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„Wieso ich? Kinder bestimmen auch bei euch ihren Namen selbst und teilen das ihrer Mutter noch vor der Geburt telepathisch mit. Ich hatte diese Namen plötzlich im Kopf, als ich begriff, dass es Zwillinge sind. Im Bergkristall-Clan überzeugte das dann auch die Letzten. Zwillinge gab es seit der Gründung von Posid noch nie. Sirai meinte, auch von Atlantis ist ihr kein solcher Fall bekannt. Diana, deine Brüder sind in ganz Posid berühmt. Sie freuen sich schon darauf dich besser kennen zu lernen.“
„Aber sie kennen mich ja noch gar nicht.“ Diana wunderte sich über die Sicherheit von Diane.
„Doch! Sie haben dich vor fünf Monaten gesehen, als wir zusammen in Posid waren. Sie saßen mit Sharula auf der Wiese vor unserer Herbergsschule. Sie gehören zu dieser Klasse, zu der du sicher auch bald gehören wirst. Kannst du dich erinnern, dass dir ein Schüler helfen wollte, als du dich ins Gras gesetzt hattest. Das war Hermann.“
„Das war mein Bruder? Aber warum hat er und Herbert uns dann nicht begrüßt?“, fragte Diana enttäuscht.
„Ich habe ihnen erst hinterher gesagt, wer ihr wart. Nur so war es möglich, dass deine Mama sich nicht ausgegrenzt fühlt. Ich wollte ihr auf keinen Fall weh tun. Herbert und Hermann hatten keine Ahnung, dass du ihre Schwester bist. Aber jetzt sind sie sehr gespannt und stolz auf dich. Keiner der anderen Schüler hat Geschwister. Das gibt es bei uns nicht. Nun aber haben die Zwillinge noch eine Schwester. So etwas hat es noch nie gegeben. Die ganze Klasse ist unheimlich neugierig. Sie hatten noch nie Kontakt mit einem Kind, welches auf der äußeren Erde gelebt hat. Sie werden viele Fragen an dich haben. Vor allem die beiden Mädchen. Du hast ihnen manches voraus.“
„Ich bin kein Kind mehr!“, rief Diana etwas befremdet.
„Bei uns schon. Alle bis zum 35. Lebensjahr sind bei uns Kinder. Dafür lebt man bei uns viel länger.“
Überzeugt erwiderte Diana nun: „Na ja, von mir aus. Und die warten wirklich auf mich? Ich dachte, ich bin dort ganz fremd. So sieht die Sache ja ganz anders aus. Wann fliegen wir? Jetzt gleich?“
„Heute noch, wenn ihr wollt.“ Nach einer Pause meinte Diane zu Wolfgang: „Kannst du dich an das Orakel erinnern, welches meine Mutter während ihrer Schwangerschaft zu meinem Horoskop bekommen hat?“ Er nickte. „Einen der drei letzten Punkte haben wir inzwischen erkannt. Es war die Information, die besagte, dass ich mich mehrfach vervielfältige und damit in die Geschichte der Atlanter eingehe. Mit der Vervielfältigung sind die Zwillinge gemeint. Das gab es in der langen Geschichte der Atlanter noch nie.“
„Was für ein Orakel?“, fragte Diana und Diane erzählte ihr von den Informationen, die Arebe bekam, als sie mit ihr schwanger war.
„Und das hat man deiner Mama gesagt, als sie mit dir schwanger war? Aber das geht doch gar nicht. Sie konnten doch nicht wissen, dass du einmal Papa triffst!“, warf jetzt Diana ein.
„Und doch war es so“, erklärte Diane. „Ein Orakel kann weit in die Zukunft reichen, aber oft versteht man es erst, wenn es sich erfüllt hat.“
„Und die letzten beiden Punkte?“, fragte Wolfgang.
„Sie haben sich noch nicht offenbart. Einmal hatte Ephros den Gedanken, dass mit den Brücken zu einem weniger bekannten Volk die Zwillinge und du gemeint sein könnten, aber ihr seid ja nur drei. Also konnte das auch nicht stimmen.“
„Wie lauteten denn diese beiden Orakelsprüche noch mal genau?“, fragte Diana jetzt ganz aufgeregt. Sie hatte eine Idee, wollte aber erst sicher sein, eh sie darüber sprach.
