Herzensöffnung (2): Versöhnung

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Pünktlich 16.00 Uhr begann Wolfram: „Liebe Freunde aus Håp Land. Ich bin vor zehn Monaten das erste Mal hier gewesen. Sie wissen das. Damals war ich von Ihrem Land so begeistert, dass es mich auch jetzt noch immer wieder hierherzieht. Und diese Begeisterung liegt nicht nur an Maria. Es sind die unberührte Natur, die Wälder mit ihren Tieren und die Ruhe, die diese Natur ausstrahlt. All das werden Sie in Deutschland nur selten finden. Deutschland ist dicht besiedelt. Von einem Ort zum anderen sind es oft nur ein bis zwei Kilometer. Dazwischen liegen meist Felder für die Landwirtschaft. Für Wälder und unberührte Natur ist da nicht viel Platz; höchstens in den Gebirgen. Aus dem Grund haben viele Deutsche Sehnsucht nach Natur und Ruhe.
Bei Ihnen ist das eher umgekehrt. Sie würden gern mehr in Wohlstand leben, Ihre Häuser modernisieren, vielleicht auf Öl- oder Gas-Heizung umstellen und etwas von der Welt sehen. Bei dieser Erkenntnis ist mir die Idee gekommen, dass beiden geholfen werden kann, Ihnen und auch den Deutschen. Ich habe Monate darüber nachgedacht, bis ich eine Lösung gefunden habe, die auch für Sie von Vorteil ist. Dazu habe ich mit den Verantwortlichen in unserer Firma gesprochen, bis ich sie überzeugt hatte.
Wie können nun die Bewohner von Håp Land zu Wohlstand kommen? Durch einen Industriestandort hier in der Nähe nicht. Håp Land liegt viel zu abseits, als dass sich hier eine Industrie ansiedelt. Aber mit Tourismus geht das sicher. Touristen lieben das Abgeschiedene und die unberührte Natur. Nun hätte es aber wenig Sinn, wenn hier ein neues, größeres Hotel entstehen würde. Dieses hier verschandelt schon die Gegend, aber es ist nun einmal da. Wie wäre es denn, wenn Sie bei sich Touristen aufnehmen würden? So könnten Sie auch an ihnen verdienen. Das wäre ein Arbeiten von zu Hause aus. Etwas Besseres gibt es nicht.
Natürlich weiß ich, dass die meisten Häuser in Håp Land dafür zu klein sind und deutsche Touristen, um die es ja jetzt geht, Komfort gewöhnt sind. Also, wenn wir diese Touristen hierherlocken wollen, dann müssen wir ihnen etwas bieten. Na ja, ich weiß, die Deutschen sind hier nicht wirklich beliebt, aber sie würden Ihnen das Geld bringen, das Sie dringend benötigen. Hören Sie sich deshalb einmal meine Idee an.
Sie alle haben größere Grundstücke. Wenn Sie nun zuließen, dass auf Ihrem Grundstück ein modernes Ferienhaus gebaut würde, das nach vier Jahren in Ihren Eigentum überginge, müssten Sie dabei nichts bezahlen und hätten auch kein Risiko. In diesen Ferienhäusern würden Angehörige aus unserer Firma Urlaub machen. Das sind keine anonymen Menschen. Sollte es Probleme geben, reicht eine Beschwerde an den Beauftragten in unserer Firma. Hier gibt es seit heute eine Verbindungsperson zu unserer Firma. Es ist Andrea Aglund, bis vor Kurzem Lizell. Aus dem Grund sitzt sie hier vorn. Sie hat seit vier Tagen ein Telefon und auch einen Internetanschluss. Damit ist sie direkt mit unserer Firma verbunden. Das heißt, Beschwerden können innerhalb von 24 Stunden bearbeitet und auch abgeklärt werden. Maria ist in Deutschland der Übersetzer und auch Interessenvertreter für Sie. Sie können ihr vertrauen. Sie wird sich immer für Sie einsetzen.
