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Hess, Rogovsky und Dunfee sehen als weitere Kraft hinter dieser Entwicklung den New Moral Marketplace Factor, der in der zunehmenden Bedeutung der Unternehmensethik für die Entscheidungen von Verbrauchern, Investoren und Arbeitnehmern zum Ausdruck kommt. Sie verdeutlichen die Rolle der Wirtschaftsethik an mehreren Beispielen, etwa wenn »Investoren Investmentfonds anhand sozialer Kriterien auswählen, Verbraucher den Ölkonzern Shell wegen seiner Entscheidung boykottieren, die Ölplattform Brent Spar zu versenken, und Arbeitnehmer gesellschaftlich verantwortungsbewusste Arbeitgeber vorziehen«22.
Im folgenden Abschnitt stellen wir den eher traditionellen Ansatz des karitativen Engagements von Unternehmen dem modernen strategischen Ansatz gegenüber und orientieren uns dabei an unseren Best-Practice-Kriterien der Auswahl, Entwicklung, Implementierung und Bewertung von Social Initiatives.
Der traditionelle Ansatz: Erfüllung einer Pflicht
Bis Ende der 1980er-Jahre spiegelten Entscheidungen zu den gesellschaftlichen Anliegen, die es zu unterstützen galt, in aller Regel den zunehmenden Druck wider, Gutes zu tun, um gut dazustehen. Die Unternehmen legten ein Jahresbudget für karitative Zwecke fest, das je nach Umsatz und Gewinn auch schwanken konnte. Die Mittel wurden auf so viele Organisationen wie möglich verteilt, weil man sich davon ein Höchstmaß an Zufriedenheit und an eigener Sichtbarkeit versprach. Da im Lauf der Jahre eine Vielzahl von Organisationen und Anliegen unterstützt wurde, waren die einzelnen Engagements zumeist nur kurzfristiger Natur. Im Rückblick wird deutlich, dass dabei Anliegen, die möglicherweise im Zusammenhang mit Kernprodukten des Unternehmens standen, tendenziell eher gemieden wurden, um nicht eigennützig zu erscheinen. Ebenso wurden auch prominente und häufig kontroverse gesellschaftliche Problemfelder wie beispielsweise Aids ausgeklammert, weil staatliche Stellen und gemeinnützige Organisationen vermeintlich besser in der Lage waren, damit umzugehen. Die Entscheidung, welche Projekte oder Initiativen es zu unterstützen und welche Organisationen es zu finanzieren galt, richtete sich auch stark nach den Vorlieben und Wünschen der obersten Unternehmensleitung, während sie mit den Unternehmenszielen kaum etwas zu tun hatte.
Bei der Entwicklung und Durchführung konkreter Initiativen lautete die Devise häufig »Tue Gutes so einfach wie möglich«, mit der Folge, dass sich das Engagement nicht selten auf das Ausstellen eines Schecks beschränkte. Die meisten Unternehmen waren zufrieden mit der Rolle als ein Sponsor unter vielen, war doch die Sichtbarkeit des Engagements kein großes Thema. Und weil eine Integration und Koordination der Spendenprogramme mit anderen Unternehmensstrategien und Unternehmenseinheiten wie beispielsweise Marketing, Personalwesen oder operatives Geschäft lediglich zusätzliche Arbeit bedeutet hätte, wurden kaum Versuche in dieser Richtung unternommen.
Und was die Evaluation betrifft, so scheint es, dass kaum etwas getan wurde, um quantifizierbare Resultate für das Unternehmen oder für das karitative Projekt zu erzielen. Hauptsache, man tat etwas Gutes.
Der neue Ansatz: Einbeziehung der Unternehmensziele
Wie bereits erwähnt, beschreibt Smith, dass Anfang der 1990er-Jahre viele Unternehmen zu einem neuen Spendenmodell wechselten, einem strategischen Ansatz, der in allen wesentlichen Fragen erhebliche Änderungen mit sich brachte: welche Anliegen die Unternehmen unterstützten, wie sie ihre Programme gestalteten und umsetzten und wie sie sie bewerteten.
