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Alle Missionsgesellschaften kamen in den Kolonien in Berührung mit der kolonialen Obrigkeit und Gesellschaft sowie deren weit reichender Problematik, schon bevor das Deutsche Reich 1884 aktiv in die Kolonial-Politik eintrat.148 Die Mehrheit in den Missionsgesellschaften war hinsichtlich einer engeren Zusammenarbeit zwischen Mission und den Kolonialbehörden zurückhaltend, da die durch die koloniale Expansion ausgelösten Probleme wahrgenommen wurden. Der deutsche Kolonialismus war allerdings eine Realität, die man auch in Missionskreisen explizit auf die eine oder andere Weise zur Kenntnis nehmen musste. Eine aktive Minderheit sprach sich dafür aus, dass man die aus der Situation entstehenden Möglichkeiten nutzen sollte. 1887 wurde in Bayern die Evangelisch-lutherische Missionsgesellschaft für Ostafrika gegründet, die sich fünf Jahre später mit der Leipziger Mission vereinigte.
Die Deutsch-ostafrikanische Evangelische Missionsgesellschaft, gegründet 1886, war in den ersten Jahren eine Art Appendix der Deutsch-ostafrikanischen Kolonialgesellschaft. Die Ausrichtung der Missionsgesellschaft war in den ersten Jahren jedoch so diffus, dass nicht klar war, welche Ziele sie verfolgte.149 Erst als 1890 Friedrich von Bodelschwingh in das Führungsgremium der Gesellschaft eintrat, setzte eine neue Entwicklung ein. Er wandelte sie in eine diakonische Mission um und bewahrte sie so vor der Auflösung. Innere und äußere Mission gingen eine enge Verbindung ein. Diakone, Diakonissen und Theologen, in den Betheler Anstalten ausgebildet, standen für die Mission zur Verfügung. 1906 wurde der Sitz der Gesellschaft nach Bethel verlegt und 1920 der Name in Bethel-Mission geändert. Das Kapitel der deutschen Kolonialmission |63| war damit abgeschlossen.150 Das Modell der Kolonialmission als Teil des kolonialen Projektes musste als gescheitert angesehen werden.
3.2.3.5. Die liberale Missionsgesellschaft
Auch liberale Kreise partizipierten an der kritischen Reflexion, die ab den 1840er Jahren über die bisherige Missionstätigkeit einsetzte. Im Juni 1884 konstituierte sich der Allgemeine Evangelisch-Protestantische Missionsverein (AEPMV) in Weimar.151 Dieser Ort war bewusst gewählt, da man «im Sinne der besten Traditionen des deutschen Idealismus Mission […] treiben» wollte.152 Ernst Buss, von 1884 bis 1893 Leiter des Missionsvereins, entwarf den Plan eines neuen Missionsunternehmens, das allen Christen offen stehen sollte: Auf dem Boden eines freisinnigen Protestantismus sollte die christliche Religion und Kultur unter den Heidenvölkern ausgebreitet werden.153
Die Missionare sollten ein lebendiges Zeugnis in Wort und Tat geben. Religionen und Kulturen wurden wertgeschätzt, an die in ihnen enthaltenen Wahrheitselemente angeknüpft. Die Missionare genossen eine akademisch-theologisch Ausbildung und waren bereit, sich mit fremdartigem Gedanken- und Kulturgut auseinander zu setzen.154
Der AEPMV gründete sich als kirchenpolitisch überparteiliche und übernationale Alternative zu den positiven und konservativen Missionsgesellschaften, welche die Mission bis dahin hauptsächlich getragen hatten. Das Ziel, für alle kirchlichen und theologischen Richtungen offen zu sein, konnte er jedoch nicht einlösen, er blieb «ein von den Liberalen getragener Verein».155 Die liberale Missionsbewegung wurde von Protestantenvereinen, Ritschl-Schule, Religionsgeschichtlicher Schule und namhaften Theologen wie Adolf von Harnack, Otto Pfleiderer, Richard Lipsius, Heinrich Bassermann und Max Müller unterstützt. Getragen wurde der AEPMV in Deutschland und in der |64| Schweiz durch die von anderen Missionsgesellschaften gut bekannte Form der Hilfsvereine. Trotz der schweizerischen Beteiligung war der Verein eine überwiegend deutsche Missionsgesellschaft mit einem starken nationalen und, daraus folgend, auch kolonialen Element.156
