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»Oder was?«, unterbrach ihn Tom forscher, als er sich selbst zugetraut hätte. »Überlegen Sie sich gut, ob Sie mir drohen wollen, Zoracz. Denn das geht garantiert wieder schief, und zwar für Sie.«
Zoracz’ Grinsen sah plötzlich aus, als wäre es eingefroren. »Werrr von uns beiden drrroht denn nun werrrm?«, fragte er mit eisiger Stimme, und bevor die Frau in Rot etwas über zu viele Rs sagen konnte, hatte er einen warnenden Zeigefinger gehoben, der sie davon abhielt.
Tom hielt dem stechenden Blick stand, aber innerlich wurde es ihm doch flau im Magen. Er wollte gerade etwas besonders Markiges erwidern, als ihn ein wohlvertrautes Grollen unterbrach.
»Zoracz. Was willst du hier?«, erklang die Reibeisenstimme von Welf, der urplötzlich aufgetaucht war.
Wie der Blitz war die Frau in Rot sofort zwischen ihn und Zoracz getreten. Sie hob ihre Finger mit den langen, blutroten Fingernägeln, und aus ihrer Kehle drang ein so aggressiver Zischlaut, dass Tom sich wunderte, wie so ein Sound eigentlich aus so einer Frau ertönen konnte.
»Bitte, wirrr wollen doch zivilisierrrt bleiben«, sprach da Zoracz und hob beschwichtigend die Hände.
Welf trat einen Schritt zurück, und auch die Frau entspannte sich wieder.
Dann seufzte Toms Onkel, und Tom bemerkte, dass ihm das Folgende nicht leicht über die Lippen ging: »Hör zu, Zoracz, ich sag das nicht gern, aber es wäre besser, ihr würdet diesen Jahrmarkt ausfallen lassen.«
Zoracz war die Verwunderung deutlich anzusehen. »Was? Warrrum sollten wir …«
»Weil es hier ein echtes Problem gibt«, antwortete Tom. »Wir haben gestern schon den Herrn Barthelmann versucht zu überzeugen, den gesamten Markt abzublasen.«
Zoracz sagte nichts. Für den Moment war er wohl tatsächlich überrascht.
»Der Junge hat recht«, ließ sich Welf wieder vernehmen. »Hier stimmt was ganz und gar nicht. Im Moment gehen wir von einem Pulsar fortis der Stufe 80 aus. Vielleicht 90.«
»Ein was?«, fragte Tom, doch keiner achtete auf ihn.
»Ein Pulsar fortis?«, stieß Zoracz verblüfft hervor und vergaß dabei völlig seinen fremdländischen Akzent. »Das ist … Das ist …«
»Selten«, beendete Welf das Gestammel. »Verdammt selten. Und mächtig. Er ist imstande, Dinge zu levitieren, für die andere einen Kran brauchen.«
Oder einen Zombie, dachte Tom, doch er hütete sich, das laut auszusprechen. Zwar war er sich inzwischen sicher, dass Zoracz ganz genau wusste, wer da außer ihm in der Geisterbahn hauste. Und das war wohl auch der Grund, warum Zoracz schon mehrmals versucht hatte, die Geisterbahn in seinen Besitz zu bringen. Aber wirklich ausgesprochen hatte der Typ noch nichts in der Richtung. Also hielt sich auch Tom zurück und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch der beiden. Er wollte auf keinen Fall irgendetwas verpassen.
»Ein Klopfer, der schwere Objekte bewegt …«, murmelte Zoracz und kraulte sich nachdenklich den Spitzbart. »Ja, in der Tat, dies ist ein denkbar schlechter Ort für einen Jahrmarkt.« Doch dann kehrte das vertraute verschlagene Funkeln in seinen Blick zurück. »Nun, gleichzeitig ist es ein denkbar wunderbarer Ort für mich und meine Attraktion, nicht wahr? Wann hätte ich sonst jemals die Gelegenheit bekommen, ein solches Geschöpf zu … studierrren.«
»Studieren. Klar«, brummte Welf. »War’s das erst mal, oder brauchst du noch was, Zoracz?«
»Oh, unter diesen Umständen bin ich vollauf zufrieden mit dem Platz dort drrrüben in unmittelbarer Narchbarrscharrrft, vielen Dank, ja, ich weiß, viele Rs, meine Liebe, aber dieses Wort konnte ich mir doch nicht entgehen lassen.«
Dann lachte Zoracz sein etwas zu lautes und etwas zu künstliches Lachen, warf sich das Cape elegant über die Schulter und drehte sich grazil um seine eigene Achse wie ein Balletttänzer.
»Einen schönen Tag allerrrseits!«, rief er und stolzierte von dannen. Seine geheimnisvolle Begleiterin folgte ihm, doch Tom war nicht entgangen, dass sie ihn vorher noch einmal seltsam gemustert hatte.
Was will die denn von mir, warum guckt die mich immer so an?, dachte er und sah fragend zu Welf.
Der zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, vielleicht findet sie dich schnuckelig«, gab er zurück, und Tom sah seinen Onkel groß an.
