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Tom nickte bedächtig. »Absolut. Genau da muss ein Foto hin, auf dem sich Hop-Tep an seinen eigenen Bandagen aus dem Fenster eines Museums abseilt.«
»Mit ’nem Voodoo-Dolch in der Hand?«
»Ganz genau.«
Mimi kicherte. »Stimmt, so ein Bild müssen wir unbedingt schießen, damit wir es genau da hinhängen können. Ich sag den anderen Bescheid, dass wir uns zehn Minuten früher treffen, okay?«
Tom grinste so breit, dass die Mundwinkel fast an seinen Ohrläppchen kitzelten. »Okay, Mimi.«

Kapitel 6: Voodoo im Museum
Tom hatte seinen Computer hochgefahren und alle um die beiden Bildschirme versammelt. Auf dem einen war eine Ansicht von oben des Essener Stadtteils Südviertel zu sehen. Der andere Bildschirm zeigte das Foto eines Dönerladens.
Tom klickte mit der Maus auf das Bild und verschob die Straßenansicht nach rechts. Ein zweistöckiger Altbau mit zwei kleinen Balkonen wurde sichtbar.
»Das ist es«, sagte Tom und deutete auf das Haus. »Also, zumindest ist das die Adresse von dem Museum, das Vlarad in dem Notizbuch genannt hat.«
»Das sieht aber nicht so wirklich nach ’nem Museum aus«, ließ sich Mimi vernehmen.
Doch Welf deutete auf eines der Fenster im Erdgeschoss. »Kann man das näher heranholen?«
»Näher nicht, aber ich kann die virtuelle Kamera in der Street-View-Ansicht direkt vor dem Fenster platzieren«, antwortete Tom und tat genau das, bevor Welf fragen konnte, was er damit meinte. Mimi war die Einzige aus der Gruppe, die sich mit Computern, Games und dem Internet auskannte. Die anderen hielten entweder nicht viel oder, in Vlarads Fall, gar nichts von alldem oder ignorierten die Existenz all dieser Gerätschaften genauso konsequent wie alles andere auf diesem Planeten – außer einem ganz bestimmten, übel riechenden Stoffhasen.
Tom las laut vor, was auf der weißen Tafel stand, die anstelle einer Scheibe in den Fensterrahmen eingepasst war: »SOA – Soul of Africa Museum! Tatsächlich, in diesem Haus ist ein Museum! Und laut der Internetseite gibt es dort tatsächlich einen kompletten, originalen Voodoo-Altar. Gespendet von Papa Joe – einem echten Voodoo-Priester aus den USA.«
»Aus Amerika?«, fragte Mimi verwundert. »Ich dachte, Voodoo ist irgendwas Afrikanisches?«
Hop-Tep schaltete sich telepathisch ein. Voodoo oder auch Vodun kommt in der Tat aus Westafrika. Die afrikanischen Sklaven brachten diese Religion mit aus ihrer Heimat, der man sie gewaltsam entrissen hatte.
Tom scrollte durch die Bilder auf der Website des Museums und fand schließlich eines, auf dem man den Altar sehen konnte. »Okay, das sieht echt … abgefahren aus …«, murmelte er. Er war ja schon vor seiner Zeit als Besitzer einer Geisterbahn mit echten Untoten einiges an Grusel gewöhnt gewesen. In dem Online Game World of WerWizards gab es jede Menge Ghule, Goblins, Orks und andere Gestalten, gegen die er zusammen mit seiner Gilde angetreten war. Aber der Anblick dieses Altars hatte Tom einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Was ihn besonders frösteln ließ, waren die bunten Glasbehälter, in denen sich tatsächlich Köpfe von Plastikpüppchen befanden, wie man sie aus dem Spielzeugladen kannte. »Wozu braucht man denn bitte Püppchen im Glas?«, stieß Tom hervor, während er sich durch eine Serie von Detailaufnahmen des Altars klickte.
Wieder antwortete Hop-Tep: Im Vergleich zu den Praktiken meines Vaters des Pharaos mutet das Abfüllen von Spielzeug in Flaschen eher harmlos an. Mein grausamer Vater hätte das Gleiche mit weniger leblosen Objekten getan, wenn er sich davon etwas versprochen hätte.
Tom schluckte. »Der … war nicht so arg nett, dein Vater, was?«
Du wählst das Mittel der Untertreibung, junger Freund, antwortete der ägyptische Prinz. Nicht ohne Grund entwendete ich ihm das Lazarus-Serum, wonach er sein Leben lang gesucht hatte, und schloss mich damit lebend in sein Grab ein.
»Wow …«, machte Tom. Da hatte Hop-Tep doch glatt mal eben in einem Satz erzählt, wie und warum es dazu gekommen war, dass er als untote Mumie zwischen ihnen stand: Sein Vater hatte das Serum der Unsterblichkeit entdeckt, doch sein Sohn wollte verhindern, dass der grausame Pharao ewig leben würde, und sperrte sich darum selbst mitsamt dem Wundermittel in das Grab seines Vaters.
