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»Ist.«
»Was?«
Zeitgleich mit Tracy wandte ich mich Jayson zu, der auf die Ellbogen gestützt zu uns hochgrinste. »Du meintest, zumal Jay ja ein dominanter Bottom ist.«
Scheiße, der Kerl gefiel mir! Nicht, dass ich mich in ihn verguckt hätte, aber seine direkte, freche Art imponierte mir. Wenn ich damals ein bisschen mehr wie er …
Fuck!
Entschlossen schüttelte ich den Gedanken ab, ehe er sich in meinem Hirn festbeißen konnte.
»Also, neuer Plan: Wir setzen auf einen Stimmungsumschwung zwischen euch beiden. Vorhin im Pool war Jay noch fordernd und frech. Jetzt, nachdem du ihn verwöhnt hast, Mason, wird er anschmiegsam unter deinen Händen. Das bekommst du hin, oder, Jay? Ich hätte dich gern ein bisschen … nun, nicht devot, aber … weich. Hingebungsvoll, nicht zu fordernd, eher …«
Wie das, was Steve an Angel so geliebt hatte.
Seine Hingabe.
Jene, an der Angel zerbrochen war.
Tracys Worte, auch wenn ich die letzten nicht mal mehr verstand, trafen mich wie ein Kübel Eiswasser. Schienen dafür zu sorgen, dass sich alles in mir zusammenzog. Eng wurde. Klein. Sich auf der Suche nach Schutz zusammenkauern wollte.
Alles.
Selbst mein Schwanz, oder … Nein, der war hart wie zuvor, stellte ich mit einer seltsamen Mischung aus Erleichterung und Schock fest, als Jayson sich in eine sitzende Position aufrichtete und mit einer Hand locker meinen Schaft umfasste. Mich dabei auf diese ihm anscheinend so eigene, leicht provokante Art angrinste.
»Tja dann«, schnurrte er mir zu und streifte mit den Lippen über meine Brust, kitzelte mit der Zungenspitze bis hoch zu meiner Kehle, »Hingabe kann ich.«
Ich schluckte. So trocken und hart, dass ich mir sicher war, er müsse an seinen Lippen fühlen können, was in mir vorging.
›Ja‹, wollte ich entgegnen, ›ja, du kannst das sicher. Ich aber nicht. Nicht mehr. Nicht, ohne dabei an Angel zu denken.‹
»Mason, alles klar?«
Ich zwang mich, den Kopf zu drehen und Tracy anzusehen. Zu nicken.
Mason, ja. Nicht Angel.
Niemals wieder Angel.
~*~*~*~*~*~
Ich hatte nicht erwartet, dass es einfach werden würde. Nichts davon. Aber ich hatte auch nicht erwartet, dass ich so sehr mit mir würde kämpfen müssen. Mit meinen Emotionen und letztlich auch mit meinem Schwanz.
Es lag nicht an Jayson, definitiv nicht. Der Anblick, wie er bäuchlings mit gespreizten Beinen vor mir auf der breiten Rattanliege lag, einen Fuß seitlich auf dem Boden abgestellt, sodass er mir seinen festen, runden Arsch noch einladender entgegenstrecken konnte, war heiß und die kleinen, flehenden Laute, die er ausstieß, taten ihr Übriges, um mich hart zu machen. Verdammt hart.
Die Kunst bei einem sich über Stunden ziehenden Dreh bestand allerdings bekanntermaßen nicht darin, hart zu werden, sondern darin, hart zu bleiben. Etwas, das mir bei Jaysons Anblick und seinem Stöhnen und der Art, wie er sich mir bei jedem Stoß entgegen schob, hätte leichtfallen sollen. Wäre da nicht mein verfluchtes Hirn gewesen, das sich mit jedem Laut aus seinem Mund und mit jeder Bewegung, mit der er mir seinen perfekten Arsch anbot, lauter und lauter zu Wort meldete. Mein Hirn, das Erinnerungen hervorkramte, die nagende Scham in meinem Inneren befeuerten – aus unterschiedlichen Gründen, die ich, rational betrachtet, hätte nichtig erscheinen lassen können. Aber in mir war in diesem Moment nichts rational.
