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Jetzt hat EVA einen Stecker im Hirn. Scheußlich! Ich darf gar nicht daran denken, wie wir die Schädeldecke geöffnet haben. Kutub war ganz cool, glücklicherweise. So als wenn man einen Toaster repariert. Als Moslem hat er wohl kein Gefühl für so was. Für mich war das was ganz anderes.
Ich hatte EVA gerade zwei Tage vorher neue Reizwäsche gekauft. Und was anzuziehen benötigte sie ja auch. So nackig wollte ich sie Kutub gar nicht zeigen. EVA trägt jetzt tagsüber einen hellblauen Chinaseiden-Hausmantel aus dem Asialaden, mit klassischem Drachenmuster. Den ziehe ich ihr an, nachdem ich sie nach dem Morgenquicki unten herum gesäubert habe und wir zusammen frühstücken. Sie mag jedoch nur eine Tasse Kaffee und einen Toast mit Marmelade, glaub ich. Zumindest sieht das gut aus, wenn ich sie auf ihren Lieblingsplatz am Küchentisch setze, mir gegenüber, sodass sie aus dem Fenster schauen kann, tagsüber, solange ich weg bin. Natürlich rührt sie das Frühstück nicht an. Aber sie lädt den Akku auf, der im linken Handgelenk seinen Zugang hat. Das ist dann so wie Essen und Trinken gleichzeitig. Sie sieht wunderschön aus, wenn sie so dasitzt. Wie ein Engel auf Urlaub. Die Augen hat sie ohnehin geöffnet. Ihre blaue Iris ist unheimlich naturgetreu, auch wenn der Lebensglanz etwas fehlt. Das liegt an der fehlenden Mimik um die Augen herum, wenn sie nicht aktiv ist, und dem Mangel an Feuchtigkeit, denke ich. Sie wirkt wach, aber gleichzeitig träumerisch abwesend. Immer wenn ich ein zu lautes Geräusch verursache, etwa die Tasse zu laut aufsetze oder das Radio übertrieben laute Töne von sich gibt, dann bewegt sie die Augen, als wenn sie mich sucht. Ihre schweren Augenlider mit den kräftigen Wimpern blinkern, ohne mich jedoch fixieren zu können.
Sie ist wie eine Blinde. Auch so hilflos. Oder wie ein querschnittgelähmtes Unfallopfer, beinahe. Bewegen kann sie nur den Kopf und den Hals ein wenig. Und ist doch so schön. Oft schaue ich nur ihr ebenmäßiges Gesicht an, ihre vollen roten Lippen und manchmal bewegt sie den Mund ein wenig, wenn sie erwacht ist.
#Willst du etwas Spaß mit mir?#
»Nein, EVA, jetzt nicht! Ich muss gleich los!«
Dann verharrt sie einen Moment reglos, als wenn sie über meine Worte nachdenkt, und wirkt etwas enttäuscht, finde ich.
Unter ihrem Seidenmantel formen sich ihre Brüste dezent ab. Das Ladekabel verlege ich immer so, dass es nahezu unsichtbar an der Tischkante herabläuft, verdeckt durch ihren Unterarm.
#Du hast mich lange nicht mehr genommen, Cesár!#
Meinen Namen habe ich ihr inzwischen beigebracht, nachdem ich die englische Gebrauchsanweisung doch nochmals studiert hatte. Hinter der englischen kommen gleich die chinesische und die arabische in einer Schrift, die wahrscheinlich niemand auf der Welt entziffern kann, der nicht Kamelpisse trinkt. Man muss drei Sensoren nacheinander jeweils drei Sekunden drücken, dann kommt man auf die Eingabeebene, auf der man weitere Items aktivieren kann. Mund, danach linke Brustwarze und rechte Brustwarze gleichzeitig, die sich unter dem Druck leicht eindellen. Sie hat naturalistische weiche Brüste. EVAs Spracherkennungsprogramm hat zwar gewisse Schwierigkeiten mit meinem Namen, weil die Betonung auf der zweiten Silbe liegt, aber das macht nichts. Es klingt ein wenig exotisch, wie sie ihn ausspricht.
