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Ich selbst war gerade schlichtweg zu faul, um mich nennenswert zu bewegen, und Rizzo und Liam würden wohl in den nächsten Minuten nicht voneinander ablassen. Ganz eindeutig knutschten die beiden noch immer, und als ich träge durch halb gesenkte Lider blinzelte, erkannte ich, dass Liam mittlerweile halb auf Rizzo auf dessen Sonnenliege lag. Ein flüchtiger Blick tiefer – die enge Speedo brachte Rizzos beginnenden Ständer eindrucksvoll zur Geltung. Liams Unterleib war von Rizzos Bein verdeckt.
»Jungs, heute ist doch Drehpause. Oder soll ich euch schnell eine Kamera bringen?«
Wie nicht anders für ihn zu erwarten, zuckte Liam beim Klang von Daves Stimme zurück und blinzelte ertappt zu unserem Labelchef hoch. Binnen Sekunden nahmen seine Wangen eine leicht rötliche Färbung an, was Rizzo jedoch nur dazu verleitete, sein Gesicht schnurrend an Liams Hals zu vergraben und ihn mit leichtem Knabbern und einer Hand in Liams Schritt zu necken.
»Rizzo … nicht …«, zischte Liam und schob, als Rizzo zunächst nicht reagierte, entschieden dessen Hände von sich. Wer Liam auf den ersten Blick für schüchtern hielt, mochte sicher recht haben. Aber er war keineswegs auf den Kopf gefallen oder Rizzo oder Keith willenlos ergeben. Der Kerl hatte Charme und Schneid – man musste beides nur erst ein wenig hervorkitzeln.
»Was gibt’s, Dave?«, wandte ich mich über die Schulter hinweg unserem Labelchef zu.
»Ist Jayson noch da?«
»Der ist drin, kommt aber sicher gleich wieder.«
»Okay, gut. Kannst du ihm das hier ge…? Ah, da ist er ja.« Mit einem Umschlag in der Hand verschwand Dave aus meinem Sichtfeld.
»Jay, hier, ich hab dir die Sondervereinbarung ausgedruckt. Alles wie besprochen. Leg sie mir einfach auf den Schreibtisch, ehe du gehst. Oder schick sie mir zu. Hat ja noch etwas Zeit bis zum Dreh.«
»Okay, mach ich.«
»Gut. Bis dann, Jungs!«
»Bis dann, Dave!«, entgegneten Rizzo und ich wie aus einem Mund. Gleich darauf klirrten Flaschen aneinander, als Jay diese auf einem kleinen Tischchen neben den Liegen abstellte.
»Danke, Jay! Kannst du vielleicht noch den Schirm aufmachen?«, fragte Liam und nahm mir damit meine Bitte aus dem Mund.
Wenige Handgriffe später spannte sich angenehmer Schatten über uns, auch wenn es noch immer ordentlich heiß war. Ein fast perfekter Sommertag in der Mansion.
Ich rappelte mich in eine sitzende Position hoch, Jay ließ sich neben mir nieder. Die Limo prickelte kalt – beinahe zu kalt – durch meine Kehle und in meinen Bauch. Nach einem halbwegs dezenten Rülpser deutete ich auf den Umschlag, den Jay zwischen uns abgelegt hatte.
»Was für eine Sondervereinbarung? Geht’s um ein spezielles Filmprojekt?« Ich dachte an so etwas wie den ›City(s)trip‹, den Jay und Dale vor inzwischen über zwei Jahren miteinander gedreht hatten, doch Jay schüttelte den Kopf.
»Nicht wirklich. Geht um den Dreh mit dem neuen Darsteller. Mason.«
Ich brauchte einen Moment, um ein Gesicht zum Namen parat zu haben, erinnerte mich dann jedoch an den superheißen Kerl im schwarzen Hemd, den Dave mir gestern bei der Poolparty kurz vorgestellt hatte. Oh, ja, dieser Mason war wirklich heiß, auf den ersten Blick genau mein Typ, aber gestern hatte ich mal wieder nur Augen für Devin gehabt.
