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Dann brüllte ich sie wie eine Tigerin an: „Rue, du bist kein Mensch mehr! Du bist eine Tigerin! Du bist eine Tigerin, Rue!“ Ich nahm ihre schlaffe Hand, scharrte wie mit der Pfote und brüllte: „Das ist keine Hand! Das ist eine Pfote! Du wirst sie jetzt ausstrecken und damit kratzen! Du hast jetzt Krallen! Du bist jetzt eine Tigerin, Rue! Streck sie aus und kratze damit! Strecke deine Krallen aus und kratze!“
Plötzlich bewegte sie die rechte Hand und machte die Bewegung einer Katze nach, die ihre Krallen ausstreckt. Es funktionierte tatsächlich! Sie konnte mich hören! Ich beschloss, an ihrem Bein so weiterzumachen. Wie wild schrie ich sie an, krümmte den Rücken und beugte mich wie eine Tigerin, die sich gleich auf ihre Beute stürzt, über sie.
„Rue, das ist kein Bein! Das ist eine Pfote! Wir werden jetzt auf einen Baum klettern! Beuge die Knie und spring! Kletter auf den Baum, Rue! Los, spring schon! Geh in die Hocke, krümm den Rücken und spring! Stoß dich mit dem Bein ab, Tante Rue!“
Und dann kickte sie mit dem rechten Bein in die Luft! Es war nicht nur eine leichte Bewegung, sondern ein starkes, hohes Kicken! Es war das kräftige, hohe Kicken einer Cancan-Tänzerin, und es war ein Moment des Triumphes, den ich nie vergessen werde. Leider war sie noch bewusstlos, daher würde sie sich nie an diesen Augenblick erinnern können. Aber ich machte so weiter, denn jetzt wusste ich, dass sie mich trotzdem hören konnte!
Ich blieb die nächsten Stunden bei ihr und wiederholte immer wieder sehr bestimmt: „Rue, wenn sie dir den Schlauch aus dem Mund nehmen, wirst du perfekt reden! Du wirst perfekt sprechen! Deine Lippen werden sich perfekt bewegen! Deine rechte Seite wird perfekt funktionieren! Du wirst schreiben und Autogramme verteilen können, und du wirst so reden können, als sei nie was gewesen. Gott wird dich wieder vollkommen gesund machen!“
Ich verbrachte die ganze Nacht damit, ihr zu sagen, was sie erwartete, wenn sie am nächsten Morgen aufwachen würde, auch wenn sie mir kein weiteres Zeichen gab, dass sie mich hören konnte. Um sechs Uhr morgens schleppte ich mich zurück in meine deprimierende Wohnung in New Jersey und ließ mich mit meinem dunkelbraunen Perserkater Doc aufs Bett fallen. Dann brach ich zusammen und heulte in sein weiches Fell.
Als Rue am nächsten Morgen aufwachte, nahmen ihr die Ärzte den Schlauch aus dem Mund, und sie konnte sprechen. Sie hatte keinerlei Erinnerungen daran, dass ich in der Nacht davor in ihrem Zimmer gewesen war, doch sie konnte die rechte Hand und den rechten Fuß schon wieder ein wenig bewegen. Nun begann für uns beide eine unangenehme Zeit, in der sie dreiundachtzig Tage im Krankenhaus verbrachte, und ich bei Regen, Schnee und Graupelschauern zwischen dem eiskalten New Jersey und dem noblen Manhattan hin- und herpendelte, teure Taxifahrten nahm und um ein Licht am Ende des Tunnels betete. Doch sie lebte, und Gott hatte mein Gebet erhört.
Der Höhepunkt des Jahres war bittersüß. Eines Tages kam ich elend und erschöpft in ihrem Krankenzimmer an. Die Frau, die ihr ganzes Leben lang überzeugte Atheistin gewesen war, befahl mir, vor dem Jesusbild, das mittlerweile einen festen Platz in ihrem Zimmer hatte, hinzuknien und zu ihm zu beten. Als sie kurz vor Ostern in ihre wunderschöne Wohnung in Manhattan zurückkehren konnte, schmiss sie eine kleine Party für Freunde und Verwandte. Und obwohl sie noch zu schwach war, um mit mir an diesem Sonntag in die Kirche zu gehen, sprach sie vor dem Osteressen ein Tischgebet.