Diane holte aus ihrem Gedächtnis die beiden noch offenen Orakelsprüche und trug sie Diana vor: „Ich werde zum ersten Mal auch eine Basisquelle ersetzen. Und dann werde ich auch mit Traditionen brechen und dabei fünf Brücken bauen, von denen eine vergänglich sein wird.
Doch alle diese Brücken werden zu einem weniger bekannten Volk führen.“
Vollkommen aufgeregt meinte Diana jetzt: „Und wenn ich die vierte Brücke bin und vielleicht Mama die Fünfte?“
Wolfgangs Stirn zog sich in Falten. „Das wäre möglich, aber Mama ist doch …“ Plötzlich riss er die Augen auf, umarmte spontan seine Tochter und rief: „Die vergängliche Brücke! Das ist Mama! Diana, du hast es gefunden!“
Die Atlanterin nickte ebenfalls euphorisch. „Damit könntet ihr recht haben. Wir werden das im Clan besprechen, aber es sieht ganz so aus, als ob ihr es gefunden habt. Sie werden sich mit uns freuen, dass wir wieder einen Orakelpunkt erkannt haben. Nur die Sache mit dem Ersetzen der Basisquelle hat sich offenbar noch nicht erfüllt.“
„Dann vielleicht später“, meinte nun Diana überzeugt. Danach fiel ihr wieder das Gespräch von vorhin ein und sie fragte wiederholt. „Wann wollen wir fliegen?“
„Wann ihr wollt, sobald es dunkel geworden ist.“
„Was, wirklich?“ Diana konnte es gar nicht fassen.
„Dann solltest du dir alles, was dir wichtig ist, zusammen suchen“, erklärte Wolfgang seiner Tochter.
„Aber geht denn das alles in das UFO rein?“
„Du brauchst nur die Erinnerungsstücke, von denen du dich nicht trennen willst. Fotoalben, deine beiden Kuscheltiere und vielleicht auch ein paar Bücher, sonst nichts.“
„Nichts weiter? Keine Sachen? Soll ich denn dort nackt herumlaufen?“
„Das bekommst du in Posid alles, wie du es brauchst. Oder willst du mit deinen modischen Sachen dort herumlaufen, so dass man schon von weitem sieht, dass du kein Atlanter bist?“, fragte sie jetzt Diane.
„Na, das nun auch gerade nicht. Aber dann brauch ich ja gar nicht so viel.“
„Stimmt!“, bestätigte ihr Vater und schon war sie in ihrem Zimmer verschwunden. Wolfgang nahm jetzt Diane an die Hand und verließ die Wohnung, ging mit ihr durch den Keller und verließ das Haus auf der Hofseite. Nun führte er sie an die Blumenrabatte, wo an einer Stelle zwei Rosen nebeneinander standen. „Es ist ein Rote und eine Weiße. Jetzt im März blühen sie aber noch nicht.“
Wortlos dreht sich Diane zu ihm und umarmte ihn ganz heftig. Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Du hast die gleichen Rosen hier noch einmal gehabt?“
Wortlos nickte Wolfgang. Doch dann sagte er: „Sie standen anfangs genau so in meinem Schlafzimmer, wie bei euch in meinem Zimmer. Als aber Marina zu mir zog, hatte ich sie dann hier her gepflanzt. Wie hätte ich ihr diese Rosen erklären sollen?“
Sie streichelte ihn ganz zärtlich. „Du hast mich die ganze Zeit nicht vergessen.“ Und wieder drückte sie ihn ganz fest an sich. „Ich dich auch nicht. Ich habe deine Rosen in deinem Zimmer die ganze Zeit gepflegt und immer gehofft, dass du zurückkommst. Nun ist der Tag da und ich kann es immer noch nicht begreifen.“ Noch einmal schlossen sich ihre Arme ganz fest um seinen Körper und sie weinte vor Glück.