Zur Hölle noch mal, Jayson war scheiße heiß. Und ganz egal, ob gespielt für einen Porno oder echter Lust geschuldet, er beherrschte das, was er da tat, in Perfektion. Ihn vor der Kamera zu vögeln, hätte so einfach sein können. So erregend. Wenn sich nicht jedes Mal, wenn ich das Gefühl hatte, kurz vor diesem einen Punkt zu sein, an dem ein Orgasmus in greifbare Nähe rückte, mein Hirn eingeschaltet hätte, um mir zu sagen, dass ich das unmöglich bringen konnte. Dass ich es unmöglich zulassen durfte, die Kontrolle zu verlieren. Dass ich es unmöglich bringen konnte, auf einen Kerl abzuspritzen, der all das bot – egal ob echt oder zur Schau gestellt –, was Steve einst so an Angel vergöttert hatte.
Er ist nicht du. Jayson ist nicht wie Angel.
Und du bist nicht wie ER.
Du. Bist. Nicht. Wie. Steve.
Ich wiederholte die Worte in Gedanken wie ein Mantra, mit jedem Stoß, mit dem ich mich in Jaysons Arsch versenkte. Mit jedem Keuchen, das meinen Mund verließ, wollte ich es hinausschreien: Es. Ist. Nicht. Wie. Mit. Angel.
Aber warum genoss ich es dann?
Warum machte es mich an, einen Kerl zu vögeln, der in all seiner Hingabe an Angel erinnerte? Warum erregte mich genau das, was Steve damals erregt, was er von mir gefordert hatte? Immer und immer wieder. Ohne sich einen Scheiß darum zu kümmern, dass ich … dass Angel … unter ihm zerbrach. Mit jedem einzelnen Fick ein bisschen mehr.
»Fuck … Scheiße … Sorry …« Schwer atmend hielt ich inne, stützte mich mit beiden Händen seitlich neben Jaysons Flanken auf dem Polster ab und musste mich nicht mal nennenswert bewegen, damit mein nur noch halbsteifer Schwanz aus ihm glitt.
Jayson entließ die Luft in einem zischenden Laut aus seinem Mund, drehte sich halb unter mir, sodass er mich über die Schulter hinweg ansehen konnte. Er sagte nichts. Besser so. Und ich sagte auch nichts zu ihm. Stattdessen stemmte ich mich vollends hoch und stand auf, wandte mich Dave zu.
»Sorry, gib mir drei Minuten, okay?« In einer vagen Geste nickte ich in Richtung der Mansion.
Dave zog die Stirn in Falten. »Mach dir keinen Stress. Wir können Pause machen oder eine andere Stellung ausprobieren. Du musst einfach nur mit Jay reden, der hat bislang noch jedem Drehpartner zum Cumshot verholfen.«
»Das glaub ich gern«, presste ich durch zusammengebissene Zähne hervor. »Darum geht’s nicht. Ich geh einfach schnell rein, ja?«
Ich war schon halb an Dave vorbei, als der mich mit einer Hand an meinem Arm aufhielt. »Was hast du dabei, hmm?«
»Trimix.«
»Okay.« Die einzelne steile Falte über seinem Nasenrücken vertiefte sich noch. »Ich bin kein Freund davon, da bin ich ehrlich. Aber von mir aus …«
»Ich jag mir auch nicht unbedingt gern eine Spritze in den Schwanz, das kannst du mir glauben.«
Dave nickte nur knapp und entließ mich mit einer auffordernden Handbewegung in Richtung Terrasse. Hinter mir vernahm ich noch das leise Knarzen der Rattanmöbel und Jaysons Stimme.
»Wirf mal bitte das Gleitgel rüber.«
Ich hätte seine Worte gern überhört. Dass ich keine andauernde Latte bekam, war das Eine. Mein Ego konnte das ab. Womit ich weit weniger klarkam, war das Wissen, dass meine Ladehemmung den Dreh unnötig lange ausdehnte und somit auch Jayson länger hinhalten musste als eigentlich notwendig.