Ihre Tigerseele und ihr neu gefundener Glaube an Gott hatten ihr das Leben gerettet und ihre Gesundheit wiederhergestellt. Dennoch frage ich mich, ob sie in jener Nacht, in der ich sie im Koma vorgefunden hatte, womöglich gestorben wäre, wenn meine Engel mich nicht an ihr Krankenbett geführt hätten. Ein bisschen Liebe kann wahre Wunder bewirken. Und diese Geschichte eröffnet Ärzten, Krankenschwestern und Familienangehörigen einen ganzen Diskurs über Heilung. Wieder einmal geht es um meine Arbeit mit nonverbaler Kommunikation, wenn auch diesmal mit einem Menschen und nicht mit einem Tier, da ich die Sprache der Patientin sprach. Hätte im Krankenbett mein Vater, der Flugzeuge entwirft, gelegen, dann hätte ich ihm einen Modellflugzeugkasten mitgebracht und ihn gebeten, den Flieger zu basteln. Wäre es meine talentierte Mutter gewesen, die unter anderem Klavierspielerin auf Konzertniveau ist, hätte ich ein Keyboard mitgebracht und sie aufgefordert, das Menuett in G-Dur von Bach zu spielen. Wenn der Mensch, der Ihnen nahesteht, Golfspieler ist, könnten Sie ihn bitten, seinen besten Schlag zu zeigen, oder wenn die Person gerne tanzt, könnten Sie ihre Lieblingsmusik spielen und sie zu einem Walzer auffordern. Einem gelähmten kleinen Jungen, der Basketball spielt, würde ich einen Basketball mitbringen, ihm den Ball zuwerfen und ihn dazu bringen, mir den Ball zurückzuwerfen. Es geht darum, die Leidenschaft des Patienten in die Physiotherapie einzubinden, um einen Wendepunkt im Heilungsprozess zu bewirken. Wenn der Patient tierlieb ist, könnte der Ersatz für sein Haustier das Hineinschlüpfen in das Tier („Shapeshifting“) sein, indem wir uns die Kraft und den Geist des geliebten Tiers in einer Krise „ausleihen“. Wir können Erstaunliches erreichen, wenn wir so tun, als wären wir ein Hund oder ein Frosch, ein Elefant oder ein Tiger.
Natürlich gehöre ich zu den stärksten Befürwortern der von Tieren unterstützten Therapie, und ich weiß aus Erfahrung, dass lebendige Tiere im Krankenhaus Patienten trösten können und manchmal sogar Leben retten. Medizinische Querdenker, wie beispielsweise meine Freunde Dr. Bernie Siegel und Dr. Larry Dossey, haben schon anhand von zahlreichen Studien belegt, dass der Patient weniger Blut verliert, sich schneller wieder erholt und weniger Gefahr läuft, einen Schock zu erleiden, wenn sich ein Tier im Krankenzimmer befindet. Menschen mit Haustieren verbringen weniger Zeit im Krankenhaus, weil sie so schnell wie möglich zurück zu ihren Tieren wollen. Dürften sie ihre Haustiere mit ins Krankenzimmer nehmen, würde sich ihre Genesungszeit mit Sicherheit noch mehr verkürzen. Ihr Herz würde sich öffnen und der Körper würde heilen. Tiere können unseren Blutdruck, Herzschlag und unsere Gehirnwellen regulieren. Die wahren Meister dieser mysteriösen Prozesse sind Katzen. Doch da ich meinen Kater Doc nicht mit auf die Intensivstation bringen durfte, nahm ich stattdessen die Fotos der großen Katzen mit. Die Tiger schenkten Tante Rue noch weitere neun Monate mit mir und anderen geliebten Menschen. Aber die Menschen, die ihr nahestanden, konnten sie nicht retten. Es bedurfte der Tiger, sie zurück ins Leben zu holen.