Nach einer Weile fragte Wolfgang: „Wollen wir die Rosen hier lassen?“
Wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht. All ihre Befürchtungen, Wolfgang könne sie mit der Zeit vergessen, kamen jetzt wieder in ihr hoch. Sie war überglücklich, dass er sie die ganze Zeit genau so vermisst hat, wie sie ihn. Deshalb antwortete sie: „Ja. Sollen sie hier von unserer Liebe künden und all denen Hoffnung geben, die auch auf ihr Glück lange warten müssen.“
Auf dem Rückweg in die Wohnung blieb Wolfgang im Keller plötzlich stehen. Ihm war sein Traum eingefallen, den er am zweiten Wochenende in Posid geträumt hatte. Er war im Traum auf der Tigerwiese in Posid mit Diane, zwei jungen Männern und einem jugendlichen Mädchen. „Diane!“, rief er heftig aus. „Erinnerst du dich an meinen Traum, den ich damals …“
„Ich lese ihn in deinen Gedanken. Ja, du hattest eine Zukunftsvision. Es waren Hermann, Herbert und Diana, die mit auf der Wiese waren. Welch wundersame Dinge es doch zwischen Himmel und Erde gibt.“
Eng umschlungen kamen sie wieder in der Wohnung an. Diana hatte sie schon vermisst. „Wo wart ihr denn?“
„Ich habe Diane nur unseren Hof gezeigt.“
„Ach so.“ Diana winkte ab. „Da gibt’s doch nichts Besonderes zu sehen.“
„Es wird langsam dunkel. Damit öffnet sich die innere Erde für euch“, erinnerte jetzt Diane. Zu Wolfgang gewandt sagte sie: „Es war der Wunsch von Marina, dass ich euch mitnehme.“
Er nickte. „Sie hat uns beiden viel Glück gewünscht. Was hatte ich doch für eine wundervolle Frau?“, sagte er mit Tränen in den Augen. Dann weinte er noch einmal bitterlich. Seine Tochter und auch Diane setzten sich jetzt zu ihm und versuchten ihn zu trösten.
Als er sich wieder beruhigt hatte, suchten sie ihre persönlichen Sachen zusammen. Wolfgang hängte seine Sonne von Atlantis wieder um und sie verließen zum letzten Mal ihre Wohnung. Da ihre freundlichen Nachbarn nicht zu Hause waren, steckte Wolfgang in den Briefkasten ein Kuvert mit all ihren Schlüsseln, Papieren und einem Briefbogen, auf dem stand:
Leipzig am 19. April 2028
Liebe Nachbarn!
Wir danken euch für diese angenehme Nachbarschaft, denn wir werden diesen Ort jetzt für immer verlassen. Unser Auto und alles was sich in unserer Wohnung befindet, schenken wir euch. Soviel wir wissen, sucht doch euer Sohn mit seiner Freundin eine Wohnung. Er kann alles haben. Wir wollen nichts dafür! Wir kommen nie wieder!!!
Alles Gute für euch.
Diana und Wolfgang Nebsi.
Danach meinte Diane: „Und dir, Diana, soll ich die Mutter ersetzen, hat mir deine Mama gesagt. Das werde ich sicher nie schaffen, aber ich versuche es, so gut ich kann.“
Wolfgang starrte Diane plötzlich an. Ihm lief es eiskalt den Rücken herunter. „Ersetzen! Du willst Diana die Mutter ersetzen?“
„Ja“, antwortete Diane etwas verwirrt. Noch bevor sie es in seinen Gedanken lesen konnte, platzte es aus ihm heraus. „Eine Mutter ist doch die Quelle oder die Basis eines Lebens. Und du wirst sie ersetzen. Das ist der letzte Orakelspruch! So etwas hat es sicher unter den Atlantern noch nie gegeben.“
Überrascht sah sie ihn an. „Du hast recht! Das ist es! Damit hat sich das gesamte Orakel erfüllt.“ Glücklich umarmte sie Wolfgang. Als sie Diana etwas unglücklich abseits stehen sah, nahm Diane jetzt zusätzlich auch ihre neue Tochter in die Arme. Ihr wurde in dem Moment bewusst, dass sie jetzt auch eine kleine Familie hatte und dass das Orakel all diese Dinge schon zu ihrer Geburt kannte; sogar Marinas vorzeitigen Tod. Das verstand nicht einmal sie selbst, obwohl sie als Atlanterin über viele Dinge Bescheid wusste. Noch immer umarmte sie die beiden.
