"Wenn Du absolut nach Amerika willst, so gehe in Gottesnamen!"

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Die autonomen und demokratisch verwalteten Gemeinschaften Kaliforniens waren grösstenteils in lockeren Verbänden von mehreren Dörfern organisiert. Sprachlich waren sie äusserst vielfältig. Man unterschied fünf Hauptsprachen, 21 Sprachfamilien und eine grosse Zahl verschiedener, untereinander nicht verständlicher Dialekte. Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Gemeinschaften stärkten wirtschaftliche, soziale, politische und religiöse Bande. Konflikte, die von Grenzverletzungen, Mord oder Diebstahl herrühren konnten, wurden meistens durch entsprechende Entschädigungen beigelegt, Krieg kannten die kalifornischen Indianer kaum. Menschliche Schwächen wie Wettstreit, Aggression, Neid und Rache lebten sie im Spiel aus, an dem sich Spieler wie Zuschauer leidenschaftlich beteiligten. Religiöse Rituale waren nicht auf Gottheiten orientiert, sondern feierten die Grundkräfte des Lebens und suchten deren stets gefährdetes Gleichgewicht zu bewahren oder wiederherzustellen.
Spanien und Mexiko
Von 1542 bis 1602 erforschten mehrere Expeditionen im Auftrag der Regierung Neuspaniens die Küste Kaliforniens. Danach vergingen 167 Jahre bis zur ersten Siedlungsgründung. Dies zeigt zum einen die ausserordentliche Isolation Kaliforniens, zum anderen die Geringschätzung, mit der die Spanier diese entlegene Region beurteilten: Es gebe dort, glaubten sie, weder Gold noch andere Reichtümer, die Küste hatte sich als abweisend und gefährlich erwiesen, und die Reise über Land schien noch bedrohlicher.
Im Jahre 1769 gründeten spanische Franziskaner San Diego de Alcalä, die erste Mission in Oberkalifornien. Insgesamt wurden in den folgenden fünf Jahrzehnten entlang der Küste 21 Missionsstationen errichtet, vier davon mit einem Presidio, einer Garnison mit einer kleinen Besatzungstruppe. Die Beziehung zwischen den Soldaten und den Padres war nie besonders gut, doch waren sie aufeinander angewiesen. Die Mission bestand nicht nur aus einer Kirche, sondern war auch ein landwirtschaftliches Pueblo, in welchem hunderte oder sogar tausende von Indianern zusammengezogen wurden und sämtliche Arbeiten verrichteten.
Theoretisch waren die Missionen Institutionen auf Zeit. Demgemäss hätte jede Mission zehn Jahre nach ihrer Gründung säkularisiert werden müssen. In Wirklichkeit dauerte es jedoch über sechzig Jahre bis zur Säkularisierung. In der Meinung der Missionare waren die Indianer Kinder, deren Geist nicht fähig sei, sich über dieses Niveau zu entwickeln. Sie machten sie in den Missionen zu hilflosen Abhängigen und behielten sie in diesem Zustand, indem sie jedes Detail streng kontrollierten. Kontakte mit Europäern ausserhalb der Missionen wurden unterbunden, kurz, die Missionare vermieden alles, was die getauften Indianer darauf vorbereitet hätte, die Mission je wieder zu verlassen.
Die Register der Missionen zeigen eine erschreckend hohe Sterberate. Eine grosse Zahl von Indianern starb an Krankheiten, gegen die sie nicht immun waren. Ihr Leben beschränkte sich auf die Räume der Mission, wodurch ihnen ihre traditionelle Gesundheitspflege, die sie in ihren Dörfern befolgt hatten – Schwitzhaus, Bad im Fluss, gelegentliches Abbrennen und Erneuern ihrer Wohnstätte etc. –, verwehrt war. Während der Missionsperiode sank die Zahl der einheimischen Bevölkerung zwischen der Bucht von San Francisco und San Diego von 72 000 auf 18 000, was einer Abnahme von über 75 Prozent entsprach.
