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Daniel sprang zuerst ins Boot, bevor er Chantelle und Emily half. Dann machten sie sich auf den Weg und durchschnitten das glitzernde Wasser in Richtung Insel.
„Chantelle“, sagte Emily und wandte sich an das Mädchen. „Wie würdest du dich fühlen, wenn Papa und ich nur zu zweit auf einen Wochenendausflug gehen würden?“
Chantelle zögerte und zog ihre Lippen durch ihre Zähne.
„Du kannst ehrlich sein“, fügte Daniel hinzu. „Wir wollen wirklich wissen, wie du dich dabei fühlst. Weil du schon manchmal ‚okay‘ gesagt hast, aber dann wirklich sehr traurig warst.“
Emily dachte an ihre vorherigen Zusammenbrüche. Sie hoffte, dass Chantelle sich von Daniels Bemerkungen nicht angegriffen fühlte und verstand, dass sie aus Sorge und Liebe entsprangen.
„Ich nehme an, es hängt davon ab, wer mich betreut“, sagte Chantelle nachdenklich.
„Wen würdest du mögen?“, fragte Emily.
„Am glücklichsten bin ich, wenn ich bei meinen Freunden übernachte“, erklärte sie und klang reifer als je zuvor. „Bei Bailey und Toby. Und ich bevorzuge es auch, dass es ein kurzes Wochenende ist. Nach zwei Nächten mache ich mir Sorgen.“
„Okay“, sagte Emily und nickte, erfreut darüber, wie gut Chantelle jetzt in der Lage war, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu artikulieren. „Also soll ich sehen, ob ich eine Übernachtung mit Yvonne oder Suzanna arrangieren kann? Und wir bleiben nur für das Wochenende?“
„Ich denke, das wäre okay“, sagte Chantelle mit einem Nicken.
Zu Emilys großem Vergnügen streckte Chantelle die Hand aus, um Emilys zu schütteln. Emily nahm ihre Hand und schüttelte sie kräftig.
„Deal!“
In diesem Moment erreichten sie die Insel und Emily sah, dass der Trawler, den Daniel erwähnt hatte, neben dem wunderschönen neuen Steg festgemacht hatte. Obwohl es noch nicht lange her war, seitdem sie das letzte Mal hier gewesen waren, war Emily immer noch sehr aufgeregt, den Fortschritt beim Bau der Hütten zu sehen. Die Hauptstrukturen waren nun abgeschlossen und sogar ein Teil der Landschaftsgestaltung hatte begonnen. Es war so aufregend, alles zusammen kommen zu sehen. Und auch eine Erleichterung, denn ihr Einkommen beruhte im Moment auf der Insel! Stu, Clyde und Evan hatten ihre Erwartungen wirklich übertroffen und die Firma, die Daniel mit der Leitung dieses Projekts beauftragt hatte, war wirklich fantastisch.
„Ich gehe besser zu den Jungs“, sagte Daniel und sah in die Richtung des Sägens und Hämmerns. „Mal hören, wie es heute mit diesem neuen Baustoffhändler gelaufen ist. Ich bin in einer Minute zurück.“
Er ging in Richtung der Hütten.
Emily und Chantelle ließen sich auf den Felsen nieder und schauten aufs Meer hinaus. Das Wasser war heute ruhig und der Anblick der Küste von Maine sah sehr schön aus. Es war ein ruhiger Moment, ein Stück Frieden in einem ansonsten hektischen Leben.
„Können wir jetzt Opa Roy anrufen?“, fragte Chantelle nach einem Moment. „Du weißt, dass wir seit drei Tagen nicht mehr mit ihm gesprochen haben.“
Chantelle hatte es bemerkt, erkannte Emily. Natürlich hatte sie das. Das Kind war äußerst aufmerksam und die Tatsache, dass die täglichen Anrufe ihres Vaters aufgehört hatten, war nicht unbemerkt geblieben.
„Denkst du, dass es ihm gut geht?“, fragte Chantelle.
Emily spürte eine Schwere auf ihren Schultern.
