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Luft macht Dinge leicht, flüchtig und fähig zum Aufstieg in höhere Sphären. Anaximenes hielt sie statt Wasser oder Erde für die wahre Essenz aller Dinge, das Urelement. Ihre vorherrschende Qualität ist Feuchtigkeit, die sie sich ausdehnen und aktiv ausbreiten lässt. Zusammen mit dem Feuer ist Luft das aktive Element, der Atem des Lebens in allen Kreaturen. Sie ist der Wind, der die Natur belebt, der Blitz als Zeichen der Götter, und der Raum für alle Bewegung und Lebensprozesse. Sie wird oft durch das Licht charakterisiert, den Geruch der Natur, den Flug der Vögel und das Prinzip der Schöpfung.
Feuer verfeinert, raffiniert und verbindet Dinge. Es durchdringt und trennt. Seine Kraft ist sowohl schöpferisch (es spendet Wärme) als auch zerstörerisch (es verbrennt alles). Es überwindet die Kälte von Erde und Wasser und bewahrt deshalb die Harmonie zwischen den Elementen. Feuer war das Urelement in der Philosophie des Heraklit – es war das Agens der Transformation, das dynamische Prinzip der Veränderung in der gesamten Natur. Heraklit glaubte an die Wandlungsfähigkeit der gesamten Natur, in der es keinen Anfang und kein Ende gibt und die Dinge beständig durch das Feuer in einem Kreislauf fließen und sich verändern: Die Welt löst sich im Feuer auf und erschafft sich erneut aus dem Feuer. „Die Welt, eine Wesenheit aus allem, wurde weder von Göttern noch von Menschen erschaffen, sondern war, ist und wird ewig lebendiges Feuer sein, das regelmäßig entzündet und regelmäßig ausgelöscht wird.”6
Die Elemente bilden auch den lebenden Organismus. Erde waren die Knochen von Menschen und Tieren, die Luft das Fleisch, Feuer der Lebensgeist und Wasser die Säfte. Genauso die spirituellen Gaben. Nach Agrippa ist, Feuer das Verständnis, Luft der Verstand, Wasser die Imagination, und Erde die Sinne. Die Sinne unterteilte er noch in Unterkategorien:
Das Sehen ist feurig, weil es ohne Feuer und Licht nichts wahrnehmen kann; das Gehör ist luftig, weil ein Ton aus Luftbewegung besteht; der Geruch und Geschmack ähnelt dem Wasser, ohne dessen Feuchtigkeit es keinen Geruch oder Geschmack gibt; und das Gefühl schließlich ist ganz irdisch und seine Sache sind die groben Körper.7
Der Fluß der Elemente erzeugt die Energie, die die ganze Schöpfung, das Leben und alle vitalen Prozesse im Universum ermöglicht. Die gängigste Richtung der Umwandlung war folgendermaßen: Erde wird zu Wasser, Wasser wird zu Luft, Luft wird zu Feuer und Feuer wird zu Erde – wodurch der Prozess zum Anfang zurückkehrt und erneut beginnt. Die primäre Bewegkraft der Wandlung war das Feuer, wie Heraklit erklärt: „Die Transformationen des Feuers sind zuallererst das Meer, und eine Hälfte des Meeres ist Erde und die andere Hälfte ist leuchtender Blitz. Alle Dinge werden durch Feuer ersetzt und Feuer durch alle Dinge.”8 In Heraklits Lehre sind die üblichen Muster der „Rotation“ umgekehrt: „Das Feuer lebt den Tod der Erde, und die Luft lebt den Tod des Feuers, das Wasser lebt den Tod der Luft und die Erde den des Wassers.”9 Dasselbe Muster ist in Empedokles Reinigungen zu finden. Außerdem unterschied Empedokles zwei Primärkräfte, die die Elemente dazu veranlassen, sich zu trennen und zu verbinden: Streit und Liebe (Eris und Eros). Feuer als die Bewegkraft der Umwandlung kann mit dem Prinzip des Streits gleichgesetzt werden, weil der Streit zwischen den Gegensätzen die Quelle der Schöpfung und der Lebensenergie ist. Die Wandlung der Elemente konnte auch nach folgendem Muster gesehen werden: Wasser – Anpassung, Luft – Ausdehnung, Feuer – Erzeugung, und Erde – Schrumpfung. Dieses Muster des natürlichen Wechsels spiegelt sich in vielen anderen Phänomenen der Natur wie den Jahreszeiten, den Stadien des menschlichen Lebens, dem zyklischen Aufstieg und Fall von Institutionen und anderen Dingen.