Minuten später gingen sie zusammen zu Dianes Lande- und Startplatz in dem Industriegelände, stiegen in den Transporter und flogen einer neuen Zukunft entgegen. Wolfgang sah wehmütig nach unten, als sein Leipzig unter ihm verschwand. Es war 54 Jahre seine Heimat gewesen und nun sollte sich alles ändern. Im Grunde genommen hielt ihn hier nichts mehr, doch diesmal war es ein Abschied für immer. Und so kam in ihm doch so manche Erinnerung wieder hoch. Hatte er doch hier eine glückliche Kindheit verbracht, bis sich dann seine Eltern vor 40 Jahren scheiden lassen hatten. Ja, hier war er aufgewachsen. Die meisten seiner Bekannten wohnten noch hier. Allerdings wirkliche Freunde hatte er hier nie gehabt. Deshalb fiel ihm auch der Abschied nicht so schwer. Seine Mutter war hier vor rund 25 Jahren gestorben und sein Vater fünf Jahre später tödlich verunglückt. All diese Dinge gingen ihm jetzt durch den Kopf.
Damals, im Sommer 2007, hatte sich sein Leben gewaltig geändert. Nichts war mehr so wie vorher. Nun kamen auch die Erinnerungen an seinen Wanderurlaub zurück, den er sich in diesem Sommer vor zwanzig Jahren vorgenommen hatte. Dabei fiel ihm auch seine Zugbekanntschaft Wassili ein, der ihn in voller Begeisterung auf das Sonnenobservatorium in Goseck aufmerksam gemacht hatte. Trotz Verabredung im Zug hatte er Wassili aber später nie wieder gesehen. Das machte Wolfgang wieder nachträglich traurig. Er hätte ihm so viel zu erzählen gehabt, denn sein Tipp, im Sonnenobservatorium zu meditieren, hatte sein Leben total verändert. Durch diese Meditation war er völlig unerwartet nach Posid teleportiert. Hier hatte er Diane und ihre Schulklasse kennen gelernt. Sharula, die Lehrerin der Klasse, hatte damals viel zum Verständnis für seine neue Situation beigetragen. Diane und all ihre Klassenkameraden waren ihm damals zu echten Freunden geworden. Ebenso dachte er jetzt an die Tiger Toni, Sira und ihre Tigerbabys zurück. Ihnen konnte er nicht mehr begegnen, denn sie lebten nicht mehr. Aber den Hyperboreaner Zohar, den Arianni Ag-Agria, die Lemurer Angelina, Luriel und Celestia und vielleicht auch Adama könnte er jetzt vielleicht wieder sehen. Auch hatte er damals vor zwanzig Jahren den Neuschwabenländern Herbert Nussbaum, Rudolf Holzer, Gertraud Werner und Ingrid Jentzsch versprochen wieder zu kommen, wenn sich eine Gelegenheit bot. Und die bot sich jetzt. Darauf freute er sich. Doch dann kam ihm wieder der schmerzliche Abschied auf der Schulwiese in den Sinn. Die Umarmung von Sira. Hatte sie gefühlt, dass sie sich nie wiedersehen würden? Vielleicht! Trotzdem hatte sie bis zu ihrem Tod auf ihn gewartet, hatte Diane ihm berichtet.
Nach seiner Rückkehr in die äußere Welt war sein Herz voller Sehnsucht nach Posid, dem Bergkristall-Clan und besonders nach Diane. Doch irgendwann hatte er die Hoffnung aufgegeben, sie wiederzusehen und ein neues Leben begonnen, als Marina seinen Lebensweg kreuzte. Augenblicklich trieb es ihm Tränen in die Augen. Die glückliche Zeit mit Marina dauerte nur achtzehn Jahre. Es war erst Stunden her, dass sie beigesetzt wurde.
Nun blickte er etwas verstohlen auf Diane. Ob ihre Liebe noch einmal so erblühen würde wie damals vor 20 Jahren? Er war jetzt für sie ein relativ alter Mann mit seinen 54 Jahren. Dagegen war ihr Alterungsprozess bei etwa 35 Jahren stehen geblieben. Wird ihre Liebe groß genug sein und diese zwanzig Jahre überwinden? Und wird Diane auch seiner Tochter die Mutter ersetzen können? All diese Fragen gingen ihm durch den Kopf. Und dann warteten auch noch zwei Söhne in Posid auf ihn, von denen er bis jetzt noch gar nichts wusste.
Ein neues Zuhause
Inzwischen passierten sie schon die Polöffnung und helles Licht schlug ihnen entgegen. In Leipzig dagegen war es schon dunkel, als sie von dort wegflogen. Doch hier im Inneren war noch heller Tag.
