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»Aber die Deutschen wollen nach Thailand reisen, wir wollen das hier nicht haben.«
Nuh Poo lächelte sanft. »Aber Erwin, sieh doch, wie sie alle kommen. Das Haus ist voll, meine Mädchen sind gefragt. Als Gesprächspartner und Gesellinnen. Sie sprechen ein bisschen Deutsch, sie sind ausgebildet. Ich habe ihnen alles beigebracht über das Land und seine Männer. Was die Deutschen so mögen.«
»Poonish, hör zu, das ist doch etwas ganz anderes, ob du das in Thailand machst oder hier bei uns! Bitte hör auf damit. Das gibt einen Skandal.«
»Wieso Skandal? Was heißt das? Ich habe Familie hier, und die möchte ich bald kennenlernen. Du wirst mich zu ihnen führen, so wie du es mir versprochen hast, als ich noch ein kleiner Junge war.«
Sentlinger räusperte sich. »Ja, das ist schon lange her. Damals habe ich mich um dich gekümmert, weil dein Vater ein guter Freund von mir war und ich das deiner Mutter versprochen hatte. Aber jetzt?«
Nuh Poo beugte sich vor. »Versprochen? Geschworen hast du es. Beim Tod meines Vaters. Ich will sie alle kennen lernen.«
Sentlinger baute sich vor Nuh Poo auf und musterte ihn von oben bis unten. »So kann ich dich doch nicht vorstellen. Das wollen deine Verwandten doch … gar nicht.«
»Warum weigerst du dich?«, fragte Nuh Poo verärgert.
Sentlinger seufzte. »Sie leben ja alle nicht mehr. Bis auf die Schwester deines Vaters. Aber die will dich nicht sehen«, log er. Sein Gesicht wurde hart. »Sie weiß um deine Leidenschaften, und damit will sie nichts zu tun haben.«
Nuh Poos Ärger verwandelte sich in Traurigkeit.
Sentlinger hob die Schultern und schwieg.
Nuh Poo lehnte sich zurück und senkte den Blick. Er atmete tief durch. »Für die Rubine, die du regelmäßig bei mir abgeholt, dann in deinem Diplomatengepäck mitgenommen und ihnen übergeben hast, dafür war ich ihnen gut genug. Fast jedes zweite Jahr warst du bei mir, seit ich diese Steine habe. Reich müssen sie damit geworden sein. Und jetzt wollen sie mich nicht einmal sehen?« Er lauerte auf Sentlingers Reaktion.
Sentlinger breitete die Arme aus und lächelte gequält. »Sieh mal, Poonish, es ist so. Ich habe die Rubine jedes Mal in ihrem Auftrag verkauft, und das Geld ist mittlerweile ausgegeben. Einfach weg.«
»Soll ich dir das wirklich glauben, Erwin? Ich habe auch immer dafür gesorgt, dass es dir gut ging, wenn du in Bangkok warst, dir immer angenehme Liebschaften besorgt. Du hast auch ein paar Rubine bekommen. Und Charlie, dein Liebling, war er nicht immer gut zu dir?«
»Charlie«, zischelte er. »Lass mich in Ruhe mit Charlie. Er soll mich hier nicht ansprechen. Sorg dafür, dass er sich zurückhält. Wenn mich jemand mit ihm sehen würde …«
»Aha, ist er dir nicht mehr genehm?«, fragte Nuh Poo streng. »Du hast es immer gut gehabt durch ihn, durch mich und durch meine Mutter!«
Sentlinger antwortete jetzt sanfter. »Du darfst das nicht falsch verstehen, Poonish, in Deutschland ist das alles anders. In Thailand ist … das nicht so schlimm, was dich angeht.« Sentlingers Stimme wirkte gehetzt. »Deutschland ist da eher … nicht so tolerant. Eher verstockt, konservativ, sehr verschämt. So etwas hat bei uns keine Tradition! Darum reisen so viele deutsche Männer ja nach Thailand.«
»Und wieso hast du mir das früher nicht erzählt?«, fragte Nuh Poo vorwurfsvoll.