Der vierfältige Kreislauf der Natur korrespondiert mit den vier Phasen des Mondes – das erste Viertel, der Vollmond, der abnehmende Mond und die dunkle Phase des Neumonds. Ebenso war das menschliche Leben dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt unterworfen, wie es das Gesetz des Karma besagt, das kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung, das über eine Lebenszeit hinaus reicht. Menschen sterben und werden in einem kosmischen Prozess wieder inkarniert, und all ihre vergangenen Taten beeinflussen die folgenden Inkarnationen. Die Welt ist ein Ozean von Leben und Tod, das Rad der Zeit, das das Schicksal aller lebenden Geschöpfe und alle Prozesse in der Natur beherrscht.
In heidnischen Traditionen unterliegt nicht nur das menschliche Leben dem Kreislauf der Wiedergeburt, sondern die ganze Welt verändert sich zyklisch. So u.a. in der nordischen Mythologie, wo Ragnarök nicht das abschließende Ende der Welt ist, sondern zu ihrer Wiedergeburt führt. Es ist der Neuanfang. Entsprechende Konzepte sind das hinduistische eines zyklischen Schicksalstages, an dem Kali die Welt zerstört. Kali ist die Göttin der Zeit, Kala. Sie ist das Prinzip der Zerstörung und Auflösung, der Nacht, der Dunkelheit und des Todes. Ihre erhobene Hand mit dem Schwert erinnert an den Tod, doch in der anderen Hand hält sie Sangrail, den Vinum sabbati, das Elixier des Lebens. Sie tanzt auf der Leiche von Shiva, was den Tod bedeutet, aber ihr Tanz findet auf seinem erigierten Penis statt, was den Samen der neuen Schöpfung impliziert. Die monotheistische Apokalypse ist das jüngste Gericht, die endgültige Zerstörung der materiellen Welt. Die Zeit ist hier linear. In heidnischen Traditionen ist die Zeit zyklisch. Alles stirbt und wird wiedergeboren. Der Tod ist ein beständiger Initiator neuen Lebens. Das Rad der Zeit dreht sich beständig, es gibt keinen Anfang und kein Ende.
Der Fluß der Elemente und das Prinzip der Transformation sind auch Thema der Alchemie. In der alchemistischen Transmutation wird die Erde zu Wasser, wenn sie geschmolzen oder aufgelöst wird, Wasser wird zu Luft durch Kochen, Luft wird zu Feuer (einen trockenen Dunst) durch Erhitzen, und Feuer wird wieder zu Erde, indem es zu einem festen Material kondensiert. Symbolisch wird das durch die vier alchemistischen Prozesse dargestellt (Nigredo – Erde, Albedo – Wasser, Citrinitas – Feuer, Rubedo – Luft)10, in denen Materie aufgelöst und wieder kondensiert wird nach der Formel solve et coagula. In der Phase des Nigredo werden die alten Strukturen aufgelöst und können verfaulen (putrefizieren). Dies ist der Beginn des alchemistischen Prozesses, in dem die prima materia weiteren Veränderungen erfährt. Im Stadium des Albedo wird sie zu Silber transmutiert und dann auf der Stufe der Citrinitas das Silber zu Gold. Die Rubedo als letzte Phase veredelt das Gold mit dem Geist und ermöglicht dadurch die Vollendung des alchemistischen großen Werkes. Der Prozess wird in einem Kerotakis, einem Rückflusskondensator durchgeführt, einem der ältesten alchemistischen Instrumente. Der Kerotakis besteht aus zwei symmetrischen Gefäßen, die eins über dem anderen miteinander verbunden sind. Diese zwei Gefäße entsprechen den hermetischen Prinzipien der „oberen Dinge” und der „unteren Dinge” und wurden oft Himmel und Erde (manchmal auch Hades) genannt. Im Kerotakis wird die Materie in Geist umgewandelt und die Elemente ineinander. Es gibt eine beständige Zirkulation zwischen aktiven und passiven Prinzipien, heiß und kalt, feucht und trocken. Das Ziel des Prozesses ist der Stein der Weisen, in dem alle Elemente vereint sind. Dadurch repräsentiert der Stein selbst das fünfte Element, die Quintessenz. In einem alchemistischen Text aus dem sechzehnten Jahrhundert ist zu lesen: „Unser Stein ist aus den vier Elementen” und sie alle sind zu gleichen Teilen darin vereint.
