Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs

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Die kirchliche Gemeinschaft ist immer eine gesandte. in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Fokus von der Verteidigung des Glaubens stärker auf die Ausbreitung des Glaubens, auf die Zeugenschaft für Christus hin gelenkt. Gerade als Heilszeichen für die Kirche verdichten sich in der Firmung sowohl sakramentale Gabe und Aufgabe an den Einzelnen und an die Gemeinschaft. Die genannten Aufgaben reichen von der Ausbreitung des Glaubens in Wort und Tat, der Zeugenschaft für Christus bis hin zur Verpflichtung auf ein ethisch tugendhaftes Leben und der spirituellen Durchdringung des persönlichen Lebens.
Mit der Gabe des Heiligen Geistes ist auch verbunden, dass die Firmung im Pascha-Mysterium und im Pfingstgeschehen verortet wird. Das heißt, dass die Firmung Zeichen der Liebe und der Nähe Gottes ist, der seinen Sohn und den Heiligen Geist gesandt hat. Die Begegnung mit Gott wird in der jüdischchristlichen Tradition als personal und als väterlich-liebende beschrieben. Mit Gott in Kontakt zu treten, bedeutet, einen kommunikativen Akt einzugehen und weiterzuführen. Dazu wird in der persönlichen Biographie ein Passageritual wie die Firmung benötigt, das zwar Elemente des alltäglichen sozialen Lebens aufnehmen kann, aber nicht auf weltliche Initiationsriten reduziert beziehungsweise mit ihnen verwechselt werden soll. In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Wunsch geäußert, möglichst viele Getaufte sollen das Sakrament der Firmung empfangen. In nachkonziliarer Zeit wurde für den Empfang der Firmung die Erlangung des Vernunftgebrauchs, also das 7. Lebensjahr, vorgeschrieben. Einzelne örtliche Ausgestaltungen wurden zugelassen, in Deutschland wird die Firmung in der Regel in einem höheren Alter gespendet.
In diesem Zusammenhang können nun Sachthemen benannt werden, die in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synoden in Deutschland mit der Firmung in Verbindung gebracht werden. Diese Themen stehen theologisch in komplexen Zusammenhängen ebenso auch ihre jeweils eigene Binnenlogik. Damit ist keine Unterscheidung und keine Trennung der Firmung in verschiedene, klar voneinander abgrenzbare Dimensionen intendiert. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, theologische Aussagen in einen interdisziplinären Diskurs einzuführen. Gewählt wurden hierfür die Kriterien Biographie und Gemeinschaft, weil die Firmung Teil der christlichen Initiation ist. Das Gottesbild, das die Dokumente prägt und die vielfältigen Zuschreibungen von Gabe und Aufgabe, die mit der Firmung verbunden werden. Die Kriterien Glaubensleben und Kommunikation liegen thematisch nahe an der persönlichen Biographie, thematisieren aber die Beziehung zur Gemeinschaft und die persönliche Begegnung mit Gott. Letztlich folgen noch die Kriterien Passageritus und Alter der Firmanden, zu denen die Dokumente sehr ergiebige Aussagen gemacht haben. Die folgende Tabelle fasst die Sachfragen und ihre theologischen Begründungszusammenhänge kurz zusammen:
Tabelle 2: Sachthemen und ihre theologische Binnenlogik