Doch etwas an der Geschichte kam Tom komisch vor. »Ähm, aber sag mal, Hop-Tep, wozu hatte dein Vater denn ein Grab, wenn er eh vorhatte, ewig zu leben?«
»Hmmff hmmff hmmff«, lachte die Mumie dumpf in ihre Bandagen hinein und antwortete dann wieder telepathisch: Mein Vater hatte für alle Fälle vorgesorgt. Ein Luxus, den wir uns nicht erlauben können, junger Freund.
Die Mumie deutete auf den rechten der beiden Bildschirme, und Tom erkannte, dass es nun Zeit war, wieder zur eigentlichen Aufgabe zurückzukehren. »Du hast recht, Hop-Tep. Wir haben keine Zeit für einen zweiten Anlauf. Wenn wir den Voodoo-Dolch nicht gleich beim ersten Mal in die Finger bekommen, wird es verdammt schwierig. Wir haben dann nicht nur weniger Zeit für einen zweiten Versuch, sondern auch für die anderen beiden Dinger, die wir noch brauchen.«
»Na, dann klappt es eben gleich beim ersten Mal«, raunte Welf entschlossen. »Schau mal, da.«
Tom folgte Welfs Fingerzeig in Richtung des linken Monitors, wo nach wie vor der Voodoo-Altar zu sehen war. Er stutzte und kniff die Augen zusammen. Dann zoomte er in das Bild hinein … und tatsächlich: Hinter einer der bunten Flaschen war klar und deutlich der verzierte Griff eines Messers zu erkennen. »Ist das der Dolch, den wir suchen?«, fragte Tom aufgeregt in die Runde. Die Antwort gab ihm ein hopsender, quiekender Fellball. Vlarad der Hamster sprang wie ein Gummiball auf und ab und fiepste aufgeregt.
»Ich deute das mal als ein Ja«, lachte Tom und drehte sich auf dem Stuhl herum. »Also? Wir brauchen einen Plan, wie wir an das Messer kommen.«
»Ich hab einen«, antwortete Welf, und Tom sah ihn fragend an. »Echt? Das ging schnell.«
Welf zuckte mit den Achseln. »Ist ja auch nicht weiter schwer. Ich fahr nach Essen und hol den Dolch.«
»Aber … das ist kein Plan!«, rief Tom, doch der Werwolf stapfte bereits Richtung Tür und zog den Autoschlüssel aus der Lederjacke. Sofort sprang auch der Vampirhamster vom Tisch und sauste hinter ihm her.
»Welf! Warte! Hey! Ich komm mit!«, rief Tom, raffte schnell ein paar Sachen zusammen und wandte sich dabei an Mimi, Hop-Tep und Wombie. »Ich tu alles, damit wir pünktlich wieder da sind, bevor morgen um elf Uhr der Rummelplatz öffnet. Falls ich es nicht schaffe, hängt einfach das ›Vorübergehend geschlossen wegen technischem Defekt‹-Schild raus, okay?«
»Okay. Falls die Lieferung mit den Glühlampen kommt, kann die dann aber niemand von uns annehmen«, antwortete Mimi.
»Na ja, dann blinken die Augen von dem Uhu auf der Fassade eben noch ein paar Tage länger nicht. So sieht er eh viel gruseliger aus«, gab Tom zurück. »Vielleicht sind wir ja bald wieder da.«
Mimi lachte. »Hihi, also wegen dem Plastikvogel braucht ihr euch nicht zu beeilen, fahrt lieber vorsichtig und passt auf euch auf. Und falls was schiefgeht, denk dran: Foto machen.«
Tom grinste breit und nickte. »Unbedingt.«

Kapitel 7: Ein Dolch in Essen
Die Fahrt nach Essen dauerte nur eineinhalb Stunden und machte dank Welfs alten Musikkassetten sogar richtig Spaß. Tom liebte es nämlich, auf den Autofahrten in Welfs Ford Mustang im Handschuhfach zu wühlen und eine Kassette nach der anderen in das Autoradio zu schieben. Man wusste nie, was als Nächstes kam, denn die Beschriftungen lauteten immer gleich: Mixtape und dazu irgendeine Nummer. Der Hamstervampir saß die ganze Zeit im sicheren Schatten des geöffneten Handschuhfachs und wippte im Takt der Musik mit.
Gerade lief die uralte, knisternde Aufnahme eines Sängers, der zu einer ziemlich schepperig klingenden Gitarre sang. Eigentlich war der Song ziemlich eintönig, aber irgendwie ging Tom der klagende Gesang durch Mark und Bein.