»Weil ich dich schonen wollte. Ich wollte dich nicht verletzten. Ich habe ja nicht ahnen können, dass du tatsächlich mal hierherkommst. Und jetzt auch noch mit einem ganzen Tross von Katoeys.« Er lachte kraftlos. »Ja geht’s denn noch?«
Nuh Poo machte ein beleidigtes, aber stolzes Gesicht. Er stand auf und sagte zu Sentlinger: »Du redest Unsinn. Die Deutschen lieben uns. Ich werde dir zeigen, dass du Unrecht hast. Melde dich, wenn du dich wieder gefangen hast. Du weißt, die Liebe ist das größte Geschenk, das uns mein Vater mitgegeben hat.«
»Hör zu, Poonish, ich bekomme Druck von allen Seiten. Deine Familie will dich nicht sehen. Auf der Insel mögen sie nicht, dass du dort Häuser gekauft hast. Sie wollen euch nicht haben.«
»Viele Menschen dort sind freundlich zu uns. Bis auf diese Nonnen.«
»Ja!«, zischte Sentlinger, »und ganz vornweg meine Schwester.« Das war ihm herausgerutscht. Er räusperte sich.
»Deine Schwester? Wer ist deine Schwester?«, fragte Nuh Poo drängend.
»Na ja, die stellvertretende Chefnonne, Schwester Irmentrud.«
»Dann kann ich doch sicher mit ihr reden«, sagte Nuh Poo.
»Ich denke, das ist keine gute Idee. Sie führt doch die Proteste gegen dich an«, erklärte Sentlinger mit bedauerndem Blick. »Poonish, sei vernünftig. Zieh dich zurück.«
Nuh Poo saß geknickt vor ihm. Und irgendwie tat er Sentlinger leid. Doch jetzt war der rechte Moment, dachte Sentlinger, um das Thema anzuschneiden, weswegen er eigentlich hergekommen war. »Und außerdem machst du Dinge, die du nicht tun solltest. Du verkaufst Mogok-Rubine. Illegal. Richtig?«
Nuh Poo sagte nichts. Dann beugte er sich leicht vor und fragte: »Wieso sagst du das?«
»Cerny hat mich um Hilfe gebeten. Er vermutet, dass du dahintersteckst.«
»Woher will er das wissen?«
»Poonish! Er kennt jeden, der sich mit Rubinen beschäftigt. Jeden Käufer, jeden Händler, jeden Hehler. Und wenn er ein paar Hehler befragt, dann wird aus seiner Vermutung bald Gewissheit.«
»Na und?« Nuh Poo lächelte.
»Dann bekommst du Schwierigkeiten.«
»Ich hab schon viele Geschäfte mit Cerny gemacht. Er hat immer zu wenig bezahlt. Ich habe auch ihm die Mogok-Steine angeboten. Er wollte mir nur geringfügig mehr dafür zahlen als für vietnamesische oder thailändische Rubine, obwohl sie das Vielfache wert sind. Cerny ist ein Halsabschneider. Und deshalb nehme ich es selbst in die Hand.«
»Cerny wird dich fertig machen.«
»Wird er nicht. Ich habe so viel Material gegen ihn gesammelt, das wird ihm nicht im Traum einfallen.«
»Du könntest ein Joint Venture mit ihm machen. Schließt euch zusammen.«
»Niemals!« Nuh Poo wurde wütend. »Er hat dich vorgeschickt, um mich weich zu klopfen. Willst du mich etwa verraten?«
»Sei nicht dumm, Poonish. Du könntest …«
»Nichts werde ich! Immer, wenn Cerny nach Bangkok kam, dann kam er regelmäßig zu mir. Er hat mir dann erst mal Grüße von dir bestellt und wollte die schönsten Mädchen und Katoeys haben. Für sich und seine Begleiter. Gratis. Als Rabatt, wie er sich ausdrückte. Cerny ist ein Schwein.«
»Was hat er dir getan?«
»Zuletzt, als er bei mir war, hat er meine Mädchen wie immer schlecht behandelt. Aber da hat er es zu weit getrieben. Cerny hat meine liebe Gwendola so lange geschlagen, bis sie fast tot war. Einfach so, weil es ihm Spaß gemacht hat. Und weißt du was? Er hat nur gelacht. Immer wieder. Er ist ein brutales Schwein. Ich habe ihn schließlich hinauswerfen lassen. Von Charlie und ein paar anderen. Seitdem hat Cerny Hausverbot.«
»Sowas passiert doch laufend, oder? Sie sind halt manchmal ein wenig zu leidenschaftlich, die Liebhaber«, sagte Sentlinger und grinste schmaläugig.