Doch zurück zu den geplanten Ferienhäusern. Ein solches Ferienhaus würde ungefähr 725.000,- NOK kosten. Das würde unsere Firma bauen lassen und finanzieren. Pro Jahr zahlen die Touristen zusammen bis zu 180.000,- NOK. Nach vier Jahren wäre somit das Ferienhaus bezahlt. Wenn aber jemand unter Ihnen sein Haus modernisieren, zum Beispiel eine Zentralheizung einbauen möchte, der kann dies über das Ferienhaus mitfinanzieren. So würde er dann erst nach vielleicht fünf Jahren Eigentümer des Ferienhauses sein. Das lässt sich alles machen. Sollte gar kein Urlauber kommen, werden trotzdem pro Jahr 180.000,- NOK abgeschrieben. Es ist Sache der Firma, dass sie Urlauber für die Ferienhäuser findet. Ein Ausbleiben der Touristen kann Ihnen nicht zur Last gelegt werden.
Nun werden einige fragen: Was nützt es uns heute, wenn wir erst in vier Jahren von den Urlaubern Geld bekommen? Auch darauf habe ich eine Antwort, die Ihnen gefallen könnte. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Frauen immer zu Hause sind, das heißt nicht außerhalb des Dorfes arbeiten. Sie könnten den Urlaubern Frühstück und Abendbrot anbieten und bei Bedarf auch Mittagessen. Diese Verpflegung bekommen Sie natürlich von den Urlaubern bezahlt. Ein Frühstück für 50,- NOK ist für Deutsche preiswert!“
Ein Raunen ging durch den Saal. Doch Wolfram sprach weiter: „Ein Abendbrot für 100,- NOK und ein Mittagessen für 150,- NOK sind für Deutsche ebenfalls preiswert. Für Kinder sind die Deutschen gewohnt, die Hälfte zu bezahlen. Ich glaube, mit diesen Preisen wäre eine Verköstigung der Urlauber auch für Sie interessant. Was halten Sie von diesem Vorschlag? Könnten sich einige unter Ihnen vorstellen, auf diesen Vorschlag einzugehen?“
Die Dorfbewohner im Saal diskutierten. Olaf Jansen sagte zu Wolfram, er würde auf dieses Angebot eingehen, wenn er noch ein paar Antworten bekäme. Da meldete sich der Wirt von der Dorfschenke und fragte: „Mir würde so ein Ferienhaus gar nichts nützen. Ich habe schon Gästezimmer und die bleiben auch fast ständig leer.“
„Stimmt!“ Viele nickten und gaben ihm recht.
„Für Sie und auch den Bürgermeister von Håp Land gibt es besondere Informationen direkt nach dieser Veranstaltung. Ich würde Sie dann an unseren Tisch bitten. Selbstverständlich müssen Sie keine neuen Quartiere bauen, sondern könnten Ihre jetzigen eventuell modernisieren. Eines kann ich Ihnen aber versprechen. Wenn wir uns einig werden, dann werden Ihre Zimmer bald nicht mehr leer sein. Interessenten gibt es genug in Deutschland. Sie wissen nur nicht, dass es hier in Håp Land ein solches Angebot gibt.“
Da meldete sich Jens Bergström: „Bekommen wir alle diese Zusicherungen auch schriftlich?“
Wolfram antwortete: „Selbstverständlich! Sie sind Teil des Vertrages, den Sie unterschreiben würden. Natürlich würde jeder Vertrag den einzelnen Wünschen und Bedingungen angepasst und ausgerechnet, bevor Sie ihn unterschreiben. Alles wird offen, ehrlich und fair zugehen.“
„Und was verdienen Sie oder Ihre Firma dabei?“
„Ihre Frage ist verständlich. Aber die Antwort wird Sie vermutlich verwundern. Die Preise entsprechen den Kosten für den Bau. Daran verdient weder die Firma noch ich. Es geht vielmehr darum, der Belegschaft bezahlbare Ferienplätze zu schaffen, besonders für Familien mit Kindern. Ich persönlich will Ihnen nur helfen. Ich habe die Gegend um Håp Land lieben gelernt. Es ist die Heimat meiner Frau und jetzt auch ein Stück Heimat von mir.“
Jens Bergströms Sohn Benny fragte nun: „Und wie soll das mit dem Bau vor sich gehen? Kommen da Deutsche, um uns zu zeigen, wie man baut, weil wir das nicht selbst können?“
Und wieder ging ein Geraune im Saal um. Auch im Präsidium blickten jetzt alle gespannt auf Wolfram.