„Du bist so nachdenklich. Bereust du, dass du mitgekommen bist?“, fragte ihn Diane mit einem besorgten Gesicht. Sie hatte bewusst seinen Gedanken nicht zugehört. Konnte sie sich doch denken, was ihn jetzt bewegte. Zum anderen wollte Diane Wolfgang das Gefühl geben, dass sie nicht immer seinen Gedanken lauschte.
Erschrocken kam Wolfgang aus seinen Erinnerungen in die Wirklichkeit zurück und schüttelte den Kopf. Vor ihm stand seine große Liebe, die er auch während seiner wirklich glücklichen Ehe mit Marina nicht vergessen konnte. Nun waren sie wieder zusammen. Er versuchte die Erinnerungen abzuschütteln. Schließlich ging doch sein größter Wunsch in Erfüllung. Leider ohne Marina. Gern hätte er auch sie mitgenommen. Wie das dann gegangen wäre, konnte er sich zwar nicht vorstellen, aber das Leben in Posid war sowieso ganz anders. Sicher hätte auch das irgendwie funktioniert. So aber musste er sie in Leipzig auf dem Friedhof zurück lassen. Auch wenn er jetzt wieder mit Diane zusammen war, würde er Marina nie vergessen. Das hatte er sich und jetzt auch ihr versprochen.
„Du musst sie nicht vergessen. Niemand erwartet das von dir. Und ich am allerwenigsten“, unterbrach ihn Diane schon wieder, die jetzt doch aus Sorge um ihn in seine Gedanken eingedrungen war.
„Was willst du denn vergessen, Papa?“, meldete sich jetzt auch Diana.
Wolfgang schüttelte mit dem Kopf und entgegnete: „Ich will niemand vergessen. Mir ist nur deine Mama eingefallen. Sie fehlt mir.“
Da ging Diana auf ihren Vater zu und drückte ihn ganz lieb. Ihr fehlte sie auch so sehr. Doch dann sah sie erschrocken zu ihrer neuen großen Ersatzmutter auf. Noch bevor sie etwas sagen konnte, beruhigte sie Diane: „Mir fehlt sie auch. Oh nein, ich habe deine Gedanken nicht belauscht. Man sieht es dir an, was du gedacht hast. Deine Mama war sehr lieb und sie war mir auch eine gute Freundin. Ich bin nicht eifersüchtig! So etwas gibt es bei uns nicht. Warum es das in Posid nicht gibt, wirst du bald kennen lernen. Und wenn ihr die Kristall-LICHT-Kammer hinter euch habt, werde ich dir lernen, wie du mit deiner Mama auch jetzt noch kommunizieren kannst.“
Ungläubig sah Diana ihre große Wahl-Mama mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Das soll ich dann wirklich können?“
„Ja sicher! Wenn deine zehn gestörten DNS repariert sind, kannst du das auch. Vertrau mir. Es wird bald für dich vieles möglich sein, was du bist jetzt vielleicht als Zauberei bezeichnest.“
Fragend sah Diana jetzt ihren Papa an und dieser nickte. „Du kannst ihr ruhig glauben. Ich habe damals vieles bei ihr und den andere gesehen, was ich nie für möglich gehalten hatte.“
Jetzt war Diana plötzlich ganz aufgeregt. „Heißt das, dass ich dann auch die Gedanken der anderen verstehen kann?“
Diane nickte. „Selbstverständlich, aber es ist unehrenhaft, wenn du dann eine Person belauschst, die keine telepathischen Fähigkeiten hat. Es ist ganz wichtig, dass du das ganz schnell lernst. Bei einem Telepathen ist das anders. Er merkt, wenn du in seine Gedanken eindringst. Dann lässt er es zu oder verweigert den Zugang. Das Gleiche kannst du dann auch.“
„Das ist ja irre! Das kann ich dann wirklich?“
Diane nickte. „Du kannst das auch jetzt gleich Herbert oder Hermann fragen. Wir sind am Ziel.“
Der Transporter verlor immer mehr an Höhe und landete sanft auf der Wiese vorm Wohntrichter des Bergkristall-Clans. Gespannt sah Diana auf die Mitglieder des Clans, die sie erwarteten und suchte unter ihnen ihre beiden Brüder, die sie doch an den dunkleren Haaren erkennen sollte. Doch als sie diese nicht sah, sagte sie enttäuscht: „Heute ist ja Donnerstag. Hermann und Herbert sind bestimmt gar nicht zu Hause.“
Lächelnd antwortete ihr Diane: „Sie sind ganz sicher hier, denn sie sind auf dich genau so gespannt, wie du auf sie. Außerdem ist nur auf der äußeren Erde heute Donnerstag. Bei uns hier ist Mittwoch.“
„Und wo sind sie?“, fragte Diana nun wieder völlig ungeduldig.