»Ah, ja. Und wozu braucht’s da eine Sondervereinbarung? Drehst du seit Neuestem Hardcore-SM-Szenen?« Die Frage war spaßhaft gemeint gewesen, umso mehr verwunderte mich Jays angespannte Miene.
»Quatsch, nein. Nicht so wichtig.«
»Ich glaube, es ist kein großes Geheimnis, Jay.« Zeitgleich flogen mein und Jays Blick zu Rizzo. »Mich hat Dave auch gefragt.«
»Ob du mit ihm drehen würdest?«
»Ja.«
»Und?«
»Na ja …« Rizzo zögerte merklich, sah in für ihn ungewöhnlich unsicherer Manier zu Liam, ehe er sich wieder direkt an Jay wandte. »Meine Antwort steht noch aus. Prinzipiell schon, aber …«
»Hallo?« Ungeduldig rutschte ich auf der Liege herum. Liams Miene indessen sah ähnlich fragend aus, wie es die meine wohl tat. »Kann mich mal jemand einweihen? Worüber reden wir gerade?«
Erneut tauschten Jay und Rizzo einen langen Blick. Mit einem Seufzen erklärte Jay schließlich: »Es geht darum, dass Mason HIV-positiv ist.«
Eine kurze, meinerseits lediglich Überraschung geschuldete Stille trat ein, die schließlich von Liams ungläubig gekeuchtem »Was?« durchbrochen wurde. »Er hat HIV und darf Pornos drehen?«
»Warum nicht?«, kam es prompt von Jay, was jedoch erst mal nur einen neuerlichen hörbar schockierten Laut von Seiten Liams zur Folge hatte.
»Honey …«, setzte Rizzo mit ruhiger Stimme an und schob eine Hand auf Liams Oberschenkel, »das ist keine große Sache, wenn er …«
»Keine große Sache?« Liam schien kurz davor, von der Sonnenliege aufzuspringen. »Du sagst mir gerade, dass du vorhast, mit einem HIV-Positiven zu drehen, und das soll keine große Sache …«
»Liam!« Jays Stimme klang deutlich schärfer neben mir, als Rizzos es getan hatte. »Halt den Ball flach, okay? Erst mal geht es darum, dass ich mit Mason drehe. Und bevor du fragst: Ja, Dale weiß davon und es ist vollkommen okay für ihn.«
Liam öffnete den Mund, als wollte er noch etwas sagen, tat es jedoch nicht. Stattdessen schweifte sein fragender und noch immer ziemlich erschrocken wirkender Blick zu mir. Ganz so, als bräuchte er eine dritte, gewissermaßen unbeteiligte Meinung.
Ein wenig unschlüssig hob ich die Schultern. »Grundsätzlich bin ich ganz bei Jay und Rizzo. Zugegeben, ich glaube, ich hätte auch ein mulmiges Gefühl, aber ich denke, das ist eine reine Kopfsache. Insofern Mason in medikamentöser Therapie und unter der Nachweisgrenze ist …«, fragend sah ich zu Jay, der mir meine Annahme mit einem Nicken bestätigte, »besteht keine Gefahr für eine Übertragung.«
Ich sah, wie Liam tief durchatmete. Die nachdenklichen Falten auf seiner Stirn, halb verdeckt von seinem Wuschelhaar, verschwanden jedoch nicht. »Okay«, meinte er zögernd, »ich muss ehrlich sagen, dass ich mich mit dem Thema noch nicht so viel auseinandergesetzt habe. Also, mit Safer Sex natürlich schon, aber …«
»Aber wir alle sind früher oder später an den Punkt gekommen, an dem wir feststellen mussten, dass wir beim Thema HIV nicht halb so gut aufgeklärt sind, wie wir dachten.« Neben mir wedelte Jay mit dem Umschlag herum, ehe er sich halb über mich drüber reckte, um ihn unter einer der Limoflaschen festzuklemmen. »Wie auch immer … ich werde mit Mason drehen. Bin gespannt auf ihn.«
»Aber mit Kondom, oder?«
Flüchtig glitt Jays Blick zu Liam und er zuckte mit den Schultern. »Nee, ohne.«
»Echt jetzt? Nimmst du PrEP?«
»Ja, aber darum geht’s nicht. Sieh mal, Liam, ein HIV-Positiver in Therapie, dessen Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt, ist gewissermaßen der sicherste Sexpartner, den man sich wünschen kann.«
»Bitte? Wie das denn?«
»Aus einem einfachen Grund: Derjenige weiß um seine Infektion.«
An Liams Gesichtsausdruck war deutlich abzulesen, dass er nicht ganz begriff, worauf Jay hinauswollte. Und ich musste mir selbst eingestehen, dass auch ich einen Moment benötigte, um gedanklich den Bogen zu schlagen.
