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Vor einigen Jahren wurde der damalige Abt des Stiftes Heiligenkreuz gefragt, warum das Stift Nachwuchs hat und lebt, während andere in Gefahr sind auszusterben. Seine Antwort war denkbar knapp: »Weil wir unser Stundengebet beten, weil wir dem Papst gehorchen und weil wir unser Ordensgewand tragen!« Als ich diese kleine Geschichte einem P. Provinzial einer jüngeren Gemeinschaft, auch sie gefährdet im genannten Sinne, erzählte, wehrte dieser ab: »So einfach ist das nicht!« Ich antwortete: »Vielleicht ist es so einfach, man könnte es doch wenigstens versuchen.« Vertreter anderer Gemeinschaften könnten kommen und sehen, welche »Angebote« in Heiligenkreuz gemacht werden, von Einkehrtagen bis zu Sportwochen – jugendgerecht, aber immer eindeutig als Gemeinschaft, die »Gottes-Programme« anbietet, nicht Seminare für Kirchenkritik, nicht für Leute, die alles besser wissen wollen, nicht Wellness- oder Abenteuerevents, fromm überzuckert!
Natürlich hatte mein Gesprächspartner, der zitierte Provinzial, auch recht: »So einfach ist es nicht!« Nein, tatsächlich, es ist nicht so einfach, überhaupt nicht einfach, weil dieses skizzierte Programm nicht machbar ist ohne eine Kehrtwende der Betroffenen. Das weiß aus der Erfahrung mit sich selbst ohnehin jeder Mensch, der sich auf den Weg zu Gott begeben hat. Natürlich, wenn man eine Neubelebung der Klöster und Gemeinschaften wirklich will, muss man umdenken! Das ist nicht sehr modern: eigene Ideenwelten dem »Gehorsam des Glaubens« unterzuordnen, zumal diese ohnehin sehr oft nur ein ideologisches Gemisch aus dem gerade modischen Zeitgeist sind und keine wirklich »eigenen« Ideen. Wie immer man es dreht und wendet, »wohlerworbene Rechte« wird man infrage stellen und vielleicht auch aufgeben müssen, wenn sie mit dem »Willen Gottes« nicht wirklich vereinbar sind. Denn junge, anspruchsvolle, sich nach Gott sehnende Menschen werden sich nicht einer Gemeinschaft anschließen wollen, die ihnen als »Haufen religiöser Individualisten« gegenübertritt, in der jeder »seine eigene Meinung« vertritt, »sein Leben selbst gestaltet« und bei jeder Gelegenheit betont, der Papst sei ja »auch nur ein Mensch«. Was mit solchen Sprüchen zur Verteidigung der eigenen Unveränderlichkeit gemeint ist, zeigt das kleine ironische Lächeln, das solche Sprechblasen zu begleiten pflegt. Beginnen könnte man auch damit, über den Gehorsam gegenüber der Kirche nachzudenken, gegenüber ihrer Lehre, gegenüber den liturgischen Vorgaben bis hin zur Überlegung, ob das Ordensgewand oder die priesterliche Kleidung nicht doch der Sache Gottes dient. »Vorkonziliare Enge«? Abgesehen von der Frage: Wo und wann hätte das Konzil diese »Dinge« relativiert? Gilt nicht auch für die Kirche der Satz: Bevor man eine Mauer abreißt, sollte man nachdenken, warum man sie gebaut hat.
Mit diesen Gedanken lege ich kein fertiges Konzept vor. Sie möchten nur dazu anregen nachzudenken! Vor Kurzem erzählte mir eine Frau von einem österreichischen Kloster, das mit solchen Reformen bescheiden angefangen hat – und jetzt wieder mehrere Novizen hat. Ich bleibe dabei: Wenn man will, dass das eigene Kloster, die eigene Gemeinschaft, das diözesane Priesterseminar wieder aufblühen sollen, müsste man in diese Richtung denken und dann die entsprechenden Maßnahmen ergreifen.