»Es gibt Grenzen, Erwin. Sowas dulde ich nicht. Charlie hat Cerny eine verpasst. Er wollte mir dann noch«, er hob die Hände und schrieb zwei Gänsefüßchen in die Luft, »›seinen Albaner‹ auf den Hals schicken, wie er sich ausdrückte.« Er zischte. »Lächerlich!«
»Er hat also mit dir noch eine Rechnung offen. Glaub mir, der Mann ist gefährlich.«
Nuh Poo Tubkim betrachtete Sentlinger, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte leise: »Glaub mir, Erwin, ich auch.«
Gile
Einen Tag später empfing Nuh Poo Tubkim in seinem Haus auf der Fraueninsel eine Frau, die er noch nie gesehen hatte. Gile Winter war groß gewachsen, drahtig und ihr pechschwarzes Haar war kurz geschnitten. Ihre bohrenden Augen funkelten stahlblau. Sie trug schwarze Röhrenjeans und eine ebenso schwarze Jacke.
Er ging auf sie zu und umarmte sie freudestrahlend, als sie den Salon betrat. »Meine liebe Cousine, lass mich dich in meine Arme schließen! Lass dich herzen! Wie ich mich freue, dich endlich kennenzulernen.«
Nuh Poos Erscheinungsbild und seine überschwängliche Begrüßung irritierten Gile. Erst als er sie anschmachtete und die Arme erneut auffordernd ausbreitete, fiel sie ihm um den Hals.
»Wie schön, dir endlich persönlich zu begegnen, Gile. Lass dich ansehen!« Er hielt sie an den Schultern mit ausgestreckten Armen auf Abstand und betrachtete sie eingehend. »Schön bist du. Groß bist du. Und stark.«
Sie erwiderte sein Lächeln nur kurz. »Ich hatte eine gänzlich andere Vorstellung von dir.« Fast prüfend sah sie ihm in die Augen. »Aber es ist gut, wie es ist. Ich freu mich, dich zu sehen.«
»Hast du alles vorbereitet, Gile?«
»Ja, es ist alles organisiert. Ich habe diesen Lenzen kontaktiert. Im Prinzip können wir jederzeit anfangen. Die Schleiferei ist bereit. Es ist eine Maschine, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt, ein Prototyp, wie er mir am Telefon versicherte. Er will fünf davon bauen. Nach einem Jahr haben sich die Maschinen locker amortisiert!«
»Das ist großartig, was du da entdeckt hast. Scheint ja eine unglaubliche Maschine zu sein.«
»Ja, wenn das alles stimmt, was er mir versichert hat, dann wird unser Gewinn enorm sein, lieber Vetter.«
»Liebe Gile, ich bin froh, dass auch du endlich zu deinem Recht kommen wirst.«
»Sentlinger hat uns die ganzen Jahre über betrogen. ›Den lieben Onkel Erwin‹ haben wir ihn immer genannt«, zischte sie verächtlich. »Dabei war er nie mit uns verwandt. Fast nichts hat er uns von dem gegeben, was für uns bestimmt war.«
»Das betrübt mich sehr, Gile. Ich habe ihm über all die Jahre vertraut. Ich bin sehr froh, dass du mich ausfindig gemacht und kontaktiert hast.«
»Na ja, erst hab ich mich ja gar nicht getraut. Aber als ich von einem meiner Freunde, einem eifrigen Weltenbummler, erfahren habe, dass es in Thailand einen Mann gibt, der angeblich von einem katholischen Priester gezeugt worden ist, da dachte ich, das muss dann wohl mein Cousin sein. Der Sohn von meinem Onkel Bruno.«
»Tja, und dann hast du mich ja gefunden.«
»Ja, nachdem sich mein Freund das Telefonbuch von Bangkok angesehen hatte, und dort tatsächlich einen Eintrag ›Hausmayr‹ fand.«
»Und dann kam dein Brief.« Er nickte und lächelte.