SachthemenTheologische BinnenlogikBiographie- steht in Beziehung zur meta-historischen Bedeutsamkeit der Person Jesu Christi (Zerndl)- wird geheiligt- wird mit der kirchlichen Gemeinschaft stärker verbundenGemeinschaft- ist von Jesus Christus gesandt- muss den Blick auf alle Menschen und die gesamte Schöpfung richten- ist in konkret verfasster Gemeinde, Diözese und in der Weltkirche erfahrbarGottesbild- ist personal- ist von einer liebenden Zuwendung zu allen Menschen geprägt- der Heilige Geist leitet die KircheGabe und Aufgabe- richtet sich sowohl an den Einzelnen wie an die Gemeinschaft- zusätzlich zur Firmung wird ein Charisma zum Aufbau der Kirche und zum Heil der Welt gegeben- beinhaltet eine Zeugenschaft für Jesus Christus in Wort und Tat- führt zur Ausbreitung des GlaubensGlaubensleben- beinhaltet die Verpflichtung zu einem tugendhaften Leben- steht im gemeinsamen Priestertum durch Taufe und Firmung auf einer sakramentalen BasisKommunikation- ist eine persönliche Begegnung mit Jesus Christus in den Sakramenten- ist eine Begegnung mit der göttlichen WirklichkeitPassageritual- kann Elemente der Initiation des alltäglichen Lebens übernehmen, darf aber nicht darauf reduziert werden- vereinigt mit Christus- geschieht durch Auflegung der Hände, Salbung der Stirn und die Formel: Sei besiegelt mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist- Verortung in der konkret verfassten Gemeinde- der Pate als Begleiter unterstütztAlter- verschiedene örtliche Traditionen sind möglich und erwünscht- Voraussetzung 7. LebensjahrIm Verlauf der Arbeit muss geprüft werden, ob und wie diese Themen in den wissenschaftlichen Diskurs mit Ritualwissenschaften und empirischen Sozialwissenschaften eingebracht und welche Ergebnisse herausgearbeitet werden können. Dadurch können die befreienden Erinnerungen aus der Glaubenspraxis der Kirche in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden für eine zeitgemäße Darlegung des christlichen Glaubens mittels nichttheologischer wissenschaftlicher Zugänge (Mette). Die Aussetzung der theologischen Binnenlogik mit Ergebnissen und Herangehensweisen anderer Wissenschaften soll dazu dienen, das Sakrament der Firmung besser zu verstehen und im Hinblick auf die pastorale Praxis besser zu situieren (Först). Dazu ist es allerdings notwendig, die theologisch virulenten Themen der Firmtheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fokussieren. Gerade die Firmtheologien des 20. Jahrhunderts bieten viele Ansatzpunkte zur Vertiefung und Ausweitung des Verständnisses der Firmung. Einige Themen werden aber bereits seit Jahrhunderten in der Theologiegeschichte diskutiert, wie das Beispiel der Bedeutung der persönlichen Biographie in der Firmtheologie zeigt, die bereits in der Sakramententheologie Thomas von Aquins zu entscheidender Bedeutung gekommen ist.
1.2 Blick in die Geschichte der Theologie: Firmung vom Ausgangspunkt Biographie her gesehen - die Sicht Thomas von Aquins
Als eine der großen Leistungen Thomas von Aquins gilt sein Beitrag zur Systematisierung der Sakramentenlehre120. Auch wenn Thomas nicht als erster die Sakramente in den biographischen Kontext eines Menschenlebens eingeordnet hat, so habe er diese Analogie doch originell ausgearbeitet und zur Grundlage seiner Sakramententheologie gemacht121. Damit wandte er sich auch von anderen möglichen Gruppierungen ierungen der Sakramente ab, wie der Einteilung nach Tugenden und Sünden122. Während damit in der Theologie Thomas’ also die Taufe mit der Geburt aus dem Mutterschoß vergleichbar wäre, sei die Firmung mit der Stärkung vergleichbar, die das eigenständige Leben eines Menschen erst ermöglicht. Dies wird bereits im Sentenzenkommentar deutlich123.