Als ‹Missionsobjekte› wurden nicht ‹ungebildete Naturvölker› angesehen, der geografische Schwerpunkt lag vielmehr vor allem auf den alten Kulturländern Asiens, Japan und China.157 Diese lagen nach Ansicht des AEPMV moralisch danieder und sollten durch die Mission kulturell wieder ‹aufgehoben›, den heimischen, rein äußerlichen Religionen das Christentum entgegengesetzt werden.158
Auf die Bildung eigener Gemeinden wurde verzichtet, weil man die bereits existierenden, vor allem amerikanischen und englischen Gemeinden nicht spalten wollte. Damit folgte man Adolf von Harnack, nach dem Missionare nicht den Protestantismus verkündigen sollten, sondern die Gotteskindschaft.159 Der AEPMV nahm fremde Kulturen und Religionen auf eine neue Art in ihren Eigenheiten wahr. Ansätze zu einer – vor allem kulturellen – Kontextualisierung christlicher Inhalte hatte es zwar in den anderen Missionen schon lange und immer wieder gegeben, doch lagen diese im Ermessen einzelner Missionare vor Ort und wurden von den Missionsleitungen in der Heimat nicht immer geduldet.160 Der Missionsverein hielt die Kontextualisierung sowie eine stark religionswissenschaftliche Ausrichtung seinen Statuten fest: «Sein Zweck ist, die christliche Religion und Kultur unter den nichtchristlichen Völkern auszubreiten, in Anknüpfung an die bei diesen schon vorhandenen Wahrheitselemente. […] Er sucht seine Aufgabe zu lösen: […] durch Förderung des Studiums der nichtchristlichen Religionen […]».161 Auch im Titel der liberalen Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft (1886-1911), in der – neben Beilagen im Kalender des Protestantenvereins, auf Flugblättern und durch Postkarten – für die liberale Missionssache und für Spenden geworben wurde, kommt dieser religionswissenschaftliche und akademische Anspruch zum Ausdruck.
Die etablierten Missionsgesellschaften blieben auf Distanz. Aus ihrer Sicht wurden die Ziele des AEPMV bereits kompetent von ihnen in Theorie |65| und Praxis erreicht. Die bewusst allgemein gehaltenen theologischen Leitlinien, die möglichst viele Missionsfreunde ansprechen sollten, kritisierten sie als dogmatisch zu beliebig. Trotz der in den Statuten festgehaltenen evangelischen Fundierung störten sich die anderen Missionsgesellschaften am Begriff der ‹Kulturmission›, für die das Evangelium immer nur in Verbindung mit Kultur, im Sinne einer ‹Völkerpädagogie› weitergegeben werden sollte und der christlichen Religion nur ein relativer Stellenwert eingeräumt wurde.162 Zu den Missionskonferenzen wurde der AEPMV deshalb gar nicht erst eingeladen und keine Redner aus seinem Umfeld angefragt.163
Im Umfeld der Missionsgesellschaften wurde der AEPMV offenbar vor allem im negativen Sinne wahrgenommen.164 Die ‹Kulturmission› war den Veränderungen unterworfen, welche die Bedeutung des Kulturbegriffs im ausgehenden 19. Jahrhundert durchlief. Theologisch und in seiner Missionsmethode wollte der Missionsverein mit seiner starken Betonung von kulturellem und religiösem Kontext in Ansätzen eine Alternative zu den anderen Missionsgesellschaften eröffnen und sich für alle kirchlichen Kreise öffnen. Einerseits stellte er tatsächlich eine Alternative zu den positiven und erwecklichen Missionsgesellschaften dar, andererseits war er als liberale Organisation theologisch genauso festgelegt wie pietistische, erweckliche und lutherische Missionsgesellschaften. In seinem Gebrauch von Druckmedien zur Schaffung einer eigenen Öffentlichkeit, schloss sich die liberale Mission an die Praxis der etablierten Missionsgesellschaften an. Die angestrebte Relativierung von konfessionellen Grundlagen rückte den AEPMV in die Nähe der überkonfessionellen Missionsgesellschaften. Mit der hohen Wertschätzung, den der AEPMV der akademischen Bildung der Missionare einräumte, lag er auf einer Linie mit den konfessionellen Missionsgesellschaften.
