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Kapitel 5
Paul saß im schwarzen Anzug in seinem Ledersessel und starrte auf das Foto seiner Frau und seiner Tochter. Plötzlich begann er bitterlich zu weinen. Die Beerdigung war vor einer Stunde zu Ende.
Er konnte es einfach nicht fassen, dass er dafür verantwortlich war, dass seine Frau und seine Tochter nicht mehr da sind.
Im Haus war es ungewöhnlich still. Sam war zwar in seinem Zimmer, doch mehr als das Knarren des Fußbodens, wenn er durch das Zimmer ging, war nicht zu hören. Sam spielte gewöhnlich jeden Tag Klavier. Er spielte so oft, dass es Paul auch ab und zu nervte. Doch seit drei Tagen schwiegen die Tasten.
Paul sah zur Uhr und atmete tief durch. Er wischte sich die Tränen ab und ging die Treppe zu Sams Zimmer hoch. Einen Augenblick blieb er an der Tür stehen, dann klopfte er-keine Antwort. Vorsichtig öffnete Paul die Tür. Sam saß auf dem Fußboden, ans Bett gelehnt und drehte gelangweilt einen Kugelschreiber zwischen den Fingern.
„Hast du Hunger, Sam?“ „Verschwinde.“ Sam schenkte Paul keinen einzigen Blick. Paul fühlte sich sehr unwohl. Er schloss die Tür wieder und ging nach unten.
Auf seinem Schreibtisch stand eine angebrochene Flasche Cognac. Er nahm sie, starrte darauf und kippte sie schließlich in den Abguss.
„Ich muss jetzt für meinen Sohn da sein“, dachte er dabei. Paul legte sich auf die Wohnzimmer-Couch und starrte nachdenklich in den Kamin. Das gleichmäßige Flackern der Flammen und das leise Knistern beruhigten ihn ein wenig. Irgendwann, nachdem er mehrmals aufgezuckt war, schlief er ein.
Am nächsten Morgen: Sam weckte Paul. Dad…, Dad.“ Paul sprang auf und rieb sich die Nacht aus den Augen. „Ich wollte dich nur daran erinnern, dass du mich in einer Stunde zu meiner ersten Fahrstunde fahren wolltest.“ „Ja, natürlich. Du wirst pünktlich sein.“ Schlaftrunken schleppte sich Paul ins Badezimmer.
Pauls dunkler SUV steckte im Morgenverkehr fest. Peinliches Schweigen. Paul wollte das Radio anmachen, doch Sam machte gleich wieder aus. Nach zwanzig Minuten hatten sie Sams Fahrschule erreicht. „Wenn ich in sechs Wochen die Prüfung bestehe, kann ich dann mal mit deinem Auto fahren?“ „Na klar.“ Ohne Abschied sprang Sam aus dem Auto. Paul musste tief durchatmen. Ihm war klar, dass das ein langer Weg werden würde.
Kapitel 6
Sechs Wochen später: Paul saß bei seiner Hütte am Wasser und warf gelangweilt Steine ins Wasser. Er sah müde und ungepflegt aus.
Eine kräftige Brise wehte über die Wasseroberfläche. Das Rauschen des Windes in den Bäumen regte zum Nachdenken an. „Ring“, klingelte Pauls Handy.
„Hallo Sam…, du bist fertig…? Bin gleich da“, und legte auf.
Plötzlich wehte der Wind einen Zeitungsabriss, direkt vor Pauls Füße. Zu lesen war bloß „Gott teilt deinen Schmerz und schenkt Liebe im Krieg und im Frieden“. Paul fokussierte vier Wörter: Krieg, Frieden, Liebe und Gott. Plötzlich schoss ihm der alte Mann wieder in den Kopf. Er kramte die Karte des alten Mannes hervor und rief an.
Es war 10.27 Uhr, als Pauls schwarzer SUV vor der Fahrschule hielt, wo Sam bereits wartete. Er sprang wortlos in den Wagen. „Hallo, mein Sohn, begrüßte er Sam. „Ich habe bestanden“, hielt Sam seinen Führerschein hoch.
„Ist es in Ordnung, wenn wir noch einen kleinen Abstecher machen? Ich möchte jemanden besuchen und hätte dich gern dabei, fragte Paul. „Wenn es sein muss. Ist besser, als zu Hause die Wände anzustarren“, willigte Sam ein. „Ich wäre aber dafür, wenn du vorher mal duschst“, ergänzte Sam und runzelte die Nase. Paul lächelte etwas beschämt.
