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Dr. Christoph Louven, Rechtsanwalt
Düsseldorf
Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8005-1687-2

© 2022 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main
www.ruw.de
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Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, 69502 Hemsbach
Druck undVerarbeitung: WIRmachenDRUCKGmbH, 71522 Backnang
Vorwort
Wieso, neben einigen hervorragenden Büchern in den Regalen, ein weiteres M&A-Buch?
Weil es eine Lücke schließen möchte!
Es soll hinreichend kurz sein, um in die Materie zusammenhängend einzuführen. Es soll hinreichend ausführlich sein, um dem erfahrenen Praktiker als Nachschlagewerk zu dienen. Es soll hinreichend viele praktische Beispiele für Klauseln sowie einen mit dem Buch verzahnten Mustervertrag enthalten, um den Lesern einen Fundus an Gestaltungsbeispielen bereitzustellen, die jeweils als Ausgangspunkt für auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Gestaltungen dienen sollen.
Dabei folgt die Darstellung dem üblichen Aufbau eines Unternehmenskaufvertrags. Der typische Inhalt eines Unternehmenskaufvertrags, seine typische Mechanik (also das Zusammenspiel seiner Klauseln einschließlich des Zusammenspiels mit gesetzlichen Vorschriften) sowie typische Verhandlungs(stand)punkte, kurzum seine „Anatomie“, soll in diesem Buch beleuchtet werden.
Das Buch ist mit Vorsicht zu genießen: Regelungen oder Maßnahmen, die ich hier als empfehlenswert oder angemessen dargestellt habe, mögen im Kontext der jeweiligen konkreten Transaktion und insbesondere der konkreten Verhandlungssituation unangemessen und falsch sein. Immer ist der konkrete Einzelfall maßgebend. In diesem Sinne gibt es – außer qualitativen – keine inhaltlichen Marktstandards. Auch vor der unreflektierten Übernahme der Beispielsklauseln sei deshalb gewarnt.
Ich hoffe, es erscheint zur richtigen Zeit:
Das Jahr 2020 war maßgeblich von der globalen Covid-19-Pandemie geprägt. Der deutsche M&A-Markt war, wie die Mehrzahl anderer Bereiche des täglichen Lebens, davon zumindest im ersten Halbjahr 2020 stark betroffen. Die deutsche Vorsicht, international und überzeichnet „the German Angst“, wurde durch das unmöglich zu prognostizierende Pandemie-Geschehen vorübergehend übermächtig. So sahen die Marktteilnehmer in der ersten Hälfte des Jahres 2020 eine merkliche Beruhigung des deutschen M&A-Markts. Unternehmen waren gezwungen, sich ausschließlich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und potenzielle Expansions- und Akquisitionspläne (einstweilen) zu verwerfen. „Cash“ war „King“, Liquidität wurde, wie immer in Krisenzeiten, zusammengehalten. In der zweiten Hälfte 2020 nahm der deutsche M&A-Markt wieder Fahrt auf. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie konnten besser eingeschätzt werden. Eine wachsende Zahl ausländischer Investoren setzte auf deutsche Investitionstargets. Das Vertrauen in die Entwicklung und Wirksamkeit der Vakzine und damit verbundenen Impfstrategien trieb wieder mehr Investitionen voran. Auch in Deutschland gewann der Technologiesektor erheblich an Bedeutung. Auf das Wachstum dieses Sektors wirkte die Pandemie wie ein Katalysator. Auch in den noch bedeutsamer gewordenen Pharma- und Gesundheitssektor wurde kräftig investiert. Trotz der schwierigen ersten Jahreshälfte konnte in 2020 das Gesamtvolumen aller M&A-Investitionen mit deutscher Beteiligung im Vergleich zum Vorjahr nahezu gehalten werden, für 2021 ist der Optimismus zurückgekehrt und füllt auch die Schreibtische der M&A-Anwältinnen und M&A-Anwälte. So ist zu hoffen, dass dieses Buch bei vielen künftigen M&A-Transaktionen praktische Hilfe leisten kann.