Die moderne Form der Entscheidungsfindung spiegelt den zunehmenden Wunsch wider, gute Ergebnisse zu erzielen und Gutes zu tun. Immer mehr Unternehmen suchen sich einige wenige Schwerpunktanliegen aus, die mit den Unternehmenswerten im Einklang stehen, und entscheiden sich für Initiativen, die die Unternehmensziele unterstützen. Sie bevorzugen Themen, die mit Kernprodukten und Kernmärkten zusammenhängen, und unterstützen Anliegen, die sich positiv auf Marketingziele wie beispielsweise einen größeren Marktanteil, eine stärkere Marktdurchdringung oder den Aufbau einer gewünschten Markenidentität auswirken. Auch das Unterstützungspotenzial der Vertreter eines sozialen Projekts in Zeiten einer Unternehmenskrise oder im politischen Kontext spielt bei der Auswahl durchaus eine Rolle. Schon beim Auswahlprozess werden möglichst viele Abteilungen einbezogen, um zugleich die Voraussetzungen für eine gelungene Umsetzung des Programms zu schaffen. Das auszuwählende Anliegen soll sowohl den eigenen Angestellten und den Kunden als auch der Allgemeinheit besonders wichtig sein.
Die Entwicklung und Implementierung von Programmen im Rahmen dieses neuen Modells folgt eher dem Motto: »Wir tun nicht einfach nur irgendetwas Gutes, wir tun alles, um etwas wirklich Gutes zu tun.« Inzwischen ist es auch üblich geworden, dass sich Manager langfristig engagieren und nichtmonetäre Hilfe leisten, beispielsweise in Form von Expertenwissen, technischem Know-how, Dienstleistungen oder ausgemusterten Maschinen und Anlagen. Es werden vermehrt Anstrengungen unternommen, die eigenen Vertriebskanäle für die unterstützten Projekte oder Organisationen zu öffnen, Mitarbeiter für ehrenamtliche Tätigkeiten freizustellen, das soziale oder gesellschaftliche Anliegen in die Sparten Marketing, Unternehmenskommunikation, Personalwesen, Öffentlichkeitsarbeit und operativer Betrieb einzubeziehen, strategische Bündnisse mit einem oder mehreren externen (privaten, staatlichen, gemeinnützigen) Partnern zu schließen und Mittel aus weiteren Abteilungen wie beispielsweise Marketing oder Personalwesen zu bekommen.
Der Evaluation wird eine immer größere Bedeutung beigemessen, seit sie als Schlüssel für die Beantwortung der Frage begriffen wird: »Was haben wir Gutes getan?« Vertrauen ist nicht alles. Die Evaluation liefert ein Feedback, das sodann im Rahmen eines strategischen Konzepts dazu genutzt werden kann, Kurskorrekturen vorzunehmen und eine glaubwürdige Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Folglich wird der Druck größer, Kampagnenziele zu definieren und den Nutzen für das Unternehmen ebenso wie für die gute Sache zu evaluieren. Aber mag auch der Druck gewachsen sein, Ergebnisse zu bewerten – die Programmpartner tun sich häufig noch schwer mit der Entscheidung für die richtige Vorgehensweise und die Sicherung der dafür erforderlichen Ressourcen.
Die rasante Entwicklung der digitalen und mobilen Kommunikation während der letzten fünf Jahre hat den Unternehmen neue Instrumente an die Hand gegeben, um Stakeholder in ihre Social Initiatives einzubeziehen. Häufige Veränderungen auf den vergleichsweise etablierten Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube und die Entstehung neuer spezialisierter, massenwirksamer und / oder mobiler Instrumente bedeuten, dass das Wissen, wie sie bestmöglich genutzt werden können, noch in den Kinderschuhen steckt. Um Ihnen einen Einblick in einige aktuelle Best Practices zu geben, haben wir dieses Buch mit eigens hervorgehobenen Hinweisen zu Social Media angereichert.
