"Wenn Du absolut nach Amerika willst, so gehe in Gottesnamen!"

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Walker folgte wahrscheinlich einem alten Trapper-Trail bis zum Mary’s River, anschliessend dem Fluss bis zur Senke und von dort weiter nach Süden, vermutlich in umgekehrter Richtung der Route folgend, die er 1834 bei seiner Rückkehr in den Osten gewählt hatte. Ende November waren die Zugtiere so erschöpft, dass die Wagen östlich der Sierra Nevada zurückgelassen werden mussten. Im Dezember überquerten er mit den Emigranten die Berge, und nach einem weiteren Monat erreichten sie die ersten Siedlungen in Kalifornien. Walkers Gruppe hatte weitere fünfhundert Meilen des künftigen California Trails zurückgelegt. Es fehlten nun noch die letzten 250 Meilen, das heisst eine Route von der Senke des Mary’s River direkt nach Westen (statt Süden).
Die späte Ankunft der Chiles-Gesellschaft 1843 hatte zur Folge, dass 1844 die Emigranten in den USA ihre Reise nach Kalifornien ohne neue Informationen in Angriff nehmen mussten. Die Stevens-Gesellschaft, benannt nach Elisha Stevens, setzte sich aus mehreren Familien, einer Anzahl junger Männer und etwa fünfzehn Kindern zusammen, die mit elf Wagen reisten. Als Führer hatten sie Caleb Greenwood engagiert, einen alten Mountain Man mit über dreissig Jahren Erfahrung im Westen. Stevens selbst und ein Mitreisender namens Isaac Hitchcock waren ebenfalls ehemalige Trapper; ihre Erfahrungen beschränkten sich allerdings, wie sich später herausstellte, auf das Gebiet der Rocky Mountains, deren Überquerung für Wagen keine besonderen Schwierigkeiten bot.
Gemeinsam mit den Oregon-Emigranten brachen sie bei Council Bluffs im Iowa Territory auf. Diese Route entlang dem Nordufer des Platte River wurde später als «Mormon Trail» bekannt, da sie 1847 auch von den Mormonen gewählt wurde. Nach der Überquerung der Rocky Mountains wagten sich die Leute vor Erreichen des Green River auf eine Abkürzung, von der Hitchcock gehört hatte. Sie verlief vom Little Sandy am westlichen Abhang der Rocky Mountains in gerader Richtung nach Westen zum Bear River und vermied den weiten Bogen nach Südwesten und zurück nach Nordwesten. Gemäss Hitchcock war die Abkürzung 25 Meilen lang, weshalb die Leute keine Wasservorräte mitnahmen. Dies brachte sie in grosse Schwierigkeiten, denn die Strecke war in Wirklichkeit 43 Meilen lang und führte durch wüstenähnliches Land ohne Wasser und Gras. Immerhin erreichten sie, wie geplant, den Bear River und somit den Anschluss an den Oregon Trail. In Zukunft wählten die meisten Emigranten diesen sogenannten Greenwood Cutoff, später auch Sublette’s Cutoff genannt, denn er verkürzte den Trail um etwa 85 Meilen, was fünf bis sechs Tagesetappen entsprach. Lienhards Text wird zeigen, dass 1846 die Entscheidung für oder gegen diese Abkürzung für die Emigranten mit Ziel Kalifornien von grosser Bedeutung war.
