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Bertha und Anna und der Tod
… die letzte Reise von Annas Mama hat begonnen

von Sabine Marya
Engelsdorfer Verlag
Bibliographische Information durch die Deutsche Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag
Alle Rechte bei den Autoren/ Künstlern
Umschlaggestaltung: Sabine Marya
Coverbild: Sabine Marya
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Gertrude macht nicht „flapp, flapp“
Annas Mama ist dolle krank
Bei Dr. Huuse
Annas Mama kommt nach Hause
Annas Mama ist wieder zu Hause
Anna ist wütend
Was für ein Glück, wenn man gute Freunde hat
Hede mischt sich ein
Anna ist traurig
Anna fährt zum Deich
Deichbesuch
Deichschafbesuch
Es wird Sommer
Der letzte Sommer
Es wird Herbst
Es wird Herbst
Beerdigungplanerei
Der letzte Herbst
Schon wieder Streit
Tante Leni kommt
Bertha muss an den Deich
Bertha und der Tod
Der letzte Atemzug
Was für ein Glück, dass Tante Leni da ist!
Trotz allem, das Leben geht weiter …
Letzte Reise …
„Letzte Reise“ - von dem Liedermacher Gunter Reiter
Weitere Informationen

Moin, moin,
ich bin Bertha und lebe in Nordfriesland.
Von März bis Oktober arbeite ich als Deichschaf, was ein sehr wichtiger Job ist, denn Deiche schützen unsere Küste. Und in der Winterzeit stehe ich im warmen Stall von Bauer Hünning und denke über das Leben nach, was ebenfalls sehr wichtig ist. Am liebsten esse ich Popcorn und Möhren. Leider wächst beides nicht auf dem Deich und die meisten Menschen glauben immer noch, dass es Schafen ausreicht, nur Gras zu fressen. Tut es natürlich nicht, wenn das Leben bunt sein soll! Aber keine Sorge: ich sorge schon dafür, dass mein Leben bunt ist.
Wollt Ihr mehr darüber wissen? Da habt Ihr jetzt aber wirklich Glück, denn es gibt hier in Nordfriesland nicht nur Schafexperten, sondern auch so richtig gute Schafversteher wie Sabine Marya, die alles aufschreibt, was ich so erlebe und erzähle und worüber ich nachdenke.
Hier habt Ihr jetzt das neueste Bertha-Buch in der Hand: „Bertha und Anna und der Tod“. Im Gegensatz zu den anderen Bertha-Büchern, in denen der Spaß immer einen wichtigen Raum einnimmt, geht es hier um das für viele schwere Thema „Sterben und Trauer“. Deshalb nehmt Euch bitte für dieses Buch ganz viel Zeit und Ruhe und macht immer sofort eine Pause, wenn sich das für Euch richtig anfühlt. Alles braucht seine Zeit, auch das Beschäftigen mit diesem Thema – ganz besonders, wenn Ihr selber gerade Abschied nehmen müsst … Bleibt mit Euren Gefühlen bitte nicht alleine, sondern sprecht mit anderen über Eure Traurigkeit, Eure Wut, Eure Angst, Euren Schmerz und über alles andere, was Euch beschäftigt und belastet.
Viele liebe Grüße an Euch alle aus Nordfriesland, alles GUTE und Prost Möhrensaft, Eure Bertha.

Dieses Buch widmen wir allen kleinen und großen Leuten, die Abschied nehmen müssen, ganz besonders aber den Kindern der Kindertrauergruppe des Ambulanten HospizDienstes Husum & Umgebung e.V. und der kleinen Petra und der kleinen Bina

DANKE an alle, die dieses Buchprojekt so wunderbar unterstützt haben! Ganz besonders danken wir dem Team von Dawartz Bestattungen in Husum, v.a. Frau Ulrike Brede und Herrn Philipp Gerlach.



