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3.1 Überblick
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Dem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags (Signing) und erst recht dessen Vollzug (Closing) geht ein in der Regel zumindest mehrmonatiger Prozess voraus. Wesentliche Projektschritte dorthin sind aus rechtlicher Perspektive:
– die Planungsphase,
– die Erstellung eines „Teasers“,
– der Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non-Disclosure-Agreements, NDAs),
– die Erstellung und Versendung eines Informationsmemorandums,
– die Zusammenstellung des Datenraums für eine Due Diligence der oder des Kaufinteressenten, deren Ergebnisse in einen Due Diligence Report einfließen,
– ggf. eine eigene Due Diligence des Verkäufers, deren Ergebnisse in einen sog. „Vendor’s Due Diligence“-Bericht oder ein Fact Book einfließen,
– bei Bieterverfahren die Aufstellung der dafür geltenden Bedingungen, die in einem oder mehreren Process Letter(s) mit den Interessenten vereinbart werden,
– bei bilateralen Verhandlungen der Abschluss von sonstigen (über ein NDA hinausgehenden) Vorfeldvereinbarungen (Letter of Intent, Memorandum of Understanding),
– bei Bieterverfahren die Abgabe sog. indikativer Angebote (Indicative Offers),
– die Due Diligence (einschließlich Managementpräsentation (Management Presentation), Expertengesprächen (Expert Sessions), Standortbesichtigungen (Site Visits) und vorvertraglichem Auskunftsprozess (Q&A-Process)) durch den oder die Kaufinteressenten,
– in Bieterverfahren die Abgabe sog. bindender Angebote (Binding Offers) sowie
– die Vertragsverhandlungen.
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Diese Projektschritte sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.
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Dies ist auch aus rechtlicher Sicht deshalb sinnvoll, weil in den letzten Jahren eine fortschreitende Verrechtlichung des M&A-Prozesses zu beobachten ist, die nicht unerhebliche Risiken für die Parteien bietet.
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So können gerade im Zusammenspiel mit den sehr weit reichenden Wissens- und Verhaltenszurechnungsgrundsätzen aus der unterbliebenen Offenlegung von Informationen im Datenraum oder falschen oder unvollständigen Antworten im vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process) Ansprüche gegen den Verkäufer aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB erwachsen.
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Die Offenlegung sensibler Informationen in einem Informationsmemorandum oder dem Datenraum kann die Parteien in die Gefahr bringen, dass dies als kartellrechtswidriger unzulässiger Informationsaustausch gewertet wird.
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Die unbefugte Offenlegung von personenbezogenen Daten kann erhebliche Haftungsrisiken aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)168 begründen.
168 VO (EU) 2016, 679.
3.2 Planungsphase
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Eine der wichtigsten Phasen eines M&A-Prozesses ist die Planungsphase. Dennoch kann man in Einzelfällen den Eindruck gewinnen, dass eine sorgfältige und weitsichtige Planung zu kurz kommt.
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Wird sorgfältig und weitsichtig geplant, ist es entscheidend, auch den internen oder externen M&A-Anwalt rechtzeitig in die Planungen einzubeziehen. Geschieht das nicht, sollte ein guter M&A-Anwalt, wenn er die unzureichende Einbeziehung mitbekommt, darauf drängen, dass er möglichst frühzeitig involviert wird.
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Wesentlich ist es zunächst, auf Verkäufer- wie auf Käuferseite die Motive für die ins Auge gefasste Transaktion herauszuarbeiten und mit den M&A-Juristen zu teilen. Sie haben wichtigen Einfluss auf die rechtliche Gestaltung der Transaktion.
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Aus Verkäufersicht nächster Schritt ist die Transaktionsplanung im engeren Sinne, die sich den Fragen der angestrebten Transaktionsziele, einer vorteilhaften Transaktionsstruktur, dem Transaktionsverfahren und einem schlagkräftigen Transaktionsteam widmet.
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Bei der Entscheidung über die vorteilhafte Transaktionsstruktur geht es – neben steuerrechtlichen Themen – verkäuferseitig vor allem um die Frage, ob das Unternehmen bereits hinreichend selbstständig ist oder gar vor Beginn des Verkaufsprozesses oder während des Verkaufsprozesses erst herausgelöst werden muss.