Andererseits hatte er es sich verdammt noch mal ausgesucht. CC Cocks war nicht Black Tail. CC Cocks verpflichtete keine Jungs aus fragwürdigen Beweggründen heraus. Jayson hätte ablehnen können. Den Vertrag, den Dreh, alles … Er hätte tun können, was ich damals nicht gekonnt hatte. Was Angel nicht fertiggebracht hatte.
Mit einem Ruck zog ich meine Sporttasche zu mir heran und kramte aus dem Innenfach das kleine Fläschchen mit den wenigen Millilitern durchscheinend klarer Flüssigkeit und eine Spritze hervor.
~*~*~*~*~*~
Selbstverständlich schaffte Trimix es nicht, mein Hirn auszuschalten, doch es sorgte dafür, dass es meinem Schwanz egal sein konnte, was mein Kopf zu sagen hatte. Zugegeben, zu vögeln, ohne wirklich geil zu sein, war kein Spaß. Aber welcher Job ließ einen schon jedes Mal himmelhochjauchzend zurück?
Während Dave hineinging, um nachzusehen, ob der Kerl, der ihm gleich bei den Szenen drinnen mit der Lichttechnik zur Hand gehen würde, bereits alles startklar gemacht hatte, lümmelten Jayson und ich auf zwei der schmaleren Sonnenliegen unter dem großen Schirm. Aus einer kleinen Box, die neben dem Tischchen stand und die mir vorhin nicht aufgefallen war, kramte Jayson zwei Müsliriegel hervor und hielt sie mir fragend unter die Nase.
»Willst du?«
»Mhm, danke.« Ich entschied mich für die Variante mit Banane und überließ ihm die mit Himbeere.
»Gute Wahl. Ich hasse Bananen.«
»Als hätte ich’s geahnt.« Ich prostete Jayson mit meiner Limo zu und ruckelte mich so auf der Liege zurecht, dass mein nach wie vor stahlharter Schwanz schwer auf meinem Bauch zu liegen kam. Jayson beobachtete mein Tun sichtlich amüsiert. Zugegebenermaßen entbehrte das Bild, das ich mit Müsliriegel und Ständer abgab, wohl nicht einer gewissen Komik. Dagegen wirkte Jayson, der mir zwar nackt, aber nicht sichtbar erregt im Schneidersitz gegenübersaß beinahe wie ein Student, der die Zeit zwischen zwei Vorlesungen nutzte, um seine Mittagspause im Park zu genießen.
»Bei Black Tail gab’s das Zeug regelmäßig, was?«
Abrupt hob ich den Blick in Jaysons Gesicht. Ich musste nicht nachhaken, um zu wissen, dass er von Trimix sprach. Was ich aber sehr wohl musste, war, mir in Sekundenschnelle darüber klarzuwerden, was ich antworten sollte. So vage wie möglich …
»Mhm, schon.« Das stimmte. Ich hatte nicht nur einmal mitbekommen, wie sich Darsteller Zeug in den Schwanz spritzten oder Tabletten einwarfen. Auch ich hatte so manchen Dreh für Black Tail bis oben hin mit Medikamenten vollgepumpt hinter mich gebracht. Nur waren es in meinem Fall niemals Trimix oder Viagra gewesen, sondern Schmerzmittel aller Art. Es war der feine, aber eben doch so bedeutende Unterschied zwischen Tops und Bottoms. Die einen warfen Zeug ein, um hart zu bleiben, die anderen taten es, um mit all den harten Schwänzen klarzukommen.
»Gewöhn dich nur nicht dran. Dave sieht so etwas nicht gern.«
Statt etwas zu entgegnen, schob ich mir das letzte Stück Müsliriegel in den Mund, kaute energisch.