Stevens zog weiter bis Fort Hall, drehte dort nach Südwesten ab und folgte dann dem Mary’s River auf Walkers Spuren. Bei der Flusssenke wurde beraten. Hier waren sowohl Bartleson als auch Walker südwärts gegangen, doch gab es da eben auch die Möglicheit, einen direkten Weg nach Westen zu suchen. Schliesslich fanden sie einen Indianer namens Truckee, der ihnen im Sand aufzeichnete, dass fünfzig bis sechzig Meilen weiter westlich ein Fluss mit Bäumen und gutem Gras zu finden sei. Drei ihrer Männer ritten darauf mit Truckee als Geisel bis zur bezeichneten Stelle und fanden seine Angaben bestätigt. Der vierzig Meilen lange Wüstenabschnitt zwischen Flusssenke und Truckee Meadows (bei der heutigen Stadt Reno, Nevada) war künftig eine von allen Emigranten gefürchtete Etappe des Trails. Steven folgte nun den vielen Windungen des Flusses, den sie im Andenken an ihren Führer «Truckee» nannten, bis an den östlichen Fuss der Sierra Nevada. Am 14. November kamen sie zu einer Stelle, wo der Fluss sich verzweigte; sie lag bei der Mündung des heutigen Donner Creek, ungefähr eine Meile westlich der heutigen Stadt Truckee. Wieder ging es um die Frage: nach Westen oder nach Süden? Sie beschlossen, dass eine Reitergruppe von sechs Leuten dem Flusslauf nach Süden folgen sollte, um zu versuchen, unbehindert von Wagen möglichst rasch Sutters Fort zu ereichen. Von dort aus würden sie der Hauptgruppe, die einen direkten westlichen Weg über die Berge suchen wollte, zu Hilfe kommen.
Die Hauptgruppe mit den Wagen kam nach wenigen Meilen zum heutigen Donner Lake, wo sie vor der unüberwindbaren Wand der schneebedeckten Sierra Nevada standen. Als es ihnen nicht gelang, einen Durchgang zu finden, beschlossen sie, sechs ihrer Wagen am See zurückzulassen, wobei drei Männer sich bereit erklärten, diese den Winter über zu bewachen. Unter grössten Anstrengungen und mit Hilfe von langen Ketten – Lienhard wird dasselbe Vorgehen im Detail beschreiben – gelang es den Leuten, die restlichen fünf Wagen über die verschneiten Felsen zu hieven. Stewart bezeichnet diesen Moment als die eigentliche Erschliessung des California Trails.
Der Abstieg über die zerklüfteten Felsen der Westseite der Berge war ein weiteres schwieriges und gefährliches Unterfangen. In der Stevens Party wurde hier das zweite Kind auf dieser Reise geboren, auch fiel zu dieser Zeit rund ein Meter Schnee. Wieder trafen die Leute eine Entscheidung: Ein Teil der Gruppe würde mit den Wagen hier campieren und den Frühling abwarten, während siebzehn Männer den Abstieg wagen wollten. Diese erreichten Sutters Fort eine Woche später und fanden dort auch die Reitergruppe, die wenige Tage vorher im Fort eingetroffen war.
Der tiefe Schnee verunmöglichte vorerst eine Rückkehr in die Berge. Erst am 20. Februar machte sich Dennis Martin, dessen Vater bei den Frauen zurückgeblieben war, mit Schneeschuhen auf den Weg ins Camp. Er fand dort schlechte Bedingungen vor, aber alle hatten überlebt, auch die beiden Babys. Martin vergass auch nicht, den am Donner Lake zurückgebliebenen jungen Moses Schallenberger abzuholen. Dieser war im Dezember allein bei den Wagen zurückgeblieben. Die drei Männer hatten nämlich bald realisiert, dass ihre Lebensmittel nicht für den ganzen Winter ausreichen würden und alles Wild in tiefere Regionen abgewandert war. Sie verfertigten deshalb Schneeschuhe, um weiterzugehen, doch Schallenberger war krank und die Anstrengung für ihn zu gross. Er kehrte allein an den See zurück und verbrachte den ganzen Winter in einer kleinen Hütte bei den Wagen, wo Martin ihn Ende Februar fand. Am 1. März 1845 erreichten die letzten Mitglieder der Stevens Party ihr Ziel.