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Im einfachen Extremfall ist das Unternehmen bereits in einem selbstständigen Rechtsträger, es bestehen keine Unternehmensverträge (insbesondere kein Ergebnisabführungsvertrag), es ist nicht in einen Cash Pool oder andere Formen einer Konzernfinanzierung eingebunden, es ist nicht abhängig von konzerninternen Dienstleistungen und unterhält auch keine Liefer- und Leistungsbeziehung zum Verkäufer und seinen verbundenen Unternehmen. Das erlebt man freilich selten.
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Ist das Unternehmen zwar bereits in einem selbstständigen Rechtsträger, bestehen aber im Übrigen die oben beschriebenen rechtlichen Beziehungen, ist das bereits im Zeitplan angemessen abzubilden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf einen bestehenden Ergebnisabführungsvertrag, dessen Beendigung nicht nur in den Zeitplan der Transaktion eingepasst werden muss, sondern auch steuerrechtliche und gesellschaftsrechtliche Anforderungen erfüllen muss.169 Nicht selten erfordert dies eine mit der Finanzverwaltung abgestimmte Änderung des Geschäftsjahres der Zielgesellschaft, für die ebenfalls ausreichend Zeit eingeplant werden muss.
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Ist das Unternehmen noch gemeinsam mit anderen Geschäftsbereichen in einem Rechtsträger, bedarf es frühzeitiger Planung, wie es aus dem Rechtsträger herausgelöst werden soll. Im Englischen hat sich dafür das Bild des Herausschnitzens, des „Carve-Out“, herausgebildet.170 Als rechtlicher Begriff ist der des Carve-Outs freilich im Kontext von M&A-Transaktionen etwas schillernd. Zum einen werden darunter insbesondere auch Maßnahmen verstanden, bei denen Vermögensgegenstände oder ganze Geschäftsbereiche auf die Zielgesellschaft übertragen werden, sodass aus der Perspektive der Zielgesellschaft also eher ein „Carve-In“171 vorliegt. Zum anderen werden unter „Carve-Out“ auch Maßnahmen zusammengefasst, die letztlich auf eine Beendigung von Vertragsbeziehungen zwischen Zielgesellschaft und dem Verkäufer und seinen verbundenen Unternehmen abzielen und von Ergebnisabführungsverträgen, Cash Pools, bis zu sonstigen Liefer- und Leistungsverträgen reichen und auch den Abschluss vorübergehender Service-Verträge zwischen dem Verkäufer und seinen verbundenen Unternehmen (regelmäßig als Dienstleister) und der Zielgesellschaft (sog. Transitional Services Agreements) einschließen.172
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Eine Möglichkeit wäre der Verkauf des Geschäftsbetriebs im Wege eines Asset Deals,173 also der Verkauf derjenigen Vermögensgegenstände, die zum verkauften Geschäftsbetrieb gehören. Aus Verkäufersicht besteht der Vorteil, dass ein solcher Asset Deal grundsätzlich relativ kurzfristig vorbereitet werden kann. Andererseits führt, für den Verkäufer nachteilig, die Wahl eines Asset Deals oft dazu, dass
– die mit dem Geschäftsbereich verbundenen Risiken und Verbindlichkeiten beim Verkäufer verbleiben (etwa Pensionsverbindlichkeiten gegenüber Betriebsrentnern, die früher in dem Geschäftsbereich gearbeitet haben),
– in größerem Umfang als bei einem Share Deal Dritte eingebunden werden müssen, um das Unternehmen zu übertragen (alle dritten Vertragsparteien, Behörden, soweit es um personenbezogene Genehmigungen geht, etc.174),
– erheblicher Aufwand durch das Erstellen der Anlagen und Listen, die die Vermögensgegenstände aufführen, entsteht,
– es für den verkauften Geschäftsbereich keinen eigenen Jahresabschluss und möglicherweise auch keinen Pro-Forma-Abschluss oder eigene betriebswirtschaftliche Auswertungen (Management Accounts) gibt, auf die ein Kaufinteressent bei seinem Angebot aufsetzen könnte, und
– ein Bieterverfahren oft „sperrig“ wird.
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Dadurch kann die Veräußerung bei Wahl eines Asset Deals erschwert und verzögert werden.