„Nein! Das würde Ihnen nicht viel nützen. Der Bauleiter müsste natürlich aus Deutschland kommen, weil er die Übersicht über das Gesamtprojekt haben wird. Die Bauaufsicht hingegen wird Olaf Jansen übernehmen. Er ist seit heute ebenfalls angestellt bei unserer Firma. Alle Handwerker wird er aussuchen und alle Baumaterialien wird er in Zusammenarbeit mit dem deutschen Bauleiter hier ordern, soweit das möglich ist. Nur spezielle Dinge, die hier nicht zu beschaffen sind, werden aus Deutschland kommen. Wenn sich also Handwerker wie Maurer, Zimmerleute, Klempner, Dachdecker, Elektriker und so weiter unter Ihnen befinden, dann melden Sie sich bei Olaf. Die einzige Bedingung ist, dass die Arbeit in guter Qualität geleistet wird. Ist Ihre Frage damit beantwortet?“
Benny nickte.
Nach einigen belangloseren Fragen, die Wolfram alle zufriedenstellend beantwortete, schloss er mit den Worten: „Wer sich entschließt, dieses Angebot anzunehmen, der möchte sich bitte bei Olaf Jansen melden und alles Weitere mit ihm und Andrea Aglund besprechen. Andrea wird dann alles nach Deutschland schicken und dort wird der Vertrag fertig gemacht und zurückgeschickt. Das geht innerhalb von 24 Stunden. Wenn Sie mit dem Vertrag zufrieden sind, dann unterschreiben Sie und Sie können schon ab Juli mit Urlaubern rechnen. Damit möchte ich die heutige Info-Veranstaltung schließen, aber den Bürgermeister und den Wirt bitten, noch zu bleiben.“
Die Dorfbewohner erhoben sich und verließen diskutierend das Hotel. Vermutlich würden sie über dieses Angebot debattieren, bis sie das Dorf erreicht hatten.
Nun setzten sich die Leute aus dem Präsidium mit dem Bürgermeister und dem Wirt zusammen an einen Tisch. Wieder begann Wolfram: „Wir möchten Sie, Björn Nansen, als Bürgermeister von Håp Land nicht übergehen. Deshalb möchte ich, dass Sie über alles Bescheid wissen. Wie finden Sie diese Idee mit dem Tourismus als Arbeitsquelle?“
Björn nickte leicht. „Wenn das alles so funktioniert, dann wäre es ein Segen für unser Dorf. Aber werden Sie keine Probleme mit den Betreibern des Hotels bekommen?“
Da meldete sich Sven zu Wort. „Das Hotel hat seit heute einen neuen Eigentümer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Probleme gibt, wenn die Auslastung des Hotels darunter nicht leidet. Da hier erst mal nur Betriebsangehörige von Wolframs Firma absteigen, hat das keinen Einfluss auf unseren Hotelbetrieb.“
„Dann kann ich Ihr Vorhaben nur begrüßen“, sagte Björn Nansen.
„Doch nun zu Ihnen, Sören Lundgren. Sie betreiben die Schenke im Dorf. Wir hatten schon mehrfach das Vergnügen. Wie viele Gästezimmer haben Sie?“
„Eigentlich sechs, aber nur vier sind eingerichtet.“
„Sonst haben Sie keine Räume, die man als Gästezimmer nutzen kann?“
„Ja, schon, da wären noch zwei kleine Zimmer für höchstens eine Person. Ich nutze sie als Abstellkammern“, meinte der Wirt.