Schließlich war allerdings Rizzo derjenige, der es aussprach: »Mal ehrlich, Honey, wie oft kommt es vor, dass du von einem Typen, den du in einem Club oder online kennenlernst, vor dem Sex gefragt wirst, ob du safe bist?«
»Keine Ahnung. Bekanntlich habe ich keinen Sex mit fremden Kerlen.«
»Okay, auch wieder wahr.« Rizzo grinste und neigte sich zu Liam, um ihm einen Kuss auf den Hals zu drücken, ehe er fortfuhr: »Ganz ehrlich, das ist so ziemlich die dämlichste Frage, die man stellen kann, weil die Antwort rein gar nichts aussagt. Ich würde behaupten, über neunzig Prozent derjenigen, die sich mit HIV infizieren, tun das bei einem Typen, der selbst nichts von seiner Infektion wusste. Einer wie Mason jedoch, der weiß, dass er positiv ist, wird nicht gedankenlos in der Gegend herumvögeln – außer er ist ein gewissenloses Arschloch. Und wie gesagt: Viruslast unter der Nachweisgrenze bedeutet nicht ansteckend. Auch wenn es, wie Elliot sagte, für viele bestimmt Kopfsache ist, ob sie sich darauf einlassen können oder nicht.«
Besser hätte es wohl keiner von uns auf den Punkt bringen können. Rizzo hatte genau das ausgesprochen, was auch mir durch den Kopf gegangen war. Ich war mir selbst nicht sicher, wie viel Bedenkzeit ich brauchen würde, würde Dave mich fragen, ob ich bereit wäre, mit einem HIV-positiven Co-Star zu drehen. Vielleicht sollte ich diese Unterhaltung als Ansporn nehmen, mich selbst noch ein wenig mehr mit dem ganzen Thema der sexuell übertragbaren Krankheiten zu beschäftigen. Natürlich hatte ich das bereits getan. Schon bevor ich mit den Pornodrehs begonnen hatte. Aber es war, wie Jay gesagt hatte: Man dachte allzu oft, über HIV und den ganzen Kram aufgeklärt zu sein, aber wenn man sich wirklich damit konfrontiert sah, zeigten sich mehr Wissenslücken, als man selbst für möglich gehalten hatte.
»Okay …«, begann Liam nach einer langen Pause gedehnt, sein Blick ruhte nachdenklich auf seinem Freund, »und du könntest dich darauf einlassen?«
»Ja«, entgegnete Rizzo entschieden, aber mit dieser Spur Weichheit, die so oft in seiner Stimme mitschwang, wenn er mit oder von Liam sprach, »könnte ich. Werde ich aber nicht, ohne das Ganze mit dir und Keith besprochen zu haben. In Ruhe.«
Innerlich seufzte ich. Wie schön war es bitte, diese beiden – oder auch diese drei – miteinander zu erleben?
Zugegeben, so ein Daddy-Ding wäre absolut nicht meins, zumindest nicht auf Dauer. Für einen Dreh, okay, aber privat?
Doch es war in so vielen so kleinen Momenten so offensichtlich, wie glücklich Rizzo, Liam und Keith miteinander waren. Zuckerschock! Ich wollte das auch.
Wow! Wollte ich?
»Darauf trinken wir«, beschloss ich kurzerhand und hielt meine Limoflasche auffordernd in die Runde.
