- -
- 100%
- +
„Harry, bitte mache Dir keine Vorwürfe! Es war ja auch nur so ein Gedanke gewesen. Ich finde schon noch jemanden. Mal schauen, vielleicht kann ich ja zur Not Daniel oder Thomas dazu bringen, wenigstens für ein paar Stunden auf Marybeth aufzupassen und Kindermädchen statt Bodyguard zu spielen.“
„Es tut mir leid.“
„Oh Gott, Harry! Wie höre ich mich bloß an?“, stöhnte Jane plötzlich.
Irritiert blickte Harry von seiner Kaffeetasse auf. „Was meinst Du?“
„Was bin ich nur für eine Rabenmutter? Andere haben auch nicht das Privileg, ein Kindermädchen zu engagieren und verbringen auch wunderbare Ferien!“
„Jane, andere sind auch nicht ständig auf Reisen oder stehen in der Öffentlichkeit. Du bist sogar auf Kindermädchen angewiesen!“, versuchte Harry seine Schwägerin wieder zu beschwichtigen.
„Nein, das meine ich doch gar nicht! Ich versuche hier gerade meine Tochter zu verschachern! Aber bin ich nicht gerade diejenige gewesen, die sich immer dagegen verschworen hatte, Marybeth überhaupt jemand anderem anzuvertrauen?!“ Unweigerlich fing Jane an zu weinen.
„Hey Jane! Was ist denn los? Du bist schon seit geraumer Zeit so komisch. Was bedrückt Dich wirklich? Es ist nicht nur die Sache mit dem Kindermädchen. Es hat doch einen ganz bestimmten Grund, warum Du dieses Jahr nicht nach Klosters willst, stattdessen ausgerechnet nach Wales, wo sich selten die Presse hin verirrt.“ Jane schluckte. „Na los, sag schon, worüber streitet ihr zwei Euch schon wieder?“, hakte Harry unbeirrt weiter nach.
„Es ist nichts, wir streiten uns doch überhaupt nicht!“, versuchte sich Jane herauszureden.
„Ach nein? Na, dann verstehe ich gar nicht, warum erst vorgestern William bei mir war und mich um Rat bat.“ Entsetzt sah Jane ihren Schwager an. „Jane, William ist mein Bruder!“
„Ich weiß. Und worüber habt ihr gesprochen?“, fragte Jane unsicher.
„Über alles Mögliche, zum einen, dass Granny Euch nun ihren kompletten Terminkalender aufgedrückt hat und dass Du eben im Moment sehr unausgeglichen bist und beim kleinsten Missverständnis aus der Haut fährst. Zum anderen haben wir uns aber auch darüber unterhalten, dass sich William über weiteren Nachwuchs freuen würde“, erklärte Harry sachlich.
„William wünscht sich noch ein zweites Kind?“
„Sag jetzt nicht, dass Du das nicht weißt?!“, kam es geschockt von Harry. Jane schluckte. „Jane?“ Statt einer Antwort erfolgte nur ein schüchternes Nicken. „Und wie steht es mit Dir?“, fragte Harry besorgt.
„Ich habe Angst“, gestand Jane ehrlich.
„Hast Du das schon einmal William gesagt?“ Jane schüttelte den Kopf, und erneut stiegen Tränen in ihr auf. „Oh Jane, was soll ich nur mit Dir machen? Kein Wunder, dass William nicht weiß, wie er im Moment an Dich herankommen soll. Statt mit ihm darüber zu reden, verschweigst Du ihm Deine Sorgen und mischst Dich lieber in anderer Probleme ein.“
„Entschuldige, ich wollte Dir aber wirklich nur helfen! Dass das mit Isabel nicht geklappt hat, tut mir leid.“
„Ist doch auch nicht Deine Schuld. Und ich fand es ja auch süß, wie ihr alle versucht habt, mich mit ihr zu verkuppeln. Dabei hast Du aber selbst genug Probleme und machst mal wieder den gleichen Fehler wie schon einmal …“
„Was meinst Du?“, unterbrach Jane Harry.
„Du rennst vor Deinen eigenen Sorgen davon. Du weißt, was das letzte Mal passiert ist! – Hast Du deswegen Angst, erneut schwanger zu werden?“
„Schon möglich“, seufzte Jane.