Hilfe wurde auch mir zu Teil. Danken möchte ich deshalb an dieser Stelle meinen Kolleginnen und Kollegen Birgit Reese (Gesellschaftsrecht/M&A), Sarah-Lena Kreutzmann (IP/IT/Datenschutz), Dr. Lisa Hofmeister (Litigation/Arbitration), Dr. Martin Sura (Kartellrecht), Sebastian Faust (Außenwirtschaftsrecht), Dr. Marcus Schreibauer (IP/IT/Datenschutz), Dr. Tim Joppich (Arbeitsrecht), Prof. Dr. Thomas Dünchheim (Umweltrecht/öffentliches Recht), Sebastian Gräler (Umweltrecht/öffentliches Recht), Dr. Tobias Böckmann, Guido Brockhausen und Dr. Kim Mehrbrey (Litigation/Arbitration) für ihre kritischen Hinweise und Anregungen. Herr Rechtsreferendar Martin Hadler hat mich unermüdlich bei der finalen Redaktion des Manuskripts und der Erstellung des Literaturverzeichnisses unterstützt, die wissenschaftlichen Mitarbeiter Jonas Koglin, Stefan Cesar, Simon Gückel und der studentische Mitarbeiter Christoph Henssen haben die Druckfahnen betreut und letzte Aktualisierungen auf dem Weg zur Drucklegung übernommen.
Mich würde es freuen, wenn das Buch auf reges Interesse stoßen würde. Anregungen und Kritik sind ausdrücklich willkommen. Sie können gern an:
Christoph.Louven@HoganLovells.com
gerichtet werden.
Düsseldorf, im November 2021Dr. Christoph B. Louven1.1 Einführung
1
Das Recht des Unternehmenskaufs ist in besonderem Maße ein Recht der damit befassten Praktiker1 und eine Königsdisziplin der Kautelarjurisprudenz.
2
Mit Ausnahme des Rechts der öffentlichen Übernahmen (also des Erwerbs von Aktien an einer Gesellschaft, deren Aktien an einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind), welches detailliert im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) gesetzlich geregelt ist und hier nicht dargestellt werden soll,2 fehlt es für den in der Praxis dominierenden Bereich des sogenannten „Private M&A“, also des Kaufs und Verkaufs einer nicht börsennotierten Gesellschaft, an speziellen gesetzlichen Regelungen. Es herrscht sogar umgekehrt Einvernehmen, dass die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungskonzepte für einen Unternehmenskauf weitgehend ungeeignet sind.
3
Auch veröffentlichte Rechtsprechung staatlicher Gerichte findet sich selten, da Meinungsverschiedenheiten regelmäßig auf dem Verhandlungswege ausgeräumt werden. Lässt sich ein Rechtsstreit nicht vermeiden, wird er in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle vor Schiedsgerichten ausgetragen. Sie veröffentlichen aber ihre Entscheidungen grundsätzlich nicht.3 Die in der jüngeren Vergangenheit ergangenen und intensiv besprochenen obergerichtlichen Entscheidungen zu Inhalt und Rechtsfolgen von Jahresabschlussgarantien4 und zur Wissenszurechnung5 bilden insoweit die Regel bestätigende Ausnahmen.
4
Der Kaufgegenstand, ein Unternehmen, ist nicht nur hoch komplex, er verändert sich auch stetig und oft dynamisch.
5
Wer einen praxistauglichen Überblick über das Recht des Unternehmenskaufs verschaffen möchte, wird seinen Schwerpunkt in der Analyse und Darstellung der (Kautelar-)Praxis und Verfahrensabläufe setzen. Diese Praxis wird in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben, bewertet und weiterentwickelt. Vor allem aber entsteht sie und wird fortentwickelt mit jeder weiteren Transaktion. Über diese Fortentwicklung kann naturgemäß nur mit anekdotischer Evidenz berichtet werden. Eine übergreifende Darstellung, die die wenigen Gerichtsentscheidungen, vom Verfasser als besonderes relevant wahrgenommene Veröffentlichungen und eigene Praxiserfahrungen verbindet, ist auch Zielsetzung der vorliegenden Einführung. Sie ist in diesem Sinne in besonderem Maße ein Buch eines Praktikers für die Praxis. Dabei soll die Darstellung zwar systematisch und auf Vollständigkeit bedacht sein (und insoweit auch einen Überblick über den Stand von Rechtsprechung und Schrifttum geben). Der Autor leistet sich aber auch den Luxus, bestimmte Regelungsbereiche heller auszuleuchten, andere nur im Überblick darzustellen. Auch in der Praxis bilden sich solche Schwerpunkte heraus und verändern sich mit der Entwicklung des M&A-Markts von Zeit zu Zeit. Das Buch versucht, die Schwerpunkte im Einklang mit praktischen Erfahrungen zu setzen. Auswahl der Themen, Schwerpunkte bei der Darstellung und – wo offengelegt – Bewertungen sind naturgemäß subjektiv.