Die Quintessenz ist die Einheit aller gegensätzlichen Qualitäten, die in den Elementen enthalten sind. Sie wird oft als das feurige Wasser und das wässrige Feuer beschrieben. Sie ist die heilige Hochzeit (hieros gamos) der Gegensätze: Venus und Mars, oder Liebe und Streit nach Empedokles. Luft (manchmal Erde) ist das Prinzip, das die Grundpolaritäten im alchemistischen Prozess versöhnt: Feuer (repräsentiert durch Merkur) und Wasser (Venus oder Mond). Luft enthält die Wärme des Feuers und die Feuchtigkeit des Wassers, deshalb ist sie ein natürlicher Vermittler zwischen den Polaritäten. Die Quintessenz ist das alchemistische Kind der Vereinigung der Gegensätze, wie in der Tabula Smaragdina zu lesen ist: „Die Sonne ist sein Vater, der Mond seine Mutter, der Wind hat es in seinem Bauch getragen und die Erde ist die Amme.” Dieses Prinzip wird auch durch den Tarottrumpf „Die Mäßigung” repräsentiert, wo das göttliche Kind das Symbol der vereinigten Elemente ist.

Diese Vereinigung wird oft als Hexagramm dargestellt, das Symbol des Ausgleichs zwischen den Gegensätzen. Das Hexagramm enthält gleichzeitig die Dreiecke von Feuer und Wasser und die Zeichen von Luft und Erde. Sie könnte auch als das Kreuz dargestellt werden, das übliche Emblem der Quaternio, der vierfältigen Vereinigung. In diesem Sinne repräsentieren die vier Arme des Kreuzes die vier Elemente und sein Zentrum die Quintessenz. Der vertikale Arm des Kreuzes repräsentiert auch die Axis mundi, die Verbindung zwischen den unteren und den oberen Welten, während der horizontale Arm die Erde und die Welt der Menschen und Tiere bezeichnet. Um das Ziel der Alchemie zu erreichen, ist sowohl der Aufstieg (die Sublimation) als auch der Abstieg (die Koagulation) nötig. Zusammen stellen sie die alchemistische Circulatio dar, die die Basis für den Prozess der Transmutation ist. Wie C.G. Jung erklärt:
Diese Zirkulation entspricht dem Kampf zwischen dem geflügelten [Quecksilber] und dem flügellosen Drachen [Schwefel], d.h. dem Ouroboros. Dorn beschreibt es als ‚die zirkuläre Destillation‘ … Sie werden zu einem Gefäß, in dem das, was zuvor ein Ding war und nun ein anderes ist, vibrierend fließt, so dass die schmerzhafte Spannung zwischen den Gegensätzen sich allmählich in eine bilaterale Aktivität in einem Punkt im Zentrum verändert.11
Die Schlange Ouroboros, die Jung erwähnt, ist eine der ältesten Allegorien der zyklischen Transformation. Ihre ältesten Abbildungen stammen aus Ägypten, wahrscheinlich aus der Zeit um 1600 v.u.Z. und das Symbol wurde oft von den Gnostikern verwendet, um den Urzustand der Natur darzustellen. Ouroboros zerstört sich selbst, heiratet, verschlingt und spendet Leben. Dies ist die Einheit der Gegensätze und die ursprüngliche Selbstgenügsamkeit. Es kann als die Vereinigung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Prinzip interpretiert werden, wobei eine Hälfte des Körpers weiß und die andere Hälfte schwarz ist. Diese zwei Farben seines Körpers entsprechen dem chinesischen Yin-Yang-Symbol, in dem das weiße Yang das männliche Prinzip und das schwarze Yin das weibliche darstellt. Ouroboros gehört zu zwei gegensätzlichen Sphären, der aktiven und der passiven, der positiven und der negativen, der kreativen und der destruktiven. Er ist das Symbol des Urzustandes der Existenz, der Licht und Dunkelheit enthält, Selbstzerstörung, aber auch Fruchtbarkeit und schöpferisches Potential. Er ist das Stadium, bevor die Gegensätze definiert und geteilt wurden.