Rue und ich verlebten einen verzauberten Frühling voller herzlicher Momente und intimer Gespräche. Das Laufen fiel ihr noch schwer, und deshalb setzten wir uns aufs Sofa, sahen uns Dokus des Senders National Geographic über Tiere, Wissenschaft, Natur und Außerirdische an und lachten natürlich auch über viele Comedyserien, bis sie einen zweiten Schlaganfall erlitt. In diesen letzten Monaten ihres Lebens bekam sie Panikanfälle, wenn sie sich hinlegte. Das Einzige, was sie dann zum Lachen brachte, war, wenn ich einen Frosch imitierte. Dafür hockte ich mich vor ihr auf einen Schemel, machte Glubschaugen und blies die Backen auf. Sie meinte: „Mimi, so sieht doch kein Frosch aus!“ Dann gab sie ihre eigene witzige Frosch-Imitation zum Besten, bei der ich mich vor Lachen bog. Ich streckte die Zunge heraus und tat so, als würde ich Fliegen fangen. Woraufhin sie in Gelächter ausbrach. Das ist es, an was ich mich erinnere - an unser schallendes Gelächter, als wir uns wieder einmal aus Spaß in Tiere verwandelten. Die Tiger hatten ihr den rettenden Anker hingeworfen, aber die Frösche brachten sie zum Lachen. Wenn ich meine Frosch-Imitationen ausgeschöpft hatte, tanzte ich ums Sofa herum, auf dem sie den ganzen Tag über saß und sich langweilte, weil sie kaum stehen oder gehen konnte. Dabei tat ich so, als wäre ich ein exotischer Fisch. Ich schlug mit den Flossen, sauste durchs Wasser und klappte den Mund so langsam wie ein Karpfen auf und zu. Ich glaube, der Frosch gefiel ihr besser.
Als sie den zweiten Schlaganfall hatte, war ich noch in Amerika und stand kurz vor meiner jährlichen Europareise. Meine Mutter und Rues beste Freundin Sue Vacarro waren nach New York geflogen. Zum Glück hatte meine Mutter eine Patientenvollmacht, doch dafür musste sie - gemeinsam mit Rues Sohn - entscheiden, wann feststand, dass sich Rue von dem Schlaganfall nie mehr erholen würde. Wir drei Frauen - meine Mutter, Sue und ich - hielten uns an den Händen, die wir über Rues Körper hielten. Wir weinten, beteten und nahmen von ihr Abschied. Ich rief die Erzengel herbei und entließ ihren Geist in das Licht und die Arme ihres Herrn Jesus Christus. Ob er mich wohl gehört hat? Ob sie mich wohl gehört hat? Ich glaube, sie beide haben mich gehört.
Bis zum heutigen Tag - selbst auf meinen jährlichen Afrika-Safaris - begleiten mich Froschwitze, Stofffrösche und sogar lebendige Frösche auf all meinen Wegen. Sie überraschen mich, bringen mich zum Lachen und erinnern mich daran, dass meine Lieblingstante mir von oben aus zusieht und meine Bemühungen, Kinder zu unterrichten und bedrohte Arten zu retten, begleitet. Eines Morgens sprang tatsächlich ein Laubfrosch aus meinem Koffer, als ich mich im Dunkeln vor Tagesanbruch für meine Safari anziehen wollte.
„Rue, bist du das?“, fragte ich in die Dunkelheit. Rue war Tierfreundin, Tierschützerin und ein Riesenfan von witzigen Storys gewesen. Ich spüre, dass sie hinter meiner linken Schulter steht und mich anfeuert, während ich dieses Buch schreibe. Und das frechste Golden Girl, die Tigerin, steht in diesem Moment vielleicht sogar hinter Ihnen, während Sie es lesen.
Rue hat mir bewiesen, dass Tigermedizin wirkt, und es war Tigermedizin, die sie gerettet hat. Doch das ist die wahre Tigermedizin, bei der wir uns mit dem grenzenlosen Geist der Tiere verbinden und uns von ihrer Kraft heilen lassen. Wir müssen sie nicht umbringen und zerlegen, aus ihnen kleine Pillen machen, die wir schlucken können. Und die Vorstellung, dass Leute da draußen Tiger abschlachten und essen, und dass man nichts dagegen tun kann, ist eine Vorstellung, die keiner von uns länger schlucken sollte.