Taufe und Firmung erscheinen bei Thomas von Aquin als zwei Sakramente, die einerseits eng miteinander verwoben sind, weil es um die Analogie zur carnalis nativitas geht. Die Geburt aus dem Mutterschoß ist Voraussetzung für die Stärkung, die zur Überlebensfähigkeit eines Kindes beiträgt. Ähnlich ist auch die Taufe als die Eingliederung in den Leib der Kirche Voraussetzung dafür, dass der Christ / die Christin so gestärkt wird, damit er öffentlich den Namen Christi bekennen kann. Andererseits sind Taufe und Firmung auch voneinander unterschieden, denn die Eingliederung in den Leib Christi wird hier von dem öffentlichen Bekenntnis zu Christus unterschieden. Die Firmung erhält dadurch einen missionarischen Charakter, welcher der Taufe in dieser Weise nicht zugesprochen wird. Zusätzlich gerät die Firmung durch diese Bestimmung in die Nähe des Sakraments der Weihe. Während aber die Firmung „dem Getauften das übernatürliche Handeln als Privatperson [ermögliche, vervollkommene der ordo] den Christen als Amtsperson und als führendes Glied der Kirche“124. Dadurch erhält die Firmung bei Thomas einen Aspekt, der auf das Handeln als gläubiger Christ / als gläubige Christin hin ausgerichtet ist. Dieses Handeln ist möglich durch die perfectio prima, die in der Taufe Grund gelegt ist. Die höchste Vervollkommnung besteht darin, mit dem primus agens in Verbind zu gelangen: „Diese Funktion habe die Eucharistie, weil sie den Christen mit Christus, der Quelle des christlichen Lebens, verbinde“125.
Thomas bleibt bei dieser Analogie zum biographischen Kontext eines Menschenlebens aber nicht stehen. In seiner Summa Theologiae greift Thomas den Gedanken der perfectio wieder auf und verbindet ihn mit Wachstum und Speise126. Die Firmung wird hier mit dem Wachstum verglichen, das im Menschen schon selbst angelegt sei. Wenn die Firmung mit diesem Wachstum in Verbindung gebracht wird, dann wird man die Taufe als Grundlage und Ursache dieses Wachstumsprozesses voraussetzen. Der Selbstand des Christen / der Christin wird in der Firmung also vermehrt (augmentum) und gestärkt (confirmatio). Die Eucharistie hingegen wird mit all dem verglichen, das durch Hinzufügung (adiunctio) zur Vervollkommnung gelangt. Refectio erinnert dabei an die Erfrischung, aber auch an das Neu- oder Wiedergeschaffensein, das dem gläubigen Menschen in der Eucharistie widerfährt.
Die Firmung wird bei Thomas allerdings nicht als selbstverständliche Ergänzung der Taufe angesehen. Sie führt zu einer perfectio formalis, weil durch sie ein tugendhaftes Leben besiegelt wird. Dadurch wird sie wieder eng mit der Eucharistie verknüpft, weil die Eucharistie zur perfectio führt, insofern als sie die consecutio finis bezeichnet127.
In dieser Analogie zur Biographie eines Menschen versteht Thomas eindeutig das Erwachsenenalter als Vervollkommnung des Kindesalters. Vom Jugendalter ist gar nicht die Rede, eine eigene Wertigkeit kommt diesen Lebensabschnitten gar nicht zu. Es wird zumeist von der Stärkung gesprochen, die mit der Firmung gegeben wird. Die Firmung kann aber nicht alleine zur Stärkung des menschlichen Lebens eines Christen / einer Christin beitragen, die Eucharistie darf dabei nicht aus den Überlegungen herausfallen, weil durch sie Stärkung noch einmal ganz sinnlich erfahrbar beim Verzehr der konsekrierten Hostie geschieht. Die Firmung steht dabei in einer merkwürdigen Spannung: einerseits soll sie den Christen dazu befähigen, im öffentlichen Bereich von Christus Zeugnis abzulegen, andererseits soll der Christ dies als Privatperson tun, damit das Sakrament der Firmung nicht mit dem Sakrament der Priesterweihe verwechselt werden kann. Insgesamt aber haben alle Sakramente bei Thomas den Zweck, „der Gottesverehrung zu dienen“128. Deshalb müssen alle Sakramente in ihrer Relation zur Eucharistie verstanden werden, weil sie die finis, das Ziel und den Endpunkt aller Sakramente darstellt129.