Noch einmal: Ja, der genannte Provinzial hat recht, ein solches Programm ist keineswegs »einfach«. Nein, im Gegenteil, dieser Weg führt durch eine »enge Pforte«. Aber was im Evangelium ist schon »einfach«, »locker«, zeitgemäß« und »politisch korrekt«? Ja, tatsächlich, es wäre ein anspruchsvolles Vorhaben, wenn sich eine Klostergemeinschaft, die an der beschriebenen Krankheit, die zum Tod durch Aussterben führen könnte, leidet, aufmachen würde und die dazu notwendigen Schritte setzte. Der Einwand wird sicher kommen: Führen die Vorschläge nicht »hinter das Konzil« zurück? Was heißt in solchem Zusammenhang die Richtungsbezeichnung »zurück«? Abgesehen von der »Hermeneutik der Kontinuität« (Papst Benedikt XVI.) und auch abgesehen davon, dass es keine »Kirche des Konzils« gibt, sondern nur eine einzige Kirche, die schon seit rund 2000 Jahren durch die Geschichte wandert, sich wandelnd und doch immer als dasselbe Volk Gottes von Heiligen und Sündern: »Wenn man am Rand eines Abgrunds steht, ist der Schritt zurück ein Fortschritt« (Erzbischof Johannes Dyba). War nicht auch die von Johannes dem Täufer und mit noch größerer Vollmacht von Jesus gepredigte »Umkehr« ein Aufruf, endlich bestimmte »Schritte zurück« zu machen? Es ist schon so: Mancher Fortschritt beginnt mit einem »Rückschritt«, der in eine neue Zukunft, »nach vorn«, führt! Auch das »Zurück-zur-ersten-Liebe« ist kein negativ zu wertendes »Zurück«, sondern ein wunderbarer Fortschritt – in der Ehe, aber auch im religiösen Leben. Man könnte auch bedenken: Techniker machen sogar Fortschritte, indem sie uralte Strukturen und Verhaltensweisen von Tieren erforschen, die sich über Jahrtausende bewährt haben. Und: Ordnungen und Strukturen, die manche Gemeinschaften durch Jahrhunderte getragen haben, Heilige »hervorbrachten« und sogar Zeiten wie die des Nazi- oder Stalin-Terrors überleben ließen, können doch nicht so schlecht gewesen sein, dass man sie pauschal als »veraltet« diskriminieren dürfte, statt sie zu bedenken und von ihnen zu lernen. Eine »Reform der Reform« hat z. B. der Gemeinschaft der von Sr. Angelica, Gründerin des größten katholischen Fernsehsenders der Welt, nicht nur nicht geschadet, sondern die Gemeinschaft neu aufblühen lassen.
Wenn man sich zu der skizzierten Erneuerung entschlösse, könnte man übrigens auch Mitbrüder aus anderen Gemeinschaften einladen und bitten, als »Trainer« behilflich zu sein und dazu vielleicht sogar eine gewisse Zeit lang in das Kloster zu übersiedeln.
Einen Versuch wäre es doch wert, statt zuzuschauen, wie die Gemeinschaft, an die man als junger Mensch geglaubt und der man sich, mit Opfern verbunden, anvertraut hat, stirbt? Im Evangelium erzählt Jesus das passende Gleichnis: »Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!« (Lk 13,6–9). Wir selbst sind »Feigenbaum« und »Gärtner« in einem, die dann folgende Erholung des Baumes ist ein Versprechen Gottes.
Also, das wäre es: Wir Ordensleute (und entsprechend auch die anderen Einrichtungen der Kirche für Priesterausbildung, natürlich auch die Frauengemeinschaften) sollten unseren »Feigenbaum« neu »aufgraben und düngen«!