6
Das Buch ist auch mit Vorsicht zu genießen: Regelungen oder Maßnahmen, die hier als empfehlenswert oder angemessen dargestellt werden, mögen im Kontext der jeweiligen konkreten Transaktion und insbesondere der konkreten Verhandlungssituation unangemessen und falsch sein. Immer ist der konkrete Einzelfall maßgebend. In diesem Sinne gibt es – außer qualitativen – keine inhaltlichen Marktstandards. Auch vor der unreflektierten Übernahme der – entsprechend dem Anspruch des Buchs: zahlreichen – Beispielsklauseln sei deshalb gewarnt.
7
Auf die sich dieser Einleitung anschließende, über den Buchtitel hinausweisende systematische Darstellung des Verkaufsprozesses (auch hier mit Schwerpunkt auf den gestalterischen Aspekten) und des typischen Inhalts eines Unternehmenskaufvertrags, in dem der Verkaufsprozess sozusagen kulminiert, folgt ein kommentierter Mustervertrag, und zwar ein käuferfreundlicher Unternehmenskaufvertrag über den Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen in deutscher Sprache (siehe S. 459ff.).
8
Das Buch ist gedacht als eine Art Kompendium dessen, was bei einem M&A-Anwalt als typischem Generalisten an präsentem Wissen mitschwingen sollte, um in der Praxis zu bestehen. Es enthält keine vertieften Abhandlungen der Spezialthemen, für die er auch in der Praxis seine spezialisierten Kollegen etwa aus dem Kartellrecht, Steuerrecht, Umweltrecht, Datenschutzrecht, allgemeinem öffentlichen Recht, dem Recht der betrieblichen Altersversorgung oder dem Arbeitsrecht einbinden sollte. Insoweit erhebt es auch nicht den Anspruch, ein umfassendes M&A-Handbuch zu sein. Es ist eine Einführung für denjenigen Juristen, der sich in die Materie einarbeiten möchte, und ein hoffentlich praktisches und anregendes Nachschlagewerk für den erfahrenen Juristen, der sich hinsichtlich einzelner Punkte noch einmal vergewissern möchte.
9
Der Unternehmenskaufvertrag ist das Herzstück einer jeden Transaktion, die den Erwerb eines nicht börsennotierten Unternehmens zum Gegenstand hat.
10
Sein Inhalt und Gerüst gibt die Struktur der Verhandlungen zwischen potenziellem Verkäufer und Käufer vor, seine finale Fassung dokumentiert – idealerweise – die Einigung der Parteien.
11
Sein Abschluss ist typischerweise vorläufiger Abschluss eines monatelangen Projekts, das aus weitgehend typischen Verfahrensschritten besteht und das bei den im heutigen M&A-Markt dominierenden sog. Auktions- oder (kontrollierten) Bieterverfahren in der Regel
– mit der Erstellung eines sog. Teasers und eines Informationsmemorandums beginnt, dem sodann, vor deren Versendung,
– der Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen folgt, im Rahmen dessen dann einigen Kaufinteressenten die Möglichkeit zu einer
– Due Diligence gewährt wird, bevor schließlich auf Basis eines – bei Auktionsverfahren regelmäßig vom Verkäufer entworfenen –
– Unternehmenskaufvertrags einige potenzielle Kaufinteressenten Gegenentwürfe zum Kaufvertrag vorlegen, bevor danach mit einem oder mehreren Bietern der eigentliche
– Verhandlungsprozess startet.