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Entscheidet sich der Verkäufer deshalb dafür, entweder das Unternehmen zunächst im Wege eines internen Asset Deals, einer Einbringung mit Kapitalerhöhung auf einen gruppeninternen Rechtsträger (etwa eine Tochtergesellschaft), zu übertragen oder eine solche Übertragung insbesondere im Wege einer umwandlungsrechtlichen Ausgliederung durchzuführen, hat das regelmäßig erheblichen Einfluss auf den Zeitplan. Soll die Übertragung ertragsteuerlich neutral erfolgen, ist sowohl bei einer Übertragung im Wege einer Einbringung (Einzelrechtsnachfolge) als auch einer Ausgliederung (Gesamtrechtsnachfolge) abzuklären und ggf. abzusichern, dass das zu übertragende Unternehmen einen Teilbetrieb175 darstellt und deshalb im ersten Schritte ggf. ertragsteuerlich neutral übertragen werden kann (§§ 20, 24 UmwStG).176 Arbeitsrechtlich ist zu prüfen, ob Betriebsänderungen ausgelöst werden, die nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Betriebsrat erfordern. Erfolgt das Herauslösen auf der Grundlage des Umwandlungsrechts (was zu der Erleichterung führt, dass die Aktiva und Passiva im Wege der umwandlungsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge übergehen und deshalb grundsätzlich eine Zustimmung von Gläubigern oder dritten Vertragsparteien entbehrlich wird177), ist insbesondere abzuklären, ob die Teilbetriebseigenschaft bereits zum geplanten Umwandlungsstichtag vorlag und die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen einer Umwandlung erfüllt werden können. Zudem ist die gesamtschuldnerische Haftung nach § 133 UmwG für fünf bzw. zehn Jahre zu berücksichtigen. Schließlich ist darauf zu achten, die Haftung des Verkäufers bzw. des einbringenden oder übertragenden Rechtsträgers soweit wie möglich auszuschließen oder zu begrenzen, damit Ansprüche der Zielgesellschaft gegen den Verkäufer aus dem internen Asset Deal, der Einbringung oder der Ausgliederung nicht das Haftungsregime des später mit dem Käufer abzuschließenden Unternehmenskaufvertrags im Wege des Share Deals unterminieren.178 Das alles führt idealerweise dazu, bereits einige Monate vor dem eigentlichen Beginn der Planungsphase Vorbereitungsschritte angestoßen zu haben. Dann kann theoretisch die eigentliche Herauslösung, also etwa der Vollzug einer Ausgliederung, parallel zur Verhandlungsphase durchgeführt werden und auch noch in die Phase bis zum Vollzug der Transaktion hineinreichen.
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Bei der Wahl der Transaktionsverfahren geht es primär darum, ob bilaterale Verhandlungen (One-on-One), ein Bieterverfahren oder sogar ein Dual-track-Verfahren vorzugswürdig sind. Für die Organe der Verkäufergesellschaft besteht keine (gesellschaftsrechtlich begründete Sorgfalts-)Pflicht (gegenüber der eigenen Gesellschaft), das Zielunternehmen im Wege eines Bieterverfahrens zu verkaufen.179 Die Wahl des geeigneten Transaktionsverfahrens sollte aber immer (aus Sicht der Geschäftsleitung der Verkäufergesellschaft auch, um den Sorgfaltspflichten gegenüber der eigenen Gesellschaft zu genügen) sorgfältig abgewogen werden.180 Zudem ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Verkäufer eine eigene vorbereitende Due Diligence durchführt (was regelmäßig empfehlenswert ist) und wenn ja, ob und in welcher Form (Vendor’s Due Diligence Reports oder Fact Books181) die Ergebnisse auch den Kaufinteressenten zur Verfügung gestellt werden. Letzteres ist bei Bieterverfahren heute fast schon die Regel. Dabei ist zu beobachten, dass insbesondere die Ergebnisse einer verkäuferseitigen Legal Due Diligence eher in Form eines Fact Books den Bietern präsentiert werden.182 Frühzeitig sollte in diesem Zusammenhang die Frage geklärt werden, ob sich ein Kaufinteressent (einschließlich des späteren Käufers) auf die in den Berichten zusammengefassten Ergebnisse verlassen dürfen soll (dies geschieht auf Grundlage eines „Reliance-Letters“, der mit dem erfolgreichen Bieter vereinbart wird) oder nicht (dann werden die Berichte auf Basis eines Non-Reliance-Letters ausgegeben und auch mit dem erfolgreichen Bieter wird kein Reliance-Letter vereinbart183).