„Möchtest du nach Hause fahren?“ „Ernsthaft?“ „Ich habe es dir versprochen.“ Sie tauschten die Plätze und fuhren los. Paul genoss das Lächeln in Sams Gesicht. Das hatte er seit langer Zeit vermisst. Eine Stunde später verließen sie das Haus Richtung Autobahn.
Sie fuhren auf der Autobahn und es dämmerte bereits. Sam durfte auch mal fahren. Paul war überrascht, wie gut er bereits fahren konnte. „Einen kleinen Abstecher?“, fragte Sam zähneknirschend. Paul versuchte zu beruhigen.
Wusste er doch, wie schwer die ersten drei Wochen nach der Beerdigung waren. Doch Paul hielt an Sam fest und gab nicht auf. Er wollte nicht auch noch ihn verlieren. Doch das Verhältnis war immer noch brüchig. Mit dem Besuch des alten Mannes hoffte Paul, etwas Abwechslung hinein zu bringen.
„Laut Navi noch ungefähr eine Stunde“, antwortete Paul.
Als sie die Autobahn verließen, zog ein Unwetter auf und es begann wie aus Eimern zu schütten. Paul blieb plötzlich am Seitenstreifen der Landstraße stehen. Der Regen prasselte auf das Auto. „Laut Navi sind wir da“, sagte Paul verdutzt und starrte auf das Navigationsgerät. „Hier ist doch nur Wald und sonst nichts“, sagte Sam und versuchte irgendein Orientierungslicht zu finden.
Paul bemerkte plötzlich einen Wegweiser, wenige Meter vor sich. Er fuhr langsam näher heran, um es zu erkennen. „Nullius-Villa, 2 Kilometer“, las Sam vor. Ein Pfeil darunter deutete in einen Waldweg. Beide sahen den schlammigen Weg und blickten sich einen kurzen Moment fragend an. „Besser, als zu Hause die Wände anzustarren“, sagten beide gleichzeitig und mussten dabei lachen.
Kapitel 7
Mit Mühe wühlte sich der SUV zirka zehn Kilometer durch den schlammigen Boden, bis sie schließlich aus dem Wald herauskamen. Der Regen hatte vor zirka 5 Minuten aufgehört.
Plötzlich passierten sie ein seltsames Licht, wie eine Wand, eine Barriere. Was sie dann sahen, verschlug ihnen fast den Atem. Eine riesige alte Villa, einem Schloss gleich, stand auf einer Lichtung, mitten in einer traumhaften Landschaft. Dunkles altes Gemäuer, das fast die Wolken berührte. Wilder Wein umschloss die halbe Ostseite der Villa, von wo auch die Wolken kamen, jedoch keineswegs ungepflegt.
Durch die abwechselnd hellen und dunklen Wolken und den nassen Blättern des Weines, sah man ein beeindruckendes Farbenspiel.
Eine zwei Meter hohe Steinmauer umschloss das ganze Gelände. Auf der Steinmauer ein nochmal ein Meter hoher Stahlzaun mit nach oben ragenden Speer-Spitzen.
Paul fuhr ans geschlossene Tor heran und klingelte. Das Tor öffnete sich automatisch. Paul fuhr auf das weitläufige Gelände. Nun war das Fahren wieder angenehmer, da sie sich auf Kies bewegten. Paul fuhr ans Haus heran. Sie stiegen aus und sahen sich erstmal überwältigt um.
Ein Butler öffnete ihnen die große Eisentür, die mit Beschlägen verziert war. „Guten Abend“, begrüßte sie höflich der Butler. „Ich bin Sinclair. Wenn sie mir bitte in die Bibliothek folgen würden. Der Hausherr wird sie in wenigen Minuten empfangen“.
Staunend gingen sie durch die Eingangshalle nach links in eine beeindruckend große Bibliothek. Eine weitere Tür in der Eingangshalle führte zur Küche.