Von der Seite traf mich Jays schiefer Blick. »Worauf genau? Darauf, dass wir kein Positiven-Bashing betreiben?«
»Auch. Aber eigentlich meinte ich: Lasst uns auf deinen bevorstehenden, sicherlich superheißen Dreh mit Mason anstoßen.«
Prompt formte sich ein anzügliches Grinsen um Jays Mund. »Das klingt gut. Prost!«
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Finger, die von meinem Bauch aufwärts an meinem Brustbein entlangglitten und schließlich neckend um einen meiner Nippel kreisten, veranlassten mich dazu, träge blinzelnd die Augen zu öffnen. Ich hatte instinktiv gewusst, wer da neben meiner Liege kauerte und mich berührte, dennoch beschleunigte mein Herzschlag noch einmal, als ich direkt in Devins Gesicht sah.
»Hey, wie spät?«, fragte ich und musste mich erst mal räuspern, da meine Stimme trocken in meinem Hals kratzte.
»Kurz vor sechs.«
Wow, dann war ich ganz schön lange am Pool eingedöst, glücklicherweise im Schatten des Sonnenschirms. Ich hatte nicht mal mitbekommen, wann genau Liam und Rizzo sich verabschiedet hatten. Nur Jay lümmelte noch mit mir am Pool, wie ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel zeigte.
»Ich geh laufen. Kommst du mit?«
Bei der Hitze? Keine Chance! Schnaufend stemmte ich mich auf die Unterarme hoch, brachte mich so ein wenig näher an Devin heran, der sich im selben Moment halb über mich neigte.
»Nee, zu platt und zu faul«, entgegnete ich wahrheitsgetreu. Sport und auch Unikram standen erst für den kommenden Tag wieder auf meiner gedanklichen To-do-Liste. Flüchtig streifte mein Blick über Devins Körper in den dünnen Laufklamotten, ehe ich eine Hand in seinen Nacken schob. »Wenn du unbedingt mit mir zusammen Sport machen willst, könnte ich mich eventuell für etwas anderes begeistern lassen.«
Das Blitzen im Blau seiner Augen verriet, dass er ernsthaft in Erwägung zog, seine Joggingpläne über den Haufen zu werfen. Doch dann schüttelte er kaum merklich den Kopf. Er neigte sich vollends herab, seine Lippen streiften meine, ehe er dagegen raunte: »Verlockend, aber lass uns das auf später verschieben. Ich würd mich echt gern ein bisschen richtig bewegen.«
Und ich war gerade zu faul, um ihn umzustimmen. »Okay«, meinte ich daher nur, stahl mir einen weiteren kurzen Kuss und ließ mich wieder vollends auf die Liege sinken.
»Bis nachher.«
Ich sah Devin hinterher, wie er quer über den Rasen und über die Terrasse ging und schließlich im Foyer der Mansion verschwand. Sein Kuss kribbelte noch zart auf meinen Lippen und machte die Überlegung nichtig, ob ich heute Abend noch nach Hause fahren oder noch eine Nacht in der Mansion verbringen würde. Ich sollte allerdings definitiv daran denken, mir für morgen früh einen Wecker zu stellen. Auf dem Schreibtisch in meiner kleinen Wohnung wartete ein Stapel Skripte darauf, von mir durchgearbeitet zu werden.
Träge wälzte ich mich in eine seitliche Liegeposition, sodass ich zu Jay sehen konnte, der auf einer der Liegen hockte und in das Schreiben vertieft war, welches Dave ihm vorhin gegeben hatte. Auch wenn mich diese ganze Sache nicht direkt betraf, schätzte ich es, dass unser Labelchef einen so großen Wert darauf legte, die Gesundheit der Darsteller sicherzustellen, und mögliche Problempunkte offen kommunizierte.
Nachdenklich biss ich mir auf die Unterlippe. Es fühlte sich irgendwie mies an, die HIV-Infektion eines Kollegen gedanklich als ›Problempunkt‹ zu betiteln.
Ich musste mir eingestehen, bislang nicht übermäßig viel über das ganze Thema nachgedacht zu haben. Natürlich machte man sich als ›sexuell aktiver Mann‹ im Allgemeinen und als Pornodarsteller im Speziellen so seine Gedanken und informierte sich über sexuell übertragbare Krankheiten. Aber das alles eben nur theoretisch. Ich hatte mich durchaus mit all den Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Verhinderung einer Infektion befasst, nie aber ernsthaft mit dem Gedankenspiel des ›Was wäre, wenn …‹
Wie mochte es sein, mit der Diagnose konfrontiert zu sein? Und wie würde ich selbst reagieren, sollte Dave mich fragen, ob ich bereit wäre, mit diesem Mason zu drehen?