Die Frage, ob der liberale Missionsverein dem herrschaftsnahen oder dem herrschaftsfernen Missionstyp näher stand, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Für den herrschaftsnahen Missionstyp sprechen die starke Verankerung an den Universitäten und die Betonung der Kultur, die immer auch mit einer nationalen Mission einherging. Andererseits wurde auf die Erhaltung bzw. Sicherung des eigenen Amtes, ganz im herrschaftsfernen Sinn, kein Wert gelegt. Im Gegenteil: Es sollten keine eigenen Gemeinden gegründet werden, sondern die individuell Missionierten in ihren bereits bestehenden Gemeinden bleiben. «Deshalb wird man vergeblich nach handfesten Zahlen |66| suchen, nach Erfolgsbilanzen, die sich in getauften Seelen und gebildeten Gemeinden niederschlagen.»165 Und auch der Missionsverein selbst war dezidiert antihierarchisch aufgebaut und gegliedert.166 Gab es also aus missionstheologischer Sicht viele Elemente, welche den AEPMV mit den anderen Missionsgesellschaften verband, so unterschied er sich in seiner demokratischen Ausrichtung, die sich in der praktischen Arbeit vor Ort zeigte, deutlich von der Arbeit der anderen Gesellschaften.
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4. Die Basler Missionsgesellschaft
4.1. Entstehung und Vernetzung
Die Basler Missionsgesellschaft wurde 1815 als eines der zahlreichen ‹Reich-Gottes-Werke› der in Basel gegründeten Deutschen Christentumsgesellschaft gegründet.167 Sie sah sich ihrem Selbstverständnis nach in der Tradition des «guten, alten, gesunden Pietismus» stehen, dessen Erhalt eine Voraussetzung für den Fortbestand der Missionsgesellschaft war.168
Schon in der Person ihres Gründers, Johann August Urlsperger, der enge Kontakte nach England, aber auch nach Halle pflegte, wird die enge personelle und kommunikative Verknüpfung deutlich, an der die Christentumsgesellschaft und damit auch ihr ‹Ableger›, die Basler Missionsgesellschaft, partizipierte.169
Karl Friedrich Adolf Steinkopf, von 1795 bis 1801 Sekretär der Christentumsgesellschaft, aus Württemberg und eng mit den englischen Missionen verbunden, knüpfte erste Kontakte zu Mitarbeitern und Unterstützern sowie zu bereits bestehenden Missionsgesellschaften, von deren Unterstützung die zukünftige Missionsgesellschaft profitieren konnte. Durch ihn kam die Basler |68| Missionsgesellschaft in Verbindung mit der London Missionary Society und der Church Missionary Society. Zunächst wollte man in Basel nach dem Vorbild des Berliner Missionsseminars in einer eigenen Missionsschule die Missionare nur ausbilden, um sie dann im Dienst anderer Missionsgesellschaften in deren Missionsgebiete zu entsenden.170 Dies hatte pragmatische Gründe – die Basler Missionsgesellschaft verfügte anfänglich nicht über die Infrastruktur und die Mittel, ein eigenes Netz von Missionsstationen aufzubauen und zu erhalten. Steinkopf empfahl eine Zusammenarbeit mit der theologisch ähnlich ausgerichteten London Missionary Society.171 Weil die London Missionary Society jedoch genügend eigene Bewerber hatte, scheiterte dieses Vorhaben. Stattdessen ging die Basler Missionsgesellschaft eine enge Verbindung mit der Church Missionary Society ein.172 Jedoch unterstützte die London Missionary Society die Basler Missionsbestrebungen in der Anfangszeit und beschloss auf Anregung Steinkopfs eine Spende in Höhe von 200 Pfund «as a contribution to the first establishment of their Seminary».173 Von 1819 bis 1858 sandte die Church Missionary Society 102 Missionare aus, die im Basler Missionshaus ausgebildet worden waren.174 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts arbeitete Basel eng mit der Norddeutschen Missionsgesellschaft zusammen. 1850 war diese finanziell nicht mehr in der Lage, eine eigene Missionsschule zu unterhalten. Die Basler Missionsgesellschaft sprang helfend ein. Sie bildete in den folgenden |69| Jahrzehnten nicht nur eigene Missionare, sondern auch Missionare für die Norddeutsche Missionsgesellschaft aus.175