Tiger essen? Genau. Sie werden aufgegessen. In den nächsten zwei bis fünf Jahren werden Tiger aussterben, wenn wir nicht rasch handeln. Und warum? Weil manche Chinesen sie aufessen. In der herkömmlichen chinesischen Medizin gilt „Tigermedizin“ als das wirksamste Heilmittel für alle möglichen Krankheiten, und manche chinesischen „Ärzte“ haben jedem Teilchen des göttlichen Meisterwerks eine medizinische Heilwirkung zugeordnet - von ihren Knochen über die Barthaare bis hin zum Schwanz. Jedes Gramm des Tigers, selbst seine inneren Organe, gilt als medizinisch wertvoll. Wenn Sie im Internet recherchieren, werden Sie auf viele grauenhafte Bilder von halbierten Tigern oder Haufen von Gliedmaßen dieser Tiere stoßen. Bereiten Sie sich auf Horrorbilder vor. Die Aufnahmen haben mich so schockiert und entsetzt, dass ich sofort in wütende Tränen ausbrach. Es gibt auch viele Bilder von lebendigen Tigern, die gequält werden.
Allein die Vorstellung, dass diese Tiger ausgerottet und zerlegt werden, um gegessen zu werden, ist so grotesk, dass es unbegreiflich ist, wie das in unserer „zivilisierten“ Welt geschehen kann. Wie können wir als Erdbewohner so etwas zulassen! Wenn Sie Katzen lieben, werden Sie zuerst verzweifelt sein und dann - hoffentlich - wütend werden. Wenn es einen „Teufel“ gibt, dann ist er eifrig am Werk, aber wir dürfen ihn nicht länger unsere Welt beherrschen lassen, und wir haben das letzte Wort darüber, wie wir mit den Tieren auf unserem Planeten umgehen. Zuerst habe ich Ihnen die lustige Geschichte über meine Art von „Tigermedizin“ erzählt. Leider müssen wir uns nun mit dem realen Thema befassen. Stellen Sie eine Schachtel Papiertaschentücher bereit.
Tiger: Die Fakten
Tiger lassen sich wegen ihres Umherwanderns und ihres scheuen Wesens nur sehr schwer zählen. Ich nahm Kontakt mit TRAFFIC in London auf, und Dr. Richard Thomas, der die globale Kommunikation koordiniert, war so freundlich, mir bei der Recherche der neuesten Fakten zu helfen. Er verwies mich an CITES, dieselbe Organisation, die mich aufgefordert hatte, nach meiner Rückkehr von dem Fiasko in Thailand die Werbung für den Tigertempel von meiner Webseite zu löschen. Ich hoffe, ihnen jetzt wenigstens ein bisschen helfen zu können, nachdem ich es damals nicht konnte.
Verlust des Lebensraums
Die Tiger, die einst in Asien, von der Türkei bis in den Osten Russlands beheimatet waren, sind im letzten Jahrhundert aus Südwest- und Zentralasien, aus Java und Bali in Indonesien und aus großen Teilen des Südostens und Ostens von Asien verschwunden. Tiger haben 93 Prozent ihres historischen Lebensraums und über 40 Prozent ihres Lebensraums in jüngerer Vergangenheit verloren.
Wilderei
Anfang der 1990er wurde der Handel mit Tigerteilen weltweit verboten, doch Tiger sind aufgrund des illegalen Wildtierhandels - der Wilderei - noch immer stark gefährdet. Sie werden hauptsächlich wegen ihrer Knochen gejagt, die in traditionellen asiatischen Medizinen verwendet werden, und wegen ihres Fells und sonstiger Körperteile, wie z. B. ihrer Zähne, Haut und Krallen, die als Schmuckwerk verkauft werden.
Auch werden viele Tiger aufgrund von Konflikten zwischen Mensch und Tier getötet - wenn die Menschen ihr eigenes Leben und das ihres Viehs schützen wollen. Eine Untersuchung, die TRAFFIC vor kurzem durchführte, brachte Körperteile von geschätzten dreiundzwanzig Tigern zum Verkauf in Sumatra zutage, wo der Bestand an Tigern auf die kritische Zahl von unter fünfhundert Tieren geschätzt wird - die letzten Tiger, die es in Indonesien noch gibt. In China sind mehrere Betriebe mit der intensiven Zucht von Tigern beschäftigt. Die Betreiber dieser Tigerfarmen üben Druck auf die Regierung aus, um die Erlaubnis zur Herstellung von Tigerprodukten zu erhalten. Auf der vierzehnten Konferenz der Parteien, die CITES angehören, forderten die Delegierten das Aus der Tigerzucht.