»Kennst du ihn eigentlich genauer?«, fragte ich an Jay gewandt. »Mason, meine ich.«
Jay sah von dem Schreiben auf und faltete es zusammen, während er antwortete: »Nicht wirklich. Wir haben gestern mal eine Weile gequatscht, aber sonst …«
»Weiß er denn schon, dass er seinen ersten Dreh mit dir haben wird?«
»Ja, deswegen hat er gestern beim Barbecue vorbeigeschaut. Dave hat ihm wohl nahegelegt, es sei eine gute Idee, wenn wir uns vorher schon mal bekannt machen.«
Ich nickte verstehend und schaute gedankenverloren auf den Pool, sah dem seichten Wogen des Wassers zu. Ich erinnerte mich noch gut an meinen allerersten Dreh vor rund zwei Jahren. Daran, wie nervös ich gewesen war, wie Jay es jedoch binnen weniger Minuten geschafft hatte, mir die anfängliche Beklemmung zu nehmen. Nicht umsonst stellte – oder legte – Dave Newcomer gern zuerst mit Jay vor die Kamera. Er hatte Erfahrung und – was in meinen Augen viel wichtiger war – er konnte sich in kürzester Zeit auf seine Drehpartner einstellen. Tatsächlich hatte ich in den rund zwei Jahren, die ich mittlerweile für CC Cocks arbeitete, nur selten jemanden getroffen, der so vielseitig war wie Jay. Versatile bezog sich bei ihm definitiv nicht nur auf die Sexposition.
»Ansonsten hat Dave mir noch nicht allzu viel über ihn verraten und unser Gespräch war jetzt auch nicht so besonders tiefgründig«, fuhr Jay fort und brachte mich damit dazu, ihn wieder anzusehen. »Zumindest hat er schon Erfahrung vor der Kamera.«
»Ach, echt?« Vom ersten Eindruck her hätte ich diesen Mason auf Ende zwanzig geschätzt. Viele der Darsteller begannen ihre Karriere zwar schon früher, aber es gab auch einige, die erst mit über dreißig ins Business einstiegen.
»Mhm, hat wohl vor einigen Jahren schon mal mit den Black Tail Studios gedreht. Ausgerechnet …«
»Warum, was … Ah, Moment, für Black Tail hast du auch gearbeitet, oder? Vor CC Cocks?«
»Jepp.« Jay zog die Beine auf die Liege hoch, verschränkte sie im Schneidersitz. »Eine Erfahrung, auf die ich ganz gut hätte verzichten können. Andererseits wäre ich heute vielleicht nicht da, wo ich bin, ohne die Zeit bei Black Tail.«
›Da, wo ich bin‹, meinte in Jays Fall wohl so viel wie: ganz oben am Pornohimmel. Ich hatte nie nach seinen Klickzahlen oder nach der Höhe seines Honorars gefragt, aber man musste nicht mal ein Kenner der Gay-Porn-Industrie sein, um zu wissen, dass Jayson Ward zu den begehrtesten Darstellern überhaupt gehörte. Nicht umsonst versuchten andere Labels immer wieder, ihn von CC Cocks abzuwerben – absolut vergebens allerdings.
›Zurück nach Porn Valley? Niemals!‹, pflegte er zu sagen, wenn man ihn darauf ansprach, ob er sich vorstellen konnte, CC Cocks den Rücken zu kehren und zu einem der vielen im San Fernando Valley ansässigen Studios zu gehen. Und das, obwohl ihm die Arbeit im Porno-Tal nahe Los Angeles diverse Flüge nach New York ersparen würde. Mehr noch, wenn er und Dale wie geplant in den nächsten Monaten zusammenziehen würden.