»Unabhängig davon«, fuhr Jayson fort, »läuft hier so einiges anders als bei Black Tail.«
Die Müslistückchen kratzten in meinem Hals, rasch spülte ich mit einem Schluck Limo nach. »Vermutest du vom Hörensagen?«
»Nein, weiß ich, weil ich selbst fast zwei Jahre lang für Black Tail gearbeitet habe.«
Das überraschte mich. Ich hatte mich vorab nicht weiter über Jayson informiert, ebenso wenig wie über die anderen Darsteller von CC Cocks. Nicht, weil sie mir egal gewesen wären, sondern weil ich grundsätzlich unvoreingenommen zu jedem einzelnen Dreh gehen wollte. Auch wenn ich ahnte, dass das nur ein Vorwand war. Ich war nicht unvoreingenommen. Besonders nicht Kerlen wie Jayson gegenüber. Kerlen, die mich zu sehr an Angel erinnerten – auch wenn es nur eine Rolle war, die sie spielten. Ich hatte Jayson anders kennengelernt. Er war nicht, wie ich damals gewesen war. Vielleicht sogar eher das absolute Gegenteil von Angel. Aber auch wenn er nur nach Tracys Anweisung gehandelt hatte, hatte er mich eben bei den ersten Fickszenen erinnert. An das, woran ich mich nicht erinnern wollte und mich gleichsam erinnern musste, um mir vor Augen zu halten, dass das hier anders war.
Gottverdammt, auf welch schmalen Grat hatte ich mich nur gewagt!
»Wann?«, hakte ich an Jayson gewandt nach.
»2015 bis 2017.«
»Also nach meiner Zeit dort.«
»Anscheinend. Kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns mal begegnet wären.«
Waren wir nicht. Definitiv nicht. Und Steve hatte sich alle Mühe gegeben, die Spuren, die Angel hinterlassen hatte, zu verwischen. Es war Teil unseres Deals. Eines Deals, den ich, indem ich mich bei CC Cocks verpflichtete und zurück ins Rampenlicht der Pornoindustrie trat, gewissermaßen mit Füßen trat.
Ja, verdammt, der Grat, auf dem ich mich bewegte, war beschissen schmal! Aber das Risiko, mich an Messer Schneide selbst aufzuschlitzen, nahm ich bewusst in Kauf. Allein schon, weil ich es satthatte, mich zu verstecken und Steve damit die Hoheit zu überlassen, so zu tun, als sei alles nie passiert.
»Was hat dich von dort weggetrieben?«, fragte Jayson, nachdem ich zunächst keine Anstalten machte, weiter auf seine Feststellung einzugehen. »Lass mich raten: Steve Moreno?«
Das Schnauben entglitt mir, ehe ich es in meiner Kehle einsperren konnte. »Mitunter auch er.«
Nur er.
Ich hatte alles wegen ihm getan. Für ihn. War selbst gegangen, weil er es wollte. Nicht Angel hatte es geschafft, einen Schlussstrich zu ziehen. Steve war es gewesen, der die Sache mit Angel beendet hatte. Ihn einfach von der Bildfläche löschte.
»Wundert mich nicht.«
»Warum? Hast du deine Erfahrungen mit ihm gemacht?« Ich verkniff es mir gerade noch, ein ›auch‹ in den Satz einweben. Im Grunde hatte ich ohnehin schon viel zu viel gesagt und gefragt.
»Allerdings. Irgendwann erzähl ich dir mal die ganze Geschichte. Die Kurzfassung ist: Steve hat mich durch Zufall entdeckt und hatte wohl die Vision, aus mir so etwas wie seinen Golden Boy zu machen. Aber was soll ich sagen? Steve ist ein Arschloch, von dessen Manipulationsversuchen man sich nicht beeindrucken lassen sollte. Er ist … Oh, Tracy winkt uns. Komm!«
Jayson erhob sich, seine Limoflasche landete auf dem Tischchen. Lautlos. In meinen Ohren hallten lediglich seine Worte nach. Worte, die so grausam wahr waren, dass sie in meinem Inneren rissen. Selbst jetzt, nach Jahren noch.
Steve war ein manipulatives Arschloch.
Eines, dem man niemals vertrauen sollte.
Das taten nur die naiven Jungs.
Nicht Jayson.
Nur Angel.
Nein, die beiden hatten wahrlich nichts miteinander gemein.
Kapitel 3 – Elliot
Eigentlich hatte ich nach dem Sport direkt nach Hause fahren wollen, allein schon, weil dort noch ein Modell auf mich wartete, welches ich in den nächsten Tagen dringend für einen der Kurse meines Architekturstudiums fertigstellen sollte. Allerdings fehlte mir noch die zündende Idee, wie ich ein gewisses Statikproblem angehen sollte, und auch die eineinhalb Stunden im Fitnessstudio hatten leider nicht die erhoffte Erleuchtung gebracht. Daher kam mir Daves Anruf gerade recht.
