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Sparparadox (Keynes 1936)

Der Unterschied zwischen BananenparabelBananenparabel und Keynes’ späterer Analyse wird in Kasten 7 graphisch veranschaulicht.
Angesichts all dieser Widersprüche und Unklarheiten verwundert es nicht, dass Keynes mit seinem Werk unzufrieden war, und kurz darauf begann – unterstützt und angetrieben von einer Gruppe jüngerer Ökonomen – die Argumentation seines Werks kritisch zu hinterfragen und vor allem das Problem der UnterbeschäftigungUnterbeschäftigung in den Mittelpunkt zu rücken, dessen Brisanz durch die 1929 ausbrechende WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise offen zu Tage getreten war.
Bei einkommensabhängiger Ersparnis besteht in der Ausgangssituation gesamtwirtschaftliches GleichgewichtGleichgewicht nur bei Y0. Nach der Sparkampagne spart die Bevölkerung bei jedem Einkommen einen höheren Betrag und schränkt entsprechend ihren Konsum ein; jetzt gilt die Sparkurve S1. Daraufhin sinkt das Einkommen, aber nur solange, bis die Gesamtersparnis wieder auf die Höhe der InvestitionenInvestitionen zurückgeht. Die Situation hat sich also auch in dieser Betrachtung verschlechtert: Die Ersparnis ist nicht höher als zuvor, Einkommen und Produktion aber sind zurückgegangen. Die von den einzelnen Sparern erhoffte Verbesserung ihrer Vermögenslage durch mehr SparenSparen tritt wegen der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ein.
Der Schock der Weltwirtschaftskrise und die Reaktion von Keynes
DWeltwirtschaftskriseie WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise stieß von 1929 bis 1933 fast alle Industriestaaten in eine tiefe wirtschaftliche DepressionDepression. Sie hatte auch politisch verheerende Auswirkungen, insbesondere in Deutschland. Bei den Ökonomen waren die Reaktionen unterschiedlich: Die meisten hielten an der herrschenden Vorstellung fest, wonach auch diese Krise durch Selbstheilungskräfte des Marktes zügig überwunden werde. Keynes dagegen kämpfte verstärkt für aktives staatliches Handeln gegen die Krise. Zugleich erkannte er die Notwendigkeit, eine völlig neue theoretische Grundlage für seine wirtschaftspolitischen Empfehlungen zu erarbeiten.
Zum Ausmaß der Weltwirtschaftskrise
WeltwirtschaftskriseNeben und nächst den beiden Weltkriegen bildete die WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise die dritte Katastrophe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie brachte das Ende der kurzen Prosperitätsphase, derer sich die meisten Völker der Welt in den Jahren 1924–1929 erfreuen konnten, nachdem man die schlimmsten Folgen des 1. Weltkriegs (1914–1918) überwunden zu haben glaubte. Ihren Anfang nahm die Weltwirtschaftskrise in den USAUSA.
In den USAUSA war die vorangehende Prosperitätsphase begleitet von steigenden Aktienkursen, die immer mehr Leute veranlasste, mit Aktien zu spekulieren, wofür sie vielfach Kredite aufnahmen. Viele Haushalte fühlten sich durch den ständig steigenden Wert ihrer Aktienbestände reicher und gaben ihr Einkommen sorglos für Konsumgüter aus oder kauften diese auf Kredit. Die damals herrschende euphorische Stimmung ist bei Galbraith (1963) gut nachzulesen.
Diese Phase weitverbreiteter Aufwärtsentwicklung endete abrupt mit dem Platzen der AktienkursblaseAktienkursblase an der New Yorker Börse im Oktober 1929, vor allem am 24. und 29. Oktober (schwarzer Donnerstag und schwarzer Dienstag). Durch die drastisch sinkenden Kurse (um ca. 40 % im Laufe von 30 Tagen) schmolzen die gegebenen Sicherheiten dahin, die BankenBanken forderten die gewährten Kredite zurück, die Aktienbesitzer mussten ihre Aktien verkaufen (da sie andere Sicherheiten nicht bieten konnten). Dadurch sanken die Kurse weiter und die Lage verschärfte sich immer mehr. Da große Teile ihrer Forderungen nicht mehr einzutreiben waren, mussten viele Banken Konkurs anmelden. Eine detaillierte und dramatische Schilderung dieser Ereignisse liefert Kindleberger (1973).
