Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren

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Im zweiten Weltkrieg hat meine Urgroßmutter den Zichorienkaffee selbst hergestellt. Dazu sammelte sie die Wurzeln der Kaffeepflanze im Herbst. Sie wurden von ihr zerkleinert, getrocknet und dann geröstet; sie bewahrte sie das ganze Jahr über in Kaffeedosen auf. Damals kannte auf dem Dorf jeder die Pflanze, die als blau blühende Wegwarte an Straßen- und Wegrändern wächst und von Juli bis September blüht. Aber auch in der Volksmedizin hat meine Urgroßmutter die Wegwarte noch verwendet, die sie auch „Wegelagerer“, „Blaue Distel“ und eben „Kaffeewurz“ nannte. Den Tee als Abkochung der Wurzel nahm sie bei Gallenleiden. Aus den frischen Wegwarteblüten stellte sie ein gesundes Kräutergelee her. Dazu ein altes Rezept meiner Urgroßmutter:
Die blauen Blüten werden zerschnitten, zerstoßen und mit drei Teilen Zucker vermischt. Sobald sich der Zucker aufgelöst hat, wird alles durch ein Tuch filtriert und in Honiggläser abgefüllt. Man kann’s kaum glauben, doch es trifft zu: Der rotblättrige, knusprig frisch schmeckende Radicchio stammt von der blaublütigen Wegwarte ab.
Bevor nun das Korn eingefahren werden konnte, musste man eine ganze Woche lang sonnige Tage haben. Sowie der Roggen in „Kaschde“ stand, gingen die Binderinnen bei Tagesanbruch zum Nachharken. Das wurde stets im Tau vor Sonnenaufgang gemacht. Beim Einfahren des Roggens wurde gewartet, bis der Morgentau sich aufgelöst hatte. Dagegen wurde das letzte Fuder erst am späten Abend ins Scheunentor gefahren.
Meine Eltern waren recht arm, sodass sich meine Mutter als „Magd verdingte“, um ein kleines Zubrot für ihre Familie zu verdienen. Sie arbeitete am Nachmittag beim reichsten Bauern des Dorfes; das war „Nauhausersch Peter“. Kaum zu glauben, was sich dann dort ereignete: 1944 kam eine junge Polin als Kriegsdeportierte auf „Nauhausersch“ Bauernhof. Sie musste dort hart arbeiten, aber es gefiel ihr dort. „Perersch“ Bauer hatte ein Auge auf sie geworfen, und zwei Jahre nach Kriegsende wurden beide ein Paar. Es war eine sehr glückliche Ehe, aus der fünf Kinder entsprossen.
Die erste und die letzte Garbe
Kultische Erntefeste sind so alt wie der Ackerbau. In der Bibel ist es Kain, der Ackermann, der „Gott Opfer brachte von den Früchten des Feldes“. Als der Mensch vor drei – oder viertausend Jahren bei uns sesshaft wurde, war dies nur möglich durch Bearbeitung und Bepflanzung der Scholle.
Auch die heidnischen Erntefeste unserer Vorfahren, Kelten und Germanen, schlossen kultische Opfer an Früchten des Feldes für ihre Götter ein: Baldur, der Gott des Lichts, der Frühlingsgott, der Gott der Fruchtbarkeit, stand bei den Germanen in besonderem Ansehen.
Erntefeste wurden in der Zeit, als noch 80 Prozent unserer Bevölkerung auf dem Lande lebte, als jeder Erwachsene und jedes Kind bei der Ernte mit eingespannt wurden, und vor allem eine gute Ernte als gnädiges Geschenk des Himmels betrachtet hat und nicht von einer wissenschaftlich und technisch abgesicherten Landwirtschaft fast als selbstverständlich betrachtet wurde, in allem Überschwang gefeiert: zu Beginn der Ernte, während der Ernte und vor allem nach der Ernte.
Der Auszug aufs Feld geschah am ersten Erntetag meist nach einer Frühmesse, bei der die Erntegeräte gesegnet wurden. Vorm ersten Schlag schlugen die Knechte ein Kreuz über ihrer Sense, oder alle haben sich am Feldrand hingekniet, und die älteste Magd hat für alle das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis gebetet. Auf jeden Fall entließ der Bauer seine Leute mit einem Segensspruch. In manchen Gegenden marschierten die Schnitter und Schnitterinnen von einem Geiger oder Trommler begleitet aufs Feld.