»Klar, ich musste einfach wissen, ob es dich wirklich gibt.« Mit schnippischer Stimme fügte sie hinzu: »Der liebe Onkel Erwin …«, sie senkte ihre Stimme wieder, »… hat uns immer nur erzählt, dass du tot wärst.«
Nuh Poo fauchte. »Und mir hat er immer versichert, er verkaufe all die Rubine, die er im Diplomatengepäck mit nach Deutschland nahm, nach Wien an Heimo Cerny und würde euch das Geld geben.«
»Tja, wie wir jetzt wissen, hat er das ja auch gemacht, die Rubine an Cerny verkauft,« Gile schäumte, »aber das Geld zum allergrößten Teil wohl selbst behalten.«
»Und ich hab mich immer gewundert, dass nie ein Dankesschreiben von eurer Familie kam.«
Gile sah ihn traurig an. »Wie hätten wir wissen sollen, dass du uns so großzügig bedacht hast. Er hat uns nicht mal deine Adresse gegeben, dieser Schurke!«
Nuh Poo strich tröstend mit dem Handrücken über ihre Wange. »Ich dachte, dass es für euch als Ausgleich dafür stand, dass ihr mir zuvor die Ausbildung bezahlt hattet.«
»Ja, damals hatten wir noch Geld in der Familie. Aber deine Ausbildung haben meine Eltern nur bezahlt, damit Ruhe ist und nichts bekannt würde von deiner Existenz«, sagte sie betrübt. »Ich hab mich immer dafür geschämt, dass sie dich ansonsten verleugnet haben. Man durfte nicht über dich reden.« Sie sah zu Boden.
Nuh Poo nahm sie erneut in den Arm. Sie löste sich sanft. »Es war ihnen … peinlich, verstehst du?«
Er nickte und wusste, was sie meinte.
»Aber als mein Vater starb, ist seine kleine Fabrik zugrunde gegangen, meine Mutter war unfähig, sie weiter zu führen. Wir waren fast mittellos. Meine Mutter lebt jetzt in einem Altenheim. Sie ist vollkommen umnachtet, sie erkennt mich nicht mehr. Sie braucht dringend Hilfe.«
»Gile, hör zu. Erwin Sentlinger hat uns alle betrogen. Er wird seine Strafe bekommen. Du sollst jetzt für mich arbeiten. Wir werden hier in Deutschland reich werden. Mach alles, wie wir es besprochen haben. Hol diese …«, er setzte eine grinsende Grimasse auf, »… diese Früchte hierher. Und danach fährst du nach Idar-Oberstein.«
Gile Winter nickte. »Okay, das mach ich.«
»Und noch etwas für dich.« Er überreichte Gile eine Aktenmappe. »Das hier wird dir vielleicht irgendwann mal weiterhelfen.«
Sie sah sich die Mappe staunend an, grinste finster und nickte.
Nuh Poo Tubkim stand vor ihr und hatte die Hände zusammengelegt. »So, liebe Gile, jetzt kannst du einen Wunsch äußern. Worauf stehst du? Möchtest du eines meiner Mädchen gern haben? Such dir eines aus.«
Gile starrte ihn wie entwaffnet an. »Lieber Cousin, das ist äußerst lieb von dir. Aber du musst wissen, dass ich zwar auf Mädchen stehe. Aber sie dürfen unten drunter nicht doch aussehen wie ein Mann. Das gefällt mir nicht. Schon seit meiner Kindheit gefällt mir das nicht.«
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