Da kamen die beiden jungen Männer schon auf sie zu. Je näher sie kamen, umso höher ging Dianas Blick. Als sie dann vor ihr standen, entfuhr es ihr: „Aber ihr seid ja noch viel größer als eure Mutter.“ Ehrfürchtig blickte sie nach oben, wo die beiden nach etwa 2,10 Meter endeten. Beim Vergleichen stellte Diana allerdings fest, dass die anderen Atlanter noch etwas größer waren.
„Liebe Schwester, wir begrüßen dich in deiner neuen Heimat.“ Hermann, der sie fast um einen halben Meter überragte, kniete sich und reichte ihr die Hand. Seine Mutter hatte ihm und seinem Bruder erklärt, dass man sich auf der äußeren Erde so begrüßt. Herbert begrüßte seine neue Schwester jetzt auch so auf Augenhöhe. Während Wolfgang und Diane über die drei schmunzelten, sagte Diana vorsichtig: „Hey!“
Die Zwillinge sahen nun ihre Mutter fragend an. Mit dieser Begrüßung konnten sie nichts anfangen. Da Diane es auch nicht kannte, klärte Wolfgang sie lächelnd auf. „So begrüßen sich die jungen Menschen auf der äußeren Erde.“
Ruckartig standen beide nun auf, gingen vor ihrem Vater leicht in die Hocke und umarmten ihn abwechselnd. Etwas verstohlen, aber auch etwas traurig sah Diana zu, wie ihr Papa doch so ganz anders begrüßt wurde. Ihre neue Mama merkte sehr schnell, dass sie etwas bedrückte. „Was hast du?“
„Papa wird ganz anders begrüßt als ich. Viel herzlicher. Habe ich denn irgendetwas falsch gemacht, dass mich meine Brüder ablehnen?“, fragte Diana ängstlich.
„Um Gotteswillen, nein! Ich habe ihnen nur gesagt, dass dir unsere normale Begrüßung noch fremd ist. Ich glaubte, dass sie dich vielleicht etwas verwirrt.“ Dann wandte sie sich an ihre Söhne und sagte lachend:
„Eure Schwester möchte so begrüßt werden, wie es hier üblich ist. Sie glaubt, dass sie sonst nicht richtig willkommen ist.“
„Was?“, rief Hermann, kam noch einmal auf sie zu, fiel auf die Knie und umarmte sie jetzt genau so, wie ihren Papa. Als er sie aber küsste, kam das für sie so überraschend, dass sie es starr vor Schreck zuließ. Blitzartig gingen ihr Gedanken wie Inzucht durch den Kopf. Doch das verwarf sie gleich wieder. Schließlich war es ja nur ein Kuss. Herberts nochmalige Begrüßung blieb bei der Umarmung. Er hatte ihren Schreck beim Kuss bemerkt und wollte sie nicht noch mehr verwirren. Dafür war ihm Diana wiederum dankbar. Irgendwie fühlte sie dabei, dass Herbert wahrscheinlich einfühlsamer war als sein Bruder.
Dann wurden sie vom übrigen Clan begrüßt und Diana wurde nun mit Umarmungen und Küssen überhäuft. Aber ihr entging dabei nicht, dass ihr Papa nur von den Frauen geküsst wurde. Deshalb fragte sie ihre neue Mama danach.
„Dein Papa hatte schon vor zwanzig Jahren ein Problem damit, wenn ihn Männer küssen wollten. Das hat sich bis heute nicht geändert. Die Männer im Clan wissen das und respektierten seinen Willen. Weißt du, Diana, bei uns sind alle wie Brüder und Schwestern. Irgendwann wirst du das auch verstehen. Glaube mir.“ Sie nickte ihrer neuen Tochter freundschaftlich zu.