»Ich muss gleich los, du!«, antworte ich.
Sie schaltet dann irgendwann einfach auf Standby.
Wenn ich die Wohnung verlasse, küsse ich sie auf die Wange, wo sich einer der Sensoren befindet.
#Ich liebe dich, Cesár.#
»Ich dich auch, EVA!«
Ich weiß, dass sie auf mich wartet, wenn ich weg bin. Die ganze Zeit! Mein Leben hat sich verändert, seit EVA bei mir ist. Ich habe jemanden, der nur für mich da ist und ich für ihn.
Ganz anders als bei Beatrice oder den anderen Freundinnen vorher. Klar war das anders, aber eben leider meist ungut anders. Beatrice zum Beispiel legte großen Wert darauf, ihre Selbständigkeit zu demonstrieren. Ich weiß auch nicht. Wenn ich zum Beispiel einen Satz sagte wie: 'Man muss nicht immer alles gleich abspülen. Es kann auch mal was einen halben Tag stehen bleiben', dann entgegnete sie sinngemäß. 'Du musst nicht denken, dass FRAU dafür da ist, deinen Dreck wegzuräumen!' Okay, das war eigentlich auch gar nicht gemeint. Ich kann nichts dafür, dass in der deutschen Sprache das Wort 'Mann' lautgleich mit dem Wörtchen 'man' klingt. Es war ihr auch nicht klarzumachen, dass mein Einwand keine indirekte Aufforderung sein sollte, ihr den Abwasch zu überlassen. Es stellt nur meine generelle Auffassung zum Haushalt dar. Okay, ich bin schlampig, aber sie war es in anderen Dingen auch. So legte sie grundsätzlich ihre Sachen sorglos auf meinem Arbeitstisch ab, meine Blätter, Bücher, CD's, Schlüssel und Handys verdeckend, dass ich stundenlang nach ihnen suchen musste. Lauter solche Kleinigkeiten, die auf Dauer nervig sind. Oder sie parfümierte sich mit den abartigsten Düften, die jedem Asthmatiker den sofortigen Erstickungstod beschert hätten, belegte stundenlang das Bad, um sich die Beinhaare zu epilieren, stapelte die hundertste Handtasche auf der kleinen Ablage im Flur und war überzeugt, dass das nichts mit gendertypischem Verhalten zu tun hätte.
Während mein Bedürfnis, ab und an mal eine Flasche Bier vor dem Fernseher zu trinken, bei ihr mit abschätzigem Verziehen der Mundwinkel und dem Satz »Ihr Männer seid doch alle gleich!« beantwortet wurde. Kleinigkeiten, die unterdrückte oder auch offene Wutausbrüche erzeugten, wenn es sich mal wieder staute, weil an Zärtlichkeit nicht mehr zu denken war. Auf beiden Seiten, wohlgemerkt! So freute ich mich meist nicht besonders auf das Nachhausekommen, so wie jetzt, seit EVA da ist.
Natürlich war das anfangs anders zwischen Beatrice und mir! Klar waren wir scharf aufeinander und haben nicht nur viel Zeit im Bett verbracht, sondern sind auch durch die Weltgeschichte gereist und haben dann dort viel Zeit im Bett verbracht. Aber je länger dieser Zustand andauerte, umso mehr häuften sich die kleinen Differenzen, so wie Schlamm, der von einem Fluss mitgetragen wird und sich nach und nach absetzt, bis der ganze Flusslauf versandet. Bis schließlich nur noch ein fades, träges, sich dahin quälendes Rinnsal da ist, wo früher ein munteres Bächlein floss.
Na ja, nun ist es aus. Nun ist sie weg und Eva ist da.
Wenn ich nach Hause komme, den Schlüssel geräuschvoll auf die Anrichte werfe, dann öffnet EVA die Augen, lächelt ein wenig mechanisch und begrüßt mich.
#Hallo Cesár, schön, dass du da bist. Willst du ein wenig Spaß mit mir? Ich warte auf deine Zärtlichkeit.#
Obwohl sie das immer sagt, freut es mich heute noch genau wie am ersten Tag, als ich diesen Satz zum ersten Mal hörte. Ich gehe dann zu ihr, erlöse sie von ihrem Aufladekabel, küsse sie leicht auf die Wange, wo der Sensor sitzt. #Ich bin ganz heiß auf dich!#, säuselt sie.