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Auch die Auswahl und Zusammenstellung des Kern-Transaktionsteams sollte sorgfältig geplant werden. Dabei bewähren sich, auch im Interesse eines kontrollierten Informationsflusses, eher kleinere Kernteams. Ab wann und in welchem Umfang das Management der Zielgesellschaft eingebunden werden soll, will sorgfältig überlegt sein. Bei Bieterverfahren erfordert spätestens die Durchführung einer verkäuferseitigen Due Diligence seine Einbindung. Rechtzeitig ist darüber nachzudenken, wie in der späteren Projektphase sichergestellt werden kann, dass das Management dem Verkäufer gegenüber Bestätigungen darüber abgibt, dass ein vereinbarter Garantiekatalog ohne Haftungsrisiken des Verkäufers abgegeben werden kann. Direkte Kontakte des Managements mit Bietern sind, auch im Interesse des Managements selbst, auf ein Mindestmaß zu reduzieren (etwa auf die Managementpräsentation).
169 Dazu unten Rn. 449ff. 170 Detailliert und zusammenhängend zum Carve-Out Hörmann, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 2099ff., und knapper Meyer-Sparenberg, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 46 Rn. 3ff. 171 Meyer-Sparenberg, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 46 Rn. 3. 172 So etwa bei Hörmann, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 2099ff. 173 Dazu unten Rn. 506ff. 174 Eine auch für den Share Deal hilfreiche umfangreiche Checkliste von Zustimmungserfordernissen bei M&A-Transaktionen findet man bei Seibt, in: Seibt, Beck’sches Formularbuch Mergers & Acquisitions, A. III. 175 Zum Begriff des Teilbetriebs Füssenich, in: BeckOK EStG, § 16 EStG Rn. 446ff. 176 Die Anteile an der Zielgesellschaft sind allerdings sperrfristbehaftet, sodass bei einer im zweiten Schritt erfolgenden Veräußerung Haltefristen zu beachten sind. Steuervorteile für den Verkäufer können daher im Rahmen einer Carve-Out-Transaktion, bei der zwischen Carve-out und Veräußerung nur Monate liegen, allenfalls in Höhe von 1/7 erzielt werden. Umgekehrt dürfte das erhöhte Abschreibungsvolumen beim Käufer den Kaufpreis erhöhen. 177 Zu den Vorteilen einer umwandlungsrechtlichen Ausgliederung der knappe Überblick bei Hörmann, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 2169ff. 178 Hörmann, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 2162. 179 Vgl. Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 119f. 180 Dazu unten Rn. 89f. 181 Dazu unten Rn. 225ff. 182 Dazu unten Rn. 225. 183 Zum Reliance- und Non-Reliance-Letter unten Rn. 168ff.
3.3 Teaser/Bieterverfahren
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Insbesondere bei Bieterverfahren („Auction Process“; alternativ auch kontrolliertes Bieterverfahren, strukturiertes Bieterverfahren oder Auktionsverfahren genannt) startet nach außen hin der Transaktionsprozess mit der Versendung eines sog. Teasers an potenzielle Interessenten, die vom Verkäufer oder seinen Beratern als potenzielle Bieter identifiziert worden sind. Der Teaser enthält regelmäßig auf anonymer Basis erste Informationen zu der zum Verkauf stehenden Zielgesellschaft, oft aus öffentlich zugänglichen Quellen (Jahresabschlüssen, Pressemitteilungen, der Homepage der Zielgesellschaft).