Säfte und Temperamente

„Säfte bringen Leben … Wenn sie hervorsprudeln, sind sie entweder unangebracht in der sozialen Welt, in der wir selbst unsere Haut verstecken müssen, oder sie bringen Tod. Aber im Leben haben sie immer die Kluft zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren gefüllt.”12
Der Ursprung der Theorie der „Säfte” kann auf die ältesten Kulturen zurückgeführt werden. Die frühesten Aufzeichnungen tauchen in sumerischen Schriften auf. In Indien gab es eine Lehre der vier elementaren Körperflüssigkeiten in der hinduistischen Medizin. Ähnliche Aufzeichnungen sind in altägyptischen Texten zu finden. Die Humoralpathologie jedoch wurde von griechischen Philosophen und Ärzten entwickelt. Im fünften Jahrhundert v.u.Z. schrieb Hippokrates das erste einflussreiche Werk zu diesem Thema, den Corpus Hippocraticum. In einem Teil davon, der den Titel Von der Natur des Menschen trägt, entwickelt der Autor eine medizinische Lehre über das Verhältnis zwischen den Elementen und den Säfte im menschlichen Körper. Ihm zufolge war die Natur des Menschen ein Teil desselben kosmologischen Prinzips, das in allen lebenden Geschöpfen existierte. Eine ähnliche Analyse der Elemente ist auch in den Schriften von Plato und Aristoteles zu finden. Auf der Basis all dieser Überzeugungen formulierte der bekannte griechische Arzt Galen im zweiten Jahrhundert seine Lehre der vier Temperamente, von denen jedes einem bestimmten Körperflüssigkeit zugeschrieben war. Das Verhältnis zwischen ihnen war in Galens System wie folgt:

Der Überzeugung folgend, dass einer der Säfte immer vorherrschend war, wurde jeder Person ein bestimmtes Temperament zugeordnet. Man sagte, dass die Säfte durch die Adern von der Leber zum Herzen befördert wurden und der Ausgleich zwischen ihnen für ein richtiges Funktionieren des Organismus nötig war. Eine überschüssige Menge von einer einzelnen war die Quelle von Krankheit und körperlichen oder geistigen Störungen. Dies galt insbesondere für die schwarze Galle. Die Hauptquelle der schwarzen Galle und der Melancholie war nicht die Leber, sondern die Milz. Der Begriff „Spleen” (Milz) wurde im siebzehnten Jahrhundert zu einem Synonym für Schlechtgelauntheit und ein „Splenetic” war eine gehässige und schlechtgelaunte Person. Abnormerweise konnten die Säfte in Form eines Dunstes direkt zum Gehirn aufsteigen. Solche Dünste erzeugten Erkrankungen und düstere Gedanken. Ein Saft konnte auch durch übermäßige Hitze verbrannt werden. Dieses Phänomen wurde oft als „melancholisches Ausbrennen” bezeichnet, selbst wenn es einen der anderen Säfte betraf.