„Ich glaube, dass es ihm gut geht“, sagte sie zu Chantelle. „Ich denke nur, dass er wieder in seine alten Gewohnheiten geschlüpft ist.“
Obwohl Roy versprochen hatte, in Kontakt zu bleiben, wusste Emily, dass alte Angewohnheiten schwer abzulegen waren und es immer noch Zeiten gab, in denen er ihre Bemühungen mit Funkstille beantwortete. Es schmerzte genauso, wie damals, als sie jünger war, als sein langer, langsamer Rückzug aus der Familie nach Charlottes Tod begonnen hatte. Er hatte sich dann Stück für Stück von ihr entfernt und als verängstigtes, verwirrtes Kind hatte sie es einfach geschehen lassen. Aber nun nicht mehr. Sie hatte ein Recht auf ihren Vater, darauf, ihn zu bitten, in ihrem Leben zu sein und ihr Leben mit ihm zu teilen und zu erwarten, dasselbe von ihm zu hören.
Sie nahm ihr Handy und wählte seine Nummer. Sie hörte es klingeln und klingeln. Es gab keine Antwort. Sie versuchte es erneut, da sie wusste, dass Chantelle nachdenklich aus dem Augenwinkel zusah. Bei jedem neuen Versuch, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, verknotete sich ihr Magen vor Angst. Nach dem fünften Versuch legte sie das Handy in ihren Schoß.
„Warum antwortet er nicht?“, fragte Chantelle, ihre Stimme traurig und verängstigt.
Emily wusste, dass sie dem Kind ein ermutigendes Gesicht zeigen musste, aber es war ein echter Kampf. „Er schläft viel“, sagte sie schwach.
„Nicht drei Tage hintereinander“, antwortete Chantelle. „Er würde sein Telefon überprüfen, wenn er aufwacht und sehen, dass er deine Anrufe verpasst hat.“
„Er hat vielleicht nicht daran gedacht, nachzusehen“, sagte Emily und versuchte ein beruhigendes Lächeln. „Du weißt, wie er mit moderner Technologie ist.“
Aber Chantelle war zu schlau für Emilys Entschuldigungen und fand sie weder lustig noch beruhigend. Ihr Ausdruck blieb ernst und mürrisch.
„Denkst du, er ist gestorben?“, fragte sie.
„Nein!“ Emily schrie auf und fühlte, wie Wut ihre Sorgen ablöste. „Warum sagst du so etwas Schreckliches?“
Chantelle schien von Emilys Ausbruch überrascht zu sein. Ihre Augen waren weit vor Schock.
„Weil er sehr krank ist“, sagte sie kleinlaut. „Ich meinte nur ...“ Ihre Stimme verstummte.
Emily holte Luft, um sich zu beruhigen. „Es tut mir leid, Chantelle. Ich wollte nicht ausflippen. Ich bin nur so besorgt, weil ich seit einiger Zeit nichts mehr von Opa Roy gehört habe und was du gesagt hast wäre mein schlimmster Albtraum.“
Roy. Allein. Tot im Bett, mit niemandem an seiner Seite. Sie zuckte bei dem Gedanken zusammen, ihr Herz zog sich zusammen.
Chantelle schaute Emily zögernd an. Sie schien sich ihrer selbst nicht sicher zu sein, als würde sie auf rohen Eiern laufen, besorgt, dass Emily wieder ausflippen würde.
„Aber wir können es nicht wissen, oder? Ob er noch lebt?“
Emily zwang sich dazu, die Erwachsene zu sein, die Chantelle brauchte, auch wenn jede Frage wie eine frische Wunde schmerzte. „Wir wissen, dass er lebt, weil Vladi sich um ihn kümmert. Und wenn Vladi nicht angerufen hat, dann ist alles in Ordnung. Das war der Deal, erinnerst du dich?“
In Gedanken stellte sie sich das verwitterte Gesicht von Vladi vor, dem griechischen Fischer, mit dem ihr Vater Freundschaft geschlossen hatte. Vladi hatte versprochen, sie über Roys Zustand auf dem Laufenden zu halten, auch wenn Roy selbst wollte, dass sein Verfall von ihr ferngehalten wurde. Ob Vladi sein Versprechen gehalten hat, war eine andere Sache. Wem gegenüber wäre er loyaler? Ihr, einer junge Frau, die er nur ein paar Tagen kannte, oder seinem langjährigen Freund Roy?
„Mama“, sagte Chantelle leise. „Du weinst ja.“
Emily berührte ihre Wange und stellte fest, dass sie tränennass war. Sie wischte sie mit ihrem Ärmel ab.