Die spanische Besiedlung Oberkaliforniens beschränkte sich auf einen schmalen Küstenstreifen. Nur am Colorado River gab es zwei Missionen, die von den Yuma aber nach kurzer Zeit beseitigt wurden. Die einzigen Expeditionen ins Central Valley galten der Rückschaffung geflohener Missionsindianer oder waren reine Strafexpeditionen oder Versuche, gestohlene Pferde und gestohlenes Vieh zur Mission zurückzutreiben. Die häufigen Streifzüge zu den Viehherden der Küstensiedlungen unternahmen vor allem Indianer, die von dorther stammten, aber ins Landesinnere geflüchtet waren, um der Missionierung zu entgehen.
1812 baute die Russian-American Fur Company nördlich von Bodega Bay ein befestigtes Dorf, das sie Fort Ross nannte. Es belieferte die russische Kolonie Sitka in Alaska mit Nahrungsmitteln und bildete das Hauptquartier für die Seeotterjagd in Nordkalifornien. Es diente auch als Zentrum für den Handel zwischen den Russen und Spaniern, den die Regierung zwar verboten hatte, der aber für beide Seiten nötig war und unter freundschaftlichen Beziehungen stattfand.
Mexiko hatte sich 1821 die Unabhängigkeit von Spanien erkämpft und erhielt 1824 eine liberale Verfassung. Die Regierung in Mexico City bestimmte von nun an einen Gouverneur, der «jefe político superior» und «comandante general militar» in einem war. Es gab auch eine Art Legislative, die gewählte «diputación», die aber nur auf Einberufung durch den Gouverneur tagte und auch dann hauptsächlich in beratender Funktion.
Die Gouverneure waren unter anderem befugt, Land an künftige Rancheros zu vergeben, auch an Ausländer, sofern diese bereit waren, sich nach Ablauf eines Jahres einbürgern zu lassen und zum römisch-katholischen Glauben überzutreten. In der Folge verschob sich die eigentliche Macht in Kalifornien nach und nach von den Gouverneuren und Missionaren auf eine kleine Gruppe von Ranchero-Familien, deren Mitglieder in Kalifornien geboren und die verwandtschaftlich verbunden waren.
Gouverneur José Figueroa verkündete 1834 die allgemeinen Bedingungen für die Säkularisierung der Missionen, die unter anderem festlegten, dass die Hälfte des Missionslandes an die Indianer übergehen müsse. Seine Massnahmen wurden aber nicht wirksam durchgeführt. Einige Indianer versuchten zwar, auf dem ihnen zugeteilten kleinen Stück Land zu bleiben, doch keiner behielt es länger als ein paar Jahre. Viele wussten gar nicht, dass sie Anrecht auf Land hatten, und verliessen die Küstenregion, um Anschluss bei indianischen Gemeinschaften im Innern des Landes zu suchen. Diejenigen, die als Vaqueros geübt waren, fanden Arbeit auf privaten Ranchos, in welche das Missionsland nach und nach unterteilt wurde, andere in Dörfern.
1836 gelang es dem jungen Kalifornier und Präsidenten der Diputación, Juan Bautista Alvarado, die Macht über Monterey zu ergreifen und die meisten mexikanischen Beamten abzuschieben. Die Kalifornier riefen ihr Land zum freien und souveränen Staat aus, und zwar für so lange, bis Mexiko dem Zentralismus abschwören würde. Alvarado wurde provisorischer Gouverneur, sein Onkel Mariano Guadalupe Vallejo Militärkommandant. Nach ein paar Jahren waren beide angesichts der anarchischen Zustände in ihrem Land so desillusioniert, dass sie 1842 dem letzten Gouverneur von Kalifornien, General Manuel Micheltorena, ihr Amt zurückgaben. 1843 kam es zu einem erfolgreichen Aufstand gegen Micheltorena, der daraufhin nach Mexiko zurückkehrte. Es war der letzte Versuch Mexikos gewesen, mehr als nominelle Kontrolle über Kalifornien herzustellen. Letzter Gouverneur wurde der Kalifornier Pío Pico, der sein Amt von März 1845 bis Juli 1846 innehatte.