Zwei große, halbrunde Steintreppen führten links und rechts der Halle in die oberen Räume. Die Treppenstufen waren akkurat gearbeitet und ein roter Läufer aus Samt sorgte für sicheren Tritt. Gegenüber der Bibliothek befand sich eine dritte Tür, die in das Arbeitszimmer führte. Etliche Kerzenhalter und verschiedene Gemälde zierten die Wände. Drei Stockwerke hoch und voller Bücher ragte die Bibliothek in der Paul und Sam nun standen. Sie waren sprachlos.
„Zu meiner linken finden sie ein paar Erfrischungen. Bedienen sie sich“, sagte Sinclair und schloss die Tür. Beide sahen sich überwältigt um.
Sam fiel sofort eine mindestens zweihundert Jahre alte Kanone auf, die mitten im Raum Stand. Paul begutachtete die vorzügliche Auswahl an alkoholischen Getränken. Schließlich machte er sich einen Brandy.
Paul sah plötzlich ein separates Regal, in der alle seine Werke in Reihe und Glied aufgebahrt waren- „Was ist der Sinn des Lebens?“, „Warum weinen wir?“, „Wer ist Gott?“, „Welcher Gott ist Gott?“, „Wie entstand das Bewusstsein?“, „Wieviel Geld ist genug Geld?“, „Wieso können wir lieben?“, „Wer begann den ersten Krieg und warum?“, „Wann kommt der letzte Krieg?“, „Warum töten wir?“, „Warum ist das Universum so groß?“, „Warum sterben wir?“. Paul geht etwas verlegen näher heran.
Unterdessen ist Sam in der zweiten Etage und bestaunt die Darstellung eines Schlachtschauplatzes in Miniaturformat. Es handelte sich wohl aus der Zeit der napoleonischen Kriege.
Paul bestaunt mittlerweile einige sehr alte Bücher. „Ich hatte schon gar nicht mehr mit ihnen gerechnet“, hörte Paul plötzlich von der Eingangstür. Der alte Mann hatte unbemerkt die Bibliothek betreten. Sam kam herunter und sie begrüßten den alten Mann.
„Als allererstes möchte ich ihnen mein tiefstes Beileid bekunden. Ich war schwer erschüttert als ich es in der Zeitung las.“ Paul bedankte sich. „Einen stattlichen Sohn haben sie.“ Sam lächelte verschmitzt. „Für was interessieren sich junge Männer in deinem Alter heutzutage?“, möchte der alte Mann von Sam wissen. Sam zuckte mit den Schultern.
Der alte Mann ging zu einer Sprechanlage an einem der vielen Holzstützbalken und drückte einen Knopf. „Sinclair“, sprach er in den Lautsprecher, würden sie bitte Maik zu mir schicken?“ „Sofort“, krächzte zurück.
„Sie haben meine Bücher, wie ich gesehen habe“, fragte Paul neugierig. Es brannte ihm längst auf der Seele, danach zu fragen. „Sie haben eine faszinierende Art, die Dinge zu betrachten, Herr König“. „Sagen sie bitte Paul zu mir“. „Wie sie wünschen, Paul. Dann sagen sie bitte ebenfalls Paul zu mir“, grinste der alte Mann. „Ach, was. Nun gut…, Paul“. Beide lachten.
In dem Moment öffnete sich die Tür und ein junger Mann in dunkelgrüner, abgewetzter Arbeitskleidung kam herein. „Hallo“, begrüßte er alle. „Ah, Maik. Würdest du bitte Sam mit nach draußen nehmen und ihm den Zoo zeigen?“ Sam sah zu Paul. Paul nickte zustimmend. Sam und Maik verließen die Bibliothek. „Eine beeindruckende Bibliothek haben sie hier“, staunte Paul. „Einige Bücher habe ich selbst geschrieben. Die anderen Bücher sind mir…, sagen wir mal…, so zugeflogen“, antwortete der alte Mann mit glänzenden Augen, während sein Blick durch die Bibliothek wanderte. „Ich würde vorschlagen, dass wir in mein Arbeitszimmer gehen“, sagte der alte Mann und ging voraus.
Kapitel 8
Sie betraten das Arbeitszimmer.
Dunkle Brauntöne dominierten den Anblick. Alte Ölgemälde und Wandteppiche gaben den richtigen Farbtupfer. Das prasselnde Kaminfeuer sorgte für angenehme Atmosphäre, optisch wie akustisch.