„Ich habe Angst“, sagte sie zu Chantelle. „Deswegen. Ich vermisse Opa Roy so sehr. Ich wünschte nur, wir könnten ihn davon überzeugen, hier bei uns zu sein.“
„Ich auch“, sagte Chantelle. „Ich will, dass er und Oma Patty in der Pension leben. Es ist traurig, dass sie so weit weg sind.“
Emily legte ihren Arm um ihre Tochter und hielt sie fest. Sie konnte Chantelle leise schluchzen hören und fühlte sich furchtbar wegen ihrer Rolle im Unglück ihres Kindes. Vor ihr zu weinen war nie geplant gewesen. Aber irgendwie fragte sie sich, ob es Chantelle half, die Gefühle ihrer Mutter zu sehen, zu sehen, dass es in Ordnung war, manchmal schwach zu sein, Angst zu haben und sich Sorgen zu machen. Das Kind hatte so viele Jahre ihres Lebens damit verbracht, stark und mutig zu sein, vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie ihre Mutter weinen sah und ihr zeigen, dass es in Ordnung war, manchmal die Kontrolle abzugeben.
„Warum müssen Menschen sterben?“, fragte Chantelle dann, ihre Stimme gedämpft durch die Art, wie ihr Gesicht in Emilys Brust gedrückt wurde.
„Weil...“ Emily begann, bevor sie innehielt und sehr genau darüber nachdachte. „Ich denke, weil ihr Geist woanders sein muss.“
„Du meinst im Himmel?“, fragte Chantelle.
„Es könnte der Himmel sein. Es könnte aber auch woanders sein.“
„Papa glaubt nicht an so etwas“, sagte Chantelle. „Er sagt, niemand weiß, ob man irgendwohin geht, nachdem man gestorben ist und im Judentum liegt es an Gott zu entscheiden, ob man ins Jenseits kommt oder nicht.“
„Das ist, was Papa glaubt“, sagte Emily ihr. „Aber du kannst glauben, was immer du willst. Ich glaube etwas anderes. Und das ist auch in Ordnung.“
Chantelle blinzelte durch ihre nassen Wimpern, ihre großen blauen Augen auf Emily gerichtet. „Was glaubst du?“
Emily hielt inne und brauchte lange, um ihre Antwort zu formulieren. Endlich sprach sie. „Ich glaube, es gibt etwas, zu dem wir gehen, nachdem wir gestorben sind. Nicht unsere Körpern, die bleiben hier auf der Erde, aber unsere Geister erheben sich und gehen zum nächsten Ort. Wenn Opa Roy dort ankommt, wird er glücklich sein.“ Sie lächelte, getröstet von ihren eigenen Überzeugungen. „Es wird keinen Schmerz mehr für ihn geben.“
„Überhaupt kein Schmerz mehr?“ Chantelles süße Stimme sang. „Aber wie wird es sich anfühlen?“
Emily dachte über die Frage nach. „Ich denke, es wird sich so anfühlen, als wenn du die ganze Zeit einen Bissen von deinem Lieblingsessen nimmst.“
Chantelle sah sie durch ihre tränennassen Wimpern an und kicherte. Emily fuhr fort.
„Als würde man Schokoladenkuchen für immer essen, aber nie krank werden. Jeder Bissen ist genauso groß wie der letzte. Oder dieses Gefühl, das du empfindest, wenn du auf etwas zurückblickst, an dem du seit Monaten arbeitest und deine Leistung siehst und erkennst, dass du es geschafft hast.“
„Wie meine Uhr?“, fragte das kleine Mädchen.