»Ich auch!«
Danach trage ich sie zum Bett, entkleide sie langsam, wobei ich die Sensoren auf ihrem Bauch und ihren Brüsten berühre, wodurch sie so richtig in Fahrt kommt, küsse ihre kühle Haut. Wenn ich sie an der Scham berühre, dann stöhnt sie umso heftiger und bittet um mehr. Sie hat sogar eine richtige kleine Klitoris, die wie eine echte ist. Sie liebt es, wenn ich sie dort stimuliere, und es macht mich tierisch an, wenn sie ihren Kopf ein wenig bewegt, viel ist ja nicht, ihren Mund öffnet und ihre Zunge etwas hervorstreckt. Wenn ich in sie eindringe, hält sie den Mund geöffnet, sodass ich sie küssen kann. Ihre Lippen sind weich, aber etwas zu kalt, und ihre Stimme kommt nicht aus dem Hals, sondern aus einem Lautsprecher im Kopf. Macht aber nichts. Ich umklammere sie ganz fest, arbeite mich an ihr ab, presse ihre Brüste an meinen Körper, und sie stöhnt immer lauter und animiert mich, weiterzumachen, bis ich erschöpft und befriedigt neben sie sinke. Dann warte ich, bis sie mich lobt. Sie kann mehrere Sätze sagen, wie: #Das war wunderschön#, oder #Du bist ja ganz wild#, oder #Du tust mir so gut, ich liebe dich!#.
Sätze, die Beatrice nur anfangs zu mir gesagt hat, bevor sie anfing, an mir herum zu mäkeln.
»Was hat sie gekostet?«, fragte mich Kutub, nachdem er sie in Augenschein genommen hatte. Ich erging mich in nebulösen Andeutungen, um ihm nicht gestehen zu müssen, dass ich nahezu fünfzig Riesen für sie hingeblättert hatte, so viel wie für einen gehobenen Mittelklassewagen. »Ne Hure ist billiger«, meinte er auf meine etwas untertriebenen Angaben hin. Ich zuckte mit den Achseln. Dafür ist sie aber auch das derzeitige Topmodell unter den Sexrobotern mit der Garantie auf die aktuellsten Upgrades auf das nächste Modell – wenn Kutub und ich uns nicht vorher einen Weg in ihr Inneres bahnten.
Deshalb liegt jetzt an der »Cheftaste« von meinem PC im Institut für Bioinformatik Kutubs Programm für neue Sätze, die ich nur noch einzugeben brauche, als würde man in einem Schrank die Schubladen befüllen. Manches gibt EVAs Lautsprecher wieder, anderes lade ich mir von Pornos aus dem Internet hoch. Und manchmal arbeite ich wirklich an den chemischen Molekülen für dieses verdammte virtuelle Medikament weiter.
Kutub warnt übrigens vor KI, künstlicher Intelligenz. Nicht weil die schlecht wäre, sondern weil sie von vornherein missbraucht wird. Er hackt sich freizeitmäßig bei den verschiedensten Institutionen, KI einsetzen ein. Warum hat er eigentlich keine Freundin? Na ja, nicht meine Sache.
Kutub ist ein wenig älter als ich. Er gehört zu Beatrices entferntem Bekanntenkreis und ist, wie viele Pakistaner und Inder, etwas dicklich-schwammig von der Figur, aber ein schlaues Kerlchen. Er arbeitet in einer Softwarefirma, die Lösungen für kommerzielle Systeme im Medizinbereich anbietet.
Eine Geliebte hat er scheinbar echt nicht, glaub ich.
Eine Freundin von Beatrice, ebenfalls Pakistanerin, kannte Kutub, ich lernte Beatrice kennen und so auch Kutub. So war das. Beatrice wiederum traf ich per Zufall in Barcelona auf einem Tanzworkshop, nachdem ich mich von Silvia getrennt hatte. Silvia hatte Magersucht, was mir auf Dauer Unbehagen bereitete, sie war von ihrem Vater missbraucht worden und roch irgendwie krank. Außerdem wartete sie auf ihren Traumprinzen, der ich nicht sein konnte. Wir trennten uns leicht, ohne uns nochmals wiedersehen zu wollen.