So oder so, Jay war auf dem Zenit seiner Karriere. Von diesem war ich selbst noch weit entfernt, allerdings war es auch nicht mein erklärtes Ziel, eines der bekanntesten Pornosternchen zu werden. Ich mochte es, Sex vor der Kamera zu haben, und Gay-Pornos zu drehen, war ein lukrativer Verdienst neben dem Studium, aber es war nicht der Mittelpunkt meines Lebens. Nicht das, was ich ewig lang machen wollte. Ich mochte mein Architekturstudium und ich hatte Träume abseits des Pornosets.
»Dann kennt ihr euch von früher?«, hakte ich nach und lenkte meine Gedanken somit wieder zu Jay und diesem Mason. Irgendwie interessierte mich seine Geschichte, obwohl ich ihn nur vom Sehen kannte. Vermutlich einfach, weil es mich interessierte, wie er HIV und Porno miteinander vereinbarte.
»Nein. Mason muss noch vor meiner Zeit bei Black Tail gewesen sein. Er war wohl einige Jahre aus dem Business draußen.«
»Weißt du, warum?«
»Ich weiß nichts Genaues. Schien, als wollte er nicht darüber reden. Aber wenn ich seine Andeutungen richtig verstanden habe, hatte die Zwangspause was mit seiner HIV-Infektion zu tun.«
Ich gab ein halb zustimmendes, halb nachdenkliches Brummen von mir und stemmte mich ebenfalls in eine sitzende Position hoch.
»Na ja«, begann ich laut zu überlegen, »wenn er mittlerweile durch die Therapie unter der Nachweisgrenze ist, dürfte die Infektion, beziehungsweise deren Entdeckung, ja einige Zeit her sein. Könnte mir vorstellen, dass man als HIV-positiver Darsteller noch vor ein paar Jahren richtig Probleme innerhalb des Business hatte.«
»Mit Sicherheit. Und das Stigma dürfte bis heute nicht allzu sehr abgenommen haben«, entgegnete Jay mit ebenso nachdenklicher Miene und setzte noch ein geseufztes »Leider« hinzu.
»Muss heftig sein«, murmelte ich und merkte erst, als Jay ein fragendes Brummen von sich gab, weil ich nicht weitersprach, dass ich laut gedacht hatte. »Die Diagnose zu bekommen.«
»Mit Sicherheit, ja. Andererseits … HIV ist nicht mehr das, was es vor fünfzehn Jahren war. Ich meine, es ist heutzutage bei früher und gezielter Therapie durchaus möglich, gut mit der Infektion klarzukommen. Ich glaube eher, dass das ganze Drumherum wahnsinnig zermürbend sein kann.«
Ich nickte langsam, sah nachdenklich auf meine Finger, mit denen ich Kreise auf meinem Handtuch malte. Abgesehen von gedämpfter Musik, die aus der Villa zu uns drang, war es still zwischen uns. Ich dachte über Jays Worte nach und landete mit meinen Gedanken unweigerlich bei dem zurückliegenden Gespräch mit ihm, Rizzo und Liam.
Letzterem war der Schock darüber, dass Jay sich wissentlich dazu entschieden hatte, mit einem HIV-positiven Mann Sex zu haben, und darüber, dass Rizzo es ebenso in Erwägung zog, überdeutlich anzusehen gewesen. Ganz sicher hatte Liam seine Reaktion in keiner Weise böse oder abfällig gemeint. Er war nur einfach … Ja, was denn? Zu unaufgeklärt? Damit war er ganz sicher nicht allein. Vermutlich machten die meisten Männer – und auch Frauen – um einen Positiven einen großen Bogen. Aus Unwissenheit. Aber machte es das besser? Wie zermürbend musste es sein, immer und immer wieder zurückgewiesen und gemieden zu werden, nur weil die Leute nicht über Risiken und vor allem Nicht-Risiken Bescheid wussten?
Versunken in meine Grübeleien blinzelte ich fragend neben mich, als Jay aufstand und sich streckte.
»Ich sollte langsam duschen und dann los. Bin mit Dale zum Essen verabredet.«
Unter den letzten Sonnenstrahlen war es noch immer relativ heiß für New Yorker Verhältnisse und ich hatte ebenfalls langsam genug Sonne für heute, auch wenn wir die vergangenen Stunden unter dem Schirm verbracht hatten.