Emily nickte. „Genau. Und es ist die perfekte Art von Wärme, wie im Whirlpool im Spa.“
„Riecht es nach Lavendel wie im Spa?“
„Ja! Und da sind Regenbögen.“
„Was ist mit Tieren?“, fragte Chantelle. „Es würde keinen Spaß machen, wenn es keine Tiere gäbe, die man streicheln und mit denen man spielen könnte.“
„Wenn du denkst, dass es Tiere geben sollte“, sagte Emily zu ihr, „Dann gibt es Tiere.“
Chantelle nickte. Aber ihr Lächeln verblasste bald und sie kehrte zu ihrem nachdenklichen Ausdruck zurück. „Das ist nur etwas, an das wir glauben können. Wir wissen es nicht wirklich.“
Emily umarmte sie fest. „Nein. Niemand tut das. Niemand kann das. Alles was wir haben, ist unser Glauben. Was wir glauben wollen. Und ich glaube, das ist es, was auf Opa Roy wartet. Und genau das hat deine Tante Charlotte auch. Und sie schaut auf uns herunter, wann immer sie will und schickt uns kleine Zeichen, damit wir wissen, dass sie an uns denkt. Opa Roy wird das gleiche tun, wenn die Zeit kommt.“
„Ich werde ihn vermissen“, sagte Chantelle. „Auch wenn er dort warm und glücklich ist, werde ich ihn hier vermissen.“
Trotz all ihrer Zusicherungen über das Leben nach dem Tod konnte Emily nicht verhindern, was sie tief in sich spürte. Dass er sie immer noch allein lassen würde, um ihr Leben ohne ihn zu leben. Er würde für immer von ihr fort sein und für ihn wäre es ein wunderbarer Schritt ins Unbekannte, für sie würde es Schmerz und Einsamkeit und Elend bedeuten.
Sie drückte Chantelle fest.
„Ich werde ihn auch vermissen.“
KAPITEL VIER
Die Lichter aus dem Rathaus strömten die Treppe hinunter, als Emily sie bestieg. Selbst von hier aus konnte sie zahlreiche Stimmen von drinnen hören. Es klang, als wäre die ganze Stadt aufgetaucht, um die Entscheidung der Planungs-Kommission wegen Ravens Hotel zu hören. Es würde Emily nicht überraschen, wenn jeder Einwohner von Sunset Harbor gekommen war. Selbst ob der kurzfristigen Ankündigung und dem Termin so kurz nach Thanksgiving kümmerten sich die Bewohner von Sunset Harbor zu sehr um ihre Stadt, um sich nicht die Zeit zu nehmen, an allen Treffen teilzunehmen.
Sie öffnete die Tür und sah, dass jeder verfügbare Platz besetzt war. Raven Kingsley stand ganz vorn und plauderte mit Bürgermeister Hansen und seiner Assistentin Marcella. Das verhieß nichts Gutes, dachte Emily. Wenn Raven sie auf ihre Seite gebracht hätte, wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch der Rest der Stadt umgedreht werden würde.
Sie fühlte einen Zupfen an ihrem Ärmel und drehte sich zu Amy und Harry um.
„Ich bin so froh, dass du gekommen bist“, sagte Amy. „Es gibt es ein paar Gerüchte, dass Raven heute das Spiel machen wird. Die Baubehörde wird sich nicht querstellen, wenn sie das alte Haus zugunsten eines moderneren Gebäudes einreißen will. Es sieht so aus, als würde alles auf die Einwohner ankommen.“
„Wir müssen dagegen ankämpfen“, sagte Harry. „Ein Hotel könnte eine Katastrophe für die Pension und mein Restaurant bedeuten. Wer wird den ganzen Weg zu unserer Seite des Hafens kommen wollen, wenn es irgendwo etwas Neueres und Billigeres in zentralerer Lage gibt? Mit Meerblick? Denk an all diese zufälligen Geschäftsbuchungen, die wir im Moment bekommen. Wir würden alle diese Gäste verlieren, da bin ich mir sicher.“
Harrys Sorgen verstärkten Emilys eigene Sorgen noch mehr. Sie wollte sich Raven nicht in den Weg stellen, besonders nachdem sie ihr von ihrer bitteren Scheidung erzählt hatte. Aber sie konnte nicht einfach so dastehen und ihren Lebensunterhalt auf eine solche Weise zerstören. Raven war, nach allem, was sie gehört hatte, nicht der Typ, um irgendwelche Gefangenen zu machen. Sie hatte diese rücksichtslose New Yorker Geschäftsmentalität - töten oder getötet werden. Emily war keine große Kämpferin. Sie hätte jetzt Trevor wirklich sehr gut an ihrer Seite können!
„Ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagte Emily zu ihnen. „Ich möchte sie nicht daran hindern, ihren Job zu machen, nur weil ich Angst habe.“
„Dann tu es für deine Familie“, sagte Harry. „Für deine Freunde und die Stadt. Niemand will ein hässliches Gebäude an unserer Küste und wir wollen auch nicht, dass unsere beliebte Pension Bankrott geht. Es ist nicht gut für irgendjemanden.“
„Wofür stimmen die meisten Leute?“, fragte Emily.