Man hielt ihre Rolle für enorm wichtig: Die Säfte waren die lebenspendende Feuchtigkeit des Körpers, das aktive Lebensprinzip, die vitale Hitze, die mit den Feuern und Energien im Innern der Erde korrespondierte. Außerdem spiegelten sie die Strukturen und Phänomene des umgebenden Kosmos. Frieden und Harmonie des Universums spiegelten sich in einer friedlichen Einstellung des Menschen, während Stürme und Erdbeben als Leidenschaften und dynamischer Teil der menschlichen Natur angesehen wurden. Die Säfte waren auch die Quelle des spirituellen Zustandes des Menschen: Die Leber produzierte den natürlichen Geist, das Herz den vitalen Geist und das Gehirn den tierischen Geist. Die Ausgeglichenheit der Säfte war ein Zeichen von Gesundheit, während Störungen und Erkrankungen aus einer Störung dieser natürlichen Harmonie resultierten.
Die Lehre der Säfte und ihrer Korrespondenzen und Funktionen im menschlichen Organismus wurde von dem mittelalterlichen Gelehrten Avicenna (Ibn Sina) in seinem Kanon der Medizin dargelegt. Ihm zufolge besteht der menschliche Körper aus den Organen, der vitalen Energie (Thymos), den Säfte und den Elementen. Diese elementaren Qualitäten sind untrennbar mit allen körperlichen und geistigen Prozessen verwoben, was die Quelle der Temperamente und ihrer Eigenschaften bildet:
Sanguinisch: Fröhlich, optimistisch, mutig, erfindungsreich, gewitzt, freundlich. Blut ist der Saft einer ausgeglichenen Natur, die dem Körper Stärke und Farbe verleiht. Es ist rot, salzig und seine Quantität übersteigt die der anderen Säfte. Herrscht von 3 Uhr bis 9 Uhr früh und nimmt im Frühjahr zu.
Cholerisch: Ungeduldig, leicht provozierbar, verräterisch, aufbrausend, zu Neid und Stolz neigend, extravagant und rachsüchtig. Die gelbe Galle, die dieses Temperament beherrscht, mäßigt die Feuchtigkeit im menschlichen Körper und versorgt das Blut mit einer durchdringenden Qualität. Sie ist gelb oder rot und bitter. Sie durchdringt und öffnet Passagen und hält den Körper davon ab, schwer und schläfrig zu werden. Sie herrscht von 9 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags und dominiert im Sommer.
Phlegmatisch: Schwerfällig, blass, schläfrig, müßig und langsam. Das Phlegma mäßigt die Stärke, Hitze und Dicke des Körpers. Es ist üblicherweise weiß, wässrig und süß. Es befeuchtet und ernährt das Gehirn und die beweglichen Teile des Körpers. Es herrscht von 3 Uhr bis 9 Uhr nachmittags und steht mit dem Herbst in Verbindung.
Melancholisch: Introspektiv, starrsinnig, argwöhnisch, sorgenvoll, mit wechselnden Launen. Die schwarze Galle mäßigt die Knochen, die Milz und die festen Teile des Körpers. Sie ist schwarz und sauer. Sie verdickt das Blut. Die schwarze Galle herrscht von 9 Uhr abends bis 3 Uhr früh und nimmt im Winter zu, wenn auch die Stimmung sich verdickt und die Leute träge werden.
Ein charakteristisches Temperament macht jedes Individuum zu einem einzigartigen Mikrokosmos, der bestimmte Ähnlichkeiten mit anderen Mikrokosmen hat, aber niemals mit ihnen identisch ist. Die Funktion der Säfte war nach Avicenna und seinen Anhängern die Quelle der Lebenskraft (Pneuma oder Thymos), die Verbindung zwischen dem Körper, der Seele und dem Geist. Die Lebenskraft erhielt das Leben, erzeugte Gefühl und Bewegung, und wurde mit der Verdauung der Nahrung, Wachstum und Fortpflanzung in Verbindung gebracht.