Der Lichttechniker, der beim heutigen Dreh hätte anwesend sein sollen, hatte sich kurzfristig krankgemeldet, und da ich von meinem Dad einiges über all diesen Kram wusste und Dave schon das eine oder andere Mal assistiert hatte, hatte er mich um Hilfe gebeten. Mir machte es jedes Mal großen Spaß, die Drehs quasi von der anderen Seite mitzuerleben, und da ich ein paar Extrascheine immer gut gebrauchen konnte, weil allein die Gebühren des Privatinstituts für Architektur einen horrenden Teil meines Einkommens fraßen, sagte ich natürlich spontan zu.
»Ich brauch allerdings mindestens eine Stunde, bis ich an der Mansion bin«, ließ ich Dave wissen, während ich bereits die Stufen zur Subway hinuntereilte.
»Ja, mach keinen Stress. Wir drehen den ersten Teil sowieso im Garten. Ich brauch dich nur später für drinnen.«
»Okay, ich beeil mich.«
»Danke, Elliot. Bis dann.«
»Wer dreht …?« Das Tuten in der Verbindung unterbrach meine unvollständige Frage. Ein Blick auf die elektronische Anzeigetafel offenbarte, dass die Subway in drei Minuten einfahren würde. Während ich die Leute auf dem Bahnsteig musterte, überlegte ich, wer wohl heute am Set anwesend sein würde. Aber ich musste mir eingestehen, dass ich eigentlich keine Ahnung hatte, welche Filme in der nächsten Zeit auf der CC Cocks-Agenda standen. In aller Regel kümmerte ich mich gedanklich nur um meine eigenen Drehs, außer eben, Dave bat mich, für die Lichttechnik einzuspringen. Oder aber Rizzo meldete sich bei mir, weil er für einen Job nach New York kam.
Devin konnte es auch nicht sein, denn der hatte die vergangene Woche bei mir verbracht und war dann am Wochenende nach Chicago geflogen. In das Haus, das er vor einiger Zeit gemeinsam mit seinem Ex gekauft hatte. Besagter Kerl würde auch dort sein, weil Devin und er noch ein paar Dinge zu regeln hatten, ehe sie das gemeinsame Haus verkaufen und einen Schlussstrich unter ihre Beziehung setzen würden. Zumindest hoffte ich, dass sie das tun würden.
Wow, der Gedanke fühlte sich fies an. Ich wollte Devin nicht das endgültige Aus seiner langjährigen Beziehung wünschen und gleichzeitig … wollte ich genau das.
Noch vor rund einem Monat, als Rizzo mich am Tag nach der Poolparty auf Devins und meine Affäre angesprochen hatte, hatte ich versucht, unser Verhältnis als eben dies abzutun: als eine Affäre. Aber spätestens seit Devin die komplette vergangene Woche bei mir verbracht hatte, seit er morgens da gewesen und Bagels mit Sour Cream und frisch geschnittenem Schnittlauch zum Frühstück hergerichtet hatte, fühlte es sich nicht mehr nur nach einer lockeren Geschichte an. Zumindest nicht für mich. Dementsprechend wurmte es mich, zu wissen, dass Devin nun im selben Haus wie sein Ex hockte, auch wenn es in erster Linie darum ging, dieses Haus und damit das alte, gemeinsame Leben loszuwerden.
Das Rattern der einfahrenden Subway ließ mich aus meinen Grübeleien auftauchen. Die Türen öffneten sich mit einem leisen Seufzen und ich schob meine Gedanken ebenfalls seufzend beiseite. Statt über Devin und dessen Ex zu grübeln, wollte ich mich lieber darüber freuen, gleich ein bisschen Nachmittagsentertainment zu bekommen – und das sogar gegen Bezahlung. Und wer wusste es schon, vielleicht würde wem auch immer beim Vögeln vor der Kamera zuzusehen, mir auch eine rettende Eingebung für mein Statikproblem bescheren.