Ich füge hinzu: In der Zeit meines Ordenslebens war ich kein großes Vorbild, meine Mitbrüder wissen es. Und auch mir würde, zurück in der Gemeinschaft, ein solches Reformprogramm ziemlich schwerfallen – aber ich würde es zusammen mit den anderen Mitbrüdern versuchen, statt zu warten, ob vielleicht ich jener »Letzte« sein werde, »der das Licht ausmacht«. Der Eintritt ins Noviziat ist mir sehr schwergefallen, aber zu meiner Überraschung war ich in dieser Zeit der ersten Liebe besonders glücklich. Aber am Tag der Priesterweihe, an dem alle von mir große Freude erwarteten, hatte ich Angst angesichts dessen, was da buchstäblich »über mich« gekommen war durch das, was der Bischof mit mir machte. Und ich wundere mich im Rückblick über so manches, was ich in den ersten Priesterjahren nicht sah, und natürlich hatte ich auch meine Krisen. Es erstaunt mich, dass ich diese mehr oder weniger gut überstanden habe. Gerade weil ich mir bewusst bin, wie leicht es hätte anders ausgehen können, verstehe ich jene Mitbrüder, die andere Wege gegangen sind, und urteile nicht über sie. Dass ich Priester geblieben und heute sogar Bischof bin, schreibe ich weder meinem Verstand zu noch meiner Kraft, sondern wirklich einzig und allein der Gnade Gottes. Man könnte auch sagen: Ohne diese bliebe es unerklärbar!
Irgendwas glauben
Es gibt wahrscheinlich nicht wirklich so viele Atheisten wie Menschen, die »irgendetwas« doch noch glauben, aber es nicht ungern sehen, für ungläubig gehalten zu werden. Manche merken nicht einmal, wenn sie ihren Unglauben mit Glauben vermischen wie der Mann, den ich neulich sagen hörte, er sei Atheist und wenn es ans Sterben gehe, werde er »Gott ein Schnippchen schlagen«, indem er seinen Tod selbst bestimme. Viel häufiger ist die Variante, die neulich im Bericht über einen Politiker zu lesen war: Bis zu seinem 13. Lebensjahr sei er jeden Sonntag in die Kirche gegangen und seine streng katholische Großmutter habe ihm das Bewusstsein gegeben, »dass es etwas Geistiges und Überirdisches gebe«. Aber »die Amtskirche« habe ihm auch eine tiefe Angst vor dem Teufel eingeimpft. Darunter habe er als Bub gelitten. So weit der Bericht in der Zeitung.
Solche »Berichte« hört man nicht selten, und ich frage mich dann, ob ich wirklich in derselben Kirche aufgewachsen bin wie z. B. dieser Politiker: Ich habe vom Teufel gehört, aber hatte nie wirklich Angst vor ihm. Umgekehrt frage ich mich, wie man an etwas so ungenau beschriebenes »Geistiges« und »Überirdisches« glauben kann. Was könnte das sein, gibt es einen rationalen Grund, an solche Gespenster-Begriffe zu glauben? Auch habe ich nie die »böse Amtskirche« erlebt, die man zu unterscheiden scheint von einer anderen, vielleicht lieben Kirche? Und was soll die eine oder andere Kirche sein, wenn man ohnehin meint, sie sei reines Menschenwerk, warum misst man ihr dann überhaupt Autorität zu? Fragen, die ich vielen Zeitgenossen gerne stellen möchte. Aber in einem Punkt nehme ich den zitierten Politiker sehr ernst: mit seiner Teufelsangst, denn darüber sollte man wirklich sprechen: Also, was ist mit dem Teufel? Gibt es ihn, wer ist der Teufel, haben wir Grund, ihn zu fürchten, was kann er denn tun, dass wir ihn und damit auch die Hölle – der Begriff gehört dazu – fürchten sollten, und nicht zuletzt: Gibt es einen Schutz gegen ihn? Dieser Schutz liegt auch im Weihwasser und erst recht in den Sakramenten und im ganzen Leben im Glauben.
Abtreibung – und was die Kirche tun sollte!