Erst ab den 1820er Jahren begann die Basler Missionsgesellschaft mit einer selbständigen Missionsarbeit. Die ersten Missionsversuche waren nicht von Dauer. Das erste Missionsgebiet ab 1821 in den deutschen und schweizerischen Kolonien an der Wolga musste 1835 auf Geheiß des Zaren Nikolaus I. aufgegeben werden. Die Missionsarbeit in der Kolonie Liberia in Westafrika dauerte nur von 1827 bis 1831. 1828 sandte sie dann jedoch erfolgreich die ersten Missionare an die Goldküste in Ghana, weitere Missionsgebiete waren Südindien ab 1834, China ab 1846 und ab 1886 Kamerun.176 Damit wurde sie zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der kontinentalen Missionen.177

Abb. 1: Missionshaus in Basel. Es handelt sich hier um das Haus an der Leonhardstraße, das ab 1819 das Missionsseminar, Lehrerwohnungen und Verwaltungsräume beherbergte. 1860 zog die Missionsgesellschaft in die Missionsstraße in der Nähe des Spaltentores um. Auf dem dortigen Grundstück errichtete sie das Missionsseminar, die Voranstalt, das Kinderhaus, Verwaltungs- und Ökonomiegebäude neu. |70|
4.2. Konfessionelles und theologisches Profil
Wie oben schon gezeigt, gehört die Basler Mission als erste Missionsgesellschaft im deutschsprachigen Raum zum Typus der überkonfessionellen Mission. Die Arbeit in den Missionsgebieten sollte frei sein von konfessionellen Einflüssen und sich allein auf die Botschaft des Evangeliums konzentrieren. Dadurch wurde eine Entscheidung für eine bestimmte Kirchenzugehörigkeit, deren Positionen die Missionare dann in ihrer Arbeit zu vertreten hätten, von vornherein ausgeschlossen. Und umgekehrt gab es keine kirchliche Gemeinschaft, ob frei- oder staatskirchlich, in welcher die Basler Mission ihre Positionen uneingeschränkt vertreten sah.178
In der Missionsgesellschaft arbeiteten von Anfang an Menschen aus der reformierten Schweiz und aus dem lutherischen Württemberg zusammen, wobei die Unterschiede in der religiösen, regionalen und sozialen Herkunft durch eine gemeinsame pietistische Überzeugung zumindest bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen wurden. Dabei zeichnete sich die Missionsgesellschaft durch eine Unsensibilität, vielleicht auch Ignoranz gegenüber der besonderen Problematik von Konfession und Kirche und den daraus resultierenden möglichen Gewissenskonflikten ihrer Mitarbeiter aus. Dies fiel vor allem bei der Zusammenarbeit mit der Church Missionary Society ins Gewicht, welche die pietistisch bzw. erwecklich geprägten Missionszöglinge aus dem lutherischen Württemberg und der reformierten Schweiz auf das anglikanische Bekenntnis ordinierte.179 Laut dem ersten Inspektor, d.h. Leiter der Missionsgesellschaft, Christian Gottlieb Blumhardt sollten Missionsgesellschaften keine eigene Theologie entwickeln, sondern lediglich die «Bibellehre» vertreten.180 Für ihn hatten weiterführende Gedanken über Ekklesiologie, Bekenntnis, Amt und Ordination keinen Platz in der Mission. Der Gewissenskonflikt, in den manche Basler Missionare durch die anglikanische Ordination gerieten, wurde zunächst von der Missionsleitung weder wahr- noch ernst genommen.