Die Veränderung der digitalen Landschaft schafft für die Unternehmen nicht nur neue Möglichkeiten, sondern stellt sie auch vor ernste Herausforderungen. Die Dezentralisierung der Kommunikation erweitert und ermöglicht es Individuen und Gruppen in zunehmendem Maße, sich mit Kritik an den Unternehmen und ihren Aktivitäten hervorzutun.
∎ Warum Gutes tun?
Die meisten Gesundheitsexperten versprechen demjenigen, der regelmäßig Sport treibt, ein besseres Aussehen, mehr Wohlbefinden, mehr Tatkraft und ein längeres Leben. Es gibt viele, die sagen, dass die Beteiligung an Social Initiatives, ob mit oder ohne unmittelbare Kundenbeteiligung, ähnliche Vorteile bringt. Ein solches Engagement scheint sich gut zu machen – in den Augen potenzieller Kunden, Investoren, Finanzanalysten, Geschäftskollegen, in Jahresberichten, in den Nachrichten und vielleicht sogar im Parlament und im Gerichtssaal. Es vermittelt Arbeitnehmern, Kunden, Anteilseignern und den Vertretern der Unternehmensleitung ein positives Grundgefühl. Zudem spricht viel dafür, dass ein soziales oder gesellschaftliches Engagement sich vorteilhaft auf die Marke, die Jahresbilanz und die Gesellschaft als Ganzes auswirkt. Und einige behaupten sogar, dass Unternehmen mit einer starken Reputation in Sachen Corporate Social Responsibility länger überleben.
Wir wollen einige Indizien unter die Lupe nehmen, die dafür sprechen, dass eine Beteiligung an Social Initiatives wichtige Kennzahlen beeinflussen kann, was diese Behauptungen stützen würde.
Business for Social Responsibility ist eine führende globale Non-Profit-Organisation, die Unternehmen mit Informationen, Instrumenten und Schulungen bei der Integration des Corporate-Social-Responsibility-Prinzips in den operativen Betrieb sowie bei der Strategieentwicklung unterstützt. Aus Umfragen und praktischen Erfahrungen schließt man dort, dass sich der bilanztechnische Nutzen für die Unternehmen an einer ganzen Reihe von Punkten festmachen lässt, als da wären23:
■ Gesteigerter Umsatz und vergrößerter Marktanteil
■ Gestärkte Markenposition
■ Verbessertes Unternehmensimage und größere Schlagkraft
■ Größere Attraktivität als Arbeitgeber und bessere Mitarbeitermotivation
■ Betriebskosteneinsparungen
■ Größere Strahlkraft auf Investoren und Finanzanalysten
∎ Gesteigerter Umsatz und vergrößerter Marktanteil
Cone Communications befragt seit 1993 US-Verbraucher und -Arbeitnehmer zu ihrer Einstellung zu Unternehmen und deren gesellschaftlichem Engagement. Möglicherweise infolge des wirtschaftlichen Abschwungs wiesen die Daten für 2011 in einigen Bereichen Werte für die Kundenerwartungen und -präferenzen auf, die über allem liegen, was Cone bislang gemessen hatte.24
■ 94 Prozent der Befragten erklärten, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bei gleichem Preis und gleicher Qualität zu einem Anbieter wechseln würden, der soziale Projekte oder gesellschaftliche Anliegen unterstützt – ein Allzeitrekord. (Im Jahr 1993 lag die Zahl noch bei 66 Prozent, zwei Monate nach dem 11. September 2001 bei 79 Prozent.25)
■ 91 Prozent sagten, sie würden, wenn sich die Gelegenheit bietet, ein Produkt kaufen, das mit einem karitativen Zweck oder gesellschaftlichen Anliegen verbunden ist. 62 Prozent sagen, dass sie in den letzten Jahren ein solches Produkt erworben haben.
■ 81 Prozent gaben an, sie würden für eine Wohltätigkeitsorganisation spenden, die von einem Unternehmen ihres Vertrauens unterstützt wird, falls sich die Gelegenheit dazu bietet. 70 Prozent haben dies nach eigenen Angaben in den letzten zwölf Monaten getan.