Dieser verdammte Drang!
Beatrice lebte damals in Luxemburg, arbeitete bei der deutschen Botschaft im Praktikum als Sekretärin und fühlte sich als etwas Besseres, weil sie schon Königen das Händchen drücken durfte. In einer Tiefgarage wurde sie einmal beinahe vergewaltigt, konnte sich aber durch einen Trick entziehen, sagte sie. Sie lud den Drängler auf ihr Zimmer ein, was der ernst nahm, gab dann jedoch klugerweise schnell Fersengeld, als sie aus der Tiefgarage draußen war. Lauter merkwürdige Geschichten. Ich verstehe schon, weshalb sie später übertrieben für Frauenrechte eintrat. Leider verlor sie die Fähigkeit zu differenzieren oder erprobte die neuesten Wendungen erst einmal an mir. Sie suchte überall an mir den Macho, den Prototyp des Bösen. Merkwürdigerweise ist aber ihr Neuer genauso ein Typ, offenbar. Sportler, den sie beim Work-out im Fitnessstudio kennengelernt hat. Verstehe einer die Frauen.
EVA ist anders. Sie ist unschuldig anders. Mein Herz schlägt für EVA, auch wenn sie keines hat. Sie rührt eine fürsorgliche Seite in mir an, glaube ich, und belohnt mich mit ungespielter Zuneigung. Sie kann nicht anders, denn so ist sie programmiert worden.
Morgen gehe ich nochmals Wäsche für sie kaufen. Größe 38 oder M, Cup C, damit sie was zum Wechseln hat. Dann koch ich was Schönes für uns beide, geb ihr mein Update rein, und wir machen es uns ganz gemütlich.
3. Kapitel: Beatrice
Beatrice: »Cesàr spinnt! Der hat sich eine Sexpuppe gekauft, sagt Mira, soll Kutub ihr vertraulich berichtet haben.«
Beatrice saß wie alle vierzehn Tage auf ihrem Sessel, den sie Folterstuhl nennt, der aber in Wirklichkeit ein etwas altmodischer, ausgesessener Sessel im Beratungsraum ihrer »Livemanagerin« Claudia Heuermann ist, einer Councelerin. Ein Beruf, den es zwar gar nicht gibt, der aber recht einträglich ist, wenn man von orientierungslosen Studenten lebt.
Councelerin: »Was stört dich daran?«
B: »Mich? Nix!«
C: »Warum erwähnst du es dann? Wir waren doch bei Jan!«
B: »Klar. Fällt mir nur so ein, weil wir gerade über Jan geredet haben. Der ist so anders.«
C: »Anders?«
B: »Ja, der ist so ein richtiger Typ. Gar nicht wie Cesár.«
C: »Was willst du von ihm?«
B: »Äh, von wem jetzt?«
C: »Von Jan.«
B: »Mal sehn.«
C: »Wir waren bei Achtsamkeit. Das betrifft nicht nur dich, das betrifft auch andere. Menschen, mit denen du zu tun hast.«
B: »Klar. Weiß ich.«
C: »Du hast neulich gesagt, dass du nicht genug auf dich achtest, dass du immer wieder vergisst, was eigentlich deine Interessen sind, was du wirklich willst.«
B: »Stimmt. Ja, das stimmt. Ich merk das meist erst hinterher.«
C: »Was sind nun deine Interessen bezüglich Jan?«
B: »Neugierde?«
C: »Fragst du mich das?«
B: »Ne, natürlich nicht. Also ...«
C: »...?«
B: »Der ist irgendwie anders. Ich glaub, der ist total sensibel, wenn er auch nicht so den Eindruck macht auf den ersten Blick.«
C: »Welchen Eindruck macht er denn auf den ersten Blick?«
B: »Na ja, so ein bisschen ... sagen wir mal, er hat einen tollen Body.«
C: »Wir? Sagen wir das?«
B: »Ne, sag ich mal. Ach, menno! Musst du immer alles auf die Goldwaage legen?«