Unter mexikanischer Herrschaft erhöhte sich die Zahl der Ranchos von 20 auf rund 500. Mexikos liberale Landvergabe-Bestimmungen von 1824 und 1828 erlaubten 11 spanische Quadratmeilen1 für einen Rancho (198 Quadratkilometer). Doch selbst diese grosszügige Limitierung wurde nicht immer eingehalten, da ein Ranchero oft mehrere Landzuweisungen erhielt. Auf den Ranchos arbeiteten zwischen zwanzig und mehrere hundert indianische Arbeiter, entweder ehemalige Missionsindianer oder neu aus den indianischen Dörfern rekrutierte Leute. Sie erhielten als Lohn in der Regel nur Essen, dürftige Kleidung und einen einfachen Platz zum Schlafen. Obwohl theoretisch frei, befanden sie sich in Wirklichkeit in einem Zustand der Leibeigenschaft an den Ranchero gebunden, solange dieser es wünschte.
Amerikanische Unterwanderung
Das amerikanische Interesse an Kalifornien begann im späten 18. Jahrhundert, als Händler der Ostküste entdeckten, dass in China ein grosser Markt für Seeotterfelle bestand. Obwohl Spanien Ausländern die Jagd auf die Tiere verbot, besass es nicht die Mittel, sie zu verhindern. Als die spanische Herrschaft in Kalifornien zu Ende ging, waren die Seeotter und Seehunde entlang der Küste beinahe ausgerottet. Das Hauptinteresse der Neuengländer wandte sich nun dem Export von Rinderhäuten und Talg zu. Zu Beginn der 1820er-Jahre liessen sich die ersten englischen und amerikanischen Händler in Monterey nieder. Trotz hoher Importzölle für Fertigwaren machten sie gute Geschäfte: Eine Rundreise mit Waren aus Neuengland nach Kalifornien und mit Häuten und Talg zurück nach Neuengland brachte bis zu 300 Prozent Gewinn. Neben dem wirtschaftlichen Faktor war der Handel auch deshalb bedeutend, weil er über viele Jahre die einzige Verbindung zwischen den Vereinigten Staaten und Kalifornien bildete.
Zusätzlich zum Seehandel begann in den 1820er-Jahren auch der Handel mit Biberpelzen. Die erste Expedition nach Kalifornien unternahm der junge Biberjäger Jedediah Strong Smith im Jahre 1826 mit 17 Leuten. Sie erreichten im November die Mission San Gabriel, die den Amerikanern über mehrere Wochen Gastfreundschaft gewährte. Als Smith im Jahr darauf nach Kalifornien zurückkehrte, verlor er 16 seiner 18 Begleiter bei Auseinandersetzungen mit Mohave-Indianern am Colorado und mit Umpquas in Oregon. Er selbst wurde drei Jahre später auf dem Santa Fé Trail von Comanche-Kämpfern umgebracht.
Nach und nach stieg die Zahl der Neuengländer in Kalifornen. Zu diesen gehörte auch Thomas O. Larkin, der 1832 ein eigenes Geschäft gründete und erfolgreich mit Mexiko und den Sandwich-Inseln Handel trieb. Von den über Land nach Kalifornien Reisenden siedelten sich die meisten im Landesinnern an. Der Erste war John Marsh aus Massachusetts, der zu Hause wegen Waffenhandels mit Indianern zur Verhaftung ausgeschrieben war und 1836 nach Kalifornien floh. 1839 kam Johann Sutter, wie Marsh ein Siedler, der sein Land auf der Flucht vor dem Gesetz verlassen hatte.
Sutter profitierte bei seiner Ankunft vom Streit zwischen Gouverneur Alvarado und Mariano Vallejo, dessen Machtentfaltung Alvarado mit Misstrauen beobachtete. Als er von Sutters Kolonisierungsplänen erfuhr, sah er deshalb die Möglichkeit, seinem Onkel ein starkes Gegenüber entgegenzusetzen und ihn so besser unter Kontrolle zu halten. Er gewährte Sutter nicht nur die mexikanische Staatsbürgerschaft und 11 spanische Quadratmeilen Land, sondern auch den Status eines regionalen Regierungsbeamten im Sacramento-Tal.