»Wie hast du … Ich hab das gerade nur gedacht!«, zischte er. »Sag bloß, du kannst …«
»Deine Gedanken hören? Na ja, wenn du sie so laut rausposaunst, ist das keine Kunst«, erklärte Welf in ruhigem Tonfall. »Du musst endlich lernen, die telepathische Verbindung ein- und auszuschalten. Kann manchmal echt peinlich sein.«
»Peinlicher, als nackt vor euch rumzuhampeln?«, stöhnte Tom und spürte förmlich, wie seine Wangen knallrot anliefen.
»Nein«, antwortete Welf trocken. »Nichts ist peinlicher als das.«
Schockiert sah Tom ihn an, doch dann bemerkte er, wie einer von Welfs Mundwinkeln zuckte.
»Boah, du bist so gemein!«, lachte Tom und knuffte seinem Onkel gegen den Oberarm. Der lachte nun auch sein heiseres Lachen und boxte seinen Bonus-Neffen so hart zurück, dass der fast umgefallen wäre.

Kapitel 7: Pulsar fortis
Und das nennt ihr euren Happy Place«, murmelte Tom und sah sich um.
»Nur Mimi nennt es so, mir sind Anglizismen zutiefst zuwider«, erklärte der Vampir. »Aber ich kann nicht verhehlen, dass mir dieser Ort sehr zusagt. Schließlich habe ich ihn ganz nach meinem eigenen Geschmack erschaffen. Er vermittelt Ruhe, Gelassenheit …«
»Und den Geruch vergammelter Jahrhunderte«, brummte Tom.
»Ich riech nix, hihi!«, kicherte das Geistermädchen, während es fröhlich zwischen den uralten, windschiefen Grabsteinen herumflatterte. »Ich finde, es ist der schönste Friedhof auf der Welt.«
»Jenseits der Welt«, korrigierte Vlarad. »Nur hier sind wir wirklich sicher und ungestört.«
Tom kannte diesen Friedhof bereits. Es war ein von Vlarad künstlich geschaffener Ort irgendwo zwischen Raum und Zeit. Hier konnten die Bewohner der Schreckensfahrt nicht nur ungestört miteinander reden, sondern auch diverse Zauber ausprobieren, ohne aufzufallen. Sehr praktisch, wenn man zum Beispiel alles im Umkreis von fünfhundert Metern mit explodierenden Gänseblümchen übersät.
»Bitte lasst uns zur Sache kommen«, sprach der Vampir.
»Okay, du hast recht«, nickte Tom. »Also, ich fasse das mal zusammen: Auf dem Jahrmarktsgelände spukt es, richtig?«
Vlarad, Welf, Hop-Tep und Mimi nickten. Nur Wombie hatte ihm den Rücken zugedreht, aber das musste nichts bedeuten. Er stand halt zufällig gerade so herum und sah keinen Grund, sich umzudrehen.
Tom fuhr fort: »Und dass es ein sogenannter Pulsar fortisist, erkennt ihr an der Art und Weise, wie er Wombie und Hop-Tep attackiert hat.«
»Nicht nur wie, sondern auch weil er angegriffen hat«, ergänzte Mimi. »Weißt du, es gibt sogenannte Emergiae wie mich. Also Geister, die man sehen kann und die Tag und Nacht rumfliegen, plappern und Geräusche machen. Nur können wir eben nix anfassen oder gar festhalten.«
Hatte Tom da gerade einen Anflug von Traurigkeit in Mimis Stimme gehört? Wenn ja, hatte sie sich schnell wieder im Griff. »Und es gibt die Pulsari, besser bekannt als Poltergeister. Die können Sachen anfassen und auch festhalten. Allerdings nur in der Nacht, sie vertragen Sonnenlicht genauso wenig wie Vlarad.«
»Und wenn sie stark genug sind, um Zeug rumzuwerfen, werden sie richtig unangenehm«, ließ sich Welf vernehmen.
Der Vampir nickte zustimmend. »Das nennt man dann schlussendlich einen Pulsar fortis, also einen besonders mächtigen Poltergeist. Diese gelten als extrem aggressiv, gewalttätig und unberechenbar.«
»Das … ist keine schöne Mischung«, murmelte Tom. Doch dann riss er sich zusammen und setzte seine Zusammenfassung fort: »Immerhin wissen wir jetzt, mit was wir es zu tun haben. Außerdem tauchte dann auch noch dieser nervige Zoracz auf …«
»Mit seiner nervigen Begleiterin«, warf Mimi ein, und Tom seufzte. »Können wir das bitte ein anderes Mal diskutieren?«
»Wieso diskutieren? Was gibt’s da zu diskutieren, bitte schön?«, schnappte Mimi zurück. »Die ist ja wohl doof, die Tussi! Wie die schon immer schaut, und außerdem ist sie gemein zu Welf.«
»Eigentlich war sie diesmal recht friedlich und außerdem …«, begann Tom, doch ein energisches Abwinken von Welf ließ ihn verstummen. »Ähm, egal, um die Frau geht’s jetzt gar nicht.«
»Tussi«, maulte Mimi.