Die erste Garbe steckte am Pferdegeschirr, die später zuerst gedroschen wurde. Zur Einfahrt wurden Wagen, Leute und Pferde, Peitschen und Hüte mit Bändern und Blumen geschmückt; es wurde gesungen, und oft war diese erste Ernte für die Armen des Dorfes oder der Stadt bestimmt.
Die ersten drei Früchte, Ähren, Beeren, Kartoffeln, Obst, hat man über die Schultern geworfen, hat sie in Kreuzform auf den Boden gelegt, oder hat ein Häuflein in bestimmten Baumstümpfen zurückgelassen: Ernte-Aberglaube! Gaben für die Kornmutter oder einen Waldgeist.
Die letzte Garbe spielte eine ebenso bedeutende Rolle wie die erste: unsere Vorväter glaubten, im Korn wohne ein Dämon, ein unberechenbarer Geist, der bald segens-, bald unheilvoll ins Leben der Menschen wirke. Die Schnitter störten ihn natürlich in seiner Ruhe auf, deshalb musste er von einem im Stück gemähten Feldes ins andere fliehen, bis ihm nur noch die letzte Garbe übrigblieb. In und mit ihr war der Korngeist dann endlich gefangen. In anderen Gegenden folgte man der Sitte, die letzten Ähren nicht zu schneiden, sondern stehenzulassen und so zusammenzubinden, dass sie wie ein Wesen mit Leib, Hals und Kopf aussahen.
Die Kornmutter oder Kornmuhme war eigentlich Frau Holle, Wotans Frau, die als altes Weib mit grauen Haaren, roten Augen und schwarzer Nase die Kinder schreckte, die im Kornfeld Blumen pflückten und dabei das Getreide zertraten. Oder sie stellte als Roggenmuhme die Erdmutter dar, die ihre kostbaren Garben schützt oder als Mittagsfrau darüber wacht, dass alle Schnitter ihre Mittagsruhe halten. So wurde ihr zu Ehren die letzte Garbe als Erntemutter zu einer Figur zusammengebunden, mit Kittel und Schürze bekleidet, möglichst recht dick, weil das Fruchtbarkeit bedeutete: Wunsch und Beschwörung zugleich.
Sankt Peter wurde in manchen Gegenden die letzte Garbe geweiht. Man ließ die Halme um eine Birke herum stehen, schmückte den Platz so, wie Petrus den Schnittern und Schnitterinnen später den Himmel schmücken soll, und umtanzte Korn und Baum wie den Maibaum.
Zum Winden des Erntekranzes nahmen die Mädchen alles, was Spätsommer und Frühherbst zu bieten hatte: Ähren und Feldblumen, Kräuter und Früchteketten und dazu bunte Papierstreifen, Gold- und Glanzpapier. Die Haferbraut, das Mädchen, das die letzte Garbe gebunden hatte, trug den Erntekranz feierlich vor dem Erntezug zum Gutshaus. Bei der Übergabe trug die Haferbraut ein Gedicht vor, Gruß, Dank und Segen für die Herrschaft und alle Arbeiter und Arbeiterinnen. Beim Erntetanz gab es bestimmte Regeln. Auf den Gütern begann der allgemeine Tanz nach dem Ehrentanz der Herrschaft, beim Dorffest tanzten Vorarbeiter und erste Schnitterinnen den ersten Ehrentanz, beim Hoferntefest tanzten Bauer und Bäuerin reihum und nacheinander mit den Schnittern und Schnitterinnen. Die große Mahlzeit beim Erntefest begann in den meisten Gegenden mit einem Gebet und einem Segensspruch für alle, die bei der Ernte geholfen hatten. Es gab auf jeden Fall besseres Essen als sonst. Oft wurde schon eine Kostprobe von dem aufgetischt, was gerade geerntet worden war. So stand ein ährengeschmückter Erntekorb auf dem Tisch, in dem die schönsten und größten Früchte aus dem Bauerngarten und vom Feld lagen. Zur Suppe und zum Fleisch gab es oft das erste Brot aus dem neuen Getreide, das mit besonderer Ehrfurcht gegessen wurde.