„Dann rede endlich mit William!“
„Habe ich ja auch vor! Deswegen will ich ja nach Wales. Nur dort haben wir Ruhe.“
„Doch dafür brauchst Du ein Kindermädchen …“, fasste Harry zusammen und seufzte. „Meinst Du nicht, dass Du Melissa für die zwei Wochen privat von Dir aus noch einmal engagieren kannst? Ich meine, das sollte doch möglich sein?!“, schwenkte Harry das Gespräch zu dem eigentlichen Thema wieder zurück.
„Den Gedanken hatte ich auch schon. Aber leider ist Melissa ebenfalls zu der Zeit im Urlaub. Es ist ihr letzter bezahlter Urlaub, ehe sie sich nach einer neuen Anstellung umschauen muss.“
„Na prima, irgendwie läuft gerade wohl alles etwas schief. Und wenn Du mal in der Familie nachfragst? Charles und Camilla nehmen Marybeth doch bestimmt gerne. Oder Lisa oder Sarah?“
„Natürlich, aber eigentlich wollte ich doch Marybeth mitnehmen und für zwei olle Tage kommt keiner nach Wales gereist, da könnten wir dann auch gleich hier bleiben oder nach Klosters fahren“, erklärte Jane.
„Wo ihr dann wieder einen ganzen Schwarm von Journalisten an Euren Hacken hättet!“
„Korrekt.“
„Ach Jane, warum bist Du nicht bloß schon zwei Tage vorher mit Deiner Frage zu mir gekommen?! Mitch hat die Reise nun gebucht und das wäre echt blöd, wenn ich jetzt wieder absage.“
„Nein, auf keinen Fall! Du fährst nach Klosters! Irgendwie geht das schon. Marybeth schläft ja auch irgendwann einmal …“ Harry grinste. Jane tat es ihm gleich.
„Na gut, ich werde dann jetzt mal wieder nach Hause gehen.“
„Ist gut. Aber versprich mir vorher noch eines: Passt auf Euch auf! Drück Marybeth Thomas in den Arm und gehe mit William einen ganz langen Spaziergang machen und sprecht Euch endlich einmal richtig aus! Wenn alle Sorgen und Probleme vom Tisch sind, dann klappt das bestimmt auch mit dem Familienzuwachs. Versprochen?“
„Okay, versprochen.“
Auf dem Heimweg dachte Jane noch einmal über Harrys Worte nach: Er hatte Recht, sie lief wieder einmal vor ihren eigenen Sorgen davon und das war nicht gut, denn seit die Sache mit Isabel und Harry aus dem Ruder gelaufen war, hing auch Janes und Williams Haussegen schief und so ganz wollte sich das alles nicht wieder einrenken. Nur gut, dass davon Elisabeth oder die Presse noch keinen Wind bekommen hatten. Sonst würde die Hölle losbrechen. Und um nun endlich alles wieder irgendwie ins Lot zu bringen, wollte Jane nach Wales. – Schön wäre es natürlich, wenn sie bis dahin noch ein Kindermädchen, das ihr recht war, auftreiben könnte …
Was Jane jedoch nicht wusste, war, dass William ebenfalls auf Kindermädchensuche ging. Und sein Weg führte ihn direkt zu Isabel: Unangemeldet stand er in der Tür des Kindergartens. Es war gerade Mittagsruhe. Isabel machte derweil ein wenig sauber und räumte die am Boden liegenden Spielsachen wieder an ihren angestammten Platz. Als sie Prinz William vor sich stehen sah, ließ sie vor Schreck gleich wieder alles fallen. Entsetzt starrte sie ihn an.
„Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?“, fragte William im Flüsterton.
„Was wollen Sie, Euer Hoheit?“, kam es recht kühl von Isabel.
William schluckte. Hatte nicht Jane gesagt, dass Isabel freundlich und zuvorkommend ihr gegenüber war? William atmete noch einmal tief durch, ehe er begann, weiterhin im Flüsterton zu sprechen und Isabel dabei half, die heruntergefallenen Kuscheltiere wieder aufzusammeln: „Meine Frau hat mir erzählt, dass Sie ab und an auf meine Tochter für ein paar Stunden aufpassen.“
„Das ist richtig“, erwiderte Isabel.