1845 ritt Caleb Greenwood mit seinen zwei Söhnen von Kalifornien nach Fort Hall in der Absicht, Emigranten nach Kalifornien zu führen. Ganz in seinem Sinn war deshalb auch der Auftrag, den Sutter ihm mitgegeben hatte, nämlich Emigranten mit Ziel Oregon für Kalifornien umzustimmen. Augenzeugen berichteten später, dass Greenwood den Ankommenden eindringlich die Gefahren schwieriger Flussüberquerungen und feindlicher Indianer auf dem Weg nach Oregon geschildert und ebenso überzeugend die Vorteile Kaliforniens wie grosszügige Landvergabe durch Sutter, gutes Klima, Reichtum an Wild und fischreiche Flüsse hervorgehoben habe. Sein grösster Trumpf war wohl die Tatsache, dass 1844 Wagen die Sierra überquert hatten, denn er erreichte, dass etwa 50 Wagen nach Südwesten abbogen. Dies bedeutete, dass 1845 erstmals eine Gruppe von rund 250 Emigranten in Kalifornien eintraf – fünfmal mehr als im Jahr zuvor. Auf der Westseite der Sierra Nevada kam den Leuten von Sutters Fort eine Hilfskolonne mit Lebensmitteln entgegen, wie Greenwood es ihnen versprochen hatte.
Die Entwicklung des Trails war 1845 zwar noch nicht abgeschlossen, doch in den Vereinigten Staaten nahm der Informationsfluss hinsichtlich Kalifornien beträchtlich zu. Lansford W. Hastings’ Führer über Oregon und Kalifornien war erschienen, und der Autor reiste umher in der Absicht, Siedler für Kalifornien zu gewinnen, das seiner Meinung nach ebenso wie Texas von den Vereinigten Staaten annektiert werden sollte. John C. Frémonts grosser Bericht mit Karten über seine zweite Expedition (1844–1845) nach Oregon und Kalifornien wurde veröffentlicht, der ganz der Idee des Manifest Destiny verpflichtet war und auf grosses Interesse stiess. Auch die in der Presse erscheinenden Briefe erfolgreicher Siedler sowie die regelmässigen Berichte des amerikanischen Konsuls in Monterey, Thomas O. Larkin, verfehlten ihre Wirkung nicht.
John D. Unruh nennt für das Jahrzehnt von 1840 bis 1850 folgende Zahlen zur Emigration:3
Jahr Kalifornien Oregon 1840 — 13 1841 34 24 1842 — 125 1843 38 875 1844 53 1475 1845 260 2500 1846 1500 1200 1847 450 4000 1848 400 1300 1849 25 000 450 1850 44 000 6000Bis 1845 zog Oregon weitaus mehr Siedler an als Kalifornien. Dies änderte sich 1846 zur Zeit des Kriegs gegen Mexiko und der Politik des Manifest Destiny. Der Rückgang in den folgenden beiden Jahren dürfte zumindest teilweise auf das tragische Schicksal der Donner-Gesellschaft zurückzuführen sein, die im Winter 1846/47 in der Sierra Nevada eingeschneit wurde. Ab 1849 reflektieren die Zahlen den Goldrausch in Kalifornien. In dieser Zeit veränderte nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Reisenden die Situation auf dem Trail in dramatischer Weise, besonders für die einheimischen Indianer. Die Massen von Glücksrittern, die ab 1849 den California Trail überfluteten, bestanden zu einem grossen Teil aus schwer bewaffneten, schiessfreudigen Abenteurern. Anders als die Siedlerfamilien der frühen Jahre, die Konflikte mit einheimischen Indianern nach Möglichkeit zu vermeiden suchten, bahnten sich diese Männer ihren Weg hastig und rücksichtslos über den Kontinent nach Westen.
Etwas von der tiefsitzenden Angst der Emigranten vor den Indianern ist auch in Lienhards Text immer wieder spürbar. Besonders die Indianer im Grossen Becken, die keine Pferde besassen, kaum bekleidet waren und oft um Essen baten oder nur versteckt am Wegrand die vorbeiziehenden Wagenkolonnen beobachteten, wurden von vielen Weissen verachtet und bei Begegnungen entsprechend unfreundlich oder sogar aggressiv behandelt. So kam es schon vor dem Goldrausch zu tödlichen Zwischenfällen auf beiden Seiten. Unruh, der sich in seiner Untersuchung auf zahlreiche Trail-Tagebücher stützt, kommt jedoch zum Schluss, dass selbst in späteren, kritischen Jahren die meisten Begegnungen friedlich verliefen, solange die Emigranten den Einheimischen mit Zurückhaltung und Respekt begegneten. Tatsache ist, dass alle Reisenden im Westen, ob Jäger, Trapper, Forscher, Missionare oder Pelzhändler und in den ersten Jahren auch noch Emigranten, einheimischen Indianern ungezählte Hinweise betreffend Route sowie Gras- und Wasserstellen verdankten und über viele Jahre grosszügige Hilfe erhielten, wenn immer sie benötigt wurde.