Die FinanzkriseFinanzkrise sprang rasch auf die amerikanische Realwirtschaft über: Die UnternehmerUnternehmer schränkten ihre InvestitionenInvestitionen ein, die privaten Haushalte ihren Konsum. Die Unternehmen drosselten darauf ihre Produktion, entließen Arbeitskräfte, die ihren Konsum einschränken mussten usw. Im Tiefpunkt der DepressionDepression während des Jahres 1932 war jede vierte Erwerbsperson in den USAUSA arbeitslos, es gab kaum Arbeitslosenunterstützung, massenhaft gerieten Haushalte ins Elend.
Schnell wurde auch Europa von der FinanzkriseFinanzkrise erfasst; denn die europäischen BankenBanken und Regierungen waren gegenüber den USAUSA hoch verschuldet. Dies galt insbesondere für DeutschlandDeutschland. In Deutschland hatte die Prosperitätsphase begonnen, nachdem die Hyperinflation durch eine einschneidende Währungsreform am 15. November 1923 beendet worden war. Allerdings verloren durch die Abwertung aller GeldvermögenGeldvermögen im Verhältnis 1:1 Billion viele Bürger ihre ErsparnisseErsparnisse, insbesondere die Mittelschichten. Dies schwächte die Akzeptanz der Weimarer Republik, die schon durch die Unterschrift unter den Versailler VertragVersailler Vertrag beeinträchtigt war. Deutschland musste hohe Reparationszahlungen leisten, und die Regierung deckte den nötigen Devisenbedarf weitgehend durch KreditaufnahmeKreditaufnameim Ausland in den USA. Auch die Banken hatten vielfach in den USA kurzfristige Kredite aufgenommen, um ihre Kreditvergabe im Inland zu finanzieren.
Wegen ihrer Finanzierungsengpässe aufgrund der Finanzkrise sahen sich immer mehr US-amerikanische Banken gezwungen, die nach Deutschland vergebenen Kredite nicht zu verlängern. Um sie zurückzuzahlen, mussten ihrerseits die deutschen Banken Aktiva (z.B. Aktien) verkaufen oder vergebene Kredite ebenfalls kündigen. Damit setzte auch in Deutschland die WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise ein, die sich vier Jahre lang immer weiter vertiefte und zu einer tiefen DepressionDepression führte. In deren Verlauf wurde bis 1932 eine extrem hohe ArbeitslosenquoteArbeitslosenquote erreicht (siehe Tabelle 1). Sie lag deutlich höher als in den USA, auch wenn die Zahlen nur ungefähr vergleichbar sind. Ritschl (2002) macht dafür vor allem die Reparationszahlungen und die Auslandsverschuldung verantwortlich.
Gemäß Tabelle 1 war die ArbeitslosenquoteArbeitslosenquote in DeutschlandDeutschland schon 1929 sehr hoch; die Zahl der Arbeitslosen war schon von 1928 zu 1929 von 1,37 auf 1,90 Millionen gestiegen und erhöhte sich bis 1932 auf 5 Millionen Personen.
Das Elend der arbeitslosen Bevölkerung war groß, da die Leistungen der erst 1918 geschaffenen gesetzlichen ArbeitslosenversicherungArbeitslosenversicherung sehr gering waren. Dies trug erheblich zu den Wahlerfolgen der NSDAP im Jahre 1932 bei, die als einzige große Partei ein massives Programm der ArbeitsbeschaffungArbeitsbeschaffung unter Brechung bzw. Missachtung aller entgegenstehenden vertraglichen Vereinbarungen forderte.