Gut gedengelt und gesenst
Im Hochsommer ganz früh am Morgen war mein Großvater schon am Sensendengeln. Sein Dengelplatz war unter dem großen Walnussbaum. Beim Schlagen der Sensenblätter – fast im Takt – wurden wir Kinder aus dem Schlag geweckt. Zuerst prüfte Großvater, ob das Sensenblatt noch scharf genug war. „Die Klinge muss so flach wie eine Rasierklinge sein“, sagte mein Großvater. Zuerst drehte er das Sensenblatt mit dem passenden Inbusschlüssel herunter und begann mit dem ersten Arbeitsschritt, dem Vordengeln. Er legte das Sensenblatt mit der Wölbung nach oben auf die Ambossauflage und begann am breiten Ende des Sensenblattes. Zum Dengeln nahm er einen schweren Schlosserhammer, der am stumpfen Ende leicht gewölbt war. Er hielt das Blatt immer gut fest. Beim Vordengeln ragte das Blatt etwa einen Millimeter über die Auflage des Ambosses hinaus. Großvater platzierte einen Schlag dicht neben dem anderen, bis er fast an der Spitze angelangt war. Seine Hammerschläge kamen nur aus dem Handgelenk heraus. Sie schallten weithin ins Dorf hinein.
Dann wurde der zweite und dritte Arbeitsgang mit jeweils leicht verschobenem Sensenblatt durchgeführt und die drei Gänge wiederholt. Mit dem Inbusschlüssel schraubte er das scharfe Blatt wieder fest. Wichtig beim Dengeln war das Wetzen zwischendurch. Dabei fuhr er von beiden Seiten mit der schmalen Seite des nassen Wetzsteins an der Klinge entlang. Nach getaner Arbeit brachte meine Großmutter eine „Butterschmeer“ und schwarzen Zichoriekaffee heraus.
Als es den „Wannerschdaach“ noch gab
Im Ostertal im Saarland spielte früher einmal der „Wannerschdaach“ (Wandertag) eine große Rolle im ländlichen Brauchtum. Der „Wannerschdaach“ war der 27. Dezember, also der Tag nach Weihnachten, im Kirchenjahr der Tag des Apostel und Evangelisten Johannes. An diesem Tag wechselten früher die Knechte und Mägde ihre Stellung auf den Bauernhöfen und verabschiedeten sich mit einem Tanzabend. Es war der „Johannisball“ am Tag nach Weihnachten. In manchen Gegenden bestand früher die weit verbreitete Ehesitte des „Weiberdingete“. Der Ehemann dingte seine Frau am Johannistag für das kommende Jahr, führte sie formvollendet ins Wirtshaus und lud sie zu einem Festessen ein. Sie musste dabei den Wein zahlen, wobei sie damit dem Handel zustimmte und sich symbolisch für weitere zwölf Monate verpflichtete: Sie wurde „gedingt“.
Erklären wir zunächst einmal die Bedeutung der Wörter „Ding“ und „dingen“. Ein „Ding“ (germanisch „thing“) war bei den Germanen ein Ort der Volksversammlung und eine Gerichtsstätte. „Dingen“ bedeutete ursprünglich „zu Dienstleistungen gegen Entgelt verpflichten“ also „in Dienst nehmen“. Vielfach gibt es heute noch alte Flurnamen mit der Bezeichnung „Ding“. Ich selbst habe 1974 auf der Gemarkung Hoof im Ostertal auf der Flur 176 „Auf dem Ding“ gebaut. Hier muss also einst eine Gerichtsstätte gewesen sein.
In den Dörfern des Ostertales war früher einmal der „Wannerschdaach“ für die Bauern, ihre Knechte und Mägde, der wichtigste Tag im Jahr. Wenn ein Bauer eine neue Magd oder einen neuen Knecht dingte, so begann das Dienstverhältnis am Tag nach Weihnachten. Es dauerte in der Regel bis zum 27. Dezember des folgenden Jahres. Wenn beiderseits keine Kündigung erfolgte, so verlängerte sich das Arbeitsverhältnis noch einmal um ein Jahr. Die Ostertaler Bauern gingen wohl beizeiten auf die Suche, um einen neuen Knecht oder eine neue Magd einzustellen. Mit Pferdefuhrwerk, Kutsche, Ochsengespann oder in strengen Wintern mit dem Pferdeschlitten holte der Bauer die neu gedingte Arbeitskraft an deren Wohnort ab. Verkehrsverbindungen in gewohntem Sinne gab es ja schließlich noch keine. Die eingestellten Knechte und Mägde packten ihre wenigen Habseligkeiten ganz einfach in eine Holzkiste.