Der Einfluss der Säfte wurde auch mit dem der Planeten verglichen. In seinen Drei Büchern der Magie schrieb Agrippa, dass alle Dinge unter dem Saturn der Traurigkeit und Melancholie dienen, die unter dem Jupiter dem Frohsinn und der Ehre, die unter dem Mars der Kühnheit, Auseinandersetzung und Wut, die unter der Sonne dem Ruhm, Sieg und Mut, die unter der Venus der Liebe, Lust und Begehrlichkeit, die unter dem Merkur der Redegewandtheit, die unter dem Mond einem gewöhnlichen Leben. Agrippa schrieb auch alle Taten und Einstellungen von Menschen den Planeten zu: Saturn herrscht über alte Männer, Mönche und melancholische Menschen sowie verborgene Schätze und „solche Dinge, die durch lange Reisen und Schwierigkeiten erlangt werden können”, Jupiter herrscht über die Religiösen, Prälaten, Könige und Herzöge und „solche Art von Gewinn, die gesetzlich zu erlangen ist”, Mars herrscht über Barbiere, Chirurgen, Ärzte, Unteroffiziere, Metzger, Henker und „alle, die Feuer machen, Bäcker, und Soldaten, die überall als martialische Menschen bezeichnet werden” usw. Jeder Planet soll eine bestimmte Wirkung auf das weltliche Leben haben und sein Einfluss spiegelt sich in der Physiologie und der Wesensart von Menschen. Das menschliche Wesen und die umgebende Welt existierten in einer perfekten Harmonie, und das Wissen über die Prozesse, denen das kosmische Gleichgewicht unterliegt, war der Schlüssel zu Langlebigkeit, Gesundheit und Unsterblichkeit des Geistes. Die Korrespondenzen zwischen den Säften, Planeten und Elementen können wir deshalb in eine Vergleichstabelle zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos aufzeigen:

In der Jungianischen Psychologie korrespondieren die vier Elemente mit den vier Funktionen der Psyche: Empfindung, Gefühl, Denken und Intuition. Im spirituellen Sinne werden sie durch den ätherischen, den astralen, den mentalen und den kausalen Körper repräsentiert. Philosophen glaubten, dass das menschliche Wesen alle Qualitäten des Makrokosmos vereint, materielle wie spirituelle. Da sie drei Komponenten des menschlichen Geistes unterschieden (den vitalen, den natürlichen und den animalischen), hielten sie die Säfte für die konkretere Repräsentation dieser spirituellen Anlagen – in Form der Elemente stiegen sie im menschlichen Organismus in einem Zirkulationsprozess auf und ab, der die materiellen und immateriellen Teile des Menschen miteinander verband, was den Menschen zu einem vollständigen Mikrokosmos machte. Deshalb sahen die Denker der Antike und der Renaissance den Menschen als harmonische Reflektion und Ausgleich des ganzen Universums. Dies ist am Beispiel der neoplatonischen Rede an die Würde des Menschen, Pico della Mirandolas (1463 - 1494) zu sehen, die das menschliche Wesen als „den Vermittler zwischen den Geschöpfen, … den Herrn der Dinge unter ihm” oder „den Deuter der Natur” versteht. Diese Situation stattet den Menschen mit einem enormen Potential an Wandlungsfähigkeit und Kreativität aus.
Die esoterischen Korrespondenzen der Elemente

„Magie ist die höchste Wissenschaft, die auf unserem Planeten existiert, weil sie sowohl das Metaphysische lehrt als auch die metaphysischen Gesetze, die auf allen Ebenen gültig sind.”14
Die Lehre der Elemente und ihrer zahlreichen Korrespondenzen wurde zur Grundlage vieler Arten magischer Praxis von der Antike bis heute. Rituale, Zeremonien und andere Feiern und Festlichkeiten basierten auf dem Kontakt mit der Natur, und die Rolle der Elemente war dabei immer von großer Bedeutung. Die Meisterung der umgebenden Welt war untrennbar mit der Meisterung der Prinzipien verbunden, aus denen das Universum bestand. Viele Rituale beinhalteten die Invokation von Elementarkräften, entweder zum Zweck der Reinigung wie in Bannritualen oder bei der Arbeit mit Kräften, die mit bestimmten elementaren Energien assoziiert wurden. Gottheiten, Dämonen, Engel, Elementale und andere Wesenheiten, die die Magier und Priester bei ihren Operationen beschworen, standen oft in Verbindung mit einem der vier Elemente, und die Struktur der magischen Operation basierte auf diesen Korrespondenzen.