Der alte Mann verwies Paul höflich auf einen Platz auf einem Ledersofa in der Nähe des Kamins. Der alte Mann selbst setzte sich schräg gegenüber in einen Schaukelstuhl, sodass er schräg-rechts zum Kamin schaute und schräg-links zu Paul. Er reichte Paul eine Schachtel Zigarren. Paul nahm dankend an. Der alte Mann steckte sich seine Pfeife an. Beide zogen ein paar Mal genüsslich an ihrer Rauchware.
Ein leichter Rauchschleier breitete sich im Raum aus. „Als sie mich damals ansprachen, dachte ich, sie sind verrückt“, begann Paul das Gespräch. „Touché“, erwidert der alte Mann mit einem Kopfnicken.
„Wie sind sie zu ihrem Reichtum gekommen?“, fragte Paul ganz interessiert. „Ich habe einmal wie sie angefangen“, murmelte der alte Mann Pfeife-kauend. „Als ich so alt war wie sie war ich ebenfalls ein bedeutender Schriftsteller.
Eines Tages trat ein schwerreicher Mann an mich heran und behauptete der Hüter eines uralten Geheimnisses zu sein. Doch er war schon sehr alt und müsste dieses Geheimnis an den nächsten weitergeben. Es gab nur einen Haken bei der Sache. Man kann dieses Wissen nicht einfach weitersagen, sondern der Nachfolger muss es allein ergründen.“ „Und dieses Geheimnis soll wohl dieses ominöse Wort sein?“, unterbrach Paul. „Sie kapieren schnell. Vielleicht nur eins, vielleicht zwei oder drei.“ Paul beugte sich ungläubig nach vorn. „Das verstehe ich nicht“, sagte Paul kopfschüttelnd.
„In Zeiten von Internet und Wikipedia weiß das doch mittlerweile jeder Mensch auf dieser Welt.“ Der alte Mann konnte sich ein flüchtiges Lachen nicht verkneifen. „Denken sie vielleicht an so etwas wie die Worte Krieg oder Frieden oder sogar Gott?“, fragte er Paul mit einem prüfenden Blick.
„Was soll das denn für ein eigenartiges Wort sein?“, hakte Paul nach. Der alte Mann nahm einen kräftigen Zug aus der Pfeife.
„Stellen sie sich ein Wort vor, dass, wenn es ausgesprochen, Zeit und Raum beeinflussen kann“, versuchte der alte Mann verständlicher zu werden. Man sah Paul die Ungläubigkeit an. „Es tut mir leid, aber jetzt halte ich sie für noch verrückter, als zuvor“, sagte Paul mit einem abwertenden Blick. „Ich dachte mir schon, dass sie einen Beweis haben möchten“, sagte der alte Mann lächelnd und sah konzentriert zum Kaminfeuer. Er murmelte plötzlich etwas völlig Unverständliches, eine Mischung aus Zischen und Hallen. Es klang auch so, als käme die Stimme nicht vom alten Mann, sondern von überall her. Paul sah sich überrascht im Zimmer um. Plötzlich wurde es dunkel im Zimmer. Das Kaminfeuer erlosch. Wieder murmelte der alte Mann unverständlich und das Feuer ging wieder an.
Das schlug ein wie eine Bombe. Langsam dämmerte es Paul, dass es hier um was viel Größeres ging als bloß um ein banales Wort. Paul bekam plötzlich am ganzen Körper Gänsehaut. Er begann leicht zu zittern. Paul erhob sich, ging zu einer kleinen Bar und goss einen Brandy in ein Glas. Dann gab er das Glas dem alten Mann und nahm selbst einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Anschließend setzte er sich wieder.
„War das gerade dieses ominöse Wort?“, fragte Paul mit zittriger Stimme. „Nein, das war mein Schwert“, sagte der alte Mann in einer Seelenruhe. „Ihr was?“ Paul verstand kein Wort. Der alte Mann nippte am Brandy.
„Stellen sie sich einen Ritter vor“, holte der alte Mann weit aus. „Ein Ritter ist kein Ritter ohne sein Schwert, seine Rüstung oder sein Pferd. Das, was sie gehört haben, war mein Schwert, meine Rüstung und mein Pferd.“ Für einen Moment war Paul sprachlos. Doch dann wandte er sich mit ernstem Blick zum alten Mann. „Sind sie ein Zauberer?“, fragte Paul völlig perplex. „Nein, ein Hüter“, antwortete der alte Mann mit erhobenem Zeigefinger.