Bei Thomas ist Firmung als Sakrament des öffentlichen Bekenntnisses Christi deutlich auf die Taufe bezogen. Er unterscheidet schon im Sentenzenkommentar drei verschiedene Modi, nach denen aliquid spirituale im Empfang der Sakramente, die einen Charakter, ein Merkmal einprägen, übertragen wird. 1) „Uno modo ut aliquis in se spritualia participet“130. Dieser Modus wird in der Taufe übertragen, weil jeder Getaufte an eine spiritualis potentia passiva innehat, also beispielsweise die Vollmacht zum Empfang der Sakramente. 2) „Alio modo ut spiritualia quis in notitiam ducat per eorum fortem confessionem”131. Dieser Modus sei in der Firmung gegeben und befähige zur Standhaftigkeit in Zeiten der Verfolgung, wozu Thomas die Legende des Heiligen Sebastian in Erinnerung ruft. 3) „Tertio modo ut etiam spiritualia credentibus tradat”132. Dieser Modus ist in der Priesterweihe gegeben, die wie Taufe und Firmung auch einen geistlichen Charakter verleiht.
Thomas warnt ausdrücklich davor, sich aus Furcht dem Sakrament der Firmung zu entziehen133. Taufe, Firmung und das Sakrament der Weihe werden bei ihm mit dem Priesteramt Christi verbunden134. Der sakramentale Charakter, der in Taufe, Firmung und Priesterweihe übertragen wird, ist also auf eine jeweils eigene Art Teilnahme am Priesteramt Christi: „Im Gegensatz zum Taufcharakter, bei dem es sich um ein passives Vermögen zum Empfang der anderen Sakramente handele, werden Firm- und Weihecharakter vom Sentenzenkommentar als aktive Vollmachten ‚zur Ausspendung der Sakramente und zur Ausübung anderer heiliger hierarchischer Handlungen’ bezeichnet“135. Das bedeutet, dass die Sakramente auf die Eucharistie hin bezogen sind. Während die Taufe zum Empfang der Eucharistie berechtigt, ist die Firmung sowohl auf den Empfang der Eucharistie als auch auf die Sendung in der Eucharistie bezogen und das Sakrament der Weihe auf die Vollmacht zur Konsekration. Die Taufe gerät somit in den Bereich des persönlichen, des eigenen Heils, die Firmung erscheint als eine Beauftragung zum Kampf und zur Verkündigung136. Diese aktive Komponente der Firmung wird allerdings durch eine passive ergänzt, wonach die Firmung – wie die Taufe – zum Empfang der Eucharistie befähige und diese vollende.
Ein ähnliches Verhältnis wechselseitigen Ergänzens und Oszillierens zwischen Aktivität und Passivität zeigt sich auch bei der gratia sacramentalis, die auf der einen Seite bei jedem Sakrament unterschieden sein soll, auf der anderen Seite aber immer die gratia sanctificans beinhalte137. Dadurch löse Thomas von Aquin laut Adolf Adam das schwierige Verhältnis zwischen der Tauf- und der Firmgnade und die Frage nach der Steigerung der Taufgnade durch die Firmgnade138:
„Durch die Taufe erfolgt eine gewisse Verähnlichung der Seelensubstanz mit dem göttlichen Sein und eine übernatürliche Stärkung der Seelenkräfte durch die mit der heiligmachenden Gnade verbundenen ‚virtutes et dona’. Dieses ‚gottähnliche’ Leben der Seele erfährt durch die spezielle Firmgnade eine Reifung und Vollendung, die auch verstärkend auf die ‚virtutes et dona’ wirkt. Gleichzeitig wird die im Getauften noch vorhandene Schwachheit geheilt und der Gefirmte zu den ihm übertragenen Aufgaben durch besondere Kräfte, deren Quelle die Passion Christi ist, befähigt. Diese Begnadung wird dem Heiligen Geist zugeeignet“139.