12
Um die Verkäuferposition weiter zu verbessern, tendieren Verkäufer zunehmend dazu, kapitalmarktfähige Unternehmen im sog. „Dual Track“6 zu verkaufen. Parallel zum Verkaufsprozess wird der alternative IPO der Gesellschaft betrieben. Ausnahmsweise kommt es parallel zusätzlich zur Auslotung einer Abspaltung, sodass man von einem „Triple-Track“-Verfahren7 (Verkaufsprozess, IPO und Abspaltung mit anschließendem Börsengang parallel) sprechen kann. All dies erhöht gerade in der Schlussphase eines Auktionsverfahrens den Wettbewerb, freilich auch den Aufwand für den Verkäufer und die Risiken für die Zielgesellschaft8 (Vertraulichkeit, Ansprache von Mitarbeitern).
13
Ebenfalls im Interesse der möglichst langen Aufrechterhaltung eines wettbewerbsintensiven Verkaufsprozesses bereiten viele Verkäufer eine sog. „Vendor’s Due Diligence“ vor,9 die es gerade in der frühen Phase von Auktionen vielen Bietern und Kaufinteressenten erlaubt, ohne allzu großen Aufwand, der sich später als vergeblich herausstellen könnte, an der Auktion möglichst lange teilzunehmen. Wo der Aufwand einer Vendor’s Due Diligence gescheut wird, kommen Fact Books in Betracht.
14
Wird ein Unternehmen im Rahmen bilateraler Verhandlungen (One-on-One) verkauft, beginnt der Prozess oft mit dem Abschluss eines Letter of Intent oder eines Memorandum of Understanding, in dem neben Eckpunkten für den abzuschließenden Vertrag der geplante Ablauf des Transaktionsprozesses, Vertraulichkeit oder eine etwaige Exklusivität vereinbart werden. Auch hier wird der Käufer regelmäßig eine Due Diligence der Zielgesellschaft durchführen, bevor er am Ende bilateraler Verhandlungen den Unternehmenskaufvertrag unterzeichnet.
15
Der typische Inhalt eines Unternehmenskaufvertrags, seine typische Mechanik (also das Zusammenspiel seiner Klauseln einschließlich des Zusammenspiels mit gesetzlichen Vorschriften) sowie typische Verhandlungs(stand)punkte, kurzum seine „Anatomie“,10 sollen in diesem Buch beleuchtet werden. Man kann dies plastisch und treffend auch als „M&A-Recht“ bezeichnen.11
16
Dabei folgt die Darstellung dem üblichen Aufbau eines Unternehmenskaufvertrags. Vorher sollen einige typische Verfahrensschritte auf dem Weg zum Abschluss des Unternehmenskaufvertrags, wie sie soeben vorgestellt wurden, näher vorgestellt werden.
1 Die Verwendung nur der weiblichen oder männlichen Form bezweckt in diesem Buch lediglich die Erleichterung des Leseflusses und soll stets Menschen aller Geschlechter einschließen. 2 Vgl. dazu etwa einführend Strehle, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, 2017, § 56; Angerer/Geibel/Süßmann, WpÜG, 3. Aufl. 2017; Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 3. Aufl. 2020; Haarmann/Schüppen, Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl. 2008. 3 Vgl. allerdings den Bericht von Pörnbacher und Melzer zur Auswertung von Post-M&A-Streitigkeiten vor DIS-Schiedsgerichten in: Drygala/Wächter, Verschuldenshaftung, Aufklärungspflichten, Wissens- und Verhaltenszurechnung bei M&A-Transaktionen, S. 215ff. 4 OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 7.5.2015 – 26 U 35/12, NZG 2016, 435 = ZIP 2016, 774 = BB 2016, 721; OLG München, Urt. v. 30.3.2011 – 7 U 4226/10, Beck RS 2011, 7200. 5 OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.2016 – I-6 U 20/15, NZG 2017, 152 („Masterflex“). 6 Vgl. dazu Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1301f.; Schlitt/Habetha, Zweigleisig ans Ziel – IPOs im Dual Track, PLATOW Online vom 25.3.2011, https://www.platow.de/archiv/platow-recht/platow-recht-ausgabe-vom-25.03.2011/2011/03/25/zweigleisig-ans-ziel–ipos-im-dual-track/ (zuletzt abgerufen am 11.5.2021). Ausführlich: Schneider/Lung, in: Jesch/Striegel/Boxberger, Rechtshandbuch Private Equity, § 21. 7 Harrer, in: Drinhausen/Eckstein, Beck’sches Handbuch der AG, § 20 Rn. 141; Schiessl, in: FS Wegen, S. 313, 321; Schiessl, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 1 Rn. 15. 