Viele Leute auf dem Trail waren sich Mitte der 1840er-Jahre der politischen Dimension ihrer Reise bewusst und vertrauten darauf, dass Kalifornien bald Teil der USA würde. Edwin Bryant, Autor eines Buchs über den California Trail, verliess wie Lienhard den Indian Creek in Missouri am 12. Mai 1846 und erfuhr bereits drei Tage später vom Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen den USA und Mexiko. Er notierte dazu, dass diese Nachricht seines Wissens keinen der Mitreisenden zur Umkehr bewogen habe. Dies vermochten damals auch Leute wie James Clyman nicht, die den Emigranten auf dem Trail entgegenkamen und Schauergeschichten über Kalifornien verbreiteten, wie aus Lienhards Aufzeichnungen und aus Tagebüchern anderer Emigranten hervorgeht. 1846 war das Jahr, in dem auf dem California Trail ein gewisser Gegenverkehr einsetzte. Die Rückkehrer, meistens kleine Reitergruppen mit Packtieren, waren entweder enttäuschte Auswanderer auf dem Weg nach Hause oder Männer, die zurückkritten, um sich den Emigranten als Führer anzubieten. Manche kehrten auch in die Staaten zurück, um ihre Familie zu besuchen oder sie nach Kalifornien zu holen.
Stewart schreibt, dass 1846 eine Art Ferienstimmung auf dem Trail geherrscht habe. Die Leute seien voller Hoffnungen und Erwartungen gewesen. Viele waren wohlhabende Farmer mit grosser Familie, nicht selten mit Bediensteten wie Fuhrmann und Dienstmagd unterwegs. Bekannte Namen von Politikern, Künstlern und Autoren verraten, dass der Ruf Kaliforniens als ein wildes, unwirtliches Land sich zu verändern begann. Die böse Unterstellung, wer die Tafel bei der Trail-Verzweigung nach Oregon beziehungsweise Kalifornien lesen könne, biege nach Oregon ab, galt zumindest für das Jahr 1846 nicht. Gemäss Stewart lag «Literatur in der Luft», und tatsächlich war Lienhard 1846 nur einer von vielen Tagebuchschreibern auf dem California Trail.
Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Kartograf T. H. Jefferson. Er veröffentlichte 1849 in New York seine vierteilige Karte, zusammen mit einem 11-seitigen Begleittext mit nützlichen Erläuterungen. Über Jefferson ist wenig bekannt, und seinem Rat nach zu schliessen war er auch nicht besonders kontaktfreudig: «Vermeide wenn möglich jede Partnerschaft», schreibt er in seinem Begleittext. «Besorge dir deine eigene Ausrüstung und erwarte, selbst für dich sorgen zu müssen. Das einzige Ziel, das durch einen Zusammenschluss erreicht wird, ist gegenseitiger Schutz vor den Indianern.»
Mehrere Trailabschnitte sind auf Jeffersons Karte zum ersten Mal festgehalten. Er war weniger ein theoretischer als praktischer Kartograf. So sind gewisse Längen- und Breitengrade ungenau, doch in allem anderen war er ein gewissenhafter und minutiöser Zeichner. Neben den üblichen Angaben wie Daten, Tagesetappen, Distanzen und Lagerstellen notierte er Details wie die genaue Anzahl Windungen eines Flusses, Furtstellen, verschiedene Arten von Quellen, Hinweise auf die Bodenbeschaffenheit, Weidestellen, erste und letzte Begegnung mit Bisons, besondere Felsformationen und Gräber am Wegrand. Zusammen mit dem Begleittext führt seine Karte alles auf, was künftigen Emigranten die Reise erleichtern konnte. Einzig in der Region der Grossen Salzwüste weist sie Ungenauigkeiten auf, was verständlich ist, weil die Anstrengungen der Reise keine täglichen Notizen mehr gestatteten und er sich deshalb auf ältere Karten verlassen musste. Da Lienhard und Jefferson über die ganzen zweitausend Meilen nahe beieinander reisten, gelegentlich sogar am gleichen Tag dieselbe Etappe zurücklegten, eignet sich Jeffersons Karte vorzüglich als Beilage zu seinem Text.