Es war ein klarer und sonniger Frühlingstag, an dem die ersten Wildgänse aus dem Süden zurück kehrten. Das Schwingen der Flügel und vereinzelte Rufe waren schon deutlich zu hören. Sie kamen also zurück! Mit einem Strahlen in den Augen hob Bertha den Kopf und suchte den Himmel nach ihnen ab, bis sie den Schwarm schließlich entdeckte.
„Wie schön“, flüsterte Bertha ganz andächtig. Wie jedes Jahr ging auch heute Berthas Herz ganz weit auf beim Anblick der Zugvögel. Gleichzeitig flogen ihre Erinnerungen natürlich wieder zurück zu den schönen Momenten mit ihrer Mama bei der Rückkehr der Gänse. „Jetzt ist er also wirklich da, der Frühling! Die Gänse läuten wieder den Frühling ein“, hatte Berthas Mama immer beim Anblick des ersten Schwarmes im Frühjahr gejubelt. Dann hatte sie ihren Kindern einen zärtlichen Schafkuss gegeben und sie zu einer Stelle mit besonders köstlichen Gräsern geführt, um diesen schönen Augenblick mit ihnen gemeinsam zu feiern.
Deshalb brachten die Gänse für Bertha nicht nur den Frühling mit ins schöne Nordfriesland, sondern auch immer eine wunderbare Erinnerung an ihre Mama, die letztes Jahr nach einem langen und zufriedenen Schafleben gestorben war.
Dankbar schaute Bertha den vorüber fliegenden Wildgänsen hinterher, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen waren. Dann wandte sie sich mit einem leisen Seufzer wieder dem lecker-saftigen Gras auf dem Deich zu. Doch bevor Bertha von einem besonders appetitlich aussehenden Halm abbeißen konnte, machte es nicht über ihr „flap, flap“.

Stattdessen landete Gertrude, die Silbermöwe, mit einem lauten „Rummsdibumms“ direkt vor Berthas Füßen.
Erschrocken hüpfte Bertha einen Schafsprung hoch nach oben und schrie dabei entsetzt auf: „Hilfe, Gertrude, liebste Freundin, was ist mit dir???“
Mühsam rappelte Gertrude sich auf und stupste ihre Freundin dann beruhigend mit dem Schnabel an. „Entschuldige bitte, Bertha, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich wollte einfach nur ausprobieren, wie das wohl wäre, wenn mich im Flug der Tod aus dem Leben reißen würde.“
„Hääääh, du hast was???“ Berthas Stimme klang vor Angst ganz schrill. „Aber Gertrude, du bist doch eine gesunde und starke und noch gar nicht so alte Möwe. Wie sollst du dann plötzlich sterben und dann noch mitten aus dem Flug heraus?“
„Aber Bertha“, schüttelte Gertrude mit dem Kopf, denn sie war eine weit gereiste Möwe und wusste deshalb ganz viel, „der Tod kommt doch nicht nur zu denen, die ein langes Leben hinter sich haben und schon sehr alt sind. Der Tod kommt zu Alten und Jungen, zu Gesunden und zu Kranken. Denke mal an meine Schwester Antonia, die hat sich ein Brötchen geschnappt, in das böse Menschen Gift hinein getan haben, weil sie Möwenhasser sind. Und meine Freundin Louise, die diesen schlimmen Unfall hatte, von einem Moment auf den anderen war sie tot. Es kann doch immer passieren, dass wir sterben, auch jetzt, in diesem Augenblick. Deshalb ist es doch auch so wichtig, jede Minute seines Lebens zu leben und es sich so richtig schön bunt zu machen. Und auch daran zu denken, dass man zu jeder Zeit seine Liebsten verlieren kann und deshalb mit ihnen alles Gute genießen muss. Und alles miteinander immer gleich zu klären, damit man den anderen nicht im Unfrieden verlassen muss.“
Zustimmend nickte Bertha. „Ja, da hast du jetzt aber wirklich recht. Trotzdem wünsche ich mir ganz, ganz dolle, dass wir beide noch sehr lange zusammen bleiben und noch viel Schönes miteinander teilen.“
„Das wünsche ich mir aber auch, meine allerliebste Freundin“, sagte Gertrude und kuschelte sich an Bertha.
Ach, was war das für ein schönes Gefühl, sich so zu spüren und einander so nahe zu sein. Ja, gute Freunde sind wirklich ein so großes Geschenk!