Wie gut tut es zu hören, dass die Kroaten die »Homo-Ehe« in einem Volksreferendum entschieden abgelehnt haben und jetzt die Definition der Ehe als Verbindung von Mann und Frau in die Verfassung schreiben. Und auch in anderen Ländern beginnen die Menschen, sich gegen Homo-Ehe und die Gender-Ideologie zu wehren. Auch im Kampf gegen die Abtreibung tut sich etwas und es ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber doch schön zu hören: Heute hat man mich zu einer Kundgebung in den Niederlanden eingeladen, aber ich musste absagen, weil an demselben Tag eine solche Kundgebung auch in Salzburg stattfindet! Vielleicht bahnt sich eine Art »Frühling« an, in dem das Leben erwacht ohne Gewalt und hoffentlich viel erfolgreicher als der bislang missglückte »Arabische Frühling«!
Mit Blick auf diese Entwicklung: Natürlich ist die katholische Kirche ein, letztlich das einzig unbezwingbare Bollwerk zum Schutz des Lebens. Aber dennoch muss man zugeben: Das lebensfeindliche Gift der Abtreibungslobby hat auch Katholiken erreicht und dies in einem unvorhersehbaren Ausmaß. Etwa so, dass in Religionsbüchern nicht mehr klar ist, ob die Frau nicht doch das Recht haben soll, sich für eine Abtreibung »zu entscheiden«. Oder dass ein Bereichslehrer für Religion einer jüngeren Kollegin vorschreiben will, über Abtreibung nur »ergebnisoffen« zu sprechen und nicht die offizielle Lehre der Kirche zu unterrichten. Und ein letztes, selbst erlebtes Beispiel: Bei einer Tagung über Missbrauch meinte der »katholische« Redner, die Kirche müsse endlich ihre Haltung zu Sexualität und auch zu Abtreibung ändern. Meinen Einspruch quittierte die Mehrzahl der Anwesenden mit Buhrufen! Wir hätten nicht Papst Franziskus gebraucht, um zu wissen, was er jetzt der Welt wieder einmal mehr gesagt hat. Aber wie gut, dass er es getan hat und wie:
»Unter den Schwachen, deren sich die Kirche mit Vorliebe annehmen will, sind auch die ungeborenen Kinder. Sie sind die Schutzlosesten und Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu können, was man will, indem man ihnen das Leben nimmt und Gesetzgebungen fördert, die erreichen, dass niemand das verbieten kann. […] Gerade weil es eine Frage ist, die mit der inneren Kohärenz unserer Botschaft vom Wert der menschlichen Person zu tun hat, darf man nicht erwarten, dass die Kirche ihre Position zu dieser Frage ändert. Ich möchte diesbezüglich ganz ehrlich sein. Dies ist kein Argument, das mutmaßlichen Reformen oder ›Modernisierungen‹ unterworfen ist. Es ist nicht fortschrittlich, sich einzubilden, die Probleme zu lösen, indem man ein menschliches Leben vernichtet« (Evangelii gaudium, 213, 214).
Hätten wir es schon gewusst, unnötig, darauf hinzuweisen? Nein, wie gut, dass Papst Franziskus es noch einmal gesagt hat, auch wenn seine Vorgänger es schon gesagt hatten und seine Nachfolger es wieder sagen werden!