~*~*~*~*~*~
Da ich bei dem kurzen Telefonat mit Dave in meinem gedanklichen Fahrplan eine Subwaystation vergessen hatte, kam ich sogar noch später als gedacht an der Mansion an. Ich befürchtete schon, in einen Anschiss von Dave hineinzulaufen. Denn auch wenn ich lediglich die spontane Aushilfe war und nichts für den Ausfall des eingeplanten Lichttechnikers konnte, hasste Dave es über die Maßen, wenn es bei einem Dreh an der Technik hakte. So entspannt er mit den Darstellern umging und so viele Freiheiten er und Tracy uns am Set auch ließen, bei Technikfragen verstand Dave keinen Spaß. Doch ein Blick aus dem Foyer über die Terrasse hinweg und in den Garten hinein zeigte mir, dass Dave, Tracy und die beiden Darsteller noch mit dem ersten Teil der Aufnahmen beschäftigt waren. Schien ja heute eine längere Angelegenheit zu sein …
Neugierig trat ich näher an die breite Glasfront heran und spähte hinüber zu der ausladenden Rattanliege, auf deren Polstern die beiden Darsteller gerade zugange waren. Jay erkannte ich sofort, doch ich musste zwei Mal hinsehen, um in dem anderen Darsteller Mason zu erkennen. Immerhin hatte ich ihn auf der Poolparty nur flüchtig und vor allem vollständig bekleidet kennengelernt. Besonders viel war auf die Entfernung, und da Dave mit der Kamera direkt neben ihm stand, nicht zu erkennen. Dennoch spürte ich meine Brauen unweigerlich nach oben wandern. Man brauchte keine Adleraugen, um bestätigt zu wissen, was bereits beim Barbecue durch Jeans und dunkles Hemd hindurch zu erahnen gewesen war: Mason hatte einen tollen Körper. Ha, und genau den würde ich mir nachher eingehender ansehen – perfekt ausgeleuchtet und von Nahem.
Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen wandte ich mich um in Richtung der Treppe, die ins Untergeschoss der Mansion führte. Tja, manchmal hatte es neben unverhofftem Extrageld durchaus seine Vorteile, spontan für einen Aushilfsjob gebucht zu werden.
In den heiligen Hallen der Mansion angekommen, musste ich feststellen, dass Dave mir am Telefon gar nicht gesagt hatte, welchen der drei Räume, die extra für diverse Drehs zur Verfügung standen, ich vorbereiten sollte. Der Dungeon schied wohl aus. Zwar wusste ich von Jay, dass er für CC Cocks schon den einen oder anderen Soft-BDSM-Streifen gedreht hatte, aber Filme wie diese begannen in aller Regel nicht in sommerlicher Atmosphäre am Pool und außerdem hätten Tracy oder Dave besagten Raum sicher schon eigenhändig hergerichtet. Allein schon, weil es dort gesonderte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen gab.
Blieben noch der ›cosy room‹, der mit den kuscheligen Fellen vor einem Kamin – wenn auch ein elektronischer – und dem breiten Sofa, auf welchem sich ebenfalls Decken und Kissen türmten, mein erklärtes Lieblingsset war, oder das Standardzimmer, das mit dem schlichten, breiten Bett und einer Fensterattrappe zwar nicht spektakulär war, dafür aber vielseitig genutzt werden konnte. Nach kurzem Überlegen entschied ich, letzteren Raum herzurichten, einfach weil Vögeln auf der Sonnenliege am Pool und Kuscheln vor dem Kamin nicht wirklich zusammenpassten. Auch wenn ich mir sicher war, dass diese Ungereimtheit den meisten Pornokonsumenten nicht auffallen würde. Tracy allerdings achtete auf solche Details. Seit sie das Art Directing-Regiment bei CC Cocks übernommen hatte, stand das Label mehr denn je für Filme, in denen nicht nur stupide Fickerei im Vordergrund stand. Sicherlich wurden auch in den meisten CC Cocks-Filmen keine tiefgründigen Gespräche geführt, aber Tracy – und auch Dave – war es wichtig, kleine Geschichten zu erzählen, Nähe zu und Nähe zwischen den Darstellern aufzubauen und den Sex so authentisch wie möglich wirken zu lassen. Heiß, sexy, manchmal auch ein wenig ›over the top‹, aber niemals platt oder geschmacklos.