Im Jahr 2011 erweiterte Cone den Forschungsradius um neun weitere Länder und stellte dabei fest, dass »die Kunden weltweit den Unternehmen eine explizite Verantwortung attestieren, mitzuhelfen, dass die Welt eine andere wird«26. Insgesamt gaben 94 Prozent der 10 000 in Kanada, Brasilien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Russland, China, Indien, Japan und den Vereinigten Staaten befragten Menschen an, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit seien, zu Marken zu wechseln, die ein gesellschaftliches Interesse unterstützen.27
Solche Befunde, wonach ein Unternehmensengagement für gesellschaftliche Anliegen die Markenpräferenz steigern kann, werden sowohl von Studien gestützt, die von PR- und Brandingagenturen erstellt wurden (wie der Edelman Goodpurpose Study28 oder dem PRWeek / Barkley Cause Survey29) als auch von wissenschaftlichen Studien.
Bloom, Hoeffler, Keller und Basurto beispielsweise behaupten:
»Die Verbraucher von heute achten darauf, wie Marken vermarktet werden, und wenn ihnen das Marketing zusagt, weil es sie emotional anspricht oder sie eine gewisse Nähe zu dem im Marketingprogramm unterstützten gesellschaftlichen Anliegen empfinden, werden sie den Marketingansatz der Marke gewichtiger und positiver aufnehmen, als wenn das Marketingprogramm rein kommerziell ausgerichtet ist.«30
In den folgenden Kapiteln finden Sie viele Fallbeispiele von Programmen, die Umsatz und Marktanteil vergrößerten. Ein Pionierprogramm, das im Lauf der Jahre viele andere inspirierte, ist die American-Express-Kampagne zur Restaurierung der New Yorker Freiheitsstatue, eine Cause-Related-Marketing-Initiative aus den frühen 1980er-Jahren. Statt lediglich einen Scheck auszustellen, probierte American Express einen neuen Ansatz aus: Das Unternehmen erklärte, für jeden Einsatz der Karte einen bestimmten Betrag in einen Fonds zur Restaurierung der Statue einzuzahlen und darüber hinaus für jeden neuen Kartenantrag einen weiteren festen Betrag zu spenden. Die Kampagne erbrachte 1,7 Millionen Dollar für die Lady, eine um 27 Prozent gesteigerte Kartennutzung und 10 Prozent mehr Kartenneuanträge.31
∎ Gestärkte Markenposition
In ihrem Buch Brand Spirit betonen Pringle und Thompson, welchen Einfluss die Verknüpfung eines Unternehmens oder einer Marke mit einem guten Zweck auf den »Geist der Marke« hat. Die Verbraucher blicken dabei »über die praktischen Fragen der funktionellen Produktleistung und des rationalen Produktnutzens und auch über die emotionalen und psychologischen Aspekte der Markenpersönlichkeit und des Markenimages hinaus. Sie streben vielmehr den obersten Punkt der Maslowschen Bedürfnishierarchie an: die ›Selbstverwirklichung‹.«32 Wonach sie heute schauen und was sie heute anzieht, das ist die Demonstration des Guten. »In einem anthropomorphen Sinne lässt sich sagen: Sobald die Verbraucher wissen, wie eine Marke funktioniert, wie sie ›denkt und fühlt‹, lautet die neue Frage, die es zu beantworten gilt: ›Woran glaubt sie?‹«33