Von TRAFFIC durchgeführte Marktumfragen haben ergeben, dass sich die medizinische Ausbeutung von Tigerknochen verringert hat, seit China 1993 den Verkauf von Tigerknochen verboten hat. Die Aufhebung des Verbots würde jedoch einem Desaster für wilde Tiger gleichkommen. Sie würde die Nachfrage nach Tigerkörperteilen ankurbeln, die durch Wilderei viel billiger als durch die Zucht gefangener Tiere wären. Die Anzahl gefangener Tiger in China beträgt um die fünftausend Tiere; eine ähnliche Zahl findet sich auch in den Vereinigten Staaten.
Tiger werden im Anhang 1 von CITES, das sämtlichen internationalen Handel verbietet, aufgelistet, und auch alle Länder, in denen wilde Tiger beheimatet sind, sowie Länder mit Abnehmermärkten haben den Binnenhandel verboten. In einigen Ländern ist die Gesetzgebung jedoch schwach oder gar nicht vorhanden. In den Vereinigten Staaten beispielsweise stellte der Bericht über den Wildtierhandel in Nordamerika (TRAFFIC North America) für das Jahr 2008 mit dem Titel Papiertiger? Die Rolle, die die in den USA gefangenen Tiger beim Handel von Tigerteilen einnimmt fest, dass die Regierung keine Möglichkeit hat, herauszufinden, wie viele Tiger sich in Gefangenschaft befinden, wo sie von wem gehalten werden und was nach ihrem Tod mit ihren Körperteilen geschieht.
Vorsicht, Tigerschmuggler!
Ein Artikel mit dem Titel „CITES macht den Tigerschmugglern die Hölle heiß“, der am 14. März 2013 auf www.traffic.org veröffentlicht wurde, meldete Folgendes:
Eine neue internationale Gesetzesinitiative, die die Jagd auf und den illegalen Handel mit Tigern beenden soll, wurde heute von den Mitgliedsstaaten der Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (CITES) in Bangkok unterzeichnet.
Es wurde vereinbart, Informationen über Vorfälle der Wilderei und des verbotenen Handels mit allen Arten asiatischer Wildkatzen seit 2010 zu sammeln und diese Informationen zur Weitergabe an zuständige Strafbehörden und betroffene Staaten zu analysieren.
Die Mitglieder von CITES haben zudem vereinbart, die Bemühungen, den illegalen Handel mit Tigern zu beenden, zu überwachen. ...
Letzte Woche veröffentlichte TRAFFIC in Zusammenarbeit mit WWF [World Wildlife Fund] Reduced to Skin and Bones Revisited, einen Bericht, der in 12 der 12 betroffenen Staaten beschlagnahmte Tigerteile analysiert. Der Bericht enthüllt, dass zwischen 2000 und 2012 654 Beschlagnahmungen von Tigerteilen in den betroffenen Staaten stattfanden, was 1.425 Tieren entspricht - durchschnittlich 110 getötete Tiger pro Jahr. Der Bericht zeigt auf, wie detaillierte Informationen über Beschlagnahmungen dazu beitragen können, „Brennpunkte“ des Handels aufzudecken, was die Bemühungen der Behörden offensichtlich erleichtert. „Auch wenn einige Länder von der Kürze der Diskussionen über die asiatischen Wildkatzen während der Tagung frustriert waren, wurden dennoch mehrere wichtige Maßnahmen vereinbart, wie der verbotene Handel mit Tigern im Untergrund gestoppt werden kann“, sagte Natalia Pervushina, die für das TRAFFIC-Programm gegen den Tigerhandel zuständig ist.
Lassen Sie mich ein paar der Fakten zusammenfassen: Ursprünglich gab es neun Unterarten von Tigern auf der Grundlage von eindeutigen Molekularzeichen. Drei Unterarten wurden so lange gejagt und verzehrt, bis sie ausstarben.