Zu dieser Edition
Heinrich Lienhard wünschte in seinen einleitenden Bemerkungen, dass sein Text im Falle einer Veröffentlichung korrigiert würde, da ihm die «zu einem solchen Unternehmen» nötige Schulbildung nicht zuteil geworden sei. Dieser Wunsch konnte ihm leider nicht erfüllt werden, denn die originale Orthografie vermittelt so viel von seiner Persönlichkeit und ist so sehr Teil seines lebhaften Erzählens, dass man sie auf keinen Fall missen möchte. Hinzu kommt, dass es keinen Grund gibt, sein Deutsch zu verbessern. Es war noch immer fliessend und orthografisch so korrekt, dass der Text problemlos lesbar und verständlich ist. Abweichungen vom heutigen Standarddeutsch tragen höchstens zum Charme des sprachlichen Ausdrucks bei und bedürfen nur in seltenen Fällen «eines kurigirens». Die möglichst authentische Wiedergabe des Textes war deshalb ein Hauptanliegen während der Transkriptionsarbeit.
Für eine Publikation gibt es gewisse Kriterien, die der Leserfreundlichkeit dienen und die es deshalb zu beachten gilt, umso mehr, als dies auch dem Anliegen des Autors entgegenkommt. Das Transkribieren ist dabei immer ein Abwägen zwischen den beiden Anliegen «Originaltext» oder «Leserfreundlichkeit». Eine «richtige» Lösung gibt es in Zweifelsfällen oft nicht, das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass man an einem Tag so entscheidet und am anderen Tag in einem ganz ähnlichen Fall wieder anders entscheiden möchte. Lienhards Erinnerungen weisen unzählige Stellen auf, die dieses Abwägen erforderten. Sie können nicht alle aufgelistet werden, doch einige der wichtigsten Leitlinien, die sich daraus im Verlauf der Textbearbeitung ergeben haben, seien nachstehend erwähnt. Sie gelten auch für alle Lienhard-Zitate ausserhalb des Haupttextes.
– Lienhard unterteilt seinen Text weder in Kapitel noch in Abschnitte. Die hier vorgenommene Gliederung in Kapitel, Unterkapitel und Abschnitte stammen von der Herausgeberin.
– Lienhards Interpunktion wird, wo möglich, übernommen, sonst aber – im Hinblick auf Leserfreundlichkeit – ergänzt und berichtigt. Dies gilt vor allem für eine sinnvolle Gliederung durch Kommas, aber auch, wo nötig, für alle anderen Satzzeichen.
– Unterschiedliche Schreibweise gleicher Wörter ist häufig anzutreffen und wird belassen, Ausnahmen werden angemerkt.
– Wörter in in eckigen Klammern sind Ergänzungen der Herausgeberin.
– Abkürzungen werden, sofern sie verständlich sind, übernommen. Das «u» mit Schleife anstelle von «und» wird hingegen durchweg aufgelöst.
– Die Verwendung lateinischer Schrift bei Namen und fremdsprachigem Text wird nicht gekennzeichnet.
– Lienhard verwendet nur das unter die Zeile gezogene «J» für den Buchstaben «I». Die Transkription unterscheidet zwischen «I» und «J».
– Lienhard verwendet für Doppel-s durchweg das Eszett (ß). Im Druck wird Doppel-s geschrieben.
– Hochgestellte Buchstaben wie «c» bei «Mc» oder «r» bei «Mr.» werden auf der Zeile geschrieben. Dies gilt auch für Zahlen und Daten mit hochgestellten Buchstaben.