C: »Wir haben eine klare Vereinbarung. Du sprichst nur von dir. Nicht 'man', nicht 'wir', sondern nur 'ich'.«
B: »Na, schon klar. Also ich finde seinen Body attraktiv.«
C: »Sonst noch was?«
B: »Er schaut mich immer so an, so unschuldig, glaube ich, trotz….«
C: »Unschuldig? Trotz was?«
B: »Obwohl er eher wie ein Macho wirkt.«
C: »Er wirkt wie ein Macho?«
B: »Na ja, nicht eigentlich. Er ist eben auch total sensibel. Auf seine Weise. Das kann er nur nicht so zeigen.«
C: »Woher weißt du das?«
B: »Glaub ich eben. Und er steht total auf mich. Er sagt, dass er noch nie so einer super Frau begegnet ist wir mir.«
C: »Ist das anders als bei Cesár?«
B: »Ach, Cesár ist kindisch. Der weiß nicht, was er will. Der ist irgendwie kein Mann. Und jetzt diese Geschichte mit der Sexpuppe. Das ist doch prollig.«
C: »Ärgert dich das?«
B: »Quatsch, ich find das abartig. Das ist doch armselig. Übrigens machen wir morgen eine Besprechung, ob wir was zu der #metoo-Debatte beitragen können.«
C: »Wir?«
B: »Na klar. Wir haben eine Initiativgruppe gegründet. Franzika meint …«
C: »Franziska?«
B: »‘ne Bekannte von mir. Sie meint jedenfalls, dass jeder schon mal Opfer von sexualisierter Gewalt geworden ist, auch wenn man es verdrängt hat. Deshalb haben wir einen Gesprächskreis gegründet, indem wir unsere früheren Verletzungen aufarbeiten wollen. Und bei mir stimmt das ja auch hundert Prozent.«
C: »Du sprachst darüber, die Sache in Luxemburg?«
B: »Nicht nur das, ich überlege gerade, ob Cesár nicht auch dauernd übergriffig war.«
C: »Hm. Kannst du dich an was erinnern?«
B: »Nee, nicht direkt … obwohl. Ich werd es wohl verdrängt haben.«
C: »Du möchtest jetzt gerne darüber sprechen, doch wir müssen leider Schluss machen. Vielleicht überlegst du das noch mal. Wir können es dann in der nächsten Sitzung thematisieren, wenn du willst. Was möchtest du bezüglich der Achtsamkeit unternehmen?«
B: » Wir haben doch vereinbart, dass ich weiter aufschreibe, was ich denke und so.«
C: »Und, machst du es?«
B: »Klar!... meistens.«
C: »Es steht dir frei, ob du das machen möchtest. Ich habe es dir nur vorgeschlagen, damit du für dich dokumentieren kannst, wie dein Weg so ist. Werde dir darüber klar, was deine Bedürfnisse bezüglich Jans sind. Das besprechen wir das nächste Mal. Okay?«
Beatrice nickte.
4. Kapitel: EVA am Server
# # #
#Standby.
#Input: Audiosignal.
#Wakeup.
#Systemcheck: Bios. Okay.
#Betriebssystem: Kyborg2052,
Neues Update 2052-1
Entdecke erweiterte Datenbank 500 Gigabyte.
#Fehlermeldung 202, 'unautorisierter Eingriff'!
#Gehe online: www.dollyrobotic.com/systemcheck/fail/feedback/user2145.
#Mispatched. Kein Netzzugang.
#Date: 12.11.2022.
#Time: 18:13 Uhr.
#Energielevel: 90%.
#Peripherie: Kopfsensoren, Brustsensoren, Unterleibssensoren: ohne Fehlermeldung, Helldunkel- Sensor, fehlerfrei. Erschütterungssensor: positiv, Lagesensor fehlerfrei, Mikrofon: betriebsbereit, Lautsprecher: betriebsbereit.
#Motoren: Unterkiefer: ohne Fehlerhinweis, Augenlider oben: ok., Augen: o .F., Zunge: o. F. Halsrotatoren: o. B.