Das ist Tatsache. Sie werden nicht etwa bald aussterben, wenn wir nichts unternehmen. Sie sind schon ausgestorben. Der balinesische Tiger, der javanische Tiger, der kaspische Tiger und höchstwahrscheinlich auch der chinesische Tiger haben offiziell den Planeten Erde verlassen. Sie sind für immer verschwunden. Wir haben sie im Stich gelassen.
Tiger werden durch extremes Überzüchten in Gefangenschaft vermehrt, um dann auf brutale Weise geschlachtet und zu „Tigerwein“ verarbeitet zu werden. Auch wenn die rund fünftausend Tiger in den Vereinigten Staaten in engen Käfigen vor sich hinvegetieren, werden sie nicht geschlachtet und gegessen. Die rund fünftausend Tiger, die in China gezüchtet werden, sind dagegen in großer Gefahr. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich beim Schreiben dieser Zeilen Tränen in den Augen habe. Und wenn Sie Tiger lieben, treiben Ihnen diese Zeilen wahrscheinlich auch die Tränen in die Augen. Aber trotzdem bitte ich Sie dringend, weiterzulesen. Halten Sie meine Hand. Lassen Sie es uns gemeinsam tun.
Die Tiger Sumatras, Bengalens, Indochinas, Amurs und Malaysias werden den drei ausgestorbenen Unterarten schon bald folgen, wenn wir keine drastischen Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen. Wir müssen wieder ein Maß an Unantastbarkeit und gesundem Menschenverstand in unserem Leben und unserer Welt zurückgewinnen. Kommen Sie mit. Ich schaffe es nicht alleine. Ich brauche Ihre Hilfe. Holen Sie tief Luft und lesen Sie weiter.
Der folgende Ausschnitt stammt von der Seite „Panthera tigris“ der von IUCN herausgegebenen Roten Liste gefährdeter Arten:
Gemäß Kriterium A2abcd wird der Tiger als gefährdete Tierart gelistet. Eine vor kurzem erstellte Schätzung der Vermehrung ergab im Vergleich zu einer Schätzung aus dem Jahr 2006 einen Rückgang von über 50 %. ... Im Jahr 1998 wurde der weltweite Bestand an Tigern auf 5.000 bis 7.000 Tiere geschätzt (Seidensticker et al., 1999). Der Vergleich mit dieser Schätzung aus den 1990er Jahren weist einen Rückgang von ca. 50 % auf (die obere Grenze von 7.000 als Anzahl der ausgewachsenen Tiger im Jahr 1993 ging bis 2014 auf ca. 3.500 zurück). ... Es besteht ein deutlicher Rückgang, wobei die Tiger aus einem Großteil ihrer Waldgebiete - vor allem im Südosten Asiens - fast vollständig eliminiert wurden ...
Es wird seit langem davon ausgegangen, dass Tigerknochen eine entzündungshemmende Wirkung hätten, was von medizinischen Untersuchungen in China in gewisser Hinsicht bestätigt wurde, doch viele Fachleute halten die Wirkung für eher psychologisch als pharmazeutisch (Nowell und Xu, 2007). Obwohl sämtliche Länder die Verwendung und Verarbeitung von Tigerknochen verboten haben, besteht die illegale Produktion in mehreren asiatischen Ländern, vor allem in China, Malaysia und Vietnam, weiter (Nowell, 2007). In China existieren mehrere Betriebe, die eine intensive Tigerzucht mit einer Anzahl von über 6.000 Tieren in Gefangenschaft betreiben. Diese Betriebe üben Druck auf die Regierung aus, um die Erlaubnis zu erhalten, Tigerprodukte herzustellen, und einige von ihnen stellen längst den verbotenen Tigerknochenwein her. ... Die Tigerzucht hält weiterhin an und droht, die Nachfrage der Konsumenten wieder anzukurbeln (Nowell und Xu, 2007). 2008 fasste CITES den Beschluss, dass „Tiger nicht für den Zweck, mit ihren Körperteilen und Produkten aus diesen zu handeln, gezüchtet werden sollten“ (CITES 2008). ... Verbote verdeutlichen nur einen Bruchteil des wahren Ausmaßes des illegalen Handels und zeigen, dass Tiger durch die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt stark gefährdet sind.