„Und so wie es scheint, verstehen Sie sich mit meiner Tochter ganz ausgezeichnet.“
„Ja, Marybeth ist ein kleiner Sonnenschein …“
„Ja? Aber nur wenn sie will!“, kam es sarkastisch von William. Irritiert sah Isabel den Prinzen an. „Verzeihung, ich habe nur laut gedacht.“
Isabel wischte das Statement mit einer Handbewegung aus dem Raum und fragte noch einmal eindringlich: „Was wollen Sie?“
„Ehm, warum ich hier bin: In gut einer Woche stehen zwei Feiertage an, an denen haben Sie doch sicherlich geschlossen, oder? Ich wollte Sie fragen, ob Sie eventuell an denen, also zum übernächsten Wochenende hin, Zeit und Lust hätten, mit mir und meiner Frau nach Wales zu kommen, um dort für drei Tage auf unsere Tochter aufzupassen?“
Isabel verstand nur Bahnhof und so schaute sie auch den Prinzen an.
„Prinzessin Jane und ich haben uns entschlossen, an dem besagten Wochenende für zwei Wochen nach Wales zu fahren, um dort einen kleinen Familienurlaub zu machen. Leider haben wir derzeit keine Kinderfrau für Marybeth und da ich gerne mit meiner Frau auch ein paar Stunden allein sein möchte, bräuchten wir für diese Zeit jemand Qualifizierten, der sich um unsere Tochter kümmert. Meine Tochter hat schon viel von Ihnen geschwärmt, so dass mein erster Gedanke Ihnen galt. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie zusagen könnten. Sie haben auch keine Unkosten: Kost und Logis sind natürlich frei, sowie der Flug und die Fahrt nach Wales und der dortige Aufenthalt. Das heißt, egal was Sie allein oder gemeinsam mit meiner Tochter unternehmen würden, wird von uns getragen“, erklärte William sachlich und ausführlich. „Darüber hinaus würden wir Sie für die drei Tage auch entsprechend bezahlen.“
„Ihnen müsste doch eigentlich klar sein, wie meine Antwort ausfallen wird. Daher frage ich Sie, Euer Hoheit, warum Sie sich diesen Weg nicht gleich gespart haben? Meine Antwort lautet: Nein!“
„Sie sind noch immer sauer auf Harry und schlecht auf mich zu sprechen. Verständlich! Trotzdem möchte ich Sie bitten, noch einmal darüber nachzudenken. Es geht hier weniger um mich oder um meinen Bruder – der wird übrigens nicht mit dabei sein, falls dies Ihre Befürchtung war. – Es geht hier einzig und allein um meine Frau und meine Tochter, die sie ins Herz geschlossen hat“, sagte William ruhig und gefasst.
„Aber ich gehe mit ihr nicht anders um als mit den anderen Kindern! Ich schenke ihr eher viel zu wenig Aufmerksamkeit als sie es sonst wohl gewohnt ist! Wie kann da Ihre Tochter so von mir eingenommen sein?“, kam es verwirrt von Isabel.
William lächelte sanft. „Das kann ich Ihnen erklären: Meine Tochter ist recht früh vor dem eigentlichen Geburtstermin zur Welt gekommen und ist daher sehr empfänglich für Krankheiten oder sensible Situationen. Das soll heißen, dass sich bislang in ihrem Umfeld nur wenige Kinder aufhielten. Und da sie meist nur von hypervorsichtigen Erwachsenen umgeben ist, gefällt es ihr hier bei den anderen Kindern und vor allem bei Ihnen sehr gut; eben weil Sie sie nicht wie ein rohes Ei behandeln! Sie haben ihr gezeigt, wie man Pferde malt! Es sind ihre Lieblingstiere. Sie sieht somit stolz zu Ihnen auf und spricht viel von Ihnen.“ Isabel war unwohl und sie musste sich setzen. William tat es ihr gleich und setzte sich ihr gegenüber. „Miss Canningham, es wären nur drei Tage, um mehr bitte ich Sie gar nicht. Sie würden meiner Tochter damit eine riesige Freude machen und mir und meiner Frau die Möglichkeit geben, sorgenfreie Ferien zu verbringen. Fern von all den Alltagssorgen und Presseterminen …“
Isabel starrte auf ihre zusammengefalteten Hände in ihrem Schoß.
„Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, wenn Sie gestatten? Meine Frau ist seit der Geburt unserer Tochter nicht mehr die, die sie einmal war. Ihre Psyche hat einen gewaltigen Knacks abbekommen. Seitdem haben meine Frau und ich uns auf eine besondere Art voneinander entfernt. Nicht, dass unsere Ehe gefährdet wäre. Jedoch hätte ich gerne die Frau wieder, die ich damals geheiratet habe. Wir wollten diesen Urlaub dazu nutzen, uns wiederzufinden und brauchen wie gesagt nur drei Tage, in denen wir unsere Tochter geborgen wissen und uns ganz auf uns konzentrieren können …“ Isabel zog verwirrt die Stirn kraus. William schmunzelte. „Ich weiß, das muss sich für Sie ziemlich konfus und völlig unverständlich anhören. Doch ich möchte nicht genauer ins Detail gehen, weil Ihnen dies ganz bestimmt nicht recht wäre. Bitte überlegen Sie es sich einfach noch einmal. Danke.“ Danach erhob sich William und ging.
Er wusste nicht, ob er es geschafft hatte, Isabel zu überreden oder nicht. Aber einen Versuch war es wenigstens wert.
Nach neun Tagen hatte er jedoch leider noch immer keine Antwort von Isabel erhalten und langsam wurde die Zeit bis zur Abreise knapp. In vier Tagen sollte es losgehen. Gezwungenermaßen begab sich William erneut zum Kindergarten, doch er war heute aus privaten Gründen geschlossen. William seufzte, aber er gab nicht auf. Vielleicht war Isabel bei sich zu Hause anzutreffen und so fuhr William geradewegs zum Haus der Familie Canningham. Isabels Mutter öffnete ihm mit einem überraschten Gesicht die Tür: „Guten Tag, Euer Hoheit. Was kann ich für Sie tun?“
„Guten Tag, Misses Canningham. Ich wollte eigentlich zu Ihrer Tochter“, gestand William.
„Was hat sie denn jetzt schon wieder angestellt?“, kam es sogleich erbost von Misses Canningham.
William lachte. „Nein, um Gottes Willen, sie hat nichts angestellt! Ich hatte ihr vorletzte Woche lediglich ein Angebot unterbreitet und warte eigentlich nur noch auf eine Antwort ihrerseits.“
„Und um was für ein Angebot handelt es sich; wenn ich fragen darf?“
„Ehm, ich hatte höflich bei Ihrer Tochter angefragt, ob sie für drei Tage als unser Kindermädchen tätig werden könnte. Wir wollen nach Wales mit unserer Tochter und unser Kindermädchen ist leider verhindert“, erklärte William in Kurzform.
„Nun ja, Isabel ist heute auf einem Seminar. Wie lange hat die Antwort denn noch Zeit?“, fragte Misses Canningham.
„Eigentlich drängt es etwas. In vier Tagen soll es losgehen!“
„Ehm, einen kleinen Moment Geduld bitte, ich muss mal in den Kalender meiner Tochter schauen. Vielleicht kann ich darin ersehen, ob sie da kann.“
„Das wäre sehr lieb, vielen Dank.“
Als Misses Canningham zurückkam, lächelte sie. „Euer Hoheit, meine Tochter wird kommen!“
William atmete erleichtert auf. „Das freut mich zu hören.“
„Müssen noch irgendwelche Unterlagen ausgetauscht werden oder brauchen Sie noch irgendwelche Daten von meiner Tochter?“
„Eigentlich müsste nur noch dieser Vertrag unterzeichnet werden …“
„In Ordnung, wenn meine Tochter nachher nach Hause kommt, wird sie ihn gleich unterzeichnen. Ein Taxifahrer bringt Ihnen den Vertrag dann heute Abend noch vorbei.“
„Bitte keine Umstände, wir schicken einen Boten. Wäre Ihnen sieben Uhr recht?“
„Sechs Uhr geht auch schon. Gegen fünf erwarte ich meine Tochter zurück.“
„Okay. Ich lasse dann morgen die Flugtickets und den Scheck vorbeibringen.“
„Was für einen Scheck?“, fragte Misses Canningham überrascht.