Annas Mama ist dolle krank
So saßen die beiden Freunde eng aneinander gekuschelt auf dem Deich und schauten auf die weite Wattlandschaft hinaus. In der Ferne waren die Halligen zu sehen und die ersten Priele füllten sich bereits mit Wasser.
„Wie schön wir es doch haben“, murmelte Bertha zufrieden. Doch dann fiel ihr etwas ein. „Ja, sage einmal, Gertrude, wie bist du überhaupt auf diese Idee vorhin gekommen, das auszuprobieren, wie das wohl wäre, wenn dich im Flug der Tod aus dem Leben reißen würde?“
Da wurde Gertrudes Blick ganz traurig und sie seufzte schwer. „Ja, das kam, nachdem ich vorhin auf der Fensterbank vom Krankenhaus-Arzt gehockt habe. Du weißt ja, dass Bauer Hünning und seine Frau heute dort den wichtigen Termin hatten …“
Alleine schon der Klang von Gertrudes Stimme machte, dass sich in Berthas Bauch so ein dicker Klumpen bildete, der drückte und zwackte. Das würde jetzt sicher keine gute Nachricht werden, das erkannte Bertha sofort. Schon seit Monaten war die Bäuerin schlimm krank. Zuerst musste sie operiert werden und danach lag sie immer wieder im Krankenhaus, wo sie ihre Medizin gegen die Krankheit bekam. Manchmal ging es ihr so schlecht von den Behandlungen, dass sie nicht einmal mit ihrer Tochter reden oder sich Annas schöne Bilder anschauen mochte.
Wie oft hatten Bertha und Gertrude schon mit der kleinen Anna deswegen geredet. Immer und immer wieder hatten sie ihr erklärt, dass es nicht Annas Schuld war, sondern die Schuld der Medikamente und dass ihre Mama sie wirklich dolle lieb hatte.
Es waren schon sehr viele Tage und Wochen und Monate vergangen und noch immer war Annas Mama so krank und es wurde einfach nicht besser. Nun hatten sie im Krankenhaus etwas Neues versucht und heute war die große Besprechung mit Dr. Huuse gewesen.
„Weißt du“, flüsterte Gertrude, „Bauer Hünning hat geweint …“
Schockiert sah Bertha ihre Freundin an. Der große, starke Bauer Hünning hat geweint? Oh weia, dann musste es ja richtig schlimm sein! Mit bangem Herzen wartete Bertha nun auf die schreckliche Nachricht, die unweigerlich folgen musste.
Gertrude beschrieb, wie Bauer Hünning und seine Frau vorhin auf den unbequemen Stühlen im Besprechungszimmer von Dr. Huuse saßen und sich an den Händen festhielten …