Amy zeigte auf die Ecke, auf die Patels. „Dagegen, natürlich.“ Dann zu den Bradshaws. „Dagegen.“ Sie zeigte neben Birk und Bertha. Birk besaß die Tankstelle und war die erste Person, die Emily in Sunset Harbor getroffen hatte. „Ich denke, sie sind dafür. Mehr Autos, die in die Stadt kommen, bedeuten für sie mehr Kunden.“
Emily kaute bestürzt auf ihrer Lippe. Die Realität eines neuen rivalisierenden Hotels, das in die Stadt kam, fühlte sich für sie sehr real an. Die Art, wie Bürgermeister Hansen wegen etwas, was Raven gerade gesagt hatte, schallend lachte, ließ sie sich noch schlechter fühlen.
Harry stupste sie an. „Schau, das Treffen fängt an.“
Sie wandte sich der Bühne und dem kleinen hölzernen Podium zu. Der Raum wurde still, als Bürgermeister Hansen seinen Platz einnahm. Er schlug mit seinem Hammer, was an sich unnötig war, da alle ihm bereits ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten.
„Guten Abend, alle zusammen“, sagte er. „Wir sind wegen der verschobenen Diskussion über Raven Kingsleys Vorschlag hier, das verfallene Grundstück am Meer abzureißen und dort ein neues Hotel zu bauen. Sie wissen vielleicht schon oder nicht, dass sich die Zonenplanungs-Kommission Anfang der Woche getroffen hat und einstimmig für die Pläne gestimmt hat.“
Emily sah Harry und Amy an. Sie verzogen beide ihre Gesichter. Emily spürte, wie ihr eigenes Gesicht ihre Emotionen widerspiegelte.
Bürgermeister Hansen fuhr fort. „Natürlich sind wir eine kleine Stadt und die Ansichten unserer Bewohner sind genauso wichtig wie die Zoneneinteilung. Mehr noch, nachdem wir unseren lieben Freund Trevor Mann verloren haben.“
Er drückte eine Hand an sein Herz. Ein fröhliches Gelächter ging durch das Publikum, während sich alle an Trevor als leidenschaftlichen und manchmal bedrohlichen Beschützer ihrer Stadt erinnerten.
„Ich glaube, viele von Ihnen hatten die Chance, über die Thanksgiving-Feiertage mit Raven zu sprechen“, beendete Bürgermeister Hansen. „Ich freue mich darauf, all Ihre Meinungen zu hören. Ich schlage vor, wir beginnen mit Emily Morey, weil ein neues Hotel ihr Geschäft am meisten beeinflussen würde. Emily, würden Sie gern das Wort ergreifen?“
Alle Augen wandten sich ihr zu. Emily überkam das vertraute Gefühl, im Rampenlicht zu stehen. Und sie war wirklich in der Klemme. Sie wollte Ravens Traum nicht einfach zerstören, nur weil es die Dinge für sie etwas komplizierter machen würde. Das war nicht in ihre Natur. Aber zur gleichen Zeit erinnerten Harrys und Amys angespannten Gesichter vor ihr sie daran, dass es Leute gab, die auf sie zählten. All ihre Angestellten, ihre Familie. Sie hatten die Pension massiv erweitert und hatten den Luxus, keine Konkurrenz zu haben. Ravens Vorhaben bedeutete zumindest einige Kürzungen für Emilys Pension, einschließlich Personalabbau.
„Ich ...“ begann Emily und spürte, wie ihre Kehle trocken wurde.
Sie sah Raven an, die neben Marcella auf der Bühne saß. Zum zweiten Mal, seit sie sie getroffen hatte, sah Emily ein echtes Lächeln auf ihrem Gesicht. Wie Emily hatte Raven bei ihrer Ankunft Feindseligkeit und Misstrauen von den Einheimischen erfahren. Emily war wahrscheinlich die einzige Person, die sie als freundliche Bekannte betrachtete.