Bloom, Hoeffler, Keller und Basurto diagnostizieren, dass »Marketinginitiativen mit einer starken karitativen oder sozialen Komponente einen positiveren Effekt auf die Beurteilung einer Marke haben als Initiativen ähnlicher Größe und Reichweite, aber mit weniger sozialen Inhalten. Mit ›sozialen Inhalten‹ meinen wir Aktivitäten im Rahmen der Marketinginitiative, die auf das Allgemeinwohl abzielen. Eine Kampagne, die jeden Kauf eines bestimmten Produkts mit einer Spende des Unternehmens an eine Umweltorganisation honoriert, hätte einen höheren sozialen Inhalt als eine Kampagne, die dem Verbraucher zu jedem gekauften Produkt ein Gratisspielzeug schenkt.«
Denken Sie etwa daran, wie die Teilnahme an Social Initiatives die Eiscrememarke Ben & Jerry’s »beseelt« hat. Dank jahrelanger Aktivitäten und Kommunikationsanstrengungen rufen die Worte Ben & Jerry’s mittlerweile das Bild eines philanthropischen Unternehmens hervor, das positive gesellschaftliche Veränderungen fördert und unterstützt. Ein Beispiel ist das PartnerShops-Programm, das auf die üblichen Franchisegebühren verzichtet, damit gemeinnützige Organisationen bedürftigen Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten können; ein anderes die Lick-Global-Warming-Kampagne, die den Menschen zeigt, wie sie ihren Kohlendioxidausstoß verringern und den Kampf gegen die globale Erwärmung unterstützen können. Darüber hinaus kauft Ben & Jerry’s die für die Eiscremeproduktion benötigten Brownies bei der Greyston Bakery, einer gemeinnützigen Organisation, die ehemaligen Obdachlosen und anderen sozial Benachteiligten Arbeitsplätze anbietet und sie in ihrem Alltag unterstützt. Bei vielen Verbrauchern haben die zahlreichen sozialen Aktivitäten dazu geführt, dass sie die Phalanx der Ben-&-Jerry’s-Becher in den Kühlregalen mit besonderer Sympathie betrachten.
∎ Verbessertes Unternehmensimage und größere Schlagkraft
Es existieren zahlreiche Berichte und Rankings im Bereich der Corporate Social Responsibility. Um nur zwei zu nennen:
■ Fortune veröffentlicht eine Jahresliste der »meistbewunderten Unternehmen der Welt«, und die gesellschaftliche Verantwortung ist eines der acht Kriterien, nach denen Führungskräfte und Analysten in aller Welt befragt werden, um die Unternehmen zu bewerten. Spitzenplätze auf der Corporate-Social-Responsibility-Rangliste von 2011 belegten beispielsweise Statoil (Norwegen), Ferrovial (Spanien), Walt Disney (USA), ENI (Italien) und Whole Foods Market (USA).34
■ Das Corporate Responsibility Magazine veröffentlicht eine Liste der »100 besten Corporate Citizens«, die sich den Grundsatz zu eigen gemacht haben, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber den Stakeholdern die Umwelt und die Allgemeinheit mit einschließt. Im Jahr 2011 waren die fünf besten Corporate Citizens Johnson Controls, Campbell Soup Company, IBM, Bristol-Myers Squibb und Mattel.35
Abgesehen von der positiven Presse, die solche Rankings erzeugen, gilt laut Business for Social Responsibility, dass Unternehmen, die mehr Engagement zeigen, als gesetzlich vorgeschrieben ist, von den nationalen und lokalen Behörden weniger streng überwacht werden und mehr Freiheiten genießen.