»Wer ist das denn?«, fragte Tom, und Welf war anzusehen, dass ihn sein Interesse freute. »Das ist Robert Johnson. Er lebte im Mississippi-Delta, USA, Anfang des vergangenen Jahrhunderts, und ist bis heute der größte Bluesmusiker aller Zeiten.«
»Echt? Wow. Wie hat er das denn geschafft?«, fragte Tom beeindruckt.
»Ganz einfach«, antwortete Welf. »Er hat in einem Vertrag mit dem Teufel dafür seine Seele verkauft.«
Tom suchte im Gesichtsausdruck seines Onkels nach irgendwelchen Anzeichen von Ironie, fand aber keine. »Äh … echt jetzt?«
Welf nickte. »Ist unter uns Untoten eine ziemlich bekannte Geschichte. Und eine Warnung.«
»Eine Warnung?«, fragte Tom. »Du meinst, dass man seine Seele nicht dem Teufel verkauft?«
»Nein«, murmelte Welf, »dass man sich Verträge vorher genauer durchliest. Wir sind da.«
Welf parkte den großen Ami-Schlitten nicht direkt vor dem Museum, sondern in einer Seitenstraße. Jetzt, wo der Motor nicht mehr lief, fiel Tom auf, wie laut der Motor dieses Monstrums eigentlich war. Als sie ausgestiegen waren, hielt Welf, ohne hinzusehen, seine Hand auf. Der Hamster-Vlarad hopste hinein, und Welf steckte ihn wie selbstverständlich in die Innentasche seiner Lederjacke.
»Ist nicht das erste Mal, dass Vlarad sich in ein Spendertierchen verwandelt, oder?«, fragte Tom, und Welf nickte. »Hamster ist selten, aber generell, ja.«
Sie bogen um die Ecke und standen nun schräg gegenüber vom Eingang des kleinen Museums. Inzwischen war es Abend geworden, und gerade waren die Straßenlaternen flackernd angegangen. Tom blieb stehen.
»Hat es denn noch auf?«, fragte er Welf, stellte dann aber fest, dass der im Gegensatz zu ihm schon ein paar Meter weiter an einem Stromsicherungskasten lehnte und auf ihn wartete.
»Hey!«, rief Tom und schloss zu seinem Onkel auf. »Was hast du denn vor? Wir können doch nicht einfach …«
»Doch, das können wir«, antwortete Welf trocken, wie es seine Art war. Dann trat er hinter den Sicherungskasten, und Tom sah nur, dass er mit gespreizten Fingern ausholte und die verdammt langen, spitzen Nägel aus den Fingerspitzen schossen. Dann schlug er zu, als würde er den Stromkasten hinterrücks ermorden, und genau genommen war das ja auch der Fall. Denn der Verteiler hauchte mit einem Blitz sein Leben aus, und gleichzeitig verloschen alle Lichter in dem gesamten Straßenzug. Nicht nur die Straßenlaternen, sondern auch Fernseher, Zimmerlampen, Spielkonsolen, Kühlschränke, Staubsauger und alles andere, was auf Strom angewiesen war, hörte einfach auf zu funktionieren, und so wurde es nicht nur dunkel in der Straße, sondern mit einem Mal auch deutlich leiser.
Tom hörte einige erschrockene und erstaunte Stimmen, doch bevor er Zeit gehabt hätte, sich deswegen mitschuldig zu fühlen, vernahm er ein lautes, kurzes Knacken aus der Richtung des Museums und hob den Blick. Dort stand doch glatt die Tür halb offen, und jemand winkte ihm ziemlich deutlich aus dem Inneren, sich vielleicht endlich mal in Bewegung zu setzen.
Es war natürlich Welf, der wohl recht mühelos die Tür aus dem Schloss gedrückt und dann das Museum betreten hatte. Tom versuchte, so die dunkle Straße entlangzuschlendern, dass es irgendwie unauffällig aussah.
Was soll das werden?, zischte ihm Welf telepathisch zu. Ein Casting für Straßenpantomimen? Komm endlich her.
Tom legte augenblicklich einen anderen Gang ein und rannte los. Kaum war er durch den Eingang gewischt, hatte Welf auch schon einen Schirmständer gegen das Türblatt geschoben, damit die Tür aussah, als sei sie geschlossen.
»Woher weißt du denn, dass niemand da ist?«, flüsterte Tom seinem Onkel nervös zu.
Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es mir egal ist. Komm mit, antwortete Welf telepathisch, und Tom wurden zwei Dinge klar:
1. Welf war entweder der beste oder der schlechteste Einbrecher aller Zeiten.
2. Es war ganz schön hohl, zu flüstern, wenn man sich auch telepathisch unterhalten konnte.
Wie machst du das eigentlich, dass man nix hört, wenn du dich bewegst? Ich will das auch können!, telepathierte Tom seinem Onkel, der ganz normal die Treppen hochging, dabei aber nicht das leiseste Geräusch machte.
Ganz einfach. Lass dich auch von einem Werwolf beißen, antwortete Welf staubtrocken, und Tom schwieg.
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