normen beinhalten zwar Recht, ohne Rechtsanwendung stehen sie aber „bloß auf dem Papier“. Das bringt Schwierigkeiten mit sich: Hat niemand den Sachverhalt bemerkt, bleibt jede Rechtsanwendung aus. Beispiel: Hat niemand den Rotlichtverstoß nachts um drei Uhr gesehen, wird er nicht geahndet. Hat aber jemand den Sachverhalt bemerkt, muss für diesen konkreten Sachverhalt das Recht noch gefunden werden; hier fängt die eigentliche Rechtsanwendung an. Der Polizist, der Unfallgegner, man selbst und später das Gericht prüfen: Passt die Norm auf den Sachverhalt? Oder umgekehrt: Ist dieser Sachverhalt in der Norm benannt? Bei dieser Prüfung gibt es wiederum zwei Arten von Schwierigkeiten: Erstens die des Beweises; vor Gericht wird sehr oft darum gestritten, ob sich der Sachverhalt wirklich so zugetragen hat, wie die eine Seite behauptet. Ist aber der Sachverhalt unstreitig oder steht er durch gerichtliche Entscheidung fest, gehen die Schwierigkeiten weiter: Gerade weil die Norm sehr allgemein formuliert ist, sind sich z.B. Polizist und Verkehrsteilnehmer uneinig darüber, ob sie auf den Sachverhalt anwendbar ist. Beide Seiten legen die Norm verschieden aus. Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen: Eine rote Ampel bedeutet nach § 37 StVO „Halt vor der Kreuzung“. Da Radfahrerampeln zumeist keine Gelbphase haben und nur Rot oder Grün zeigen, kommt es notwendigerweise immer wieder vor, dass Radfahrer bei Rot noch über die Kreuzung fahren. Rot kann sinnvoll also nur bedeuten: „Halt vor der Kreuzung, wenn das noch möglich ist“. Je nach Geschwindigkeit kann bzgl. der ersten Sekunden der Rotphase Streit darüber entstehen, ob ein Halt noch möglich war oder nicht und damit auch, ob das Verhalten als Rotlichtverstoß zu ahnden ist oder nicht. Ein ebenso deutliches Beispiel ist die Radwegebenutzungspflicht. Die Radfahrer müssen Radwege benutzen, wenn dies für die jeweilige Fahrtrichtung „durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist“, heißt es u.a. in § 2 StVO. Vom konkreten Zustand des Radweges steht nichts in der StVO. So gibt es immer wieder Polizisten, die im Winter Radfahrer unter Verweis auf diese Norm verwarnen, weil diese den schnee- oder eisglatten Radweg für nicht benutzbar halten und auf der Fahrbahn fahren. Tatsächlich ist die Rechtsprechung sich einig, dass sich die Radwegebenutzungspflicht trotz ihrer weiten Formulierung nur auf zumutbare Radwege bezieht. War der Zustand des Radweges noch zumutbar oder nicht, wird sich der Rechtsanwender fragen müssen.
Hier kommt es auf Argumente an. Dem Polizisten und auch später dem Gericht gegenüber kommt in dieser Situation den irgendwo gefundenen Urteilen für die eigene Rechtsfrage nur ein zweitrangiger Wert zu. Gleiches gilt für die vermeintliche Rechtsautorität bekannter Wissenschaftler. Viel wichtiger ist es, überzeugend zu argumentieren, warum das Gesetz so und nicht anders auszulegen ist. Denn es gilt in dieser eigenen Sache nicht das Urteil XYZ, sondern nur das Gesetz. Allerdings sollte es den Rechtsanwender nachdenklich stimmen, dass „alle anderen“ oder auch nur ein Urteil eines Obergerichts eine Frage so und nicht anders gesehen und beantwortet haben. ♦
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