„Wie wäre es, wenn wir zu ähnlichen Bedingungen wie beim Ferienhausbau Ihre Gästezimmer modernisieren und für das ganze Haus Heizung und warmes Wasser installieren? Sie würden an den Touristen vorerst nichts verdienen, bis die Modernisierungssumme ausgeglichen ist. Aber an der Verpflegung der Gäste verdienen Sie natürlich sofort. Haben Sie hinter dem Gebäude noch Platz, sagen wir 25 Meter?“
„Ja, weshalb?“
„Dann könnte ich mir vorstellen, dass man dort einen kleinen Veranstaltungssaal für Feiern bis hundert Personen anbauen kann. Die Urlauber wollen Tanzabende auch im kleineren Kreis haben. Die großen Veranstaltungen werden sicher im Hotel angeboten. Aber dazu muss man erst mal hinüberlaufen. Nicht alle werden das wollen. Auch könnte man in diesem Raum Kinovorstellungen anbieten. Wie würde Ihnen das gefallen?“
„An sich gut, aber ich kann das nicht finanzieren.“
„Die Finanzierung würde über die Gästezimmer laufen. Ausgleich durch Verdienstverzicht bei den Übernachtungen. Das sagte ich bereits.“
Sören Lundgren fragte weiter: „Wie soll ich hier Kinovorstellungen geben? Ich verstehe doch davon nichts.“
„Auch das ist kein Problem. Sie benutzen einen Videorecorder und schließen daran einen Beamer an. Das ist so etwas Ähnliches wie ein Diaprojektor, geht aber für Filme. Dazu brauchen Sie eine kleine Anlage mit zwei ordentlichen Lautsprechern. Das kostet heute nicht mehr viel. Wenn Sie so ausgerüstet sind, dann können Sie Kino- und auch Tanzveranstaltungen machen. Es empfiehlt sich, in dem Raum in der Mitte so etwas wie einen Raumteiler einzubauen, mit dem sie den Raum bequem bei Bedarf halbieren können. Das spart auch Heizkosten im Winter. Aber darüber können wir reden, wenn Sie sich entschieden haben.“
„Das würde alles Ihre Firma finanzieren?“, fragte der Wirt ungläubig.
„Ja!“, antwortete Wolfram. „Dort folgt man meiner Empfehlung, weil schon lange so eine Naturinsel für ruhebedürftige Angestellte gesucht wird. Sind Sie interessiert?“
„Ja, wenn das so ist, wie Sie sagen, dann interessiert es mich schon.“
„Dann überlegen Sie sich in Ruhe, was Sie verändern möchten, und wir lassen es dann in Deutschland berechnen. Wenn Sie anschließend damit einverstanden sind, können wir den Vertrag machen. Günstig wäre es, wenn es noch vor dem 5. Januar wäre. Wir fliegen am 7. Januar zurück.“
„Das wird sich einrichten lassen.“
„Kino!“, meinte nun der Bürgermeister. „Das hört sich gut an. Da kommt endlich mal etwas Bewegung ins Dorf.“
„Stimmt! Aber es wäre gut, wenn Sie Sören Lundgren bei der Genehmigung behilflich wären. Ich kenne die hier bestehenden Gesetze nicht“, ergänzte Wolfram.
Damit war die Info-Veranstaltung zu Ende. Der Bürgermeister und der Wirt verabschiedeten sich und gingen. Wolfram erklärte Olaf: „Jetzt wird es ernst. Mal sehen, wie viele dieses Angebot annehmen. Vermutlich werden es am Anfang wenige sein. Erst wenn die anderen merken, dass es funktioniert, werden es mehr werden. Sagen Sie mir bitte über Andrea Bescheid, wenn sich jemand für dieses Angebot interessiert. Auch so lange, wie wir noch hier sind.“
„Ich glaube, von denen, denen die Kinder das Aufschnittpaket gebracht haben, werden sich einige interessieren. Ich habe das vorhin beobachtet“, meinte Olaf.
„Schön wäre es für sie“, antwortete Wolfram. „Gerade diese Familien könnten Hilfe gebrauchen.“
Da wendete sich Wolfram an Sven: „Wenn wir in unserer Firma Håp Land als Urlaubsdomizil anbieten, dann wird auch das Hotel dabei sein. Das heißt, es kommt Arbeit auf dich zu. Ich habe mir das so gedacht, dass die Familien mehr im Dorf Urlaub machen und die Alleinstehenden eher im Hotel. Mal sehen, ob mein Konzept aufgeht.“
„Das wäre ja großartig. Unser Hotel braucht dringend Urlauber. Von den Reisebüros kommen immer weniger.“
„Sven, behalte die Reisebüros trotzdem im Fokus. Unsere Urlauber können nur zusätzlich sein. Ich werde vermutlich auch im Sommer mal kommen. Bis jetzt kenne ich Håp Land nur im Winter. Im Sommer ist es hier sicher auch sehr schön.“
„Wenn das mit den Urlaubern klappt, dann wird dir unsere Chefin ewig dankbar sein“, sagte Sven überschwänglich.