Die Tage vor dem „Wannerschdaach“ warteten die Dorfbewohner gespannt auf die verschiedenen Neuankömmlinge, die ins Dorf kommen sollten. Mägde und Knechte, die bei ihren Bauern bleiben konnten, kamen allerdings auch nicht ungeschoren davon. Sie mussten der heimischen Dorfjugend Schnaps, Bier und Wein spendieren, wobei gerade der Wein am Johannistag im Hinblick auf das kommende Jahr als segensreich galt. Die neu angekommenen Mägde und Knechte brachten frisches Blut in die Dörfer, fand doch so mancher in den folgenden Jahren hier seinen Ehepartner.
Den „Wannerschdaach“ feiert man auch heute noch im Ostertal, wenn auch in ganz anderer Form. Vereine und Gruppen unternehmen ausgedehnte Wanderungen über die Gemarkungen und die Dörfer. Immerhin haben viele zwischen Weihnachten und Neujahr frei und somit Zeit, die nähere Umgebung auf Schusters Rappen zu erkunden, um dann zum Abschluss des Marsches gemütlich in einer Gastwirtschaft einzukehren.
Schalmeien am Kuckuckstag
Wunderschöne Erinnerungen an meine frühe Kindheit sind mit dem Ruf des Kuckucks verbunden. Bei uns im Dorf war der 15. April der „Kuckuckstag“. Er wurde auf dem Land als Familienwandertag genutzt. Mit meinen Großeltern machte ich einen Waldspaziergang, um den scheuen Waldvogel das erstemal zu hören. Allerlei Aberglaube rankte sich um den ersten Ruf des Kuckucks. Hatten wir kein Geld in der Geldbörse, so blieb man das ganze Jahr über pleite. Wir Kinder aber durften einen Glückspfennig in der Hosentasche tragen. Großvater glaubte daran, so viele Jahre noch zu leben, wie man den Kuckuck rufen hörte. Dabei schnitzte Großvater Schalmeien, Flöten aus Hasel- oder Weidenrinde, die jetzt wieder voll im Saft stand und sich leicht mit dem Taschenmesser abschälen ließ. Mit den Schalmeien ahmten die Kinder den Ruf des Kuckucks nach: „Kuck-kuck, Kuck-kuck …!“ Das erste „Kuckucksbrot“ wurde an diesem Tag im Wald gegessen, die herbsäuerlichen Blätter des Waldsauerklees. Daheim bereitete Großmutter einen erfrischenden Salat aus Sauerklee.
Nachdem wir genug geflötet hatten, pflückten wir die ersten Veilchen im Wald. Als Frühlingssymbol stellte Großmutter einen duftenden Veilchenstrauß in die „gudd Stubb“ („Gute Stube“). Aus den Veilchenblüten stellte sie eine köstliche Frühlingsbowle her.
Zur gleichen Zeit wie der Kuckuck kamen auch die Schwalben aus ihrem Winterquartier im fernen Afrika wieder zurück. Darauf warteten wir immer sehnsüchtig, galten doch die Schwalben auf den Dörfern als Symbol für Gesundheit und ein glückliches Familienleben. Im Stallgebäude unseres benachbarten Bauernhauses nisteten alljährlich um die zwanzig Hausschwalben, unter dem Dachfirst etwa zehn Mehlschwalben. Bei uns unterm Dachfirst nisteten sechs Schwalbenpärchen. Im Frühjahr 1947 blieben die Schwalben bei uns aus. Der Grund war, das die Vögel in dem sehr trockenen Frühling in unserer Nähe keinen feuchten Lehm zum Ausbessern ihrer Nester fanden. Und im gleichen Jahr starb dann meine Urgroßmutter im Alter von 98 Jahren.
Im sommerlichen Schwirrflug der Schwalben über das Dorf konnte mein Großvater das Wetter ablesen. Flogen die Schwalben hoch in der Luft, dann sollte es schönes Wetter geben; „fischten“ die Schwalben über dem Weiher, dann sprach er von Regenwetter. Und da war schon was Wahres dran.