„Und sie wollen jetzt, dass ich dieses Wort erfahre und mir dafür ein Haufen Geld geben?“, versuchte Paul das Ganze zu begreifen. „Ich möchte es mal so sagen, wenn sie sich dazu bereit erklären meine Nachfolge anzutreten, bekommen sie weit, weit mehr. Zum einen erben sie alles, was ich besitze. Es kann nämlich immer nur einen Hüter geben. Und das andere müssen sie schon selbst herausfinden.“
Paul sah einige Sekunden in den Kamin und dachte nach. „Gibt es eine Kehrseite der Medaille?“, wollte Paul wissen. Der alte Mann stand auf und klopfte seine Pfeife am Kamin aus. Dann setzte er sich wieder.
„Nun, zum einen müssten sie sterben“, sagte der alte Mann ganz trocken. „Wie bitte?“ Paul dachte er hätte sich verhört. „Sie und ihr Sohn müssten für die Welt da draußen für tot erklärt werden“, ergänzte der alte Mann.
„Dieses Wort finden sie nirgendwo auf der ganzen Welt in irgendwelchen Schriften. Nur sie und ihr Sohn würden es kennen, vorausgesetzt sie finden es. Sie wären der Hüter. Der Beschützer und Bewahrer des mächtigsten und wohl auch gefährlichsten Wortes der Welt.
Zum zweiten…, dieses Wort braucht nicht ohne Grund einen Hüter. So, wie es hell zu dunkel oder kalt zu warm gibt, gibt es auch etwas sehr Boshaftes, etwas Vernichtendes.“ „Was kann denn dieses Wort noch alles?“ „Oh“, begann der alte Mann mit seinem Stuhl zu schaukeln. „Es ist wie eine Zeitreisemaschine oder wie Aladins Wunderlampe. Das ist echt schwer zu erklären.
Versuchen sie sich den Urknall vorzustellen. Nur, dass dabei auch ein Wort entstand dessen Macht und Möglichkeiten so gut wie unbegrenzt sind. So, wie das Universum expandiert, so wächst auch die Macht dieses Wortes.“
„Sie müssen verzeihen, aber das klingt alles ziemlich verrückt." "Paul, wie viele Fantasie-Romane haben sie bisher gelesen? Dies ist wie einer dieser Romane, nur das es echt ist."
Da schoss Paul ein verrückter Gedanke durch den Kopf: „Kann ich meine Frau und meine Tochter damit zurückholen?“
Plötzlich klopfte es an der Tür. „Herein“, rief der alte Mann. Sinclair, der Butler trat ein. „Sir, das Abendessen ist angerichtet.“ „Danke, Sinclair“, und erhob sich aus dem Schaukelstuhl. „Würden sie bitte Sam im Zoo Bescheid sagen?“ „Schon geschehen, Sir. Er müsste jeden Moment kommen.“ Sinclair schloss die Tür.
„Darf Paul sie zum Abendessen einladen, Paul“, scherzte er zu Paul. Paul erhob sich. „Auch wenn mir etwas flau im Magen ist, mit dem größten Vergnügen.“ Beide gingen nach draußen.
Kapitel 9
Die beiden Pauls saßen bereits an einer großzügig gedeckten Tafel, als Sam hereinkam.
„Dad…, der Zoo ist der Wahnsinn. Da gibt es Tiere, die ich noch nie gesehen habe. Ein Greif und ein Knuff, oder…“ „Stopp…, ein Greif und ein was?“ „Ein Knuff.“ „Was zum Geier ist ein Knuff?“ Der alte Mann begann zu lachen.
Sam setzte sich und fiel halbverhungert über die Tafel her. Der alte Mann amüsierte sich köstlich. Paul hingegen bekam nur wenige Bissen herunter. Regen peitschte an die Fenster. Es blitzte und donnerte.
„Was haltet ihr beiden davon, die Nacht hierzubleiben?“, warf der alte Mann in die Runde. „Oh, Dad, bitte.“ Paul schaute zum Fenster und nickte zustimmend. „Sam, ich habe für dich ein Zimmer mit Klavier herrichten lassen“. „Woher wussten sie…?“, fragte Paul verdutzt. „Schon gut. Ich habe so eine Ahnung.“ „Gibt es hier einen Fernseher?“, fragte Sam neugierig. „Auf deinem Zimmer findest du alles, was du brauchst“, warf Sinclair ein, der irgendwie verloren neben dem alten Mann stand. „Danke, Sinclair…, hatte gerade den Mund voll. Das Rebhuhn ist aber auch wieder köstlich“, schmatzte der alte Mann genüsslich.