Deshalb wurden die Elemente auch mit den vier Himmelsrichtungen assoziiert: Erde – Norden, Wasser – Westen, Luft – Osten und Feuer – Süden. Um den Kontakt mit den Energien der jeweiligen Richtung herzustellen, werden bestimmte Zeichen, Glyphen und Beschwörungen verwendet. Hier sind z.B. elementale Pentagramme zu nennen, die in Invokations- und Bannungsritualen verwendet werden. Die Elemente und die Himmelsrichtungen werden auch durch bestimmte Gottformen, Geister oder andere Wesenheiten repräsentiert. Unter den mythologischen Gottheiten, die mit den Elementen assoziiert und in magischen Operationen beschworen wurden, können wir folgende Beispiele nennen:
Erde
Aditi (hinduistisch) – die große Mutter, Aker (ägyptisch) – Gott der Erde, Anu (irisch) – Göttin des Landes und Muttergöttin der Tuatha de Danaan, Ceres oder Demeter (griechisch/römisch) – Göttin des Wachstums und der Fruchtbarkeit, die Wechselfrau (Apachen) – Göttin der Erde, Cerne oder Herne (keltisch) – gehörnter Gott / Geist der Wälder, Cernunnos (irisch/keltisch) – gehörnter Gott des Waldes und Wächter der Erdmysterien, Dionysos oder Bacchus (griechisch/römisch) – Gott des Weins und der Ekstase, Gaia (griechisch) – Erdgöttin, Geb (ägyptisch) – Gott der Erde, Gwynn ap Nudd (walisisch) – Gott der Unterwelt und der wilden Jagd, Hades oder Pluto (griechisch/römisch) – Gott der Unterwelt, Hlödyn (isländisch) – Göttin der Fruchtbarkeit, Min (ägyptisch) – Gott der Fruchtbarkeit, Nerthus – germanische Mutter Erde, Nu Kua (chinesisch) – Göttin der Schöpfung, Pan (griechisch) – die dunkle Gottheit der Natur und der Sexualität, Rhea (griechisch) – Göttin der Berge, Tezcatlipoca (toltekisch) – Gott des Krieges, des Todes, des Nordens, des Nachthimmels und der Unterwelt
Wasser
Amphitrite (griechisch) – Göttin des Meeres, Anuket (ägyptisch) – Göttin des Nils, Aphrodite (griechisch) – Göttin der Liebe und Schönheit, Apsu (babylonisch) – Got des Süßwassers, Chnum (ägyptisch) – Wächter der Nilquelle, Danaiden (griechisch) – Töchter des Danaus, die in den Hades verbannt wurden, um ewig Wasser in ein bodenloses Gefäß zu füllen, Glaukos (griechisch) – Gott der Seefahrer, Luturna (römisch) – Göttin der Quellen, Lyr oder Lir (keltisch) – alter König der Ozeane, Mimir – nordischer Wächter des Brunnens der Weisheit, Naiaden (griechisch) – Nymphen der Bäche, Quellen und Fontainen, Nimue (keltisch- arthurianisch) – Dame des Sees, Ningyo (japanisch) – Fischgöttin, die, wenn sie gegessen wird, ewige Jugend und Schönheit garantiert, Oceanos (griechisch) – Gott des äußeren Meeres, das die Erde umgibt, Poseidon oder Neptun (griechisch/römisch) – Gott des Meeres, Tiamat (babylonisch) – Drachengöttin der bitteren/salzigen Wasser, Triton (griechisch) – halb Mensch, halb Fisch, Ran (skandinavisch) – Göttin des Meeres und Königin der Ertrunkenen, Ea/Enki (akkadisch/sumerisch) – Gott des Meeres