Positiv bleibt, dass es kaum einen Priester zu geben scheint, der einigermaßen offen »pro choice« eintritt, erst recht keinen Bischof. Und doch, ganz »heil« ist die Lage trotz allem nicht. Denn man kann das »Nein!« zu Abtreibung nur flüstern, man kann es an ein Gremium delegieren, man kann es in einem Hirtenbrief verstecken! Oder man kann es laut von den Dächern rufen, unermüdlich rufen und prophetische Zeichen setzen, sodass es in der Öffentlichkeit nicht mehr überhört werden kann. Darum geht es und dazu wären drei Schritte nötig, bei denen die Bischöfe als Hirten vorausgehen sollten:
Erstens sollten die Bischöfe den Dialog und die Zusammenarbeit mit Pro-Life-Gruppen suchen und pflegen. Die Bischöfe sollten sich für dieses Thema Zeit nehmen, viel Zeit! Wenn man sich Zeit nimmt für Gremien, in denen nicht selten unkundige Leute über eher unbedeutende Dinge reden, wie viel mehr Zeit sollte man einsetzen, um über den Schutz und die Rettung der Ungeborenen mit denen zu reden, die das Thema Abtreibung nicht nur intellektuell wirklich kennen, sondern auch aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung, erworben im Ringen um jedes Menschenleben, zum Beispiel durch den Straßendienst, »Wissende«. Die Bitten um einen solchen Dialog wurden im Fall des großen, verdienstvollen Pro-Lifers Bernward Büchner, wie ich bestürzt lese, fast immer nur abgelehnt! Aber müsste nicht jeder Christ sozusagen »alles liegen und stehen lassen«, um mitzuhelfen, Menschen zu retten?
Besonders schlimm und ungerecht ist es, sich die Lebensschützer samt und sonders vom Leib zu halten mit Behauptungen, sie seien zu »emotional« und »unsachlich« oder zu »radikal«! Falsch: Über den Massenmord an Kindern kann man nicht »cool« reden. Die Emotion, die das Reden und Handeln begleitet, ist in solchen Fragen einzig die »sachliche, rationale, angemessene Reaktion«. Dasselbe gilt für das abwertend gemeinte Beiwort: »radikale« Abtreibungsgegner! Es gibt viele Bereiche, in denen man nur »radikal« dafür oder auch dagegen sein kann, nicht aber »nur ja nicht radikal«! Man kann nur radikal gegen Völkermord sein und auch radikal für den Glauben an Christus, wobei in diesem Zusammenhang »radikal« niemals Gewalttätigkeit mit einschließt. »Radikal« war Mutter Teresa in ihrem Dienst für die Armen, Franz Jägerstätter war radikal gegen Hitler eingestellt. Ungerecht ist es auch, Leute, die für das Leben und gegen Abtreibung kämpfen, pauschal als Fanatiker oder Psychopathen zu verunglimpfen, mit denen man nichts zu tun haben will und sich besser nicht sehen lässt! Sogar wenn der eine oder andere von ihnen wirklich psychisch nicht im Gleichgewicht sein sollte: Wäre es nicht höchste Zeit, sich selbst zu fragen, ob er oder sie nicht doch zumindest »auch recht« hat? Oder würde man nicht nachschauen, wenn ein solch angeblicher Fanatiker »Feuer!« riefe, weil es vielleicht wirklich brennt und es ohnehin schon nach Rauch stinkt? Werden nicht irgendwann viele von uns versucht sein zu sagen: »Das haben wir nicht gewusst!«, und dabei denken: Wir hätten vielleicht doch auf die »Fanatiker« und »Psychopathen« hören sollen, deren Art uns unangenehm war, dann hätten wir es wissen können! Der erste Imperativ wäre: Die Kirche »muss« sich mit Lebensschützern wie Bernward Büchner solidarisieren und damit zeigen, dass die Kirche das erste und größte Lebensschutzzentrum der Welt sein will und auch ist.