Thomas von Aquin bezeichnet die sacramentorum effectus ausdrücklich als „diversae medicinae peccati, et participationes virtutis dominicae passionis“140. Davon unterschieden sind nochmals die „diversae virtutes et diversa dona Spiritus sancti“141. Die Sakramente stehen somit bei Thomas in einem christologischen Begründungs- und Erklärungszusammenhang, die ihren Höhepunkt in der Theologie des Leidens und Sterbens Jesu Christi findet. Die Gaben des Heiligen Geistes sind auf verschiedene Handlungen der Christen und Christinnen hin ausgerichtet, weil in der Taufe bereits die Mitteilung des Heiligen Geistes gegeben ist. Von einem völligen Fehlen pneumatologischer Überlegungen in der Sakramententheologie Thomas’ zu sprechen, ist allerdings auch nicht korrekt, denn: „Baptismus aquae efficaciam habet a passione Christi, cui aliquis configuratur per Baptismum; et ulterius, sicut a prima causa, a spiritu sancto“142. Damit wird die Wirksamkeit der Taufe nicht nur von der Passion Jesu Christi abhängig gemacht, sondern auch vom Heiligen Geist. Allerdings entfaltet Thomas diese pneumatologische Dimension der Taufe nicht weiter und überträgt sie auch nicht explizit auf die Firmung. Aber die Firmung kann in der Theologie Thomas’ nicht ausschließlich und gegenüber der Taufe als das Sakrament des Heiligen Geistes verstanden werden.
Die Tauf- und die Firmgnade müssen nach Thomas als verschieden betrachtet werden, weil es sich um zwei verschiedene Sakramente handelt. Deshalb kann die Firmgnade die Taufgnade auch nicht in direkter Weise vollenden. Es gibt aber auch eine Gemeinsamkeit in der Gnade der Sakramente, so dass die Firmung die Gnade, die in der Taufe mitgegeben wurde, vermehrt143. Dabei bleibt Thomas bei dem Vergleich der Ordnung der Sakramente mit dem natürlichen Leben eines Menschen. Die Geburt ist vergleichbar mit dem, was Adam „eine gewisse Verähnlichung der Seelensubstanz mit dem göttlichen Sein und eine übernatürliche Stärkung der Seelenkräfte“144 genannt hat. Die Entwicklung des Menschen, die Thomas mit der perfectio in Verbindung bringt, ist vergleichbar mit der Reifung und Vollendung, die sich in der Firmung ereignet. Dass beide Sakramente in ihrem Verhältnis zur Passion Jesu und zum Sakrament der Eucharistie verstanden werden müssen, zeigt ihre innere Verbindung und das Ziel der perfectio, insofern sie das Ziel menschlichen Lebens darstellt: die Begegnung mit dem primus agens. Deshalb ist auch die spiritualis cognatio, die geistliche Verwandtschaft, nicht nur eine Wirkung der Firmung, wie Adam annimmt145, sondern sie wird durch Taufe und Firmung verwirklicht146, obwohl sie hauptsächlich im Eherecht thematisiert wird147, denn sie stellt ein impedimentum dar148. Die kirchliche Gemeinschaft ist demnach mit einer verwandtschaftlichen Beziehung vergleichbar, was sich auch daran zeigt, dass die Gläubigen in der Liturgie als Schwestern und Brüder angesprochen werden.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde an die Firmtheologie Thomas’ vermehrt die Frage gestellt, ob hier ein „Umfunktionieren der christlichen Initiation“149 Grund gelegt sei. Es geht hier um die innere Einheit der Sakramente von Taufe, Firmung und Eucharistie bei der Eingliederung in die Kirche. Thomas von Aquin hatte zwar die Zusammengehörigkeit dieser drei Sakramente herausgearbeitet, allerdings hatte er sie auch als eigene Sakramente unterschieden und damit die Entscheidung des Konzils von Florenz maßgeblich beeinflusst150. Man wird allerdings nicht ohne weiteres behaupten können, dass Thomas von Aquin mit Taufe und Firmung „zwei selbständige Sakramente“151 unterscheidet, wie Amougou-Atangana dies tut, als wäre von Thomas eine strikte Trennung zwischen Taufe und Firmung in die Theologiegeschichte eingeführt worden. Die innere Verwiesenheit beider Sakramente und der Bezug zur Eucharistie und Priesterweihe treten bei Thomas deutlich zu Tage. Überhaupt scheint Amougou-Atangana die Theologie Thomas’ sehr einseitig und offenkundig ausschließlich negativ zu beurteilen. Seiner Ansicht nach müsse, wenn von Entfaltung und Reife im menschlichen Leben die Rede sei, von der Eucharistie noch eher als von der Firmung gesprochen werden152. Genau dies hat Thomas aber auch getan als er von der perfectio gesprochen hat, die in Firmung und Eucharistie verliehen wird.