– Lienhard umschifft die Klippen der Gross- oder Kleinschreibung bei dafür geeigneten Buchstaben oft mit einer Zwischengrösse, zum Beispiel bei «alle». In solchen Fällen wird das betreffende Wort dem gleichen Wort in unmittelbarer Umgebung angepasst; fehlt ein solches oder ist es ebenfalls unklar, wird die heutige Schreibweise gewählt.
– Personen- und Ortsnamen schreibt Lienhard oft nach Gehör. Im gedruckten Text wird die richtige Form beim ersten Vorkommen angemerkt, Lienhards Schreibweise jedoch durchweg beibehalten. Ausnahmen werden angemerkt.
– Deutsch-englische Interferenzen sind zahlreich. Zum Beispiel schreibt Lienhard gelegentlich «weil» anstatt «während», beeinflusst vom englischen «while» (während). Wo die Vermischung eindeutig ist, wird «while» durch «während» in eckigen Klammern ersetzt.
– Eindeutige Flüchtigkeitsfehler werden stillschweigend korrigiert, so beispielsweise «Grobschied» zu «Grobschmied», «Glodgräber» zu «Goldgräber», «gegeglaubt» zu «geglaubt». Dazu gehören auch Versehen wie doppelte Schreibung eines Wortes, irrtümliche Streichung, Versehen infolge Zeilenwechsels und Ähnliches.
– Bei Korrekturen Lienhards durch Überschreibung wird die orthografisch korrekte Variante übernommen. Meistens ist es die ursprüngliche Form.
– Versehentlich unvollständige Korrekturen Lienhards werden stillschweigend angepasst. So wird zum Beispiel im Satz «Ich rieth ihm von dieser Idee Glauben ab» «dieser» zu «diesem» abgeändert. Wenn eine solche Berichtigung nicht nur einzelne Buchstaben, sondern ein ganzes Wort erfordert, steht dieses in eckigen Klammern.
– Syntaktische Versehen des Autors, die den Lesefluss unterbrechen (zum Beispiel ein falsch platziertes Verb), werden berichtigt und mit «Satz (leicht) korrigiert» angemerkt. Diese kleinen Änderungen dienen der Leserfreundlichkeit, und es werden dabei nur Wörter aus Lienhards Originalsatz verwendet. Eine erforderliche Hinzufügung wird immer in eckige Klammern gesetzt.
Frühere Editionen
Zwischen 1898 und 2000 sind fünf Teileditionen basierend auf Lienhards Manuskript erschienen, die erste in der Schweiz, die anderen vier in den Vereinigten Staaten. Es sind dies folgende Werke:
1. Californien unmittelbar vor und nach der Entdeckung des Goldes. Bilder aus dem Leben von Heinrich Lienhard von Bilten, Kanton Glarus, in Nauvoo, Nordamerika. Ein Beitrag zur Jubiläumsfeier der Goldentdeckung und zur Kulturgeschichte Californiens, herausgegeben von Caspar Leemann, 1898.
2. A Pioneer at Sutter’s Fort, 1846–1850. The Adventures of Heinrich Lienhard, übersetzt und herausgegeben von Marguerite Eyer Wilbur, 1941.
3. The Journal of Heinrich Lienhard, July 26–September 8, 1846, in: West from Fort Bridger. The Pioneering of Immigrant Trails Across Utah, 1846–1850, herausgegeben von J. Roderic Korns und Dale L. Morgan, 1951. Revised and Updated by Will Bagley & Harold Schindler, 1994, 113–184.