Während ich in Gedanken noch über die CC Cocks-Philosophie referierte, machte ich mich daran, die Blenden neben dem Bett aufzubauen und zu überprüfen, ob sämtliche Technik im Raum funktionierte. Da von Dave und Co noch keine Spur zu sehen und kein Laut zu hören war, huschte ich anschließend noch rüber ins Lager und legte vorsorglich schon mal eine Flasche Gleitgel und Papiertücher bereit und stellte sicher, dass die Laken auf dem Bett auch wirklich frisch waren. Natürlich waren sie das, fleckige Laken gab es bei CC Cocks nicht.
Ich selbst hatte noch nie für ein anderes Label gedreht, kannte die Schattenseiten und schwarzen Schafe der Branche nur vom Hörensagen. Doch allein schon, wenn ich daran dachte, wie offen Dave mit Jay wegen Masons HIV-Infektion kommuniziert hatte und daran, wie wohl ich mich selbst bei meinen Drehs fühlte, konnte ich einfach nur froh sein, bei CC Cocks gelandet zu sein.
Zugegeben, ich hatte mich damals, vor rund zwei Jahren, nicht bei dem damaligen Labelchef Clint Coleman beworben, weil ich so sehnlich von einer Karriere als Pornostar träumte, sondern einfach nur, weil ich privat die CC Cocks-Filme sehr gern ansah und mich gefragt hatte, wie es wohl wäre, selbst mal in einem davon mitzuspielen. Hätte Coleman meine Bewerbung damals abgelehnt, hätte ich mich vermutlich gar nicht erst bei einem anderen Label beworben. Meine gesamte bisherige Karriere war gewissermaßen aus einer Laune heraus entstanden. Sicher nicht der wohlüberlegteste und empfehlenswerteste Weg, in die Erwachsenenfilmbranche einzusteigen. Aber für mich persönlich war es der richtige gewesen.
Nachdenklich drehte ich die Gleitgelflasche zwischen meinen Fingern. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte Sex im Privaten ebenso locker sehen wie den, den ich vor der Kamera hatte, und wie all das, was damit zusammenhing. Ich war im Privaten ganz sicher nicht prüde oder besonders schüchtern. Dennoch fiel es mir oftmals leichter, gewisse Vorlieben vor der Kamera auszuleben. Einfach, weil ich dann im Notfall so tun konnte, als sei alles nur eine Show für heiße Aufnahmen gewesen, während ich mich bei ›realem Sex‹ vielleicht für das eine oder andere, das mich anturnte, hätte erklären müssen.
Jesus … Mit einem energischen Kopfschütteln schob ich die Gedanken von mir, stellte die Flasche beiseite. Lauschte und vernahm tatsächlich sich nähernde Schritte. Eilige, geschäftige Schritte. Ganz sicher Dave.
»Elliot?«
»Ja, hier!«
»Hast du schon …?« Dave unterbrach sich selbst, als er in den Raum trat und sein Blick auf das fertig hergerichtete Set fiel. »Ah, du bist fertig?«
»Jepp, alles bereit.«
»Sehr gut.« Die Erleichterung war Dave deutlich anzumerken, und da er eigentlich genau wusste, dass er sich auf mich verlassen konnte, zeigte seine Erleichterung hinsichtlich dieser Sache nur, dass er unter Strom stand. Mehr, als er es für gewöhnlich bei Drehs tat, die ich miterlebt hatte.
Ich verkniff es mir jedoch, nachzuhaken. Sollte beim bisherigen Dreh irgendetwas vorgefallen sein, würde ich es entweder früh genug mitbekommen oder es ging mich schlicht und ergreifend nichts an. Natürlich quatschten wir Darsteller viel untereinander; nicht umsonst waren die Mansion und all die Leute, die zum CC Cocks-Universum gehörten, für viele so etwas wie eine zweite Familie. Dennoch wurde Diskretion großgeschrieben. Wir gaben untereinander so einiges preis, aber eben immer auf freiwilliger Basis.