Das Brauchtum des Maisingens
Ich erinnere mich an meine frühe Kindheit, als ich mit meiner Mutter alljährlich am 1. Mai den weiten Weg von Steinbach nach Werschweiler ging, um dort den uralten Brauch des Maisingens mitzuerleben, der noch heute im Dorf gepflegt wird. Mit diesem alten Brauch wird der Frühling eingeläutet und herzlich begrüßt. Schon vier bis fünf Wochen vor dem großen Tag beginnen die ältesten Schulmädchen mit den Vorbereitungen. Mittels „Mund-zu Mundpropaganda“ werden die jüngeren Mädchen zum Einstudieren von Liedern eingeladen. Zwei- bis dreimal pro Woche werden fleißig Frühlingslieder und Maienlieder eingeübt. Von „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an …“ über „Komm lieber Mai und mache …“ und „Alle Vögel sind schon da …“ bis „Der Mai ist gekommen …“ müssen alle Lieder von der ersten bis zur letzten Strophe eingeübt werden.
Zwei Tage vor dem eigentlichen Maisingen am 1. Mai ziehen die ältesten Mädchen mit einer Säge, einem Handkarren und viel guter Laune begleitet, in den nahen Wald. Dort wird ein schöner Birkenbaum – nicht zu groß und nicht zu klein – ausgesucht und gefällt. Auch werden viele Birkenzweige und andere schon belaubte Zweige mit nach Hause gebracht. Diese müssen eingeweicht und am nächsten Tag „abgezogen“ werden. Ein Tag vor dem Singen sammeln die Mädchen des Dorfes eifrig bunte Frühlingsblumen. Mit diesen Blumen und den Zweigen winden die älteren Mädchen kleine Blumenkränze. Jedes Mädchen erhält sein eigenes „maßgeschneidertes“ Kränzchen. Am gleichen Tag wird beim zweitältesten Mädchen der Birkenbaum mit bunten Bändern und Blumen aus Krepppapier geschmückt. Die letzte Nacht vor dem 1. Mai, die Walpurgisnacht („Hexennacht“), verbringen die „Organisatoren“ bei den Kränzchen und dem Maibaum. Große Aufregung und Spannung herrscht am folgenden Morgen. Schon um acht Uhr treffen sich alle Sängerinnen und erhalten als Kopfschmuck die Blumenkränzchen.
An der Spitze des Zuges ist der buntgeschmückte Maibaum. Dahinter gehen viele singende, mit Blumen geschmückte Mädchen, die von Haus zu Haus ziehen, um mit Frühlingsliedern die Leute zu erfreuen. In Eimern, Schüsseln und Körben werden Eier, Margarine, Speck und Geld gesammelt. Gegen Mittag ist der anstrengende Umzug beendet. Alle haben eine große Portion Rührei, Spiegelei oder Speckeier verdient, die beim ältesten Mädchen gegessen werden. Mit dem Gedanken, im nächsten Jahr bestimmt wieder dabei zu sein, endet nach dem schmackhaften Mahl das alljährliche „Maisingen“ der Werschweiler Mädchen.
Neue Besen kehren gut – In der Besenbinderstube meines Großvaters
Unsere Vorfahren kehrten mit Besen („Hexenreisern“) die Winterunholde, bösen Geister und Dämonen aus dem Haus, und der gesellig wachsende Besenginster war im Mittelalter ein wirksamer Schutz gegen Hexerei. Seine harten, zweigähnlichen Stängel wurden auch als Kaminbesen genutzt, wodurch verständlich wird, dass die Hexen nach dem endgültigen Sieg des Frühlingsgottes über die Mächte der Finsternis auf einem Besen reitend das Haus durch den Schornstein verlassen: Hexennacht – Walpurgisnacht.
Einzelne Besenruten lagen früher auf dem Küchenschrank und die Buben hatten einen Heidenrespekt davor. Das war der Schlagbesen des Vaters, der damit den Ungehorsam der Kinder bestrafte. Doch die strafende Rute des Nikolaus war ursprünglich das Reis, das Symbol der Fruchtbarkeit, durch dessen Berührung mitten im Winter die Hoffnung auf das Licht der Sonne wachgerufen wurde: Das Reis war die Lebensrute.
