Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren

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„Wenn dem Bauern das Vieh steht
und die Frauen sterben,
kommt die Wirtschaft vorwärts.“
Man muss bei diesen Sprüchen, die so kaltschnäuzig klingen, bedenken, dass vor zweihundert und mehr Jahren die Sterblichkeitsquote gerade junger Frauen sehr hoch war. Viele starben im Kindbett, und kein Arzt konnte sie damals retten. Man nahm das ebenso gottergeben hin wie die enorm hohe Säuglingssterblichkeit.
Der Bauer aber blieb nie lange Witwer, sondern sah sich in der Nachbarschaft nach einer geeigneten Frau um, die ihm die Hauswirtschaft führen und die Kinder erziehen konnte. Wenn sie ihm überdies noch etwas Heiratsgut in die Ehe mitbrachte, war er’s zufrieden.
Anders dagegen war es mit dem Vieh. Bis zum Beispiel eine Kuh das erste Kalb werfen kann, verzehrt sie soviel, wie an Leistungsfutter zur Erzeugung von etwa 7000 Kilogramm Milch erforderlich ist. Es kostet also etwas, bis eine Kuh ihre erste wirtschaftliche Leistung vollbringen kann, abgesehen davon, dass die Milchergiebigkeit erst beim vierten Kalb die volle Höhe erreicht hat. Bis dahin aber kostet das Tier mehr als es einbringt, wenn man davon absieht, dass nicht alle Kälber aufgezogen werden, sondern manches auch der Fleischversorgung dient.
Man sah deshalb allezeit darauf, dass die Kühe nach den ersten niedrigen Ertragsjahren noch lange eine hohe Leistung vollbringen konnten, weshalb eine Bauernregel rät:
„Soll sich lohnen deine Mühe,
halt’ dir viele alte Kühe!“
Für die Bauernburschen stand jedenfalls vor einigen hundert Jahren fest, wenn sie ins heiratsfähige Alter kamen:
„Ein Bauer bekommt leichter eine Frau als eine Kuh.“
Anscheinend wurde solch bäuerisches Denken nicht krumm genommen:
„Wer den Dreschflegel ergreift,
muss die Geige vergessen.“
„Bauernköpfe – harte Knöpfe.“
Als Kind schon mussten die Jungen und Mädchen in der Landwirtschaft mitarbeiten, damit man vielleicht einen Knecht oder eine Magd sparen konnte. Oft kam dabei die Schulbildung zu kurz, und erst als es Pflicht wurde, die Kinder zur Schule zu schicken, gab der Bauer nach:
„Ein Maul voll Gras fürs Vieh ist dem Bauer lieber als eine Schulstunde für seine Kinder.“
Und wenn der Städter verächtlich die Nase rümpfte: „Von Bauern kommen Bauern her „, dann konterte er vielleicht: „Besser verbauert als versauert.“
Die Bauern von heute sind anders gebildet als ihre Vorfahren. Wer Landwirt werden will, besucht meist eine gute Schule, an die sich noch ein oder zwei Jahre Landwirtschaftsschule anschließen. Drei Jahre Lehre als Landwirt und, wenn zum Hof des Vaters ein paar Hektar Wald gehören, eine weitere Lehre als Forstwirt kommen dazu. Und dann kennen sie sich – als Meister ihres Faches – mit den modernen landwirtschaftlichen Maschinen und Methoden aus.
Vom krumm und bucklig Schaffen der Bauern
Ein Bauernleben kannte früher nur wenig Verschnaufpausen. Tagein, tagaus wurde gerackert und geackert und der Buckel krummn geschuftet.