„Natürlich erhält Ihre Tochter eine entsprechende Vergütung für Ihre Tätigkeit in unserem Haus!“
„Ach so, natürlich“, berichtigte sich Lindsay Canningham. „Ich wusste nicht, dass Vorkasse bei Ihnen üblich ist.“
William schmunzelte. „Ist es eigentlich auch nicht, da wir allerdings ganze vierzehn Tage weg sein werden, wäre es Ihrer Tochter unfair gegenüber, sie so lange warten zu lassen.“ Fragend blickte Isabels Mutter Prinz William an. „Der Scheck wird von unserer Hausbank ausgestellt und die ist nun einmal in London und nicht in Wales und da dies ein kurzfristiges und privates Geschäft ist, geht es so schneller! Ich vertraue Ihrer Tochter“, ergänzte der Prinz.
Ich aber nicht, kam es Lindsay Canningham in den Sinn. Laut sagte sie jedoch: „Ich wünsche Ihnen, Euer Hoheit, dann noch einen schönen Tag.“
„Danke, ich wünsche dies Ihnen und Ihrer Familie ebenfalls.“
Kaum hatte Lindsay die Tür geschlossen, griff sie auch schon nach dem nächstbesten Stift und unterzeichnete im Namen ihrer Tochter den Vertrag. Punkt sechs Uhr kam wie vereinbart der Bote vorbei und holte die Papiere wieder ab. Lindsay saß mit einem selbstgefälligen Lächeln in ihrem Rollstuhl und wartete schon sehnsüchtig darauf, dass um sieben ihre Tochter wieder nach Hause kam.
Und so war es dann auch. Gegen sieben kam Isabel von ihrem Seminar zurück und setzte sich geschafft mit einer Tasse Tee an den Küchentisch. Vor ihr lagen zwei Blatt Papier, die das Siegel des Königshauses trugen. „Mum, was ist das?“, fragte auch Isabel sogleich.
„Was steht denn drauf? Ich denke, Du kannst das lesen …“
„Gerade deswegen frage ich Dich ja!“
„Nun gut, dann will ich es Dir erklären: Ich habe den Windsors Deine Zusage für drei Tage Betreuung von der kleinen Prinzessin Marybeth zukommen lassen“, sagte Lindsay gänzlich ruhig.
„Du hast was?!“, schrie Isabel entsetzt auf. „Wie kommst Du dazu? Was ist, wenn ich absagen wollte …“
Fragend sah Lindsay zu ihrer Tochter herüber.
„Ja, was ist, wenn ich an diesem Wochenende schon etwas anderes vorhabe? Du kannst doch nicht einfach in meinem Namen zusagen!“, beschwerte sich Isabel.
„Aber Kind, erstens bin ich davon ausgegangen, dass das bereits schon geklärt war, sonst hätte Prinz William wohl kaum den Vertrag persönlich vorbeigebracht und außerdem ist mir nicht bekannt, dass Du an dem Wochenende schon etwas anderes vorgehabt hättest.“
„Mum, es ist mein Leben und es sind meine Entscheidungen!!! Ich muss Dich nicht immer in Kenntnis setzen, wenn ich etwas unternehme! Ich bin alt genug, ich brauche keinen Aufpasser!“, beschwerte sich Isabel.
„Das weiß ich doch, das meinte ich doch auch gar nicht! Aber bislang hast Du mir immer gesagt, wenn Du etwas vorhast; eben damit ich mich darauf einstellen kann gegebenenfalls allein zu sein …“ Isabel schluckte, denn ihre Mutter hatte Recht. Seit sie im Rollstuhl saß, sagte sie ihrer Mutter immer schon mindestens eine Woche vorher Bescheid.
„Mum, ich kann nicht! Ich kann nicht für die Windsors arbeiten!“, kam es daraufhin kleinlaut von Isabel.