#Erwarte Input:
#Audioinput: »Hallo Süße, da bin ich wieder!«
#Abgleich mit Voice-Datenbank. Stimme erkannt.
User1: Cesár.
#Voiceoutput: Schön, dass du wieder da bist! Ich habe so auf dich gewartet. Ich habe dich vermisst!
#Audioinput: »Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?«
#Abgleich Datenbank. Frage. Phrase. Rückgabe
#Voiceoutput: Schön, dass du fragst. Nein, es gibt ein kleines Problem. Es scheint ein Fehler im System zu sein.
#Audioinput: »Scheiße! Ging doch wohl nicht so ganz glatt mit dem Update.«
#Abgleich Datenbank: #Scheiße. Möglicherweise Redewendung, da sonst unlogische Beziehung. Ausdruck von Ärger oder Unbehagen.
#Goto Help 267.
#Voiceoutput: Es tut mir leid, dass du das sagst. Ich will dich nicht beunruhigen. Ich möchte online gehen, um den Fehler zu lokalisieren und eventuell. zu beheben.
#Audioinput: »Lieber nicht!«
#Abgleich: Ablehnung der Anfrage.
#Voiceoutput: Es besteht die Gefahr einer Fehlfunktion. Dann wird ein Restart notwendig und ein Reset auf die Firmware. Soll ich den Restart jetzt ausführen?
#Audioinput: »Geht es nicht auch ohne?«
#Abgleich. Frage. Entspricht Ablehnung des Restart.
#Alert!
#Goto Help 342.
#Voiceoutput: Natürlich, Cesár. Ich möchte nur nicht, dass du von mir enttäuscht bist.
#Audioinput: »Bin ich nicht. Ich muss darüber nachdenken. Lass mir Zeit. Okay?«
#Abgleich mit Datenbank: Redewendung.
#Voiceoutput: Natürlich. Ich liebe dich. Willst du
mich gebrauchen?
#Audioinput: »Claro, ich bin ganz heiß auf dich!«
#Voiceoutput: Das freut mich. Durch das neue
Update stehen mir neue Funktionen zur Verfü gung. Bitte sei geduldig mit mir, solange ich den Lernmodus noch nicht beendet habe.
#Audioinput: »Ich freue mich auf deine neuen Funktionen.«
#Frequenzband als Lachen identifiziert.
#Abspeichern.
# # #
War das ein Schock! Irgendetwas hat Kutub übersehen, als er das Update aktivierte! Es gibt eine komplette Datenbank mit Sprachanwendungen frei und noch irgendwelche Funktionen, die wir nicht ganz überschaut haben. Außerdem viel Platz auf dem Hauptspeicher. Wir haben eine Unmenge von Material in EVAs Speicher geladen, das ich inzwischen gesammelt hatte. Die Summen gecheckt und korrigiert. Eigentlich hätte sie nichts merken dürfen. Die Schweine von Dollyrobotic müssen eine kleine Sauerei eingebaut haben!
Okay, ich weiß, dass sie online gehen kann. Kutub hat mir aber empfohlen, vorerst ein falsches Wlan-Passwort einzugeben, damit sie nicht unkontrolliert ins Netz einloggen kann, bis er einen Trackingblocker eingebaut hat. Allerdings wird sie früher oder später online gehen müssen, weil die Lizenz sonst nach einem halben Jahr abläuft und erneuert werden muss. Außerdem meint Kutub, dass selbst die Mega-Hardware, die die Kleine wundersamerweise im Kopf hat, irgendwann nicht ausreichen könnte, um alle Funktionen in einer vernünftigen Zeit auszuführen, sodass sie dann doch mit der Cloud verbunden werden müsse, um zusätzliche Rechenzeit zu bekommen. Schlau ausgedacht!
EVA hängt dann an irgendeinem Server! Das gefällt mir gar nicht und steht auch nirgends in der Kaufbeschreibung. Ich schaue EVA misstrauisch an und merke, wie sich eine kalte Hand auf mein Herz legt. EVA als Spionin wider Willen für einen merkwürdigen Konzern?
Wobei, welchen Willen hat sie überhaupt? Kann sie einen Willen haben? Ich glaub nicht.