Tabelle 1: Arbeitslosenquoten zu Beginn und im Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise (in Prozent)
Land Jahresdurchschnitt 1929 1932 Deutschland 13,1 30,1 USA 3,2 23,6 Großbritannien 11,0 22,5 Quellen: Deutschland und USA : Zinn (1998), S. 39 Großbritannien : Chick (1983), S. 7Großbritanniens Wirtschaft entwickelte sich in den 1920er Jahren schleppend, zumal das Land durch die von Keynes vehement bekämpfte Rückkehr zum GoldstandardGoldstandard und zur Vorkriegsparität an preislicher Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hatte. GroßbritannienGroßbritannien bekam ebenfalls die Finanz- und Wirtschaftskrise der USAUSA heftig zu spüren. Die schon während der 1920er Jahre durchgängig hohe ArbeitslosigkeitArbeitslosigkeit verdoppelte sich bis 1932 auf das Niveau der USA.
In allen drei großen Industriestaaten sanken nicht nur Produktion und Beschäftigung. Vielmehr war deren Einbruch mit einem Rückgang von Preisen und Löhnen verbunden; denn auf den Gütermärkten und den Arbeitsmärkten herrschte ein großer Angebotsüberschuss (siehe Tabelle 2). In den USAUSA brachen am stärksten die Preise der Rohstoffe und landwirtschaftlichen Erzeugnisse ein (mit verheerenden Folgen für die Landwirte). In allen drei Staaten wurde die DeflationDeflation durch die Wirtschaftspolitik verschärft: So schrieben in DeutschlandDeutschland im Jahre 1931 Notverordnungen des Reichskanzlers Brüning vor, dass alle Tariflöhne und alle von Kartellen festgelegten Preise um 10 % gesenkt werden müssen. BrüningBrüning verfolgte damit auch politische Zwecke. Er wollte nachweisen, dass Deutschland die auferlegten ReparationenReparationen nicht leisten könne.
Tabelle 2:
Löhne und Preise in der Weltwirtschaftskrise
Land/Variable Veränderungen in % 1924–1929(a) 1929–1933(b) Deutschland Verbraucherpreisindex +8,6 -23,3 Erzeugerpreise Industrie +0,5 -26,6 Stundenverdienste Industrie +36,9 … Reallöhne +26,1 10,6(c) Lohnstückkosten +24,5 … USA Verbraucherpreisindex ± -23 Nominallöhne -19 Großbritannien Verbraucherpreisindex -6,3 -14,7 Durchschnittswochenlohn nominal ± -6,3 Durchschnittswochenlohn real 5,1 11,0 (a) Für Deutschland: 1925-1929 (b) Für Deutschland: III/1929-III(1932) (c) Deflationiert mit dem Erzeugerpreisindex Quellen: Verbraucherpreisindex: SVR (1998), Zahlen zum Schaubild 10 Deutschland: Ritschl(2002), Tab 2.8 sowie Anhangtabelle C. 2 USA: Bordo/Evceg/Evans (2000), S. 1448/9 Großbritannien: Chick (1983), S. 7 Quellen: Verbraucherpreisindex: SVR (1998), Zahlen zum Schaubild 10 Übrige Angaben: Deutschland : Ritschl (2012), Tab. 5.1) USA : Bordo/Evceg/Evans (2000), S. 1448/9 Großbritannien: Chick (1983), S. 7Die Angaben über die NominallöhneNominallöhne und die ReallöhneReallöhne sind mit großer Vorsicht zu betrachten; denn die Datenlage ist dürftig. Sie deuten darauf hin, dass die Nominallöhne etwas weniger rasch gesunken sind als die Preise, sodass die Reallöhne anstiegen. "Insoweit, wie die Arbeitsproduktivität sich erhöht hat, sind die Lohnstückkosten weniger gestiegen als die Reallöhne. In den USAUSA und GroßbritannienGroßbritannien könnten letztere sogar leicht gefallen sein. Ihre Entwicklung kann daher keinen relevanten Einfluss auf die rasante wirtschaftliche Talfahrt ausgeübt haben.
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