Neben dieser langsamen anglo-amerikanischen Unterwanderung hatten auch die Politiker der Vereinigten Staaten den Besitz der mexikanischen Gebiete nördlich des Rio Grande ins Auge gefasst. Im Jahr 1837 offerierte Präsident Andrew Jackson Mexiko 3,5 Millionen Dollar für Kalifornien. Präsident John Tyler bot Mexiko an, die Vereinigten Staaten würden dessen Schulden im Austausch gegen Kalifornien annullieren. Präsident James Polk machte 1844 die Eroberung Kaliforniens zu einem Hauptziel seiner Regierung, das er durch Kauf, Evozieren einer Unabhängigkeitsbewegung gegen Mexiko oder Krieg zu erreichen entschlossen war.
Manifest Destiny
«Das Jahr der Entscheidung 1846» nannte Bernard de Voto sein Buch über die Emigranten auf dem California Trail. Kaum ein anderes Jahr eigne sich besser, meint er, die persönliche Erfahrung der Menschen als nationale Erfahrung darzustellen. Tatsächlich fiel die endgültige Eroberung des Kontinents durch die Vereinigten Staaten zeitlich mit dem Jahr zusammen, in dem die bis anhin grösste Zahl von Auswanderern aus den USA an die Westküste Nordamerikas zog. Nur einen Tag nach dem Aufbruch der Emigranten bei Independence, Missouri, erklärten die Vereinigten Staaten Mexiko den Krieg mit dem Ziel, die Provinz Oberkalifornien am Pazifik zu erobern. So bewegten sich 1846 auf dem California Trail die Karawanen der Planwagen nach Westen, während parallel dazu im Süden US-amerikanische Truppen marschierten.
Die Vereinigten Staaten waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Atlantikküste westwärts bis an den Mississippi vorgedrungen. Die einheimischen Völker wurden teils durch erzwungene und für sie wertlose Verträge, teils durch verlustreiche kriegerische Auseinandersetzungen ihres Landes beraubt und die Überlebenden immer weiter nach Westen gedrängt. Anfang 1845 zeigte die Landkarte Nordamerikas bereits drei US-Staaten westlich des Mississippi. Louisiana, Arkansas und Missouri waren als erste aus dem riesigen Gebiet zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains hervorgegangen, das die USA 1803 im sogenannten Louisiana-Handel Napoleon abgekauft hatten. Südwestlich dieser ehemals französischen Kolonie bis zum Pazifik erstreckten sich die drei mexikanischen Provinzen Texas, Neu-Mexiko und Kalifornien.
Obwohl die Prärie und Grosse Ebene zwischen Mississippi und Rocky Mountains lange als unfruchtbar und deshalb ungeeignet für weisse Siedler betrachtet wurde, stand die Politik der Vereinigten Staaten in den 1840er-Jahren ganz im Zeichen der Westexpansion. Mit der 1844 erfolgten Wahl von James K. Polk zum neuen Präsidenten der USA gewannen die Expansionisten in der Regierung die Oberhand und bestimmten die Ereignisse der kommenden Jahre. Polk hatte ehrgeizige Ziele und liess keine Zweifel darüber aufkommen, dass er auch vor Krieg nicht zurückschrecken würde. Das Leitwort für seine Politik lieferte ihm der Herausgeber einer Zeitschrift, John L. O’Sullivan, der im Sommer 1845 seinen berühmten Artikel mit dem Titel «Annexation» veröffentlichte. Es handelte sich dabei um ein angriffiges Plädoyer für die Annexion von Texas durch die USA und die «offenkundige Bestimmung» («Manifest Destiny») des amerikanischen Volkes, sich über den gesamten nordamerikanischen Kontinent auszubreiten. In dieser Formulierung habe der Autor, so De Voto, in «einem der bedeutendsten je geprägten Sätze» die damalige Überzeugung und Stimmung des amerikanischen Volkes treffend zusammengefasst.