Eine gute Reputation kann in Krisenzeiten von echtem Wert sein. Als ein dramatisches Beispiel beschreiben Hess, Rogovsky und Dunfee die Erfahrungen von McDonald’s während der Unruhen in South Central Los Angeles im Jahr 1992. »Mit seinen Ronald-McDonald’s-Häusern und seinem Engagement für die Schaffung von Arbeitsplätzen war es dem Unternehmen gelungen, seine Beziehungen zur Öffentlichkeit entscheidend zu verbessern und sich ein positives Image zuzulegen. McDonald’s-Führungskräfte wussten zu berichten, dass die Aufständischen sich scheuten, McDonald’s-Restaurants in Mitleidenschaft zu ziehen. Während der Vandalismus der Wirtschaft der Region immensen Schaden zufügte, blieben alle sechzig McDonald’s-Restaurants verschont.«36
∎ Größere Attraktivität als Arbeitgeber und bessere Mitarbeitermotivation
Aus Verbrauchererhebungen geht hervor, dass die Teilnahme eines Unternehmens an Social Initiatives einen positiven Einfluss auf potenzielle und gegenwärtige Mitarbeiter sowie auf Bürger und Führungskräfte haben kann. Laut der Cone Cause Evolution Study 2011 bekundeten 69 Prozent der befragten US-Amerikaner, dass der Einsatz eines Unternehmens für gesellschaftliche oder ökologische Anliegen einen Einfluss darauf habe, ob sie gern für das Unternehmen arbeiten würden oder nicht.37 Mitarbeiter, die an den Wohltätigkeitsprogrammen ihrer Unternehmen beteiligt waren, erklärten häufiger, dass sie auf ihr Unternehmen stolz seien und sich ihm treu verbunden fühlten, als Beschäftigte ohne eine solche Beteiligung.38 »Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht umfassend beteiligen, müssen dies offenbar teuer bezahlen«, lesen wir bei Cone.39
Nach einer Erhebung des Aspen Institute aus dem Jahr 2011, die unter dem Titel Beyond Grey Pinstripes erschienen ist, reagieren die wirtschaftswissenschaftlichen Institute auf den zunehmenden Wunsch der Studenten nach Social Entrepreneurship und einer Beschäftigung bei einem verantwortungsbewussten Unternehmen mit einem verstärkten Angebot an Kursen, die die gesellschaftlichen, ökologischen und ethischen Konsequenzen wirtschaftlicher Entscheidungen unter die Lupe nehmen.40
∎ Betriebskosteneinsparungen
Sinkende Betriebskosten und steigende Einkünfte aus Zuwendungen und Anreizen infolge der Implementierung von Social Initiatives sind in verschiedenen Bereichen der Unternehmen möglich, insbesondere wenn damit eine Veränderung der Unternehmenspraktiken verbunden ist. Ein Bereich, bei dem dies unmittelbar einleuchtet, sind Umweltinitiativen zwecks Ausschussreduzierung, Materialwiederverwertung, Recycling sowie Wasser- und Stromeinsparung.
AT & T beispielsweise hat ein Programm, das die Kunden mit dem Versprechen, die Arbor Day Foundation zu unterstützen, dazu anregt, sich für die papierlose elektronische Rechnungsstellung zu registrieren. Diese Kampagne hat dem Unternehmen Einsparungen an Papier-, Druck- und Portokosten in Millionenhöhe beschert, Bäume vor der Säge bewahrt und die Anpflanzung von Hunderttausenden neuer Bäume ermöglicht.41
Ein anderes Feld für potenzielle Kostenreduzierungen ist der Werbeetat, insbesondere infolge vermehrter kostenloser Publicity.
Seit ihrer Gründung in den 1970er-Jahren ist die Boutiquekette The Body Shop für ihren Einsatz für Fair Trade, für den Umweltschutz und gegen Tierversuche im Kosmetikbereich bekannt. Laut einem Artikel im World Council of Sustainable Development »wurde The Body Shop als Geschäft mit fairen Preisen für fair hergestellte Kosmetika eingeführt. Gründerin Anita Roddick erzeugte so viel wohlwollende Publicity, dass das Unternehmen auf weitere Werbung verzichten konnte: eine Win-win-Situation an der Kosten-Nutzen-Front, ganz abgesehen vom Nutzen für Umwelt und Gesellschaft.«42
In jüngerer Zeit durften sich die Social Entrepreneurs von TOMS Shoes einer Welle der Sympathie seitens der Verbraucher und der Medien erfreuen. Sie starteten den Aufruf: Kaufen Sie ein Paar Schuhe, und ein weiteres Paar geht an ein bedürftiges Kind. Zufällig sah im Jahr 2008 der Leiter einer Werbeagentur einen Fernsehbericht über diese Aktion. Über eine Verkettung von Ereignissen führte dies dazu, dass das Unternehmen im Folgejahr in einem viel beachteten ATTWerbespot auftrat – eine geschäftsfördernde Gratiswerbung für TOMS Shoes von Millionenwert.43
∎ Größere Strahlkraft auf Investoren und Finanzanalysten
Manche behaupten, ein Engagement in Social Initiatives könne einen gesteigerten Börsenwert zur Folge haben.