»Von mir aus«, stöhnte Tom, und er bemerkte sehr wohl, dass Vlarad und Welf sich ein Grinsen nicht verkneifen konnten. »Also der doofe Zoracz ist jetzt auch wieder da und wollte unseren Platz, den er angeblich reserviert hatte. Konntest du dazu was rausfinden, Mimi?«
Mimi war zwar anzumerken, dass sie immer noch genervt war, doch sie gab sich nun betont sachlich. »Ich hab mir den Belegungsplan vom Barthelmann angesehen, er hängt in seinem Bauwagenbüro. Da ist Zoracz eingezeichnet, aber nicht da, wo wir stehen, sondern gegenüber. Also da, wo er nun auch tatsächlich steht.«
»Diese Mistmade!«, rief Tom wütend. »Der wollte uns tatsächlich einfach nur Arbeit machen!«
»Oder einmal mehr versuchen, herauszufinden, wie wir die Schreckensfahrt so schnell auf- und abbauen«, sprach der Vampir nachdenklich. »Er schnüffelt nur zu gerne herum, wenn wir mit ihm auf der gleichen Veranstaltung spielen. Bislang konnten wir immer den richtigen Moment abpassen, allerdings wird es immer schwieriger, ihn zu bespitzeln und ein ums andere Mal zur rechten Zeit abzulenken.«
Tom legte die Stirn in Falten. »Warum hast du ihm eigentlich sofort von dem Poltergeist erzählt, Welf? Normalerweise erzählen wir dem Zoracz doch nix.«
»Er ist eine Zecke, aber er kennt sich auch verdammt gut aus«, antwortete der Werwolf.
»Das stimmt«, bestätigte der Vampir. »Zoracz weiß so viel über die Welt der Untoten, dass ich gelegentlich schon dachte, er wäre selbst einer.«
»Und? Ist er?«, fragte Tom.
»Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht«, seufzte Vlarad. »Ich tendiere dazu, dass er nur ein sehr neugieriger und dem Übernatürlichen recht aufgeschlossener Mensch ist. Wie dem auch sei, bei einem Poltergeist dieser Güte sitzen wir alle im selben Boot, und es wäre fahrlässig, ihm das zu verheimlichen.«
»Manchmal seid ihr aber auch ein bisschen ZU nett«, murrte Tom, doch Welf sah ihn streng an. »Sei froh. Genau das unterscheidet uns von Typen wie Zoracz.«
»Ihr habt ja recht«, lenkte Tom ein. »Aber ich fände es jetzt nicht so schlimm, wenn der Poltergeist dem Zoracz sein Spiegelkabinett zerlegt.«
»Ich auch nicht«, entgegnete Welf grinsend. »Aber ich hab ihn ja gewarnt.«
Tom sah von einem zum anderen, und er bemerkte, dass auch Vlarad amüsiert in den wolkenverhangenen Himmel blickte. Mimi kicherte leise, und es sah so aus, als ob Hop-Tep unter seinen frischen Bandagen breit zu grinsen schien.
»Gmmmnnhh«, machte sogar Wombie, der sich dafür tatsächlich den anderen zugewandt hatte.
Tom verstand, und dann grinste auch er. »Du … du hast ihn gewarnt, Welf. Aber du hast ihn vor allem neugierig gemacht! Du wolltest nämlich …«
»… dass er direkt da drüben aufbaut. Muss ja nicht immer nur bei uns rumspuken, das Ding. Und welcher Poltergeist widersteht ausgerechnet einem Spiegelkabinett«, antwortete Welf und verzog keine Miene. Doch schließlich konnte auch der sonst so bierernste Werwolf nicht mehr an sich halten und stieß ein paar heisere Lacher aus.
Alle anderen stimmten ein, und Wombie ließ sich zu einem besonders hingebungsvollen »Gmmmhh« hinreißen. Dabei streichelte er seinem Stoffhasen Odor über den Kopf, der das Ganze bestimmt auch saukomisch gefunden hätte, wenn er etwas anderes hätte tun können, außer höllisch zu stinken.
»Na gut, dann wär das schon mal geklärt«, sagte Tom, als er wieder sprechen konnte, ohne dauernd loszuprusten. »Aber es ist immer noch nicht wirklich klar, was wir nun eigentlich tun werden gegen den Poltergeist.«
Der Vampir legte nachdenklich die Hand an sein spitzes Kinn. »Ich kann dir nicht sagen, ob man gegen diese Erscheinung überhaupt etwas ausrichten kann. Jeder Spuk ist anders, jeder Geist folgt seinen eigenen Regeln und Zwängen. Manchmal kann man tatsächlich etwas tun, und manchmal ist man dazu verdammt, ohnmächtig zuzusehen.«
»Aber darum sind wir doch hiergeblieben!«, rief Tom, »Wir müssen die Menschen hier beschützen!«
»Logo«, antwortete das Geistermädchen. »Was Vlarad sagen will, ist, dass wir noch nicht genau wissen, wie wir das anstellen sollen.«
Tom hob seinen Blick und sah in die Runde. »Na, dann lasst uns das rausfinden. Und zwar möglichst schnell.«
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