Hans Küng hält eine Trennung von Taufe und Geistmitteilung in den Schriften des Neuen Testaments für illegitim153. Sein Schüler Jean Amougou-Atangana fragt nach einem patristischen Autor, der die Unterschiedenheit von Taufe und Firmung bezeuge154. Diese Kritik an der Theologie Thomas’ blieb wiederum selbst nicht unhinterfragt. So wurde die Frage gestellt, ob es nun einzelne Theologen seien, die entscheiden, was ein Sakrament der Kirche ist oder was es nicht ist155. Sollen Fragen nach der Berechtigung einer von der Taufe und der Erstkommunion losgelösten Feier der Firmung überhaupt beantwortet werden können, dann laut Karl Lehmann „nur im Rahmen einer umfassenden neutestamentlichen Theologie des Geistes und der Taufe“156. Dass Lehmann allerdings auch fragt, ob man „an dieser Stelle kritischer sein [sollte,] als die Kritischen“157 zeigt die Problematik deutlich auf, denn die Initiationssakramente sind nur in der gegenseitigen Verwiesenheit von Taufe, Firmung und Eucharistie zu verstehen158.
Es lässt sich festhalten: Thomas von Aquins Firmtheologie wird von der menschlichen Biographie her entfaltet. Dazu gehört bei Thomas der Vergleich der Firmung mit der nativitas ex utero, der Stärkung des Menschen, und der perfectio per augmentum, der Vollendung und Vervollkommnung des Menschen in der Firmung. Der Sachfrage nach der Gemeinschaft können bei Thomas zugeordnet werden: die geistliche Verwandtschaft, die in Taufe und Firmung begründet werden und die Beziehung der Firmung zur Priesterweihe: in der Firmung soll der Christ als Privatmann tätig sein. Das Gottesbild in Thomas’ Firmtheologie ist von der Passion Christi und dem Pfingstereignis her geprägt. Als Gabe und Aufgabe erscheinen das öffentliche Bekenntnis des Namens Christi durch den Gefirmten, die spritiualis potentia per fortem confessionem. Dem Kriterium Glaubensleben können zugeordnet werden die perfectio formalis in der Firmung zur Besiegelung eines tugendhaften Lebens, die Ausrichtung der Firmung auf die Eucharistie und die Gottesverehrung sowie das Verständnis jeglichen rituellen Handelns in der Glaubensgemeinschaft Kirche, das vom Priestertum Christi her erklärt werden muss. Die Sachfrage Kommunikation wird von Thomas nicht explizit genannt, aber die spiritualis potentia activa beinhaltet die Ausübung heiliger Handlungen. Damit besteht eine Berechtigung, sie der Kommunikation zuzuordnen, weil Kommunikation nicht auf verbale Kommunikation eingeschränkt werden kann. Ebenso könnte hier noch das öffentliche Bekenntnis des Namens Christi genannt werden, das aber schon dem Themenbereich Gabe und Aufgabe zugeordnet wurde. Kennzeichen der Firmung als Passageritual ist bei Thomas das Verständnis der Firmung in Beziehung zu Taufe und Eucharistie und der Verbindung des Gefirmten mit Christus, der Quelle christlichen Lebens Zum Alter macht Thomas keine genauen Angaben, von seinem Ausgangspunkt Biographie her lässt sich aber folgern, dass die Firmung im Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter zu spenden ist, weil im Mittelalter das Jugendalter nicht kannte und das Erwachsenenalter als Vervollkommnung des Kindesalters verstanden wird. Es gelingt Thomas also verschiedene Sachthemen wie auch verschiedene Sakramente in die Ausdifferenzierung seines Verständnisses der Firmung zu integrieren. In der folgenden Tabelle werden die Ergebnisse zusammengefasst und den Sachthemen, die in Kapitel 1.1.5 vorgestellt wurden, zugeordnet. Das ergibt folgendes Bild:
Tabelle 3: Firmung bei Thomas von Aquin und Sachthemen
Firmung ist bei Thomas von Aquin…Sachthemen- …vergleichbar mit der nativitas ex utero: der Mensch wird gestärkt und kann als Christ exponiert stehen- …das Sakrament, das zur perfectio per augmentum führt: es geht um Reifung und Vollendung- …mit dem Gedanken der Vervollkommnung des Kindesalters ins Erwachsenenalter hinein verbunden, vom Jugendalter ist nicht die RedeBiographie- …mit der Taufe das Sakrament, das eine geistliche Verwandtschaft begründet- …in Beziehung zur Priesterweihe erklärt, wobei in der Weihe der Christ als führendes Glied der Kirche wirksam werden sollGemeinschaft- …wie alle Sakramente durch die Passion Jesu Christi wirksam- …wie die Taufe auch vom Heiligen Geist her wirksamGottesbild- …das Sakrament zum öffentlichen Bekenntnis des Namens Christi als Privatperson- …mit der spiritualis potentia per fortem confessionem verbundenGabe und Aufgabe- …das Sakrament, das zur perfectio formalis führt: sie besiegelt ein tugendhaftes Leben- …wie alle Sakramente auf die Gottesverehrung und damit auf das Sakrament der Eucharistie hin bezogen- …wie jegliches rituelles Handeln in der Glaubensgemeinschaft vom Priestertum Jesu Christi her zu verstehenGlaubensleben- …mit einer spiritualis potentia activa verbunden. Der Gefirmte ist ähnlich wie der Geweihte mit der Ausübung heiliger Handlungen betrautKommunikation- …nur in Beziehung zu Taufe und Eucharistie zu verstehen. Gerade in der Hinordnung auf die Eucharistie wird die Verbindung mit Christus als der Quelle christlichen Lebens Grund gelegtPassageritual- …im Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter zu spenden.AlterDie Firmung steht in Zusammenhang mit dem Handeln der Kirche und hat eine christologische wie auch eine pneumatologische Perspektive, nämlich das Wirken des Heiligen Geistes in den Sakramenten der christlichen Initiation. Die anthropologische Basis für die Taufe und die Firmung ist auf die Eucharistie und das Handeln Gottes am Menschen hin geordnet. Dieser Gedanke Thomas’ von der perfectio hat sicher auch heute noch seine Gültigkeit, vor allem dann, wenn man die eschatologische perfectio, das letztgültige Handeln des primus agens am Menschen, nicht aus den Augen verliert. Perfectio darf dabei allerdings nicht so verstanden werden, dass das Kindes- und Jugendalter als eine zu überwindende Zeit hin zum Erwachsenenalter erscheint, in dem dann letztendlich die perfectio erreicht wäre. Jedes menschliche Lebensalter hat im biographischen Kontext seine eigene Wertigkeit, Bedeutung und auch Problematik. Interessant ist zu beobachten, dass Thomas von Aquin das Sakrament der Priesterweihe zur Erklärung der Firmung heranzieht: in beiden Sakramenten geht es nämlich um die Ausübung heiliger Handlungen, bei der Weihe als führendes Glied der Kirche und als Amtsperson, bei der Firmung als Privatperson. Sogar ein Gedanke Hans Küngs und Jean Amougou-Atanganas wird von der Firmtheologie Thomas’ gestützt, insofern Taufe und Firmung als Sakramente der Geistmitteilung verstanden werden.