Das früheste geflügelte Wort aus dem deutschen Sprachschatz stammt aus Freidanks „Spruchdichtesammlung“ (um 1230), betitelt „Bescheidenheit“: „Der niuwe beseme kert vil wol, e daz er stoubes werde vol“: „Der neue Besen kehrt sehr wohl, eh’ dass er Staubes werde voll.“ Daraus wurde das sprichwörtlich gebrachte „Neue Besen kehren gut“. Der Besen, das „Zusammengebundene“, war der „Staubsauger“ unserer Vorfahren.
Zu den bäuerlichen Winterarbeiten gehörten früher neben dem Flechten von Körben, Stühlen und Kuchendeckeln und dem Binden von Besen auch das Herrichten des Geschirrs und der Zugseile, das Ausbessern der Wagen und Wagenräder, das Schärfen der Äxte und Beile und das Anspitzen der Bohnenstangen.
Auf den Bauernhöfen standen neben den Obstgärten gewöhnlich an den Grenzen zu den Nachbargrundstücken sogenannte „wilde“ Bäume: Birken zur Erlangung der nötigen Besenreiser, ein paar Weiden für Körbe, Stühle, Mulden, Schippen und Tröge, dazu Eschen, die jährlich geköpft wurden, so dass man die schlanken Zweige binden und zum Trocknen an Zäunen aufrichten konnte. Im Winter wurden sie den Schafen auf die Hilte gegeben. Die Tiere fraßen Blätter, kleine Zweige und die Rinde. Von den dicken Astteilen nagten sie den Bast ab. Mit diesen abgenagten Ästen wurden Zäune repariert und gebaut. Zwei bis drei Eichen standen auf dem Hof. Sie gaben Futter für die umherlaufenden Schweine. Schließlich gab es da noch den Walnussbaum und den Holunderstrauch, letzterer dicht an der Hauswand zur Abwehr von winterlichen Dämonen und Bereitung von heilenden Wintertees.
Ferne Erinnerungen an Groß- und Urgroßvaters Zeiten werden wach. Erinnerungen an die heimelige Atmosphäre in der gemütlich warmen Besenbinderstube: In mehreren Reihen lagen dicke Birkenreiser-Bündel („Birkenhecken“) mit Ruten verschiedener Länge auf den Dielen. Im November wurden die Besenreiser draußen geschnitten, an Ort und Stelle die abstehenden Seitentriebe um die innere Rute aufgedreht und die Nebenästchen am Reiseranfang ausgeputzt. Über Winter wurden die Besenreiser auf dem Speicher getrocknet.
Am besten waren Reiser von sieben – bis achtjährigen Birken, weil sie noch schlanker und biegsamer sind als Ruten von älteren Bäumen . Diese sind meist zu storzig und brechen leichter. In d er Besenbinderstube wurden die Reiser der Länge nach sortiert. In jede Hand kamen sieben lange Ruten, wurden nach unten fest zusammengedreht, über dem Knie mit einem Ring gespannt, die beiden Bündel überkreuzt und zum „Geißfuß“ zusammengesteckt. Weitere Ringe aus Draht oder Seil – sechs bis sieben an der Zahl – wurden nach und nach um die gedrehten und gespannten Reiserbündel gesetzt. In einem der mittleren Ringe steckte man dann kürzere, etwas angespitzte Ruten rundum ein, bis der Besen eine bestimmte Handlichkeit hatte und die Kehrseite „bauschig“ wurde. der Griff wurde „bündig“ geschnitten, noch vorhandene Stielreste glatt abgeschnitten, damit die Finger beim Kehren nicht aufrissen. Zum Schluss wurden die überstehenden Rutenspitzen an der bauschigen Kehrseite des Besens abgeschnitten.
Für die Herstellung der Besenringe haben früher die Besenbinder keinen Draht verwandt – der war zu teuer – sondern „Hassele-Stecke“ (Haselstrauch), die „Scheenstecke“. Die „Hassele“ waren etwa 1,50 m lang und so dick wie Flaschenköpfe. Die „Stecke“ wurden am Ende eingekerbt, von d en Kerben aus die Rinde in ½ cm breiten Riemen (Schalen oder Schienen) abgeschält. Die abgeschälte Rinde war das Flechtmaterial für das Zusammenbinden der Besenreiser.