Die theologische Linie der Basler Missionsgesellschaft konnte leicht als «pragmatisch, ja opportunistisch begründete Anpassung an die bestehenden |71| Verhältnisse» gedeutet werden.181 Doch lässt dieser Vorwurf außer Acht, dass hier starke biblizistische, universalistische und eschatologische Motive aus der pietistischen Tradition und dem erwecklichen Umfeld eine Rolle spielten: Bekenntnisse waren von Menschen gemacht, was zählte, war die Konzentration auf das Wort Gottes und die aktive imitatio Christi und imitatio apostolorum, da nur diese für das Kommen des Reiches Gottes eine Rolle spielten. Zudem wurde das Kommen des Reiches Gottes nach den Berechnungen Johann Albrecht Bengels im Jahr 1836 erwartet. Die Naherwartung der Parusie machte viele weltliche Dinge sekundär. Es ist daher vermutlich kein Zufall, dass die Bereitschaft zu ‹konfessionellen Kompromissen› nach dem Ausbleiben von Christi Wiederkunft 1836 nachließ, was sich in der Entstehung der konfessionellen Missionsgesellschaften, aber auch in der zunehmend eigenständigen Missionsarbeit der Basler Mission auf eigenen Missionsgebieten äußerte.
4.3. Organisationsstruktur
Die Basler Mission war hierarchisch organisiert. Ihr Leiter, genannt Inspektor, war Vorsitzender des obersten Leitungskreises, des sogenannten Komitees. Die fünf Inspektoren, die der Missionsgesellschaft im 19. Jahrhundert vorstanden, stammten alle aus Württemberg, während das Komitee seine Mitglieder überwiegend aus dem Basler Großbürgertum rekrutierte.182 Die Dominanz württembergischer Missionsschüler und Missionare in den Anfangsjahren drückte sich auch im Basler Spitznamen für das Missionshaus aus: die «Schwabenkaserne».183 Die überkonfessionelle und transnationale Struktur der Missionsgesellschaft zeigte sich in ihrer Organisation und wurde zugleich von ihr garantiert. Das Komitee hielt, bildlich gesprochen, alle Fäden in der Hand, hier wurden alle Entscheidungen getroffen, hier wurden alle Informationen von den Missionaren, von Mitarbeitern, aus den Missionsgebieten und aus dem Missionshaus besprochen. Um diese Kontrolle aufrechterhalten |72| zu können, waren alle Missionare dazu verpflichtet, umfassend Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen und diese Berichte regelmäßig, ab 1850 vierteljährlich, an das Komitee zu schicken.184 Schon während der Ausbildung im Missionshaus wurden die zukünftigen Missionare dazu angehalten, ein Tagebuch zu schreiben, das jeden Sonntag dem Missionslehrer vorgelegt werden musste.185
Die Macht des Komitees speiste sich auch daraus, dass sowohl die Schüler des Missionshauses als auch die Missionare in den Missionsgebieten dazu angehalten wurden, einander gegenseitig zu kontrollieren und bei einem Fehlverhalten die Missionsleitung zu informieren. Dies sorgte für eine Atmosphäre des Misstrauens gegenüber den ‹Missionsbrüdern› sowie eine fast willenlose Unterwerfung unter die Autorität von Inspektor und Komitee, was verhinderte, dass sich die Missionare untereinander allzu sehr solidarisierten und sich gegebenenfalls bei Entscheidungen geschlossen gegen die Leitung wendeten.186 Zugleich war dieser stark kontrollierende Zug eine Folge der großen Expansion gerade unter dem Inspektorat Hoffmann und diente der Effektivität und Praktikabilität der gesamten Arbeitsabläufe in der Missionsarbeit.187 Dies äußerte sich zum Beispiel in der ausführlichen Berichterstattung und Korrespondenz, zu der das Leitungsgremium die Missionare verpflichtete. Gerade der Inhalt der Quartalberichte fand sich dann, in redaktionell bearbeiteter Form, in den Publikationen der Basler Mission wieder. Die hierarchische, zentralistische Organisation gehörte jedenfalls zu den Charakteristiken der |73| Basler Missionsgesellschaft, hemmte sie jedoch auch im Laufe des 19. Jahrhunderts in der Entwicklung zeitgemäßer missionarischer Konzepte wie zum Beispiel im Fall der Entstehung einer eigenständigen Frauenmission.