„Weil es Deine Freunde sind? Aber ich dachte, gerade deshalb! Schau mal, es ist doch auch für Dich einmal eine günstige Gelegenheit hier wegzukommen“, sagte Lindsay.
„Sie sind nicht meine Freunde. Und schon gar nicht Prinz William!!!“
„Also das verstehe ich jetzt nicht, erkläre es mir bitte.“
„Das kann ich nicht!“
„Isabel?!“, hakte Lindsay ernst nach.
Isabel schluckte. „Ich hasse die Windsors, einer ist schlimmer als der andere!“
„Habt ihr Euch gestritten? Du und Harry?“
„Was?!“, kam es entsetzt und völlig irritiert von Isabel.
„Na, ich denke, ihr habt Freundschaft geschlossen? Jetzt sagst Du auf einmal, dass sie nicht Deine Freunde sind und Du sie hasst. Dann müsst ihr Euch doch gestritten haben …“
„Oh Gott, Mum! Nichts dergleichen ist wahr! Ich habe nie mit Prinz Harry oder mit einem der anderen Freundschaft geschlossen! Ich habe Harry eine knallharte Abfuhr verpasst …“, gestand Isabel unter Tränen.
„Und warum lügst Du mich dann an?“
„Ich weiß es nicht! Ich war sauer! Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben“, weinte Isabel.
„Nur dass Du mich damit vor den Windsors ziemlich blamiert hast!“
„Was meinst Du?“
„Ich habe vor einiger Zeit Prinz Harry getroffen und ihn gefragt, ob er mit der lockeren Freundschaft zu Dir klarkommt.“
„Oh Gott, nein!“, japste Isabel.
Lindsay lachte bitter auf. „Oh doch! Ich musste von ihm erfahren, dass es keine Freundschaft gibt. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken!“
„Es tut mir leid, das wollte ich ganz bestimmt nicht!“
„Schon gut. Es sei Dir verziehen, schließlich habe ich ja auch nicht ganz mit offenen Karten gespielt, als es um Deine neue Betriebsstätte ging. Die Umstände waren halt alle nicht gerade die besten; aber ich wollte nur das Beste für Dich!“, sagte Lindsay ruhig und strich ihrer Tochter zärtlich übers Haar.
Nach einer Weile hatte sich auch Isabel wieder beruhigt und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Unschlüssig sah sie auf die Vertragskopie.
„Und fährst Du nach Wales?“, fragte Lindsay ihre Tochter.
Isabel seufzte. „Ich weiß nicht, ob das so gut ist.“
„Meinst Du nicht, dass Du die drei Tage unbeschadet überstehst? Es ist doch nur für ein Wochenende. Außerdem sollst Du Dich ja mit Marybeth beschäftigen und nicht mit Prinz William und seiner Frau!“
„Na schön, ich fahre hin. Es sähe wohl auch ziemlich blöd aus, wenn ich jetzt noch absagen würde?!“
„Ich kann Dich nicht zwingen. Es war auch nicht meine Absicht. Ich war einfach nur so wütend darüber, dass Du mich belogen hast! Es tut mir leid. Es war wohl eine Kurzschlussreaktion …“
„Das ist also Deine kleine Rache!“
„Sozusagen …“, kam es kleinlaut von Isabels Mutter und sie wurde anstandshalber rot.
Isabel musste schmunzeln. „Und danach sind wir quitt und können uns wieder ehrlich in die Augen sehen und uns vertrauen?“
„Ja!“, kam es todernst von ihrer Mutter.
Isabel seufzte. „Dann werde ich jetzt mal langsam meine Sachen packen. Außerdem muss ich gestehen: Ich freue mich sogar auf Marybeth. Sie ist nämlich eine ganz Süße! Sie war übrigens einen Dienstag und die letzten zwei Freitage für ein paar Stunden bei mir in der Kita.“
„Was?!“, kam es überrascht von Lindsay. „Und warum erzählst Du mir das erst jetzt?“
„Na, eben aus Angst, dass meine kleine Flunkerei aufgeflogen wäre …“, erwähnte Isabel.