»Ich geh auch rein. Wo hat Dale eigentlich den ganzen Tag gesteckt?«
»Fototermin. Wir gehen in den Irish Pub in der Querstraße zur Mansion. Willst du mitkommen?«
»Wenn ich euch nicht störe?«
»Würde ich dann fragen?«
Grinsend verdrehte ich die Augen und erhob mich ebenfalls, um meinen Kram einzusammeln. Kurz zögerte ich, doch dann hakte ich an Jay gewandt nach: »Was dagegen, wenn ich Devin frage, ob er auch mitkommen will, insofern er rechtzeitig vom Joggen zurückkommt?«
Kapitel 2 – Mason
~~~ August 2019 ~~~
Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu sein.
Hier.
Nicht im San Fernando Valley, sondern in New York. Nicht in den Black Tail Studios, sondern bei CC Cocks.
Nicht in Steves Nähe.
Zum Glück nicht.
Zwischen uns lagen mehrere Tausend Meilen, fast fünf Jahre und so einige Gespräche, die ich mit Harold geführt hatte. Gespräche, aus denen sicherlich eine echte Psychotherapiesitzung geworden wäre, wäre Harold nicht der Partner meines Onkels und daher persönlich involviert.
Auf den ersten Blick – und auch auf den zweiten und dritten – erinnerte nichts in der CC Cocks-Mansion an Black Tail. Nicht die hohen Decken und die Grünpflanzen im Foyer, nicht die lichtdurchfluteten Flure, an deren Wänden stilvolle Aktbilder in Schwarz-Weiß der Exklusiv-Darsteller des Labels hingen und schon gar nicht die mit kleinen Accessoires dekorierten Umkleide- und Duschräume. Im Gegensatz zu den Black Tail Studios wirkte die CC Cocks-Mansion wie ein altehrwürdiges Herrenhaus, in dem man jede Sekunde darauf gefasst sein musste, dass ein höflicher Bediensteter einem einen Tee oder eine Fußmassage anbot.
Okay, eher eine Analmassage. Die Villa war unverkennbar der Sitz eines der bekanntesten Gay-Porn-Imperien der USA. Aber dennoch so weit von dem entfernt, was Black Tail war.
Damals.
Für mich.
Und dennoch kam es mir vor, als könnte ich Steves Präsenz in jeder Ecke des Raumes fühlen. In jeder Fuge. Als würde er mir gleich aus dem Spiegelglas über dem Waschbecken heraus zulächeln. Mit dieser einnehmenden Mischung aus Spott und Zärtlichkeit, mit der er mich so oft für sich vereinnahmt hatte.
Es war Jahre her, verdammt!
Mit einem erstickten Laut in der Kehle, der ein Schnauben hätte werden sollen, stieß ich mich vom Waschbecken ab, bemerkte dadurch erst, dass ich den Rand mit beiden Händen umklammert gehalten hatte. Betont langsam atmete ich aus, senkte meine Schultern, hob den Kopf. Sah in den Spiegel und schaffte es sogar, die Andeutung eines anzüglichen Lächelns auf meinen Lippen zu formen. Gerade noch rechtzeitig, ehe ein energisches Klopfen an der Tür ertönte und diese nur Sekunden später aufgeschoben wurde.
»Hey, bist du fertig?« Jayson trat ein paar Schritte in den Raum hinein. Im Spiegel trafen sich unsere Blicke, verloren einander, nur um sich wiederzufinden – direkter dieses Mal –, nachdem ich mich umgedreht hatte. Ungeachtet seiner Frage nahmen wir uns beide die Zeit, den anderen eingehend zu mustern. Natürlich hatte ich das beim Barbecue bereits getan und Jaysons knappes Outfit an besagtem Abend hatte wenig Raum für Spekulationen gelassen. Was mir allerdings bislang entgangen war, waren die beiden kleinen Metallstäbe, die sich durch seine Brustwarzen bohrten und meine Aufmerksamkeit unweigerlich anzogen.
»Stehst du auf Nippelpiercings?« Natürlich waren ihm meine Blicke nicht entgangen, und dass er mich direkt darauf ansprach, weckte eine seltsame Mischung aus Abwehr und Erleichterung in mir.