Präsident Polk erfüllte seine Versprechungen und die in ihn gesetzten Erwartungen in einer einzigen Amtsperiode wie kaum ein anderer Präsident vor und nach ihm. Ein erstes Ziel war die Aufteilung des «Oregon Country» genannten Gebiets zwischen dem 42. und 54. Breitengrad sowie dem Grat der Rocky Mountains im Osten und dem Pazifik im Westen. Es wurde seit 1818 von England und den USA gemeinsam verwaltet («Joint Occupation»), da die Grenzziehung zwischen den beiden Staaten umstritten war. In den 1820er- und 1830er-Jahren nahm das Interesse an Oregon in den USA zu, denn im fruchtbaren Willamette Valley hatten sich Missionare niedergelassen, die in Briefen und Artikeln über ihre Arbeit mit den einheimischen Indianern, über das milde Klima und den fruchtbaren Boden berichteten. Ihre Schilderungen hatten zur Folge, dass sich ab 1841 jedes Frühjahr Wagenkarawanen von Emigranten, begleitet von grossen Viehherden, über einen zweitausend Meilen langen, schwierigen Trail den Weg nach Oregon bahnten. 1845 lebten fünftausend Amerikaner südlich des Columbia River. Unterstützt von den Anhängern der Manifest-Destiny-Politik in Washington, verlangten sie von Präsident Polk die Annexion Oregons. 1845 einigten sich die USA und Grossbritannien in einem Kompromiss auf den 49. Breitengrad als Grenze, und im Sommer 1846 wurde der Vertrag unterzeichnet.
Ein Hauptgrund für die Kompromissbereitschaft Polks in der Oregon-Frage war seine auf den Südwesten des Landes gerichtete Eroberungspolitik. Die mexikanische Republik hatte nach ihrer Gründung 1824 während einiger Jahre amerikanischen Siedlern grosszügige Landzuweisungen gewährt mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung der Provinz anzukurbeln und zu fördern. Obwohl diese freizügige Politik 1830 offiziell eingestellt wurde, hatte sie unerwünschte Folgen, denn die Zahl amerikanischer Siedler war bis zum Jahr 1835 auf 35 000 gestiegen. 1836 erklärten diese Texas zur unabhängigen Republik und beantragten die Aufnahme in die Union der Vereinigten Staaten. Das Risiko eines Kriegs mit Mexiko sowie der Widerstand gegen die Ausdehnung der Sklaverei zögerten einen Entscheid der US-Regierung allerdings hinaus, doch ein zweiter Antrag wurde 1845 angenommen. Mexiko hatte die Unabhängigkeit der Republik Texas nie anerkannt und immer gewarnt, eine Annexion durch die USA würde als Kriegserklärung aufgefasst. Deshalb führte der Beschluss der USA zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen, und beide Staaten begannen mit Kriegsvorbereitungen.
Der Verlust der Provinz Texas hatte einen neuen Konflikt zur Folge, indem Texas den Rio Grande als seine West- und Südgrenze bezeichnete, Mexiko hingegen den weiter nördlich fliessenden Nueces River. Zwischen den beiden Flüssen lag dadurch ein umstrittener Streifen Land von hundertzwanzig Meilen Breite. Beide Staaten entsandten im Sommer 1845 Truppen in die Gegend, und in den folgenden Monaten verstärkte Präsident Polk den Druck auf die mexikanische Regierung. Er war jedoch überzeugt, seine Ziele auf dem Verhandlungsweg erreichen zu können.
Nachdem die mexikanische Regierung Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatte, schickte Präsident Polk im November 1845 seinen Sonderbevollmächtigten John Slidell nach Mexiko City, um Grenzverhandlungen aufzunehmen. Slidell war ausserdem ermächtigt, der mexikanischen Regierung ein Kaufangebot zu unterbreiten. Wenn Mexiko die Rio-Grande-Grenze anerkennen würde, übernähmen die USA die mexikanischen Schulden gegenüber amerikanischen Gläubigern. Des Weiteren sollte Slidell der Regierung die Summe von fünfundzwanzig Millionen Dollar für die Abtretung von Kalifornien anbieten. Doch als Slidell in Mexiko eintraf, war die Regierung gestürzt worden, und die neuen Machthaber weigerten sich, ihn zu empfangen. Präsident Polk erhielt diese Nachricht am 13. Januar 1846 und liess darauf seine Truppen vom Nueces an den Rio Grande vorrücken. Gleichzeitig bereitete er eine Kriegserklärung vor mit der Begründung, Mexiko weigere sich, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und Verhandlungen aufzunehmen. Doch die mexikanische Regierung lieferte ihm kurz darauf einen besseren Grund. Am 25. April überschritten mexikanische Truppen den Rio Grande und schlugen einen kleinen Verband amerikanischer Soldaten in die Flucht. Am 13. Mai 1846 erklärte der Kongress den Kriegszustand zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko.