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Bieterverfahren werden heute bei dafür geeigneten Zielgesellschaften, bei denen ein Kaufinteresse vieler strategischer Investoren und Finanzinvestoren zu erwarten ist, häufig durchgeführt. Durch sie sollen im Vergleich zu bilateralen Verhandlungen (One-on-One) bestmögliche Marktbedingungen gewährleistet werden. Verkäufer und Bieter begegnen sich allein schon wegen der Informationsasymmetrie hinsichtlich der Zahl der Bieter, des Inhalts ihrer Gebote, aber auch wegen der simplen Möglichkeit, bei ungünstigem Verlauf von Verhandlungen mit einem anderen Bieter abzuschließen, in einem Bieterverfahren nicht auf Augenhöhe. Der Verkäufer hat deshalb in Bieterverfahren typischerweise eine besonders starke Verhandlungsposition und kann leichter als bei bilateralen Verhandlungen Preis und Konditionen optimieren. Bei hinreichender Anzahl von Bietern kann es helfen, einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Es erhöht, auch wegen des in der Regel ebenso starren wie straffen Zeitplans, die Transaktionsdynamik.184 Ein Auktionsverfahren kann zudem die Wahrscheinlichkeit steigern, den für den Verkäufer und die Zielgesellschaft „passenden“ Käufer zu finden.185 Die Organe der Verkäufergesellschaft sichern durch ein Auktionsverfahren ihre unternehmerische Entscheidung ab, zu den letztlich vereinbarten Bedingungen marktgerecht (insbesondere in Bezug auf den Kaufpreis186 sowie den Umfang der Garantien und Freistellungen187) verkauft zu haben.188 Andererseits erhöht ein Auktionsverfahren wegen der Mehrzahl an Bietern den Aufwand auf Verkäuferseite und auch, im Vergleich zu bilateralen Verhandlungen, oft die Dauer, also den zeitlichen Aufwand.189 Mit der Anzahl der Beteiligten und der typischerweise längeren Dauer steigt auch das Risiko, dass der Verkaufsprozess nicht vertraulich bleibt, etwa im Datenraum offengelegte Betriebsgeheimnisse zweckwidrig verwendet werden oder Schlüsselmitarbeiter der Zielgesellschaft, auf die Bieter aufmerksam geworden sind, abgeworben werden. Schließlich ist auch der Abbruch eines Auktionsverfahrens im Einzelfall für den Verkäufer oft problematischer als ein Abbruch von bilateralen Verhandlungen (One-on-One).
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Letztlich ist es daher eine unternehmerische Abwägungsentscheidung, ob auch im konkreten Einzelfall dem Auktionsverfahren Vorzug vor bilateralen Verhandlungen (die nicht exklusiv sein müssen, weshalb der Begriff der „exklusiven“ Verhandlungen oft nicht treffend ist) gegeben wird. Eine gesellschaftsrechtliche Pflicht der Organe der Verkäufergesellschaft, ein Bieterverfahren durchzuführen, besteht nicht.190
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Ein solches strukturiertes Bieterverfahren läuft regelmäßig in folgenden Schritten ab:
– (Abwägungs-)Entscheidung zwischen bilateralen Verhandlungen (One-on-One) und Auktionsverfahren,
– Bildung des Projektteams und Einschaltung von Beratern,
– Bewertung der Zielgesellschaft, um zu einer realistischen Erwartungshaltung auf Verkäuferseite zu kommen und ggf. eine – im Verfahren zu verfeinernde – Grundlage für die spätere unternehmerische Verkaufsentscheidung zu bilden,
– Erstellung und Versendung eines Teasers an potenzielle Bieter und Aufforderung, ein Erwerbsinteresse unverbindlich zu bekunden,
– Versendung des Entwurfs einer Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA),
– Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA), ggf. nach Berücksichtigung legitimer Änderungswünsche des Bieters (insbesondere Private Equity-Bieter haben oft besondere Anforderungen an den Inhalt der Vertraulichkeitsvereinbarung191),
– Versendung eines die Bedingungen des Verfahrens beschreibenden Verfahrensbriefs (Process Letter) und des Informationsmemorandums,
– Vorbereitung des (elektronischen) Datenraums (Virtual Data Room oder kurz VDR), der datenschutzrechtliche und kartellrechtliche Schranken beachtet,
– auf der Grundlage des Informationsmemorandums Abgabe eines rechtlich unverbindlichen sog. indikativen Angebots (Indicative Offer oder Non-Binding-Offer) durch Bieter,
– Auswahl der zum weiteren Prozess eingeladenen Bieter und ggf. Versendung eines weiteren Verfahrensbriefs (Process Letter II) an diese,
– Due Diligence durch diese Bieter; ggf. Zur-Verfügung-Stellung von „Vendor’s Due Diligence“-Berichten (je nach Einzelfall mit oder ohne „Reliance“ gegenüber den Bietern und dem Käufer) oder Fact Books (Letzteres beschränkt sich auf die zusammenfassende Wiedergabe des Inhalts des Datenraums ohne inhaltliche, also z.B. rechtliche Analyse und ohne Handlungsempfehlungen), die der Verkäufer und seine Berater erstellt haben,
– Abgabe sog. bindender Angebote (Binding Offer), die im Rechtssinn typischerweise noch nicht bindend und daher auch kein Angebot im Sinne von § 145 BGB darstellen, durch interessierte Bieter,
– Auswahl des oder der Bieter(s) für die finale Verkaufsphase (Preferred Bidder).