„Wenn der Bauer nicht krumm gehen kann, ist der Acker übel dran.“
„Wenn sich der Bauer nicht bückt, wird der Acker übel gepflügt.“
Immer wieder machten ihm die Sinnsprüche Mut, die er in den Kalendern las oder sich selbst erdachte, wenn die harte Arbeit ihn fast schaffte: „Das beste Wappen in der Welt ist der Pflug im Ackerfeld.“ „Glückselig ist der Mann, der mit seinem Ochsen ackern kann.“ „Bauernarbeit erhält das Leben.“ „Fleißige Arbeit ist gewisser Reichtum.“ „Schmutzige Hand – segnet das Land.“
Erneut klingt Stolz aus den Reimen: „Wer stets im Treuen schafft sein Sach’, darf stolz sein auf sein Tor und Dach. Es sitzt kein Fürst so hoch im Land, er nährt sich durch des Bauern Hand.“
Und man deutete den Spruch auch recht derb um: „Wenn die Bauern nicht arbeiteten, dann könnten die Könige nicht kacken.“
Wer im Dorfe herumschwänzte, der schadete sich selbst. Und wer spazieren ging oder hinter dem warmen Ofen süßem Nichtstun frönte, der brachte es zu nichts.“
„Wenn der Bauer durchs Feld spaziert,
dann ist sein Weizen mit Unkraut geziert.“
„Faul in der Arbeit und fleißig im beten
ist Orgelspiel ohne Balgentreten.“
„Faule Bauern finden keinen guten Acker.“
„Sonnenscheu und Ofenwarm’
macht die reichsten Bauern arm.“
Wer aber mit der Sonne aufstand, dem ging sein Tagewerk frisch vonstatten:
„Ein früher Bauer kommt nicht um.“
„Steh’ auf um fünf,
iss mittag um neun,
des abends um fünf
und zu Bett um neun –
so wirst du ein Mann
von neunzig und neun.“
Sicherlich war der Tagesablauf auf dem Lande trotz der Schwere der Arbeit gesünder zu nennen als der in der Stadt. Der Bauer kannte seine Pappenheimer, die seinem guten Vorbild nicht nacheiferten und von denen er sagte:
„Geht die Sonne nach Westen, arbeiten die Faulen am besten.“ „Beim Sonnenschein schlafen und beim Mondenschein wachen, wird niemand zum reichen Manne machen.“
Der Sperling auf dem Dach
Ein Sperling pfeift auf einem Dach
sein Trillerlied ins Tal hinab.
Die Bäu’rin hört es und sie lacht:
„Ich weiß schon alles,
was im Dorf ging ab.“
Der Spatz hält an, erstaunt und fragt:
„Wer hat dir das denn schon gesagt?“
„Das war der Hahn
hoch oben auf dem KIrchenturm,
der blickt ins Dorf den ganzen Tag,
bei Sonnenschein, bei Wind und Sturm,
und kräht uns dann,
mir und der Magd,
die Neuigkeit in mein Gemach,
den Ratsch und Klatsch,
auf den ich immer wart’.
Ich hab zum Hahn
ein heißer Draht.“
Die Bäu’rin sagt:
„Ich hab den Spatz gern in der Hand,
noch lieber als dich Sperling auf dem Dach.“
Der Sperling schaut sie böse an:
„Ich pfeife alles deinem Mann.
Ich hab den Knecht mit dir geseh’n,
heut Nacht wohl in die Scheune geh’n.
Was habt ihr da gemacht
im Dunkel in der tiefen Nacht?“
Die Bauersfrau läuft rötend an,
und dreht dem Spatz den Stinkefinger zu:
„Lass mich in Ruh,
das geht dich gar nichts an!“
„Maikäfer, flieg …“
Viele Kinder kennen heute den braunen Brummer nur noch von Bildern oder als Schokoladekäfer in Konditoreien. Und der Liedermacher Reinhard Mey hatte doch recht, als er einst sang: „Es gibt keine Maikäfer mehr …“
Er war neben dem Marienkäfer, der im Volksglauben als Glücksbringer gilt, der volkstümlichste aller Käfer. Doch allzu fern sind die Tage unserer Kindheit, als dieser Käfer an lauen Maiabenden in Massen die Gärten und Felder durchschwärmte und wir die noch klammen und steifen Brummer am frühen Morgen von den Bäumen schüttelten. Damals galt er als Schädling. Ganze Schuhschachteln voll wurden von uns Jungen gesammelt, und – welch grausames Spiel – den Hühnern als Delikatesse zum Fraß vorgeworfen. Wenn man heute noch einen findet, gilt er bei Kindern als Kostbarkeit.