4. From St. Louis to Sutter’s Fort, 1846, übersetzt und herausgegeben von Erwin G. und Elisabeth K. Gudde, 1961.
5. New Worlds to Seek. Pioneer Heinrich Lienhard in Switzerland and America, herausgegeben von John C. Abbott, 2000.
Californien unmittelbar vor und nach der Entdeckung des Goldes
Caspar Leemann (1824–1899), Lehrer von Beruf, war ein Nachbar und Freund Lienhards, als dieser von 1851 bis 1854 in Kilchberg wohnte. «Californien …» erschien 1898 und erfuhr 1900 einen Neudruck. Das Buch beginnt mit dem California Trail und endet mit Lienhards Abreise aus Kalifornien 1850, ohne die Reise in die Schweiz 1849/50 (ab New York). Leemann war in seinem Bemühen, einen möglichst grossen Teil des Manuskripts zu veröffentlichen, gezwungen, massive Kürzungen vorzunehmen. Er reduzierte Lienhards Text auf rund einen Drittel seines Umfangs, wobei er oft mehrere Manuskriptseiten in wenigen Sätzen zusammenfasste. Aber auch den ausgewählten Text veränderte er in Vokabular, Stil und Inhalt fortlaufend nach seinem eigenen Geschmack, so dass sein Buch über weite Strecken eine Art verkürzte Nacherzählung von Lienhards Manuskript ist.
Leemann schreibt in seinem Vorwort zur Textauswahl, er habe dem Manuskript all das entnommen, «was allgemeines und besonders kulturelles Interesse hat». Auslassungen einzelner Episoden überbrückt er in der Regel im Haupttext mit Bemerkungen folgender Art: «Meine übrigen Erlebnisse in meiner Hütte und dem Garten waren nicht derart, dass die Mitteilung derselben mit allen Details grosses Interesse hätte», oder: «In den folgenden Tagen ereignete sich auf unserer Weiterreise nichts, was allgemeines Interresse für die Leser hätte.» Einen Teil von Lienhards Schilderungen über Sutter lässt er mit folgender Begründung weg: «Leider kamen auch noch andere Unrühmlichkeiten aller Art zum Vorschein, über die ich aus Pietät für sein Andenken und aus Rücksicht auf das sittliche Gefühl des Lesers stillschweigend hinweggehen will.» Er zögert auch nicht, Lienhards Absicht in ihr Gegenteil zu verkehren, beispielsweise dort, wo dieser ausdrücklich darauf hinweist, dass er an dieser Stelle den Ereignissen vorgreift, um die Geschichte seines Freundes und dessen zukünftiger Frau zu Ende zu führen, Leemann aber den Rest der Geschichte übergeht mit der Bemerkung: «Ich verlasse hier die beiden hoffnungsvoll sich Liebenden für einige Zeit, um nicht in der Zeitrechnung beim freundlichen Leser eine Verwirrung in der Reihenfolge der Ereignisse herbeizuführen.»
Leemann streute immer wieder auch eigene Passagen mit Gedanken zum berichteten Geschehen ein, oft belehrende, prahlerische oder religiös gefärbte Zusätze, die weder Lienhards Art noch Überzeugung entsprachen. Alle Ergänzungen sind in der Ichform verfasst, wobei Leemanns oft betont moralisierende Ausdrucksweise Lienhard später viel Kritik einbrachte. Lienhard erzählt wohl viel über die Missstände zur Zeit des beginnenden Goldrausches und äussert auch seine Empörung darüber, allerdings nie in den teils kruden, teils scharf verurteilenden Worten Leemanns. Über die Männer in den Minen schreibt Lienhard: «Die Gesichter eines grossen Theiles der Goldgräber hatten damals so gierige Ausdrücke, und viele ihrer Physiognomien schienen so verdächtig und zweideutig, dass man wohl daran that, immer gut auf seiner Hut zu sein.» Bei Leemann lautet die Stelle: «Einen eigenthümlichen Eindruck machten die Physiognomien der meisten Goldgräber auf mich. In der That hätten ja mit Recht viele dieser Menschen an den Galgen gehört.» Wo Lienhard bei seiner Abreise aus Kalifornien – die ihm nicht leichtfiel – bedauernd feststellt: «Wären nur die Gesetze des Landes und dessen Zustände geregelter, ja, ich könnte mir sagen, dann bliebe ich hier», schreibt Leemann: «[…] wenn nicht durch die Entdeckung des Goldes der Abgott Mammon aus dem paradiesischen Californien für Jahrzehnte eine teuflische Lasterhöhle gemacht hätte.» Es ist zugleich der Schlusssatz seines Buches.