„Ich bin dafür“, platzte Emily plötzlich heraus. „Ich denke, es gibt einen Markt, den Ravens Hotel erobern könnte. Sie kümmert sich um Businessleute und Unternehmens-Konferenzen und ähnliches. Ich kümmere mich mehr um Familien, Hochzeiten und Feste. Wir haben Platz für uns beide.“
Sie sprach sehr schnell und versuchte, ihre Haltung zu erklären, bevor ihre Stimme von dem Aufschrei völlig verschluckt wurde. Aber es war nutzlos. Alle sprachen laut durcheinander und lenkten ihre Frustration auf sie, als wäre sie diejenige, die den Plan ursprünglich entwickelt hatte, anstatt die Person, die am meisten davon betroffen war, sollte es dazu kommen!
Und noch schlimmer waren die geschockten Gesichter von Harry und Amy. Sie sahen aus, als hätte sie gerade das Schlimmste auf der Welt gesagt, als würde sie sie fürchterlich enttäuschen. Aber es wäre einfach nicht richtig oder fair, alle auf ihre Seite zu bringen, Ravens Projekt zu blockieren. Es wäre geradezu böswillig.
Alles, was sie jetzt tun konnte war, darauf zu hoffen, dass genug andere Leute mit Nein stimmten, damit sie sich nicht mit dem Ergebnis ihrer Großzügigkeit befassen musste.
Emily trat zurück und wollte raus aus dem Rampenlicht. Aber in einer kleinen Stadt wie Sunset Harbor gab es kein Versteck. Sie hatte ihr Bett gemacht, jetzt würde sie darin liegen müssen.
*
„Was zum Teufel war das, Emily?“, wollte Amy wissen, sobald das Treffen beendet war. „Jeder denkt, dass du bankrott gehen und die Stadt ruinieren willst!“
Ihre Freundin hatte sich weniger als fünf Schritte vom Rathaus entfernt, bevor sie ihren Angriff startete und sie auf der ersten Stufe aufgehalten hatte. Es war kälter geworden, seit sie ins Rathaus gegangen war und Emily zitterte von dem plötzlichen Temperaturabfall.
Aber trotz der Kälte waren ihre Wangen vor Verlegenheit warm. Emily hasste es, eine öffentliche Szene zu machen, zumal die halbe Stadt sich aus der Halle hinter ihnen schälte.
„Können wir später darüber reden?“, sagte Emily leise.
„Nein!“, rief Amy aus. „Ich möchte wissen, was in dich gefahren ist. Warum benimmst du dich wie ein Schoßhund von Raven Kingsley?“
„Das ist wohl kaum das, was passiert ist“, widersprach Emily, angestachelt durch die Heftigkeit von Amys Worten. „Nur weil ich ihre Träume nicht zerstören will, bedeutet das nicht, dass ich mich verbiege, um ihr entgegen zu kommen.“
Amy legte ihre Hände auf ihre Hüften. „Komisch, denn es kommt sicher so rüber. Ich meine, erst vor ein paar Tagen hast du mir alle deine Sorgen erzählt, dass du im Winter Personal entlassen und keine Buchungen hast. Was glaubst du wird passieren, wenn du einen Konkurrenten wie Raven Kinsgley hast, der günstigere Zimmer, billigeres Essen, einen besseren Standort anbietet? Dann kannst du Harry auch gleich jetzt feuern.“
„Ames, bitte beruhige dich“, sagte Emily leise. Sie versuchte, nach ihrer Freundin zu greifen, aber Amy zog sich zurück. Sie war keine Heulsuse, war nie eine gewesen, aber Emily bemerkte, dass ihr Gesicht rot war von der Anstrengung, sich zusammen zu reißen.
„Ich verstehe dich einfach nicht“, sagte Amy und wandte ihr Gesicht ab. „Ich verstehe nicht, was du tust.“
Emily konnte nichts darauf erwidern. Es war schwer sich zu erklären, abgesehen von der Tatsache, dass sie ein anständiges menschliches Wesen sein und Freundlichkeit verbreiten wollte. Sie hatte gesehen, wie Chantelle ihr Problem mit Laverne über Halloween gelöst hatte und hatte sich durch die Fähigkeit des Kindes zur Fürsorge und Vergebung gedemütigt gefühlt.
„Sogar die Raven Kingsleys dieser Welt verdienen eine Chance“, sagte Emily. „Es tut mir leid, wenn du das Gefühl hast, dass ich Harry betrogen habe, oder sogar, dass ich mich selbst und meine Familie enttäusche, aber ich kann mich einfach nicht auf dieses Niveau herablassen, um den Traum eines anderen zu zerstören.“
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