Alle waren fertig mit dem essen und wirkten zufrieden. „Sinclair, würden sie bitte Sam sein Zimmer zeigen.“ Sam sprang auf und folgte Sinclair.
Der alte Mann sah Paul fragend an. Paul schaute nachdenklich auf den Tisch dann schüchtern zum alten Mann, schnell wieder auf den Tisch und wieder zum alten Mann. Der alte Mann grinste schelmisch.
„Was passiert, wenn ich mich dagegen entscheide?“, brannte Paul auf der Seele. „Ich habe ja nun Kenntnis, dass es da ein seltsames Wort gibt, dass, keine Ahnung, was alles kann. Wäre ich dann nicht eine Gefahr?“ Der alte Mann atmete tief durch. „Würden sie mich bitte begleiten, Paul? Ich möchte ihnen etwas zeigen“, erhob sich der alte Mann. Beide gingen aus dem Speisesaal. Plötzlich blieb der alte Mann im großen Vorsaal stehen, schloss die Augen und lauschte genussvoll den Klängen des Klaviers, was in den großen Sälen besonders gut hallte. „Ihr Sohn hat ein besonderes Talent. Das könnte noch von Nutzen sein“, sprach der alte Mann mit einem verschmitzten Lächeln. Dann gingen sie Richtung Kellertreppe.
Währenddessen in Sams Zimmer. Sam schlug noch zwei Tasten an und klappte den Deckel des etwas in die Jahre gekommenen Flügels herunter. Er sah sich im Zimmer um. Stylische und moderne Einrichtung. Großer Flachbildschirm an der Wand. Jede Menge DVDs aus verschiedenen Genres. Soundanlage und eine geheimnisvolle Kiste in der Ecke, etwa die Größe eines Reisekoffers. Sam machte den Fernseher an. Eine Dokumentation über Brückensprengungen lief gerade, untermalt mit Klavierklängen.
Sam schaute einen Moment gebannt zu. Doch sein Blick wanderte immer wieder in Richtung der Kiste. Sam ging zu ihr und öffnete sie. Da lagen nur zwei kleine Kästchen darin, ein schwarzes und ein weißes, nicht größer als ein normales Smartphone. Er nahm vorsichtig das weiße Kästchen heraus und begutachtete es. An der Seite befand sich ein kleiner Druckknopf in Form eines Notenschlüssels.
Plötzlich begann der Knopf wie ein Smaragd zu leuchten. Sam war wie hypnotisiert und drückte drauf. Plötzlich faltete sich das Kästchen blitzschnell auf. Sam ließ es erschrocken fallen. Einen Augenblick später stand ein glänzend-weißes Klavier vor ihm. Sam war einen kurzen Moment platt.
„Haben die mir irgendwas ins Essen getan?“ Sam berührte vorsichtig das Klavier mit dem Finger, nichts passierte. Er klappte vorsichtig den Deckel der Tasten hoch. In dem Moment kam ein Hocker darunter hervor, welcher ihm fast in die Beine fuhr. Er setzte sich und fing an zu spielen.
Es hallte durch das ganze Haus, ja sogar bis in den Wald. Der Klang hatte etwas Magisches. Die beiden Pauls gingen gerade eine lange steinerne Wendeltreppe herunter als dem alten Mann eine Spinne in ihrem Netz auffiel, oberhalb seines Kopfes. Sie wankte im Rhythmus des Klavierspiels.
Plötzlich hörte die Musik auf und die Spinne fiel wieder über eine Fliege her, die sich im Netz verfangen hatte. Der alte Mann lächelte und ging dann weiter die Treppe runter. „Alles in Ordnung?“, fragte Paul. „Ja, ja“, antwortete der alte Mann. „Musste nur mal durchschnaufen.“ Am unteren Ende der Wendeltreppe angekommen, zwängten sie sich durch einen dunklen, schmalen Gang.