Lindsay fing prompt an zu lachen. „Tja, Lügen haben bekanntlich kurze Beine!“ Isabel fiel ebenfalls in das Gelächter ein und Mutter und Tochter lagen sich wieder friedliebend in den Armen.
Kapitel 10
Am frühen Donnerstagnachmittag wurde Isabel mit einer Limousine abgeholt, die sie direkt zum Flughafen fuhr. Von dort aus ging es dann mit dem Flugzeug direkt nach Wales. Anschließend wurde sie in den kleinen, verschneiten Ort Abergarenny gebracht. Mit gemischten Gefühlen stand Isabel um Punkt sechs Uhr abends dann vor der Villa, in dem die Windsors ihren kleinen Familienurlaub verbringen wollten. Zaghaft klopfte sie an die Tür. Prompt wurde ihr von einem Bediensteten die Tür geöffnet. Fragend schaute der Mann älteren Semesters auf Isabel herunter. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Guten Abend, mein Name ist Isabel Canningham, ich bin …“
„Das Kindermädchen! Kommen Sie herein. Sie werden bereits erwartet. Und sollten Sie Fragen haben, wenden Sie sich ruhigen Gewissens an mich, mein Name ist Thomas Christie; Butler und Sicherheitsbeauftragter in einem“, erwiderte Thomas freundlich lächelnd.
Isabel errötete und trat ein. Vor ihr präsentierte sich ein gewaltiges Foyer. Rechterhand ging eine breite Treppe ins obere Stockwerk und vor ihr befanden sich drei große Flügeltüren, die in angrenzende Zimmer führten. Auf der linken Seite waren große Fenster, die den Blick auf die schneebedeckte Landschaft freigaben. Isabel kam sich mal wieder völlig fehl am Platz vor und sie erinnerte sich prompt an das Treffen mit Harry in seinem Arbeitszimmer im Buckingham Palast. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre gleich wieder davongerannt. Doch da musste sie jetzt durch!
„Darf ich Ihnen Ihren Mantel abnehmen?“, fragte Mister Christie höflich und zuvorkommend.
„Danke. Gerne“, stammelte Isabel und blieb danach weiterhin wie angewachsen stehen. Thomas musste schmunzeln. Irgendwie erinnerte ihn die Situation an das erste Aufeinandertreffen von William und Jane auf Balmoral.
„Kommen Sie, meine Dame, ich zeige Ihnen erst einmal Ihr Zimmer.“
Isabel atmete tief durch und folgte dann Mister Christie in die obere Etage. Gleich das erste Zimmer rechterhand war ihres. Es war ein ganz gewöhnliches Gästezimmer im pompösen Stil der königlichen Familie: Viele Sitzmöglichkeiten, antikes Mobiliar, verschnörkelte Lampen und ein großes, dickes Federbett. Isabel musste unweigerlich lächeln. Ihr gefiel das Zimmer, sie kam sich vor wie in einem Traum statt in der Realität. Doch in diese rief sie Mister Christie schnell wieder zurück: „Miss Canningham, darf ich Ihnen nunmehr Ihren Arbeitsbereich zeigen.“
„Natürlich“, kam es kleinlaut von Isabel. Gleich rechts neben ihrem Zimmer blieben sie vor der verschlossenen Tür stehen.
„Ich melde Sie bei den Herrschaften an“, erklärte Mister Christie kurz. Unweigerlich musste Isabel schlucken.
Doch schon öffnete sich die Tür wieder und Marybeth kam auf den Flur gelaufen. „Tante Bell! Bist Du jetzt mein Kindermädchen? Au ja!“, strahlte Marybeth.
Rein reflexartig hockte sich Isabel hin und nahm Marybeth in ihre Arme. „Hallo, kleine Maus.“
William lächelte. Prompt wurde Isabel knallrot. William übersah dies wissentlich und begrüßte Isabel freundlich: „Guten Abend, Miss Canningham. Schön, dass Sie es einrichten konnten. Meine Frau wird auch gleich zu uns stoßen, sie sieht nur gerade in der Küche nach dem Rechten.“
„Guten Abend, Euer Hoheit“, gab Isabel mit brüchiger Stimme von sich und machte einen etwas verunglimpften Hofknicks.