4.4. Die Entstehung der Basler Frauenmission
Frauen als Mitarbeiterinnen in der Mission waren in der Basler Mission zunächst eigentlich gar nicht vorgesehen.188 Dem ersten Inspektor, Christian Gottlieb Blumhardt schwebte das Ideal eines unverheirateten Missionars vor, der sein gesamtes Leben dem Herrn, den Heiden und der Missionsgesellschaft widmen sollte. Eine Verpflichtung zur Ehelosigkeit war für eine protestantische Missionsgesellschaft jedoch ausgeschlossen und nach einigen Jahren wurde deutlich, dass die ‹Heiratsfrage› einer offiziellen Regelung bedurfte.189 Im Dezember 1837 stellte Blumhardt allgemein gültige Heiratsgrundsätze in zwölf Artikeln vor.190 Die Stellung der Ehefrau eines Missionars war damit grundsätzlich geklärt, auch wenn die Kompetenzen und Bedürfnisse immer wieder neu definiert werden mussten und die Leitung die ehrenamtliche Arbeit der ‹Missionsbräute› erst nach und nach anerkannte.191
Der Arbeit von unverheirateten Frauen in der Mission stand die Basler Missionsgesellschaft jedoch sehr ambivalent – oder soll man sagen: noch ambivalenter? – |74| gegenüber. Die überkonfessionelle und internationale Ausrichtung der Gesellschaft sowie ihre starke Verbindung zu den englischen Missionsgesellschaften, legte eigentlich eine ähnlich arbeitende, selbständige Frauenmission nahe.192 Ab 1841 gab es in Basel ein eigenes Frauen-Missions-Komitee (FMK), das auf Initiative des Missionsinspektors Wilhelm Hoffmann gegründet wurde.
Ursprünglich sollte das Frauen-Missions-Komitee nach englischem Vorbild selbständig arbeiten, geeignete Frauen suchen und ausbilden und dann an geeignete Stellen in den Dienst der Basler Missionsgesellschaft vermitteln. Doch genau diese Selbständigkeit der Frauen in den englischen Missionen stieß in Basel und bei den anderen deutschsprachigen Missionen auf Kritik und wurde als mangelnde Anbindung an die Arbeit des Missionars gerügt. Im Zuge der Hierarchisierung und Zentralisierung, die in der Basler Mission in den 1840er Jahren und vor allem unter der Leitung von Hoffmanns Nachfolger Joseph Josenhans ab 1850 einsetzte, wurde das Frauen-Missions-Komitee wie auch die der Gesellschaft zuarbeitenden Hilfsvereine stärker in die Muttergesellschaft inkorporiert und die Arbeit durch das Komitee selbst koordiniert. Ansätze zur eigenständigen Arbeit wurden immer wieder von der Missionsleitung zurückgebunden, 1895 hörte das Frauen-Missions-Komitee endgültig auf zu existieren.193 Erst im Jahr 1901 gab es unter Friedrich Würz, Missionssekretär und Referent für Heimatfragen, einen Neuanfang und die Frauen in der Basler Mission wandelten sich bis 1925 von ‹Gehilfinnen› über ‹Missionsschwestern› zu gleichgestellten ‹Missionarinnen›.194
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