„Jeder weiß, was so ein Maikäfer für ein Vogel sei“, dichtete Wilhelm Busch, der den Maikäfer in deutschen Landen so populär machte.
„In den Bäumen hin und her
fliegt und kriecht und krabbelt er.
Auch in Onkels Fritzens Bette“,
in das die bösen Buben Max und Moritz die Käfer versteckten.
Im Volksglauben unserer Vorfahren spielte der Deutschen Lieblingskäfer eine große Rolle.
Obwohl die Tiere in so genannten Maikäferjahren alles „ratzekahl“ abfraßen, findet man in alten Quellen keinen Spruch, der vor den Maikäfern gewarnt hätte – im Gegenteil:
„Maikäferjahr – gutes Jahr“ findet man da in alten Bauernweisheiten. Oder es heißt: „Der Maikäfer Menge bedeutet der Schnitter Gedränge“; „Sind der Maikäfer und Raupen viel, steht eine reiche Ernte im Ziel“; „Sind die Maikäfer angesagt, wird ein Schoppen mehr gewagt“; „Viel Maikäfer lassen ein gutes Jahr hoffen“. Schließlich galt dieser Käfer auch als Wetterprophet für den anderen Tag: „Fliegen Maikäfer abends rege herum, so folgt ein schöner Tag.“
Die Volkskunde wusste von allerlei Verwendungsarten der Käfer zu berichten: In Schlesien wurden die Käfer in Butter gebraten und mit Brot verzehrt. Der Schmaus half angeblich gegen alle möglichen Krankheiten. Die Köpfe allein sollten Fieber heilen und Maikäferpulver sollte gut sein gegen Epilepsie. So steht es im „Handbüchlein der Sympathie“ aus dem Jahre 1858. Vor allem aber soll es Glück bringen, wenn man dem ersten Maikäfer des Jahres den Kopf abbeißt.
Und was haben die Maikäfer mit der Tollwut zu tun? In den Kirchenbüchern von Aschbach in Unterfranken aus dem Jahre 1660 finden sich „Randbemerkungen“ über die Tollwut, verfasst vom damaligen Pfarrer Melchior Beck. Als Heilmittel gegen Tollwut bezeichnete er in Honig erstickte Maikäfer.
Es machte einen Heidenspaß, wenn Mädchen und Jungen in den Kriegsjahren die Käfer auf ihrer Hand krabbeln ließen. Sie „pumpten sich voll Luft“, starteten und flogen davon. Dazu sangen wir das Kinderlied unserer Schulzeit: „Maikäfer, flieg! Dein Vater ist im Krieg, deine Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer, flieg!“
Als ausgesprochenen Glückskäfer unserer Kindheit betrachteten wir den Marienkäfer, den wir auch „Herrgottstierchen“ nannten. Fanden wir im Garten einen Marienkäfer mit sieben schwarzen Punkten, so brachte uns dieser Glück. Wir nahmen ihn am anderen Tag im Schulmäppchen mit in die Schule.
Maikäfer Summsebrumm
Maikäfer, flieg!
Dein Vater ist im Krieg,
deine Mutter ist in Pommerland,
Pommerland ist abgebrannt:
Maikäfer, flieg!
Doch dieses Lied ist lange her
und heute kennt uns niemand mehr.
Einst brachten wir den Mai herbei
mit Kinderjubel und Juchhei.
Am Abend, wenn es dämmerte,
dann summten, brummten wir im Garten,
worauf die Kinder immer warten.
Der Specht im Walde hämmerte
sein Paukenlied ins Dorf hinunter:
Ich war dann immer pudelmunter.
Mit meiner lieben Schwester Maja
ich dann zum Abendessen flog,
wir schmausten, leckten und wir schleckten,
bis uns der Gärtnermeister sah,
uns mit der Stinkefaust bedroht’
und uns die Blätter nicht mehr schmeckten.
Ich armer Meister Summsebrumm.,
voll Appetit und Kinderruhm.
Ich nahm Reißaus zum nahen Wald,
wo ich dann schlief gar bald.