Zweitens sollten sich die Katholiken, auch alle anderen Christen, alle, die sehen, was »vor ihren geschlossenen Augen« geschieht, daran erinnern: Die Propheten haben nicht nur geredet, sondern auch Zeichen mit ihrem eigenen Leib gesetzt, die unübersehbar waren und ihre Umwelt zum Nachdenken oder Fragen zwangen. Die prophetischen Zeichen von damals sind für die heutige Welt meist unbrauchbar, aber irgendwie doch ähnlich. Wie damals ist es heute üblich, mit wichtigen Anliegen auf die Straße zu gehen und damit auch in die Medien. Das tun Bischöfe schon jetzt, um an die weltweite Verfolgung von Christen aufmerksam zu machen, oder auch dadurch, dass sie im Fernsehen die Kirche und ihre Lehre verteidigen. In den USA gehen die Bischöfe mit den Pro-Life-Demonstranten auf die Straßen und vor Abtreibungskliniken. Man fragt sich betroffen: Warum führen die Bischöfe nicht auch in Europa jene Großveranstaltungen an, die »pro life« abgehalten werden? Und wo sind all jene, die nicht müde werden, an Verbrechen in der Vergangenheit zu erinnern, und jene, die sich für Erhaltung des Regenwaldes und der Tiere stark machen, oder auch die Mitglieder der vielen und zu vielen »Gremien« in der Kirche und der vielen anderen Organisationen und NGOs, die von sich sagen, sie seien für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung: Wo sind sie, warum helfen sie nicht mit all ihren Kräften, warum gehen sie nicht auf die Straße und fordern den Schutz der Kinder und ihrer Mütter?
Wenn bei einer nationalen Großveranstaltung die gesamte Bischofskonferenz vorausginge, was wäre das für ein gewaltiges und wirkungsvolles Zeichen! Ich habe im Ausland mehrfach erlebt, wie dankbar die Menschen sind, wenn ein Bischof, wenigstens aus einem anderen Land, mit ihnen geht, erst recht, wenn der Bischof einer der Ihren ist, wie ich es in Budapest und in Olmütz schon erlebt habe! Und wenn dann auch noch eine größere Zahl der Domkapitulare, der Ordensschwestern, Priester, politischen Prominenz und natürlich der Mitglieder der »neuen Bewegungen« mitginge und auch derjenigen, die oft und gerne auf Wallfahrten gehen – was für ein prophetisches Zeichen wäre dies!
Drittens sollten die Bischöfe und ihre Theologen nachdenken, ob man das Fest »Mariä Heimsuchung«, die Begegnung von Maria und Elisabeth mit den ungeborenen Kindern unter ihrem Herzen, Jesus und Johannes dem Täufer, nicht neu, sozusagen »erweitert« verstehen und liturgisch feiern könnte als die große Heilszusage Gottes an den Menschen von Anfang an, noch im Schoß seiner Mutter? Dann hätten wir zwei Feste, um der Kleinsten zu gedenken und für sie zu beten: das Fest der Unschuldigen Kinder und Mariä Heimsuchung.
Abtreibung hat es immer gegeben wie den Brudermord seit Kain und Abel, aber vom Gesetz freigegeben, propagiert und mit Steuergeldern finanziert? Wie kann es sein, dass Katholiken, die das Konzil ständig im Munde führen, die Lehre des Konzils, dass Abtreibung Mord ist, ignorieren und, wie schon erlebt, sogar verhöhnen? Ich habe schon von Jugendlichen gehört, die den Mut hatten, das Thema »Abtreibung« für eine schulische Redeübung zu wählen und von Mord zu sprechen, und muslimische Taxifahrer haben in meiner Gegenwart ohne Zögern gesagt: »Abtreibung ist Mord«. Über andere Massenmorde in der Vergangenheit ist die Welt immer noch mehr oder weniger entsetzt. Aber über den Mord an den Ungeborenen heute sollen wir schweigen? Und wir reagieren kaum, wenn eine berühmte französische Schauspielerin öffentlich bekennt: »Ich bin gegen die Todesstrafe, aber für Abtreibung!« Absurd? Ja, aber diese Meinung ist weitverbreitet gerade unter den Promis und ranghohen Politikern! Über mangelnden Mut unserer Vorfahren angesichts bestimmter Verbrechen zu ihrer Zeit sind wir »betroffen« und »schämen uns«, aber obwohl wir heute keine Gestapo und keine sibirischen Arbeitslager zu fürchten haben, bleiben wir mehr oder weniger stumm angesichts dessen, was geschieht, ja es beeinflusst nicht einmal unser Verhalten bei der Wahl. Diese Tragödie schreit nicht nur zum Himmel, sie schreit auch nach einem besonderen Einsatz der Kirche. Zurzeit sind es schon viele Christen, die vorangehen, aber es dürfte keinen Katholiken, keinen Christen geben, der von sich selbst nicht sagen könnte: Ich bin »Lebensschützer« und tue nach meinen Möglichkeiten alles, was ich nur kann, »pro life«!