8 Die Begriffe „Zielgesellschaft“ und „Zielunternehmen“ werden in diesem Buch weitgehend synonym verwendet. Bei genauerer Begriffsverwendung würde „Zielgesellschaft“ ausschließlich im Kontext eines Share Deals korrekt verwendet werden, „Zielunternehmen“ wäre der Oberbegriff und der korrekte Begriff im Kontext eines Asset Deals. 9 Zur Vendor’s Due Diligence siehe Rn. 224ff. 10 Der Begriff wird verwendet in Anlehnung an Freund, Anatomy of a Merger, Strategies and Techniques for Negotiating Corporate Acquisitions, 1975. 11 So bereits im Buchtitel: Wächter, M&A Litigation, M&A-Recht im Streit, 3. Aufl. 2017.
1.2 Der wesentliche Inhalt eines Unternehmenskaufvertrags (Überblick)
17
Der unmittelbare Gegenstand eines Unternehmenskaufs ist bzw. sind bei einem sog. „Share Deal“, bei dem die Anteile12 an der das Unternehmen tragenden Gesellschaft verkauft bzw. gekauft werden, der Anteil oder die Anteile an der Gesellschaft, die Träger des Unternehmens ist. Der Share Deal bezeichnet also die Übertragung des Unternehmens durch die Übertragung seines Rechtsträgers.13 Bei einem „Asset Deal“ sind Gegenstand des Kaufvertrags die einzelnen Aktiva, Passiva, Rechte, Pflichten, Mitgliedschaften, Verträge, Rechtsverhältnisse und „Umstände“,14 aus denen sich das zu kaufende Unternehmen oder der zu kaufende Unternehmensteil zusammensetzt. Etwas verdichteter und unter Verwendung eines steuerrechtlichen15 Begriffs wird oft beim Asset Deal auch vom Verkauf der einzelnen „Wirtschaftsgüter“ gesprochen. Anders als beim Share Deal wird beim Asset Deal daher das Unternehmen von seinem Rechtsträger getrennt.16 Nicht selten enthält ein Unternehmenskauf sowohl Elemente eines Asset Deals als auch eines Share Deals, etwa, wenn – in Konzernsachverhalten – der Verkäufer im Wege eines Asset Deals einen Geschäftsbereich verkauft, zu dem Tochter- und/oder Beteiligungsgesellschaften gehören.
18
Der juristische Begriff des „Unternehmens“ ist schillernd und, wie sich zeigen wird, für die praktische Rechtsanwendung beim Unternehmenskauf weitgehend unergiebig. Dennoch fällt es einem Juristen schwer, seine Begriffsbestimmung in einem dem Unternehmenskaufvertrag gewidmetem Buch ganz auszublenden. Das BGB enthält in § 14 BGB lediglich eine Definition des Unternehmers. Das HGB verwendet in § 84 HGB ebenfalls den Begriff des Unternehmers. Eine gesetzliche Definition des Unternehmens enthalten beide Gesetze nicht. Eine allgemein gültige juristische Definition des Begriffs „Unternehmen“ ist auch darüber hinaus bislang nicht gelungen.17 Die von der Judikatur unternommenen Annäherungsversuche wirken hölzern und beschreiben die Unternehmenswirklichkeit nur ausschnittweise und statisch. Dies gilt, wenn etwa das Reichsgericht als „Unternehmen ... eine Organisation [beschreibt], durch welche körperliche Sachen und Rechte, aber auch Umstände, die weder körperliche Sachen noch Rechte sind, z.B. Lage, Beruf, Kenntnis der Bezugsquellen usw., einem wirtschaftlichen Zweck dienstbar gemacht werden“18 oder wenn der BGH ein Unternehmen als Gebilde vorstellt, das sich institutionell und funktionell als Unternehmen im hergebrachten Sinne darstellt.19 Am ehesten trifft eine Beschreibung in Anlehnung an diejenige von Ballerstedt zu,20 nach der ein Unternehmen eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen sowie unternehmerischen Handlungen (nach außen [Markt] wie innen [Betrieb] gerichtet) darstellt,21 und man möchte ergänzen: die sich stetig und dynamisch fortentwickelt. Die praktische Bedeutung solcher Definitionen ist freilich für die heutige M&A-Praxis kaum relevant. Allenfalls für Randfragen (wie der der Anwendbarkeit des § 377 HGB auf den Unternehmenskauf22 oder der Convention on Contracts on the International Sales of Goods (CISG23) auf einen Unternehmenskauf im Wege des Asset Deals24) ist sie hilfreich.