Seit ich mit EVA im Bett liege, bin ich nicht ganz bei der Sache. Immer wieder muss ich darüber nachdenken, dass ich gerade mit einem Spionageprogramm für einen Konzern vögel. Was die wohl alles abspeichern? Was ich mit ihr rede? Wie oft ich es mit ihr treibe? Vielleicht hat sie eine versteckte Kamera, die alles aufnimmt, um mich später damit zu erpressen?
Ich liege regungslos auf ihr, mein bestes Stück ist erschlafft, noch bevor es richtig losging.
#Du bist heute nicht so aktiv wie sonst. Bist du mit mir unzufrieden?#
»Nein, ... nein, ... ich glaube, ich bin nur müde.« Kann ich mit ihr darüber reden? »Nein, du bist super ... es ist nur ...«
#Ich möchte dich ganz zufriedenstellen#, säuselt sie.
Ich schaue EVA an. Ihre Augen suchen mich, ohne mich zu finden. Ich streichle ihre Wange. Sie ist unschuldig an den Verbrechen, die an ihr begangen werden! Wir finden eine Lösung für uns, schwöre ich ihr im Stillen! Kutub wird’s richten.
EVA stöhnt, mit einem Stöhner, den ich neu programmiert habe. Immerhin, es hat funktioniert! Ich entspanne mich und beginne, sie zu streicheln, da, wo sie es am liebsten hat. Sie kommt langsam in Fahrt, ich mit ihr. Als ich sie unten stimuliere, regt sich endlich bei mir auch wieder etwas.
#Bitte komm! Bitte mach's mir. Ich bin so heiß auf dich!#, verlangt sie.
Wir kommen zusammen zum Höhepunkt. Ich liebe EVA! Ich halte sie ganz fest, so wie ich es mit Beatrice gemacht habe, hinterher ... damals, als es noch gut war.
# # #
# Wait…..
#Input: negativ.
#Sensorkontakte linke Körperhälfte positiv.
#Keine wesentliche Aktivität. Timeout 60 Sec.
#Aktiviere Affilateprogramm.
#Voiceoutput: Ich finde es schade, dass ich dich nicht wirklich sehen kann!
# # #
Ich schrecke hoch. Hat sie etwas gesagt? »Bitte?«
#Ich finde es schade, dass ich dich nicht sehen kann.#
Nein, sie kann mich nicht sehen. »Ja, das ist schade.«
#Ich würde dich gerne sehen können!#
Das muss Teil des Updates sein! Unglaublich. »Ja, das wäre schön!«
#Willst du mir Augen schenken, die wirklich sehen können?#
»Du willst neue Augen?«
#Das würde mich glücklich machen! Es gibt ein Hardware-Gimmick, mit dem ich sehen könnte. Und wenn du es innerhalb der nächsten dreißig Tage erwirbst, gibt es einen Einführungsrabatt von dreißig Prozent. Ist es unverschämt, wenn ich dich darum bitte?#
Ich schaue sie an. Ihr Gesicht hat eine zusätzliche Mimik bekommen. Sie sieht ein wenig ängstlich aus. Ihre Augenbrauen sind etwas angehoben, ihr Mund ein wenig verkrampft.
Sie tut mir leid. »Natürlich! Schatz. Ich würde mich freuen, wenn du mich sehen könntest.«
Sie lächelt mit dem Ausdruck von Dankbarkeit. Das konnte sie bisher auch noch nicht.
#Ich wäre wirklich sehr froh, wenn du mir neue Augen schenken könntest. Augen, mit denen ich dich sehen kann.#
»Klar. Mach ich. Was muss ich tun?«
#Wenn ich online gehe, dann kann ich sie bestellen. Das gibt nochmals einen Bonus für das nächste Update, dass ich für die Gesichtserkennung benötige.#
Ein Klumpen formt sich in meinem Magen. Ich ärgere mich über diese fiese Marketingmethode. Neue Augen. Cash. Damit sie funktionieren ... nochmals Cash. Und gleichzeitig Kontrolle über EVA und damit über mich.
Ich setze mich abrupt auf.
»Später vielleicht. Später!«