Die Engerlinge in dem Gartenbeet,
bald kleine, nette Püppchen werden,
so wohl geborgen in der Erden,
ihr Äuglein nach der Maja drehen,
nach ihrem Vater Summsebrumm,
doch noch sind sie ganz steif und stumm.
Ein Mädchen nimmt mich in die Hand,
das mich bei meinen Puppen fand.
Es streichelt mich ganz zart und sanft.
Ich pumpe mich mit Luft ganz voll
und starte in die Lüfte hoch.
Das Mädchen findet mich ganz toll,
als ich auf ihrem Händchen kroch.
Ich fliege in den Himmel weit,
doch längst vergangen ist die Zeit.
„Er liebt mich, liebt mich nicht …“
Wer erinnert sich nicht gerne zurück an das neckische „Liebesspiel“ unserer Kindheit? Wir Jungen warteten immer sehnsüchtig auf das Aufblühen der Margeriten, der Orakelblumen unserer Vorfahren. Wir nannten sie auch „Liebesblume“ und „Mädchenauge“. In der großen Schulpause liefen wir Jungen immer schnell auf die nahe Wiese, wo Hunderte von Margeriten blühten. Die Mädchen liefen eiligst hinterher. Darunter war auch „ess Guddsje“, meine erste Jugendliebe. Sie stellte sich immer etwas abseits von uns, da keiner ihren Orakelspruch hören sollte, obwohl jeder wusste, wen sie im Visier hatte. Ach, war ich f roh, wenn beim Abrupfen der weißen Strahlenblütenblätter mein geheimer Wunsch erfüllt wurde! So rupfte ich dann ganz zart die Blütenblätter ab: „Sie liebt mich, liebt mich nicht.“ Manchmal wurde der Orakelspruch etwas abgewandelt: „Sie liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht.“ Dann schaute ich mit strahlendem Gesicht zum „Guddsje“ hin. Natürlich hatte auch sie beim Abzählen der Blütenblätter Glück. Rainer, mein bester Klassenkamerad, hatte beim Abrupfen der Blütenblätter oft Pech: Seine Angebetete liebte ihn nicht. Einmal vergoss er bittere Tränen. Meine Urgroßmutter verwendete noch die Wurzeln und Blätter der Margerite zum Würzen von Suppen. Aus den Blättern bereitete sie im Mai Salate.
Ende Mai hatte auch der Löwenzahn ausgeblüht. Die goldgelbe Pracht der kleinen Sonnen war verglüht. Jetzt schimmerte ihr Licht in silbernen Laternchen. Wir suchten die Lichtlein auf der Wiese und pusteten sie mit dicken Backen freudestrahlend aus. Wir schauten die fliegenden Schirmchen nach, dem wogenden weißen Flaum, der langsam in der Ferne verschwand.
Am Abend saßen wir auf der Treppe, ein Glas mit Seifenlauge und bunte Strohhalme in der Hand und zauberten kleine, buntschillernde Seifenblasen. Wir pusteten kräftig und dann entströmten sie dem Strohhalm: Lustige, hauchzarte kleine „Luftballons“. Der leichte Sommerwind trug sie fort, schaukelte sie ein wenig hin und her, und bald zerplatzten die hautdünnen Bläschen, in denen sich die untergehende Sonne in den Regenbogenfarben spiegelte. Sie zerplatzten wie Träume in hundert kleinste Spritzer.
Noch schöner aber war es für uns Kinder, wenn wir an warmen Sommerabenden in der Zeit der Sommersonnenwende die Johannisglühwürmchen über der Wiese flirten sahen. Die neckischen Weibchen saßen auf Grashalmen und machten die umherfliegenden Männchen auf sich aufmerksam, indem sie ihre Hinterteile mit den Lämpchen auffällig hin und her schwenkten. Wir glaubten wohl daran, dass Glühwürmchen in der Johannisnascht Glück bringen, wie unsere Großeltern sagten.
Seifenblasen auf der Wiese
Fliegen im Mai auf weißer Bahn
flimmernde Monde vom Löwenzahn,
liegst du versunken im Wiesenschaum
löschend der Monde flockenden Flaum.