Die Kriegshandlungen dauerten knapp ein Jahr und endeten mit der Wiedereinnahme von Los Angeles durch US-Truppen am 10. Januar 1847. Am 2. Februar 1848 unterzeichneten Vertreter beider Staaten den Vertrag von Guadalupe Hidalgo. Mexiko musste seine Provinzen Kalifornien und Neu-Mexiko an die Vereinigten Staaten abtreten und den Rio Grande als Grenze von Texas anerkennen. Die USA sollten dafür fünfzehn Millionen Dollar bezahlen sowie die Forderungen amerikanischer Gläubiger gegenüber Mexiko erfüllen. Die Vereinigten Staaten erweiterten ihr Gebiet mit dieser Regelung um die heutigen Staaten Kalifornien, Arizona, Nevada, Utah sowie Teile der Staaten Wyoming, Colorado und Neu-Mexiko. Mit Ausnahme von Alaska, Hawaii und einigen später vorgenommenen Grenzberichtigungen hatten die USA damit ihre heutige Ausdehnung erreicht.
Der California Trail
Heinrich Lienhard und seine Freunde waren sich 1845 einig, dass sie die Mississippi-Gegend verlassen wollten, um mehr von der Welt zu sehen, aber ohne sich dabei den Gefahren einer langen Seereise auszusetzen. 1846 war für die jungen Männer der perfekte Zeitpunkt, eine Reise über Land nach Kalifornien anzutreten. Einerseits hatten im vorangehenden Jahr Emigranten erstmals bewiesen, dass dies mit Wagen möglich war, anderseits versprach ein Trail, der erst im Entstehen war, eine abenteuerliche Reise. Über die mexikanische Provinz am Pazifik wussten sie wenigstens so viel, dass der Schweizer Johann Sutter dort ein Fort und viel Land besass. Sie hatten von seinen Berichten gehört, in denen er den fruchtbaren Boden und das angenehme Klima Kaliforniens rühmte und um Siedler warb. Das war zwar nicht viel, aber doch mehr, als die erste Emigrantengesellschaft wusste, die 1841 versuchte, Kalifornien mit ihren Wagen auf direktem Weg nach Westen zu erreichen.2
Diese Auswanderergruppe von 1841 umfasste rund fünfzig Personen und ging, nach ihrem Captain John Bartleson benannt, als «Bartleson Party» in die Geschichte des Trails ein. Die Leute wussten damals über ihr Reiseziel lediglich, dass es im Westen lag und dass sie bis zu den Rocky Mountains zwei Trails folgen konnten: dem Handelstrail nach Santa Fé in Neu-Mexiko oder dem Pelzhändlertrail über Fort Laramie und von dort weiter nach Westen durch das Oregon Territory. Sie hatten aber Glück, denn kurz vor ihrer Abreise trafen sie eine kleine Gruppe von Missionaren, die nach Fort Hall (im heutigen Staat Idaho, damals Teil des Oregon Territory) reisen wollte und der sie sich anschliessen durften. Unter der Führung des bekannten Mountain Man Thomas Fitzpatrick folgten sie den Flüssen Platte, Nord-Platte und Sweetwater, überquerten die Rocky Mountains via South Pass und erreichten am westlichen Fuss des Gebirges den Green River. Hier trafen sie mehrere Trapper, die ihnen erklärten, dass es unmöglich sei, Wagen nach Kalifornien zu bringen, worauf einige der Emigranten umkehrten. In den kommenden Jahren folgten bis auf die Westseite der Rocky Mountains alle Emigranten dieser Route.