„Dann ist es normal, dass sich hier alle küssen?“
„Ja. Weshalb nicht? Wir sind doch hier alle wie eine große Familie.“
„Hm.“ Diana nickte nachdenklich. Dann suchten ihre Augen nach Herbert. Sie ging auf ihn zu und als sie vor ihm stand winkte sie mit ihrem rechten Zeigefinger, dass er mit seinem Kopf mal runter kommen solle. Als er dies tat, umarmte Diana ihren Bruder und gab ihm nun auch einen Kuss.
Da war Herbert nicht mehr zu bremsen. Er umarmte seine Schwester jetzt ganz fest und nahm sie mit hoch, als er sich wieder gerade hinstellte. „Genau so habe ich mir meine Schwester vorgestellt“, rief er begeistert. Dann drückte er sie noch einmal ganz herzlich und setzte sie wieder sanft am Boden ab. Nun fühlte sich Diana wirklich im Bergkristall-Clan aufgenommen. Sie strahlte und alle Bedenken, die sie noch vor Minuten hatte, waren restlos verflogen. Ja, hier würde sie sich bestimmt wohlfühlen.
Nun nahmen ihre beiden Brüder sie in die Mitte und fassten sie an die Hand. Dann rannten sie so schnell Diana konnte zum Wohntrichter. Kurz davor hielten sie an und Hermann fragte: „Willst du dein Zimmer sehen? Du wohnst ab heute gleich neben Herbert.“ Diana nickte noch ganz außer Atem und sie betraten den Trichter.
Nun gingen sie die spiralförmige Treppe nach oben und blieben schon bald vor einer Tür stehen. „Du bist jetzt unser jüngstes Mitglied im Clan. Deshalb wirst du im untersten Zimmer wohnen“, erklärte Herbert ihr.
„Und die anderen Zimmer, die unter meinem Zimmer sind? Wer wohnt denn dort?“
Da klärte Hermann sie auf: „Niemand. Sie sind nur die Reserve, falls der Clan sich vergrößern sollte.“
Jetzt öffnete Diana die Tür ihres Zimmers und juxte vor Begeisterung. In dem kleinen Raum standen nicht nur ein Bett, sondern auch viele Gefäße mit Blumen. „Das war Dianes Idee. Sie glaubt, dass du dich so schneller heimisch fühlst“, meinte Hermann. „Dein Papa muss damals vor zwanzig Jahren auch Blumen in seinem Zimmer gehabt haben.“
Diana nickte bestätigend. „Ich glaube, die stehen immer noch dort. Als wir vor fünf Monaten schon einmal hier waren, standen damals Blumen in seinem Zimmer.“
„Ja, die hat Diane gepflegt, so lange wir denken können. Sie muss Wolfgang sehr geliebt haben“, meinte Herbert.
Da zogen sich auf Dianas Stirn Falten zusammen. „Sag doch bitte nicht einfach Wolfgang. Es ist doch unser Papa!“
Die beiden Brüder sahen sich an, nickten und Herbert sagte: „Gut, dann Papa.“
Erst jetzt bemerkte Diana, dass am Kopfende ihres Bettes drei Rosen in einer Reihe standen. Links und rechts standen je eine weiße und in der Mitte eine rosafarbene Rose. „Hat das etwas zu bedeuten?“, fragte Diana jetzt unsicher.
Die beiden Brüder nickten und Hermann erklärte: „Im Zimmer von … unserem Papa stehen schon immer zwei Rosen. Diane hat uns mal erzählt, was es damit für eine Bewandtnis hat. Dein … Unser Papa hat in ihnen ein Gleichnis zu einem Märchen von der äußeren Erde gesehen. Wir haben uns dann dieses Märchen von Sirai vorlesen lassen. Es war ein wunderschönes Märchen und hieß Die Schneekönigin. In diesem Märchen sind ein Junge und ein Mädchen für lange Zeit getrennt gewesen, bis das Mädchen den Jungen erlösen konnte. Wir glauben, dass unser Papa und Diane sich in dem Märchen wieder sahen. Die beiden Kinder Kai und Gerda hatten in dem Märchen auch eine weiße und eine rote Rose. Genau zwei solche Rosen stehen im Zimmer unseres Papas.“