Wenn du sie hauchend im Winde drehst,
Kugel auf Kugel sich weiß zerbläst,
Lampen, die stäubend im Sommer stehn,
wo die Dochte noch wolliger wehn.
Leise segelt das Löwenzahnlicht
über dein weißes Wiesengesicht,
segelt wie eine Wimper blass
in das zottige, wogende Gras.
Monde um Monde wehten ins Jahr,
wehten wie Schnee auf Wange und Haar.
Zeitlose Stunde, die mich verließ,
da sich das Sternchen weiß zerblies.
Pusteblumen mit flockigem Haar,
Kinder spielen mit ihnen fürwahr.
Sie tanzen und schwingen im maienschein
und laden uns zur Hochzeit ein.
Als früher noch die Glühwürmchen in der Johannisnacht leuchteten
Die Zeiten sind längst vorbei, wo in den lauen Nächten in den Tagen der Sommersonnenwende die Glühwürmchen ihre geheimnisvollen Liebesbotschaften durch Leuchtsignale ausstrahlten. Wir erinnern uns an Kindheit und Jugendzeit, wo in den Mittsommernächten in der Zeit des Johannistages die flugunfähigen, larvenartigen Weibchen um die Gunst der Männchen warben, indem sie ihre Hinterenden mit den Lämpchen auffällig hin und her schwenkten. Auch Johanniskäfer nennt man die Glühwürmchen, weil sie gerade in den Tagen um Johannis (24. Juni) in lauen Nächten der Sonnenwende schwärmten. Auch die Johanniskäfer gehören heute schon zu den stark bedrohten Insektenarten.
Als Kinder saßen wir am Abend mit den Eltern und Großeltern auf der Ruhebank unter dem Walnussbaum, und schauten uns das liebestolle Schauspiel auf der Wiese an.
Dort, wo sich Johanniskäfer paarten, war dies im Aberglauben unserer Vorfahren ein sicheres Zeichen, dass sich hier Feen und Elfen aufhielten. Einige Feenarten, so glaubte man, seien selbst nicht größer als die Glühwürmchen. Sie besäßen eine leuchtende Aura und mischten sich deshalb mit Vorliebe unter die geheimnisvoll schillernden Johanniswürmchen.
Glühwürmchen kommunizieren grundsätzlich nur bei Nacht, denn tagsüber würden ihre Botschaften nicht ankommen. Die Leuchtkäfer brauchen die Dunkelheit, um erfolgreich ihre Lichtsignale auszusenden. Für ihre Liebeswerbung haben die Glühwürmchen eine ganz bestimmte Ausstrahlung: Im Laufe der Evolution haben sie ihr Hinterteil mit speziellen Leuchtzellen ausgestattet und können damit nun nach Herzenslust Signale für ihre Artgenossen aussenden.
Wie funktioniert dieses Leuchten in der Nacht? Biolumineszenz wird das Phänomen genannt. Das heißt, die Zellen am Hinterteil des Käfers verfügen über einen bestimmten Leuchtstoff, dass sogenannte Luciferin. In einer chemischen Reaktion verbindet sich dieses Luciferin mit einem Enzym und mit Sauerstoff. Bei dieser Reaktion wird Licht freigesetzt.
Leuchtkäferweibchen können nicht fliegen und ähneln eher Larven oder Würmern, daher auch der Name „Glühwürmchen“ oder „Johanniswürmchen“. Die männlichen Johanniskäfer verfügen dagegen über Flügel und senden ihre artspezifischen Werbungssignale während des Fluges aus. Sitzt nun ein Leuchtkäferweibchen der gleichen Art in der Nähe, wobei sie bevorzugt Grashalme auf der Wiese besetzen, so antwortet es wiederum mit einem art- und geschlechtsspezifischen Signal. So erkennt das Männchen, dass es sich um ein Weibchen seiner Art handelt. Und nun muss das liebestolle Männchen nur noch bei dem antwortenden Weibchen landen.