Und ein letztes Wort: Zur Hirtenaufgabe der Bischöfe gehört es auch, die »Bruchstellen« bei den Katholiken in der Abtreibungsfrage immer wieder anzusprechen. Abgesehen von der moraltheologischen Häresie der Güterabwägung, die Papst Johannes Paul II. in Veritatis splendor gebrandmarkt hat, mit der sich eine Abtreibung immer »bestens« legitimieren kann, kennt man das Grunddogma des fünften Gebotes Gottes zu wenig, wie Johannes Paul II. es in Evangelium vitae, Nr. 57, verkündet hat: Es ist niemals erlaubt, einen Unschuldigen zu töten.
Es sind drei Argumente, denen sich heute viele Katholiken beugen, auch solche, die sonst gegen Abtreibung sind:
1.Abtreibung bei Vergewaltigung
2.Abtreibung bei Behinderung
3.keine Strafe für Abtreibung
Es würde hier zu weit führen, wenn ich diese Punkte nochmals durchargumentierte. Ich beschränke mich daher auf folgende Verweise:
•auf Rebecca Kiessling (und ihre Website) und auch das Zeugnis einer kroatischen Schwester (in meinem Buch »Liebe und Partnerschaft«), die von serbischen Soldaten geschwängert wurde;
•auf mein eigenes Zeugnis (man kann mit einer Hasenscharte, die trotz heutiger OP-Technik laut statistischen Angaben immer noch häufig als legitimer Grund zur Abtreibung genannt wird, Bischof werden);
•auf einen österreichischen Bischof, der öffentlich sagte: »Niemand will die Strafe«, was aber logisch durchdacht so viel wie Fristenlösung heißt.
Eine Liebesgeschichte
Von der Liebe gibt es viele Geschichten und wenn man aufmerksam lauscht, erzählt das Leben besonders schöne Geschichten von Ehe und Liebe, nicht nur Shakespeare und Aitmatow!!
Eine solche Liebesgeschichte habe ich kürzlich erlauscht, erzählt von einer heute alten Frau, die eine Zeit lang meiner Mutter half, auf mich aufzupassen, als ich noch ein kleiner Junge war. Ich liebe sie noch heute und erinnere mich daran, wie ich, noch ein Kind, voll Staunen, aber auch mit einem geheimnisvollen Verstehen des mir eigentlich noch nicht Verstehbaren das Erwachen ihrer Liebe zu ihrem späteren Mann miterlebte, einer Liebe, deren »Tonfall« die beiden, bis der Tod sie schied, beibehalten haben.
Dazu passt nun die folgende Geschichte: Sie hatte vor Kurzem einen Herzinfarkt bekommen, kam in die Klinik und die Ärzte legten zur Diagnostizierung einen Herzkatheter. Den Vorgang beobachteten sie auf einem Bildschirm, aber auch die Kranke durfte zuschauen. Am Ziel angelangt, sagte der Arzt: »Jetzt bin ich in Ihrem Herzen!« Die Patientin antwortete schlagfertig und charmant: »Nein, mein Herz ist schon besetzt!« Und als sie mir diese Geschichte erzählte, lächelte sie und blickte zärtlich zu ihrem Mann hinüber, der neben ihr saß. In meinen Augen war sie für einige Augenblicke lang wieder die junge Frau, die ich aus meiner Kindheit kannte. Ihr Mann liebte sie noch wie damals, und ich auch, auf meine Weise.
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