Bei Dr. Huuse
Dr. Huuse war ein so freundlicher und mitfühlender Arzt und es war ihm deutlich anzusehen, wie schwer es ihm fiel, mit den beiden zu reden. Schon bei der Begrüßung rieb er sich dabei mit dem Daumen an der Nase, ein alter Tick von ihm, wenn er unter schlimmer Anspannung stand. „Ich hätte so gerne eine bessere Nachricht für Sie und ihre kleine Tochter Anna gehabt, es tut mir so leid …“, begann er und seufzte leise. „Die Behandlung hat nicht so angeschlagen, wie wir es erhofft haben. Wir können nur noch Zeit gewinnen, aber …“
Ein lauter Schluchzer von Bauer Hünning unterbrach ihn, seine Schultern zuckten leise. Tränen rannen ihm über das Gesicht und er machte sich nicht einmal die Mühe, sie weg zu wischen. „Oh, Lena, ich will dich noch nicht verlieren …“, weinte er. Seine Frau schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn ganz, ganz fest, bis die Tränen von ihrem großen starken Mann schließlich wieder versiegten.
„Es tut mir so leid“, begann Dr. Huuse wieder, doch nun unterbrach ihn Frau Hünning.
„Wie lange noch?“, fragte sie. Ihre Stimme klang dabei ganz fest. „Ich muss wissen, wie viel Zeit ich noch habe. Ich habe eine kleine Tochter und …“
„Ich weiß, Frau Hünning. Also, wenn die Behandlung so weitergeführt wird, wenn wir die Dosis vielleicht sogar noch erhöhen, dann schaffen wir es vielleicht noch bis zum Winter …“
„Vor oder nach Weihnachten?“, fragte Annas Mama.
„Ich … ich weiß es nicht“, murmelte der Arzt leise.
„Also gibt es nicht einmal eine Garantie für ein letztes gemeinsames Weihnachten … Und wer weiß, wie das werden würde, wenn ich so schlimm krank bin. Also, wie lange habe ich noch, wenn ich jetzt nach Hause gehe und die Behandlung abbreche?“
„Das ist nicht so einfach“, Dr. Huuse schüttelte mit dem Kopf und rieb sich dabei noch doller als gewöhnlich mit dem Daumen an der Nase. So dolle, dass seine Nase inzwischen schon purpurrot angelaufen war. „Vielleicht noch bis zum Ende des Sommers … Aber das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Frau Hünning? Wir könnten doch noch …“
Doch Annas Mama schüttelte mit dem Kopf und sagte in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete: „Ich will nach Hause.“ Ja, und wenn Annas Mama sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, da war sie wie ihre Tochter, da gab es dann niemanden mehr, der sie hätte umstimmen können. „Ich habe schon vor diesem Gespräch darüber nachgedacht, Dr. Huuse, was ich will, wenn ich nicht wieder gesund werden kann. Ich habe gekämpft und getan, alles, was möglich war, auch für meine Tochter und für meinen lieben Mann.“ Dabei drückte sie ihrem Mann so fest, wie sie nur konnte, die Hand. „Wir alle haben es uns anders gewünscht. Aber nun müssen wir aufhören mit dem Kämpfen und dankbar sein, dass wir noch diese Zeit haben, voneinander Abschied zu nehmen. Und ich will zu Hause sterben, nicht hier in diesem Krankenhaus, auch, wenn alle immer so nett sind zu uns. To Huus blievt doch to Huus, Doktor Huuse.“
Dr. Huuse nickte. „Ja, Frau Hünning, Zuhause bleibt Zuhause, da haben Sie recht. Und Sie haben sich das alles ja schon so in den Kopf gesetzt und Ihr Mann ist offensichtlich auch ganz Ihrer Meinung, auch, wenn er keinen Ton hervorbringt nach dem Schock. Also, wann immer Sie uns brauchen, wir sind für Sie da. Zu jeder Zeit. Und wir werden Ihnen dabei helfen, alles zu organisieren, was Sie nun zu Hause brauchen, damit diese letzte Zeit für Sie alle drei so gut wie nur möglich werden kann …“
Und so kam es, dass Bauer Hünning und seine Frau nach dem Gespräch zurück in das Krankenzimmer gingen und gemeinsam die Sachen zusammen packten … Für die Heimreise …


Annas Mama kommt nach Hause
„Nun weißt du alles, liebe Bertha“, murmelte Gertrude traurig.
Auch Bertha hatte jetzt Tränen in den Augen. Sie mochte die Bäuerin so sehr. Immer war sie nett zu allen Menschen und Tieren, hatte immer gute Laune und freute sich an allem Schönen.
Oh, wie sehr hatte Bertha immer und immer wieder die Hufe gedrückt, dass Annas Mama wieder gesund wird. Und nun hatte alles Hufedrücken trotzdem nichts geholfen …
„Wie ungerecht“, schimpfte Bertha und stampfte vor Wut so dolle mit den Hufen auf, dass das Streberschaf mit gerunzelter Stirn zu ihnen hinüber sah und rief: „Bertha, so sieht doch keine ordentliche Deicharbeit aus!“
Zum Glück ließ Bertha sich jetzt nicht auf ein Streitgespräch mit dem Streberschaf ein, sondern erinnerte sich daran, was nun ihre allerwichtigste Aufgabe war: „Anna braucht uns jetzt. Schnell, Gertrude, wir müssen zum Hof. Anna kommt gleich aus der Schule und dann werden ihre Eltern ihr sagen, warum ihre Mama wieder zu Hause ist …“
Gertrude nickte. Wie recht Bertha doch hatte! Also machten die beiden Freundinnen sich auf den Weg, um so schnell wie nur möglich bei Anna zu sein.
Denn so ist das bei Freunden: man ist füreinander da und tröstet sich gegenseitig in der Not.


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