■ In ihrem Buch Firms of Endearment präsentieren Rajendra Sisodia, David Wolfe und Jagdish Sheth Daten, denen zufolge Unternehmen, die sich bei allen Stakeholdern »beliebt« machen, in den Drei-, Fünf- und Zehnjahresperioden, die am 30. Juni 2006 endeten, auf dem breiten Aktienmarkt deutlich besser abschnitten.44 »Großartige Unternehmen halten ihr überragendes Leistungsniveau nicht nur für die Investoren, sondern, was aus unserer Sicht ebenso wichtig ist, auch für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und die Allgemeinheit über längere Zeit aufrecht«, schreiben die Autoren.
■ In »Corporate Social Responsibility and Shareholder Value – The Environmental Consciousness of Investors« untersucht Caroline Flammer von der MIT School of Management die Beziehung zwischen Unternehmensverlautbarungen zu positiven und negativen Umweltnachrichten und dem Aktienkursverlauf von 1980 bis 2009. »Wir stellen fest, dass Unternehmen, von denen berichtet wird, dass sie sich verantwortungsbewusst gegenüber der Umwelt verhalten, einen signifikanten Kursanstieg verzeichneten, während Unternehmen, die sich unverantwortlich verhalten, einen signifikanten Kursverfall hinnehmen mussten.«45
■ Laut dem 2010 Report on Socially Responsible Investing Trends in the United States der Social Investment Forum Foundation »nehmen die nachhaltigen und gesellschaftlich verantwortungsbewussten Investitionen (Socially Responsible Investments, SRI) in den Vereinigten Staaten schneller zu als das breitere Spektrum der konventionellen Anlagen unter professionellem Management. Anfang 2010 standen professionell nach SRI-Strategien gemanagte Anlagen bei 3,07 Billionen US-Dollar, was gegenüber einem Wert von 639 Milliarden US-Dollar im Jahr 1995 einen Anstieg von mehr als 380 Prozent bedeutet … Im selben Zeitraum nahm das breitere Spektrum der Anlagen unter professionellem Management nur um 260 Prozent von 7 auf 25,2 Billionen US-Dollar zu.«46
∎ Die wichtigsten Herausforderungen für diejenigen, die Gutes tun wollen
Sämtliche in diesem Buch identifizierten fundamentalen Entscheidungspunkte – Auswahl eines zu unterstützenden gesellschaftlichen Anliegens, Wahl einer Initiative zur Unterstützung dieses Anliegens, Entwicklung und Implementierung des Projekts und Bewertung der Resultate – stellen die Verantwortlichen in den Unternehmen vor beträchtliche Herausforderungen. Auf den nächsten Seiten wollen wir diese Punkte näher betrachten. Sie spielen aber auch in den folgenden Kapiteln eine wichtige Rolle.
∎ Auswahl eines gesellschaftlichen Anliegens
Bei diesem ersten Schritt der Auswahl eines Anliegens haben wir es möglicherweise mit der größten Herausforderung zu tun, hat doch die Erfahrung gezeigt, dass nicht alle Anliegen für alle Unternehmen in gleicher Weise geeignet sind. Diese erste Entscheidung bestimmt zudem maßgeblich über alle weiteren Schritte. Diejenigen, die die Empfehlungen ausarbeiten, müssen also konkurrierende Prioritäten und Interessen sorgfältig gegeneinander abwägen. Sie müssen sich unter anderem folgende Fragen stellen:
■ Inwiefern unterstützt dieses Projekt unsere Geschäftsziele?
■ Wie groß ist das gesellschaftliche Problem? Welche Relevanz hat es?
■ Beschäftigen sich damit bereits staatliche oder andere Stellen?