Nun verabschiedeten sie sich von Sven und gingen ins Dorf, wo drei kleine Mädchen auf ihre Eltern warteten. Vor Kjelds Haus sagte Wolfram zu Olaf: „Wir haben hier noch etwas zu klären und kommen dann noch mal kurz rüber zu Ihnen, um unsere Kinder abzuholen. Bis nachher!“
Olaf ging und Wolfram betrat mit Maria und Andrea deren Elternhaus. Kjeld kämpfte schon wieder mit dem Videorecorder, als Wolfram ihn fragte: „Pappa, wie ist das mit dir? Wollt ihr dieses Angebot mit dem Ferienhaus annehmen oder nicht?“
„Ich habe mich noch nicht entschieden“, wich Kjeld aus.
„Ich dachte mir, dass es doch toll wäre, wenn wir nicht mehr im Hotel absteigen müssten, wenn wir euch besuchen. Außerdem würdet ihr dabei eine Modernisierung eures Hauses fast zum Nulltarif bekommen. Eine Ölheizung im Haus heißt, keine Kohlen mehr schleppen zu müssen, kein Dreck mehr im Haus und es ist immer warm. Auch gibt es dann immer warmes Wasser in Küche und Bad. Wobei eine Bad-Modernisierung mit dabei sein könnte. Frag mal Andrea, was man aus einem Bad alles machen kann.“
Da sagte Andrea schwärmerisch: „Pappa. Ein Bad, wie es Wolfram und Maria haben, ist traumhaft. Das wäre was für uns.“
„Mal allen Ernstes. Willst du dir dieses Angebot entgehen lassen?“, fragte nun auch Maria.
„Ach, macht doch was ihr wollt“, entgegnete Kjeld ärgerlich.
„Nein, Pappa!“, sagte Wolfram ernst. „Das werden wir nicht tun; nicht über deinen Kopf hinweg. Nur wenn du einverstanden bist. Du wirst es ganz sicher nicht bereuen. Lass uns morgen noch mal darüber reden. Wir müssen jetzt unsere Kinder holen und zurück ins Hotel gehen. Es ist schon spät.“
Maria und Wolfram verabschiedeten sich von Andrea und ihren Eltern und verließen das Haus. Bei Jansens wartete man schon mit dem Abendbrot auf sie. „So war das aber nicht gemeint“, sagte Wolfram betroffen.
Ivonne hatte sich riesige Mühe gegeben. „Wir haben so viel Aufschnitt, dass wir den gern mit Ihnen teilen“, erwiderte Olaf lächelnd.
Wolfram nickte und setzte sich mit Maria an den Tisch. Nun aßen alle von dem Aufschnitt vom Vortag. Besonders Kai fand kein Ende. Seine Mutter ermahnte ihn zweimal, bekam aber immer zur Antwort, dass doch so viel davon da wäre. Wolfram schmunzelte. Kai hatte ja recht.
Nach dem Essen besprachen Olaf und Wolfram noch einmal das Angebot. Zum Schluss meinte Wolfram: „Es kann schon im März begonnen werden, wenn der Winter vorbei ist. Ich denke, so vier bis acht Wochen, dann könnte euer Ferienhaus fertig sein. Werden Sie bis dahin alle Handwerker zusammenhaben? Sie müssen aber unbedingt Qualitätsarbeit liefern. Das ist die Bedingung! Es geht nicht darum, billig zu arbeiten. Bitte geben Sie diese Bedingung an die Handwerker weiter. Wer pfuscht, dem wird sofort der Auftrag fristlos gekündigt. Es ist besser, wenn die Handwerker das vorher wissen. Es wird auch so im Auftrag stehen.“
„Wenn ich jetzt schon für März unverbindlich Leute suche, dann werde ich bestimmt alle zusammenhaben. Wie viele von jedem Handwerk werden denn benötigt?“
„Olaf, das weiß ich nicht. Ich gebe Ihnen aber auf jeden Fall nächste Woche über Andrea Bescheid. Wenn Sie die Handwerker bis zum 1. März alle zusammenhaben und auch für das Baumaterial sichere Zusagen haben, werde ich mich dafür einsetzen, dass Ihr Gehalt rückwirkend zum 1. Januar erhöht wird. Das heißt, Sie werden eine Nachzahlung bekommen.“
Olafs Augen glänzten und Ivonne sah Wolfram an, als wäre er Gott. „Ich werde Sie bestimmt nicht enttäuschen“, sagte Olaf.