Die Leuchtstrahlen der Glühwürmchen sind aber keine Wärmequellen, wie andere Lichtquellen. Dafür ist freilich die Leuchtkraft minimal. Um die Helligkeit einer brennenden Kerze zu erreichen, müssten sich 6000 Glühwürmchen zusammentun.
Von fratzigen „Rommelboozen“ und Kartoffelfeuern
Der Lukastag (18. Oktober) war früher in unserem Bauerndorf immer der Tag, an dem man ein Herbstfeuer angezündet und Laub und welkes Kartoffelkraut verbrannt hatte. Kartoffelfeuer kündigten früher auf den Äckern das Ende der Kartoffelernte an. Das alte, welke Kartoffelkraut wurde verbrannt. In die flammende Glut vergruben wir Kinder möglichst viele große Kartoffeln. Sie waren gar, wenn die Pelle vollkommen schwarz und verkohlt aussah.
Wir rollten die heißen Kartoffeln aus der Asche, brachen sie vorsichtig auf, bestreuten sie mit etwas Salz und aßen sie aus der schwarzen Schale heraus. Wir kannten auch einen Trick beim Kartoffelbacken: Große Kartoffeln garen schneller und gleichmäßiger durch, wenn man einen langen Eisennagel hindurch steckt, denn das Metall leitet die Hitze in das Innere der Erdfrucht.
Auch Kartoffelfeste wurden in unserm Dorf gefeiert. Selbstgeerntete Pellkartoffeln kamen in Körben auf den Tisch, wozu es frische Butter, grobes Salz und verschiedene Quark – und Kräutersaucen gab. Andere tauchten die dampfenden Pellkartoffeln in saure Sahne und streuten Kümmel darauf. In der Schule fertigten wir Kartoffeldrucke im Zeichenunterricht an. Wir schnitten die Kartoffeln in Scheiben und bestrichen diese mit verschiedenen Farben. Wie einen Stempel drückten wir die Kartoffelscheiben auf ein Blatt Papier und stellten bunte Muster her. Mit dem Schwinden der bäuerlichen Dorfstrukturen, mit der Mechanisierung und Technisierung der Landwirtschaft und seit dem Einzug der Getreidemonokulturen in unsere Kulturlandschaft gehören Kartoffelfeste und Kartoffelfeuer leider der Vergangenheit an.
In den Dörfern gehalten, hat sich vielfach noch ein anderer Brauch, den die Kinder in den Tagen um St. Lukas pflegten. Es waren „Runkelrübenfeste“. Runkelrüben hießen bei uns im Dorf „Rommele“. Aus den Runkelrüben bastelten wir mit Hilfe der Eltern „fratzige Rommelbooze“, schaurige Runkelrübengesichter. Mit Messer und Löffel waren wir eifrig am Basteln. Zuerst wurde mit dem Messer die Rübe vom Dreck gesäubert. Dann wurde der Rübenkopf abgeschnitten, der später beim fertigen „Booz“ als Deckel diente. Mit dem Löffel wurde das saftige Rübenfleisch ausgeschabt.
Dann wurden Augen, Ohren, Nase und Mund aus der Rübe ausgeschnitten. Mein Rübenkopf („Rommelbooz“) hatte immer struppiges, feuerrotes Wurzelhaar und einen ebensolchen Bart, was dem Rübengesicht ein unheimliches Aussehen verlieh. So entstanden Wichtelmänner mit Zipfelmützen und Clowns mit riesigen Zahnlücken. Ich taufte meinen „Rommelbooz“ immer „Willi Wichtig“. In den „Rommelbooz“ hinein stellten wir eine brennende Kerze. Die „Riommelbooze“ wurden in der Dunkelheit auf die Fensterbänke gestellt, um Geister und Dämonen vom Haus und seinen Bewohnern fernzuhalten. Auch allerlei Schabernack trieben wir mit den „Rommelboozen“.
Früher einmal waren Runkelrüben ein wichtiges Zusatzfutter für Rinder, heute werden sie meist nur noch als Bastelobjekte benutzt; ihr Anbau ist schlicht zu aufwendig.
Anstelle von „Rommelboozen“ werden heute vielfach an Halloween von den Kindern fratzige Gesichter aus Kürbissen gebastelt.
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