– ggf. kurze weitere Due Diligence (die oft auch als Confirmatory Due Diligence bezeichnet wird) durch den oder die ausgewählten Bieter,
– exklusive oder parallele Verhandlungen der Transaktionsverträge (insbesondere des Unternehmenskaufvertrags und von Begleitverträgen wie Transitional Services Verträgen),
– Vertragsunterzeichung (Signing),
– Vollzugsvorbereitung, insbesondere Einholung kartellbehördlicher Genehmigungen,
– Vollzug (Closing).
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Juristisch sind viele Fragen rund um Auktionsverfahren erst in jüngerer Vergangenheit aufgearbeitet worden.192 Anlass für Streitigkeiten in Auktionsverfahren193 bieten insbesondere folgende Fragen:
– Besteht eine per se gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers in Auktionsverfahren?
– Welche Haftung droht einem Verkäufer aus unzutreffenden Angaben in einem Informationsmemorandum?
– Kann auch ein Berater wegen unzutreffender Angaben in einem Informationsmemorandum haften?
– (Wie) Muss der Verkäufer und müssen seine Berater über die Existenz/das Fehlen anderer Bieter informieren?
– Dürfen chancenlose Bieter „mitgezogen“ werden?
– Darf von dem im Verfahrensbrief beschriebenen Verfahren einseitig abgewichen werden?
– Gibt es ein Recht der Bieter auf Gleichbehandlung, aus dem sie etwa verlangen können, dass der Verkäufer und seine Berater Antworten, die der Verkäufer auf gezielte Fragen eines Bieters diesem gegeben hat, auch ihnen rechtzeitig offenlegen?
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Veröffentlichte Rechtsprechung dazu ist nicht ersichtlich. Wenn ein Streit darüber ausgetragen wird, dann geschieht das regelmäßig in Schiedsverfahren, deren Entscheidungen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden.194
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Vom Schrifttum wird eine per se gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers in Auktionsverfahren diskutiert.195 Sie ist aber im Ergebnis abzulehnen: Auch im Rahmen bilateraler Verhandlungen wird nämlich der Informationsfluss inhaltlich und prozedural vom Verkäufer gesteuert und beherrscht, sodass das Auktionsverfahren insoweit keine Besonderheiten aufweist, die eine per se gesteigerte Aufklärungspflicht rechtfertigen könnten.196
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Unzutreffende Angaben in einem Informationsmemorandum können unter den Voraussetzungen einer Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) Schadensersatzansprüche auslösen. Als potenzieller Schaden kommen insbesondere die frustrierten Aufwendungen eines erfolglosen Bieters in Betracht. Dabei muss sich der Verkäufer, wenn er dies nicht vertraglich wirksam mit dem Bieter ausgeschlossen hat (was nach § 278 Satz 2 BGB sogar für vorsätzliches Verhalten der Erfüllungsgehilfen zulässig wäre), das Verhalten seiner Berater (als seinen Erfüllungsgehilfen) nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen. Allerdings dürften solche Fälle in der Praxis selten sein: Der Verkäufer und seine Berater haben im weiteren Verfahrensverlauf wiederholt die Möglichkeit, etwa durch Offenlegung im Datenraum oder im vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process) (bei für den Käufer für dessen Kaufentscheidung wesentlichen Informationen wird sich der Käufer oft nicht auf das Informationsmemorandum verlassen, sondern vertieft prüfen wollen und Nachfragen stellen) unerkannt unzutreffende Informationen zu korrigieren. Für einen aufgrund unzutreffender Informationen vorzeitig ausscheidenden Bieter dürfte es oft schwierig sein, nachzuweisen, dass er ausschließlich wegen der unzutreffenden Informationen aus dem Verfahren ausgeschieden ist. Die praktische Bedeutung einer solchen Haftung ist daher eher gering.