Ein paar kleine Wandlichter erlaubten es den beiden wenigstens etwas zu sehen. Paul musste den Kopf einziehen, um sich an der halbrunden Deckenkonstruktion nicht zu stoßen. Er war mindestens eineinhalb Köpfe größer als der alte Mann. Der alte Mann ging mit geschlossenen Augen vorneweg und murmelte leise. „Siebzehn, achtzehn, neunzehn und zwanzig Schritte.“ Er blieb stehen und öffnete die Augen. Freudig lachend starrte er nun auf eine Wand aus Naturstein.
Paul wunderte sich. „Keine Tür weit und breit. Und an der Wand endete der Gang.“
Wieder murmelte der alte Mann. Es zischte und hallte. Paul tat es in den Ohren weh in der Enge des Ganges. Plötzlich wuchs der enge Gang zu einem großen, gut begehbaren Raum. Es sah aus, als ob die Wände des Ganges dabei verbrennen würden.
Paul duckte sich und hielt schützend die Arme über den Kopf. Nun standen sie in einem hell erleuchteten Raum. Türkis-blaue Marmorwände. Schwarz-weißer Granitfußboden. Und bei der Decke hatte man das Gefühl, sie sei offen, da man dort Wolken vorbeiziehen sah.
„Was ist das hier?“, fragte Paul schlicht überwältigt. „Nennen wir es mal einen Übungsraum“, sagte der alte Mann und ging zu etwas in der Mitte des Raumes, was wie eine große, runde Waschschüssel aus weißem Marmor aussah. „Paul, legen sie bitte ihre beiden Handflächen auf die Wasseroberfläche.“ Zögerlich trat Paul heran und tat es. Der alte Mann tat auf der gegenüberliegenden Seite das Gleiche. Er schaute Paul mit ernstem Blick an. „Sie werden jetzt einen kleinen Eindruck davon bekommen, was das Wort kann. Sie werden sehen, was ich sehe und fühlen was ich fühle…, bereit?“ „Was muss ich tun?“, fragte Paul ängstlich.“ Einfach bloß stehenbleiben, bereit?“ Paul nickte etwas unsicher. „Dann schließen sie nun die Augen.“
Beide schlossen die Augen. „Haaah“, schrie Paul plötzlich auf. „Was denn? Ich hatte doch noch gar nichts gemacht“, wunderte sich der alte Mann. „Ah, ok“ Paul war das etwas peinlich. Er atmete nochmal durch. „Gut, bin bereit“ Beide schlossen wieder die Augen.
Währenddessen in Sams Zimmer: Sam begutachtete das Klavier. Er fand schließlich wieder den kleinen Notenschlüssel-Knopf am rechten, vorderen Standbein und drückte drauf. Blitzartig faltete sich das Klavier wieder zusammen. „Wie cool ist das denn?“, staunte er und legte es zurück in die Kiste. Sam wollte nach dem schwarzen Kästchen greifen. Er zögerte jedoch.
„Dich schau ich mir später an“, und schloss die Truhe. „Ich will mir erstmal dieses Haus anschauen.“ Sam schaute vom Geländer auf den großen Vorsaal. Eine gespenstige Atmosphäre war zu spüren in den großen verlassenen Räumen. Plötzlich wanderte Sinclair unten umher, ging von einem Raum zum nächsten. Sam duckte sich und verfolgte seinen Weg. Als Sinclair aus dem Sichtfeld verschwand, fiel Sam die Wendeltreppe zum Keller ins Auge.
Auf leisen Sohlen begab er sich dorthin, vergewisserte sich immer wieder, dass er nicht gesehen wird. An der Wendeltreppe angekommen, blickte er hinab in eine gespenstige Dunkelheit. Doch ab und zu wird die Dunkelheit durch ein aufblitzendes Leuchten unterbrochen. Neugierig stieg Sam hinunter.
Sinclair blinzelte um die Ecke. Er hatte Sam bemerkt. Sam befand sich unten in dem engen Gang. Am Ende des Ganges sah er den Raum, der durch das Blitzen gut zu sehen war. Sam schlich sich heran und lunzte um die Ecke. „Was zum Geier ist das denn?“, verschlug es ihm den Atem. Er sah seinen Vater und den alten Mann. Zwischen den beiden drehte sich ein Lichtstrudel, der bis zur Decke reichte. Der alte Mann blinzelte mit einem Auge in Richtung Sam.