„Mich? Ich vermittle nur. Es ist unsere Firma, für die Sie arbeiten.“
„Trotzdem! Ohne Sie hätte ich diese Arbeit nie bekommen. Ich danke Ihnen!“
Maria sah Wolfram mit vielsagenden Blicken an. Wusste sie doch manches besser als alle hier in Håp Land. Sie war stolz auf ihren Mann, dass er sich so für die Menschen in ihrem Dorf einsetzte.
In den folgenden zwei Tagen zeigte Wolfram Dagmar und Manfred das schöne Norwegen im Winter. Sie fuhren durch die Gegend und sahen manchen Elch aus der Ferne, wenn sie im Wald spazieren gingen. Am nächsten Tag fuhren sie bis zum Atlantik und jetzt sahen Maria und auch ihre Kinder zum ersten Mal das endlose Meer, das hinter dem Horizont zu versinken schien.
Drei Tage nach Neujahr fuhren Maria und Wolfram nach Bergen, um das Geburtstagsgeschenk für Marias Mutter zu holen. Sie hatten eine Waschmaschine mit integriertem Trockner per Spedition nach Bergen geschickt und wollten sie nun abholen. In den Volvo-Kombi passte sie locker rein. Anschließend fuhren sie noch einmal zum Flughafen, um alte Erinnerungen lebendig werden zu lassen. Im Empfangsgebäude sagte Wolfram zu seiner Maria: „Weißt du noch, wie wir das erste Mal hier waren? Wie begeistert du warst? Und heute ist alles schon so normal geworden.“
„Nein!“, widersprach Maria. „Es ist vielleicht leichter geworden, aber das Fliegen fasziniert mich immer noch. Wenn man über den Wolken schwebt und immer wunderschönes Wetter hat – das wird für mich immer ein Erlebnis sein. Aber sonst hast du natürlich recht. Im Februar hatte ich sogar etwas Angst, als wir hierhergefahren sind. Und heute ist es schon fast selbstverständlich. Wie man sich doch ändert.“
„Wollen wir gleich hier etwas essen?“, fragte Wolfram.
„Um Gottes willen, nein! Mamma und die Kinder warten doch mit dem Mittagessen auf uns.“
„Dann sollten wir jetzt zurückfahren, damit wir nicht zu spät kommen.“ Sie fuhren gleich zum Hotel und stellten dort das Auto in der Tiefgarage ab. So konnte Marias Mamma nicht vorzeitig sehen, was sie in Bergen geholt hatten. Anschließend liefen sie rüber zum Dorf.
Oben auf der Fernstraße meinte Maria zu Wolfram: „Weißt du noch, wie wir uns hier meistens getrennt haben. Auch wenn es manchmal wehtat, es war die schönste Zeit in meinem Leben. Ich denke gern daran zurück. Du auch?“
„Ja“, antwortete er und fügte hinzu: „Aber auch deshalb, weil ich damals höllisch aufpassen musste, dass ich mich nicht verspreche. Ich musste doch den normalen Angestellten spielen. Diese Rolle war für mich sehr neu.“
„Und doch hast du sie ausgezeichnet gespielt. Wir sind alle darauf reingefallen.“ Maria gab ihm lachend einen Stoß in die Seite. „Ich darf gar nicht daran denken, was gewesen wäre, wenn du das nicht gemacht hättest. Niemals wäre ich dir nach Sonnenberg gefolgt. Ich hätte dir deine Liebe nicht geglaubt und wäre sicher sehr unglücklich geworden.“ Maria schüttelte den Kopf, als wolle sie etwas abschütteln. „Heute bin ich dir dankbar, dass du so lange geschwiegen hast.“ Sie blieb stehen und umarmte ihren Mann. Dann folgte ein langer Kuss. „Du bist mein Leben, Wolfram. Ich liebe dich!“
„Ich liebe dich auch sehr“, gestand Wolfram. „Du bist die erste Frau, die ich wahrhaft liebe und bei der ich spüre, wieder geliebt zu werden. Du bist nicht nur die schönste Frau, sondern auch so erfrischend ehrlich, dass ich dich nie vergessen könnte, selbst wenn sich unsere Wege trennen würden. Ohne dich wäre mein Leben öd und leer.“
Noch einmal umarmten sie sich wie zwei Jungverliebte. Dann gingen sie weiter. Es war nur noch ein Stück bis zum Haus von Marias Eltern.