Die Bartleson-Gesellschaft und Missionare bahnten sich in den folgenden Tagen mühsam einen Weg durch schwieriges Gelände bis zum Bear River, dem sie mehrere Tage gemeinsam folgten. Bei Soda Springs zweigte Fitzpatrick mit den Missionaren nach Westen ab, während die Emigranten sich südwärts wandten und das Bear Valley hinunterzogen. Ihre Gruppe hatte sich inzwischen auf dreiunddreissig Leute reduziert, denn einige waren den Missionaren nach Fort Hall gefolgt. Die Fortsetzung der Reise erwies sich als äusserst schwierig und kompliziert, da niemand das Gelände kannte und Reiter es erkunden mussten, während die Gruppe wartete. Sie kamen zum Nordufer des Grossen Salzsees und zogen dann zwischen dem westlichen Rand der Grossen Salzwüste (Great Salt Lake Desert) und Pilot Range nach Süden. Am Südende der Gebirgskette passierten sie den später von Frémont benannten Pilot Peak und setzten ihren Weg nach Südwesten fort. Ihre Tiere waren inzwischen so erschöpft, dass sie die Wagen nach und nach zurücklassen mussten, die letzten sechs im Gosiute Valley. Dort fanden die Emigranten von 1846 letzte Überreste davon. Sie überquerten an unbekannter Stelle die Ruby Mountains und erreichten schliesslich den Mary’s River [Humboldt River], dem sie bis zu seiner Senke folgten. Obwohl sie in der Folge zu weit nach Süden gerieten, schafften sie es noch, die Sierra Nevada vor Wintereinbruch zu überqueren.
Die Bartleson-Gesellschaft hatte damit als erste amerikanische Emigrantengruppe auf direktem Weg nach Westen Kalifornien über Land erreicht, allerdings ohne eine günstige Route gefunden zu haben und unter Zurücklassung der Wagen. Unter ihren Mitgliedern befanden sich Leute, deren Namen noch heute bekannt sind. Einer von ihnen war der Deutsche Charles M. Weber, der nach der Goldentdeckung ein Vermögen erwirtschaftete und die Stadt Stockton gründete, ein anderer war der US-Amerikaner John Bidwell (weshalb die Gesellschaft in der Literatur auch «Bidwell-Bartleson-Party» genannt wird), der nach seiner Ankunft mehrere Jahre für Sutter arbeitete. Nach der Goldentdeckung kaufte er im oberen Sacramento-Tal den grossen Rancho Chico und gründete später die gleichnamige Stadt.
1842 waren keine Wagen nach Kalifornien unterwegs, aber rund ein Dutzend Männer der Bartleson-Gesellschaft kehrten in die Vereinigten Staaten zurück. Unter ihnen befand sich Joseph B. Chiles, der einem Freund in Kalifornien versprochen hatte, dessen Familie nachzuholen.
Ende Mai 1843 machte sich Chiles mit einigen Familien und jungen Männern wieder auf den Weg nach Kalifornien. Westlich von Fort Laramie traf er den bekannten Mountain Man Joseph R. Walker, der 1833/34 eine Expedition nach Kalifornien geleitet hatte. In der Hoffnung, gemeinsam einen besseren Weg als 1841 zu finden, engagierte ihn Chiles als Führer für seine Gruppe. Bis zum Green River folgten sie dem Trail von 1841, zogen dann aber, nachdem sie den Fluss durchquert hatten, etwa drei Tagesetappen weiter nach Südwesten. Hier hatte inzwischen James Bridger, ein anderer bekannter Mountain Man, zusammen mit einem Partner einen Handelsposten errichtet. Fort Bridger (im heutigen Staat Wyoming) lag auf halbem Weg zwischen Fort Laramie und Fort Hall und entwickelte sich in den kommenden Jahren zu einer von den Emigrantengruppen geschätzten Zwischenstation. Anders als zwei Jahre vorher ging Chiles diesmal bis nach Fort Hall. Hier teilte sich die Gruppe auf, da nicht genügend Lebensmittel für alle vorhanden waren. Chiles ritt mit dreizehn Männern weit nach Nordosten bis Fort Boise (an der Grenze zwischen den heutigen Staaten Idaho und Oregon), zweigte dort nach Südwesten ab, umging die Sierra Nevada an ihrem Nordende und traf Mitte November in Sutters Fort ein. Der Winter war jedoch bereits zu weit fortgeschritten, um der Wagengruppe, die sich bei Fort Hall nach Südwesten gewandt hatte, entgegenzureiten, wie es mit Walker vereinbart worden war.