19
Innerhalb eines Unternehmens können verschiedene Betriebe und Teilbetriebe, Sparten oder Geschäftsbereiche (Divisions) bestehen.25
20
Unternehmensträger ist das Rechtssubjekt, das Eigentümer der dem Unternehmen zugeordneten Sachen, Inhaber der ihm zugeordneten Rechte, Partei der ihm zugeordneten Verträge, Arbeitgeber der ihm zugeordneten Mitarbeiter, Zuordnungssubjekt der ihm zugeordneten tatsächlichen Beziehungen und unternehmerischen Handlungen und Träger der ihm zugeordneten Verpflichtungen ist.26 Unternehmensträger kann grundsätzlich jede natürliche Person, juristische Person (des Privatrechts oder öffentlichen Rechts) sowie jede Personenvereinigung oder Handelsgesellschaft sein, die nicht juristische Personen ist.27 Ein Unternehmensträger kann mehrere Unternehmen betreiben.28 In der M&A-Praxis vorherrschend sind Unternehmensträger in der Rechtsform der GmbH, GmbH & Co. KG und der AG.
21
Obschon es im deutschen Recht keine speziellen gesetzlichen Regelungen für den Unternehmenskauf gibt, so hält doch insbesondere das BGB einige Vorschriften bereit, die in Ermangelung spezieller vertraglicher Regelungen auf einen Unternehmenskauf Anwendung finden würden:
22
§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (sog. culpa in contrahendo, nachfolgend auch c.i.c. oder Verschulden bei Vertragsverhandlungen) und die dazu ergangene Rechtsprechung befassen sich mit den Rechten und Pflichten der künftigen Vertragsparteien während der Anbahnungsphase eines Vertragsverhältnisses (und damit auch des Abschlusses eines Unternehmenskaufvertrags). Eine z.B. vom Verkäufer pflichtwidrig unterlassene Aufklärung oder, unabhängig von der Existenz einer Aufklärungspflicht, Falschangabe29 könnte danach, gestützt auf § 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage,30 Schadensersatzansprüche des Käufers wegen Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) auslösen. Einzelheiten dazu später unter Rn. 272ff.
23
Die Gewährleistungsregelungen des BGB in §§ 434ff. BGB könnten dem Käufer unter bestimmten weiteren Voraussetzungen bei einem Mangel des Kaufgegenstands Rechte zur Nacherfüllung, zum Rücktritt, zur Minderung oder zum Schadensersatz gewähren.
24
Die Vorschriften des § 313 BGB regeln die Störung der Geschäftsgrundlage und könnten einem Käufer verschuldensunabhängige Ansprüche auf Anpassung oder ausnahmsweise Rückabwicklung (nämlich bei Unzumutbarkeit eines Festhaltens am Vertrag) gewähren.31 Dies gilt insbesondere bei planwidrigen Entwicklungen zwischen Signing und Closing, wenn einer Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.32
25
§ 280 Abs. 1 BGB regelt die Schlechtleistung unter einem Vertrag und hat hinsichtlich solcher Schäden, die durch kaufvertragliche Pflichtverletzungen endgültig entstanden sind und nicht durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung beseitig werden können, Vorrang.33 § 280 Abs. 1 BGB hat die frühere Haftung aus positiver Vertragsverletzung (pVV) abgelöst.34