Hier wartete man schon sehnsüchtig auf sie. Marias Mutter hatte zu tun, das Essen warm zu halten, und Andrea hatte die Kinder besänftigt, die ständig fragten, wann es Essen gebe. Nur Pappa war nicht ungeduldig. Er erforschte die Welt seines neuen Videorecorders. Hier waren so viele Dinge in der Beschreibung, die er nicht kannte. Da gab es Funktionen, von denen er nicht einmal wusste, was sie bedeuteten.
Als Wolfram und Maria in der Tür standen, atmeten fünf Herzen auf und eins knurrte, weil es beim Studium des Videorecorders unterbrochen wurde. Beim Essen war aber alles vergessen.
Nach dem Essen sagte Andrea: „Wolfram, du musst noch zu Jansens rüber. Olaf war vor einer Stunde hier und hat gesagt, dass sich noch einige gemeldet haben. Sie wollen den Vertrag machen.“
„Das ist gut. Du und Maria, ihr kommt am besten gleich mit. Eva und Laura, wollt ihr mit Gerda und Kai spielen? Julia muss aber leider ins Bett.“
Ein zweimaliges „Ja!“ und ein trauriges Gesicht waren die Antworten. Also brachte Maria Julia in Andreas Bett und sagte zu ihr: „Wenn du ausgeschlafen hast, dann darfst du auch mit zu Gerda und Kai.“
Annefried beruhigte Maria: „Geh nur mit. Ich passe schon auf Julia auf. Diese Verträge sind doch wichtig?“
Maria nickte. „Danke!“
Olaf erwartete sie schon. Er wollte in seiner neuen Arbeit alles richtig machen und so sprach er: „Alle Familien, denen Sie ein Aufschnittpaket geschickt haben, wollen einen Ferienhausvertrag machen, dazu noch drei andere Familien und der Wirt. Sie wollen diesen Vertrag mit Ihrer Firma machen, wenn sie vorher noch ein paar genauere Informationen zur Finanzierung bekommen würden.“
„Das ist kein Problem. Ich habe alle Zahlen mit. Das wären dann elf Verträge?“
„Richtig!“ Olaf war stolz auf dieses Ergebnis, denn er selbst hatte mit weniger gerechnet.
„Sie selbst wollen diesen Vertrag nicht mehr?“
„Was? … Wieso? … Doch, doch, ich will auch. Das hatte ich doch schon gleich nach der Veranstaltung gesagt“, stammelte Olaf ängstlich.
„Dann sind es aber zwölf Verträge. Bitte seien Sie nicht böse. Es war nur ein Scherz. Natürlich weiß ich, dass Sie der Erste waren, der sich bereit erklärt hat. Deshalb wird der Bau auch bei Ihnen beginnen.“
Olaf war erleichtert. Er vertraute Wolfram und sah in diesem Ferienhausprojekt eine sichere Zukunft für sich und seine Familie.
„Wir werden mit allen, die sich für den Vertrag ausgesprochen haben, noch ein Treffen organisieren. Sagen wir übermorgen, am Sonnabend, 10.00 Uhr in der Dorfschenke. Dorthin werde ich die Verträge mitbringen. So kann jeder unterschreiben, wenn er das wirklich will. Ich möchte niemanden drängen! Würden Sie bitte allen Bescheid geben und natürlich auch den Wirt informieren?“
„Das werde ich tun. Sie können sich auf mich verlassen.“
„Olaf, Sie sind sehr fleißig. Ich bin überzeugt, dass Sie das nicht bereuen werden. So, jetzt schließen wir die Arbeit ab und sind wieder privat! Eines sollten Sie wissen: Marias Freunde sind auch meine Freunde. Schon deshalb möchten wir Ihnen helfen, so gut wir können.“