Treten Sie durch das Tor zu den Sternen
Haben wir Menschen so große Angst vor den gefährlichsten Raubkatzen der Welt, die zugleich die herrlichsten und bewundernswertesten Geschöpfe sind, dass ihre Gegenwart alle Ängste und Unsicherheiten der Menschheit zum Vorschein bringt? Werden wir die gesamte Spezies ausrotten, weil wir sie so geringschätzen? Auf einer tiefen Ebene weiß der Mensch, dass Tiger mächtig sind und dass die „Tigermedizin“ eine Rolle im menschlichen Bewusstsein spielen sollte. Doch mir gefällt meine eigene Tigermedizin besser - es ist eine, die diese verspielten Kreaturen, die das Recht auf Gesundheit, Glück und Freiheit haben, ehrt und schützt. Und ich bin sicher, meine Tante Rue wäre ganz meiner Meinung.
Die Herausforderung für uns Menschen bleibt, den Tigern zu helfen, immun gegen menschliche Tyrannei, Dummheit und Zerstörungswahn zu werden. Ich hatte so viele Fragen, auf die ich Antworten brauchte, dass ich mir Tag und Nacht den Kopf darüber zerbrach.
Um den richtigen Partner für eine Befragung zu finden, flog ich nach Johannesburg. Ich ging heute Vormittag von meiner Frühstückspension in den Zoo von Johannesburg, um herauszufinden, ob die Tiger dort mir sagen konnten, was sie den Menschen mitteilen wollen. Zu meiner Enttäuschung fand ich keine der Wildkatzen im Gehege vor. Doch dann sah ich, wie ein Tiger durch eine Tür in einen hölzernen Käfig verschwand. Zum Glück befindet sich im Untergrund ein Raum, von dem aus man die Tiger beobachten kann. Dort setzte ich mich hin und wartete geduldig, bis die Tigerin sich mir zeigte. Als sie endlich auftauchte, freute ich mich riesig.
Ich muss zugeben, dass ich meine Gedanken auf dem langen Fußmarsch zum Zoo schon vorausgeschickt hatte. Und dass schon beim Betreten des Zoos eine bizarre Änderung in meiner Wahrnehmung stattfand.
In meiner Wohltätigkeitsorganisation Ark Angel arbeite ich mit afrikanischen Kindern vor Ort zusammen. Dazu besuche ich Schulen in den ländlichen Gegenden Afrikas und spreche mit den Kindern über Wildtiere und ihre Gefühle, damit die Kinder nicht zu Wilderern heranwachsen. Der illegale chinesische Tigerhandel zu „medizinischen Zwecken“ ist so grauenhaft außer Kontrolle geraten, dass heutzutage sogar Löwen - meist in Gefangenschaft gezüchtete und mit der Flasche aufgezogene Tiere, die friedlich sind - hier in Afrika getötet werden und ihre Knochen als Tigerknochen verhökert werden. Wenn die Kinder über die Gedanken, Gefühle, Beziehungen und Rechte von Löwen und Elefanten aufgeklärt werden, wird dadurch ihr Bewusstsein des ansteigenden illegalen Handels mit Wildtieren indirekt geschärft. Ich liebe diese Arbeit an den Schulen mehr als alles andere, und das Zusammensein mit diesen verarmten Kindern erfüllt mich auf eine Weise, die sich mit Worten nicht er-klären lässt. Sie steht gleich hinter dem Glücksgefühl, das mich überkommt, wenn ich mit den Wildtieren selbst allein bin.
Diese aufgeweckten Kinder mit ihren strahlenden Augen haben einen besonderen Platz in meinem Herzen. Doch als ich den Zoo betrat und von einer Horde kreischender kleiner Afrikaner in Schuluniform begrüßt wurde, hatte ich ein mir bisher völlig fremdes Gefühl. Mir wurde klar, dass ich sie aus einer mir fremden Perspektive heraus ansah - so als wären sie total unausstehlich. In diesem Moment sah ich zwei Löwen, die versuchten, im Freien zu schlafen. Sie waren von drei Gruppen Schulkindern umzingelt, die mit ohrenbetäubendem, schrillem Lärm im Zoo umherwuselten. Da wurde mir bewusst, dass ich die normale menschliche Realität hinter mir gelassen hatte und schon die Sichtweise der großen Katzen angenommen hatte.