Jeder Hof hatte früher ein ganzes Sortiment von Besen, zumeist aus Birkenreisern gebunden. Seltener waren Strohbesen, ganz selten Ginsterbesen. Letztere waren kurz und mit einem Stock versehen.
Die Besen fanden eine vielfältige Anwendung. Die Häuser wurden gekehrt, der Stall, der noch ungepflasterte Hof, die Scheune, die Wege, der Misthaufen, Laub im Herbst und Schnee im Winter.
„Nichts wurde unter den Tisch gekehrt“ bei unseren Vorfahren. Doch den „Dorfbesen“ gab es überall. Doch auch diese Zeiten sind längst vergangen: „Damals auf dem Dorf war vieles anders.“
Vom Pflügen, Eggen und Säen unserer bäuerlichen Vorfahren im März
Je nach Witterung begann die Arbeit des Bauern auf dem Feld Anfang/Mitte März. Oft hielt er sich auch an alte Kalendersprüche und Wetterregeln.
Am frühen Morgen wurden Pflug und Egge aus dem „Schuppen“ geholt und der Ochse wurde vorgespannt. Kühe wurden seltener verwendet, um die harte Pflugarbeit zu verrichten, weil der Milchertrag darunter litt. Oder ein Pferdegespann verrichtet die harte Arbeit. Das Pflügen selbst erforderte Kraft und Geschicklichkeit. Der „Pflugheber“, gewöhnlich war es der Bauer selbst oder der Großknecht, musste die Pflughörner richtig niederdrücken, damit das Pflugeisen in der entsprechenden Tiefe weiterging. Knapp hinter dem Pflug gingen die „Hauerinnen“, welche mit ihren Hauen die ausgehobene Erde zerkleinerten und ebneten. War nun der Boden durch den Pflug umgerissen und der Dünger in die Erde eingeackert, kam die Egge dran. Die Egge zerteilte die aus dem Grund gewühlten Schollen, was durch oftmaliges Überfahren erreicht wurde. Dann wurde gesät. Der Bauer in Hemdärmeln trug im Fürtuch den Samen und streute ihn mit voller Hand möglichst gleichmäßig nach links und rechts aus, ein heikles Geschäft, da der Samen weder zu dünn noch zu dicht liegen durfte. Im letzteren Falle nämlich wird das Wachstum gehemmt und erfordert ein späteres Jäten, damit die Halme zu Luft kommen. Um das Wachstum der Aussaat zu fördern, pflegte man die Körner einige Zeit vor dem Säen zu „kalken“, das heißt, man setzte ihnen Kalk mit Wasser gemischt bei.
Auf gleiche Weise wie die Aussaat des Roggens und Weizens ging auch die der Gerste und des Hafers vor sich, wofür man nach alter Gepflogenheit der Benediktustag (21. März) bestimmt war. Überhaupt hatte der Bauer früher fast für jede Fruchtgattung einen bestimmten Tag zur Aussaat. So sollten zum Beispiel die Hülsenfrüchte, die Bohnen und Erbsen, am Karfreitag gesetzt werden, auch Flachs am Karfreitag.
Während der letzten Tage der Karwoche ruhte in der Regel die Feldarbeit. Man brachte die Tage in frommer Trauer und gewissenhaftem Fasten zu, wofür man sich dann am Ostersonntag durch einen lukullischen Schmaus und am Ostermontag und Dienstag durch verschiedene Lustbarkeiten entschädigte.
Nach den Feiertagen kam dann ein weiteres Stück Arbeit, das Bauern und Knecht und die Ochsen richtig schwitzen ließ. Es begann die Bestellung der Kartoffeläcker. Man pflanzte die Erdäpfel, auch Grundbirnen genannt, gewöhnlich auf trockenen Sandboden, der zwar keine so reiche Ausbeute, aber Kartoffeln von vorzüglicher Güte liefert. Das Geschäft des „Setzens“ fiel gewöhnlich den Bäuerinnen und Mägden zu. Die Magd hackte mit der Karst die Grube aus und warf aus dem zu einem Sack gebundenen Tuch die Setzkartoffeln hinein. Durch das Aushauen der folgenden Grube wurde die vorangegangene, schon besetzte, zugeschüttet. Waren zwei Mägde da, so haute die eine und die andere setzte.

