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„Sie meinen, es gibt keine Unterwäsche?“
„Ich fürchte nein.“
„Oh“, sagte Kara verblüfft. „Und wenn ich meine Monatsblutungen habe?“
Sie sah, wie John für einen Augenblick die Kontrolle über seine Mimik verlor. „Ich werde diese Frage Master Ash vorlegen. Steht eine solche Zeit denn unmittelbar bevor?“
„Nicht in den nächsten Tagen“, sagte sie leichthin und unterdrückte ein Kichern darüber, dass ein so gewöhnlicher Vorgang den Butler derart verunsichert hatte.

Liz stand nicht an der üblichen Stelle. Blackwell schaute sich um und ging dann auf zwei Frauen zu, die unter einer Gaslaterne herumlungerten. Die eine kannte er als Maggie, die andere war neu. Völlig überschminkt und vorne flach wie ein Brett.
„Wo ist Liz?“, fragte er gerade heraus. „Hat sie schon zu tun?“
Die Neue, sie mochte kaum siebzehn sein, drehte den Oberkörper hin und her wie ein Mädchen auf dem Schulhof.
„Was willst du denn mit der Fetten?“, fragte sie. „Ich bin nicht so schnell außer Puste wie die!“
Ihre Begleiterin beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin die Neue reservierter wurde und ihn scheu musterte.
„Stimmt“, sagte er trocken, „ich bin Coroner und schneide Leichen auf. Wo ist Liz?“
„Sie sitzt noch im Pub“, sagte Maggie und zeigte mit dem Daumen über die Schulter. „Hinten im Nassen Dackel.“
„Danke, und gute Geschäfte, Maggie.“
Er tippte sich an den Hut und ging zu der Kneipe hinüber.
Sie saß tatsächlich dort, ganz allein an einem Tisch, die Wand im Rücken, und las irgendetwas. Allein ihr Anblick ließ ihm warm werden. Seine Handflächen juckten bei dem Gedanken, sie zu berühren. Ihr Körper war überall weich, warm und nachgiebig, sie war überall Brust. In seinen Fantasien wurde er klein wie ein Däumling und ließ sich ganz in sie hinein sinken wie in ein Daunenbett.
Aber es war nicht nur das, was ihn zum Stammkunden hatte werden lassen. Er mochte ihren Humor, den sie trotz allem Elend nicht verloren hatte. Er brachte sie gerne zum Lachen und beobachtete dann, wie ihr Körper Wellen schlug. Sie besaß ein feines Gespür für Menschen und eine Gradlinigkeit, die klar zwischen Gut und Böse unterschied, ohne die Moral bemühen zu müssen.
Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, und er nutzte die Gelegenheit, sie ganz unbefangen zu beobachten. Wie meistens trug sie ein weißes Kleid, das irgendwie mit zu vielen Rüschen versehen war. Das blondierte Haar hatte sie hochgesteckt und mit bonbonfarbenen Perlen geschmückt. Üppige Glasimitate von Edelsteinen baumelten an ihren Ohren und reflektierten das künstliche Licht. Er musste lächeln. In all der Routine und der Kaltschnäuzigkeit, mit der hier das Fleisch gehandelt wurde, hatte sie sich die unschuldige Sehnsucht des kleinen Mädchens bewahrt, Prinzessin zu sein.
„Hallo Coroner!“ Es war der Bartender, der ihn an der Tür entdeckt hatte. „Kommen Sie doch rein!“
Liz blickte bei der Begrüßung auf und mit Bestürzung sah er den Ausdruck in ihrem Gesicht. Drei Schritte brachten ihn an ihren Tisch.
„Was ist passiert?“, fragte er.
Sie faltete verlegen das Papier zusammen. „Ach nichts, Coroner. Ich bin ganz bei Ihnen. Gehen wir rüber ins Hotel?“
Heute war ihr Lächeln so unecht wie ihr Schmuck. Er setzte sich ihr gegenüber und nahm ihre Hand. Ihre Finger waren eiskalt.
„Was ist, Liz? Du weißt, du kannst mit mir reden.“
Wortlos reichte sie ihm das Papier und er faltete es auf.
Es war ein Brief, geschrieben von einer gewissen Agnes. Sie berichtete darin, wie ihre Freundin Kara vor ein paar Tagen in den schwarzen Wagen gestiegen war und sie, Agnes, dafür eine stattliche Summe erhalten hatte. Offenbar war sie klug genug gewesen, damit nicht zu ihrem Zuhälter zurückzugehen, sondern die Stadt zu verlassen. Er schaute auf.
„Es ist der gleiche Wagen, in den Mira eingestiegen ist“, flüsterte Liz.
„Mira ist in einen Wagen gestiegen?“ Wie nachlässig hatten die Kollegen ihre Verhöre durchgeführt, wenn das nicht in den Akten stand? „Und dieses Mädel, Kara, auch? Hatte sie Todessehnsucht?“
Liz kaute an ihrer Unterlippe. „Ich denke, ja.“ Sie schaute ihn an. „Ich wusste es an dem Abend noch nicht, aber Vince, ihr Lude, hat ihr und einem anderen Mädchen so schlimm mitgespielt, dass die andere sich aufgehängt hat. Ich denke, Kara wollte auch nicht mehr.“ Liz war erschreckend blass. „Ich hätte es erkennen müssen“, sagte sie leise. „Dieser Blick. Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmte. Aber ich hätte doch nie gedacht …“
„Warte hier.“ Er ging an den Tresen und kam mit zwei Ale zurück. Sie griff dankbar danach und nahm einen tiefen Schluck.
„Es war ihre eigene Entscheidung“, sagte er. Inzwischen erinnerte er sich an Kara – ausdrucksstarke Augen, ein Gesicht wie eine griechische Göttin. Er würde es hassen sie auf seinem Seziertisch vorzufinden. „Mach dir keine Vorwürfe, Liz. Wir wissen ja nicht, ob der Wagen wirklich etwas damit zu tun hatte.“ Dass der Wagen nach dem Leichenfund wieder aufgetaucht war, sprach tatsächlich dagegen. „Kommt er immer noch?“
„Nein, nicht mehr seit Agnes und Kara verschwunden sind. Aber nach den ersten Mädchen hat es auch immer ein paar Wochen gedauert …“
„Nach den ersten Mädchen?“ Blackwell setzte das Bier so heftig auf den Tisch, dass der Schaum über den Rand schwappte. „Wie viele hat er denn mitgenommen, vor Mira?“
„Zwei“, antwortete Liz.
„Und das hat niemand der Polizei gemeldet?“
Liz zuckte die Schultern. „Es hat keinen sonderlich interessiert.“
Ein Mann kam vom Billardtisch herüber und baute sich neben dem Tisch auf. „Seid ihr zwei bald handelseinig?“, fragte er herausfordernd. „Vom Biertrinken verdien ich nämlich nichts!“
Blackwell hob den Blick und schaute den Mann drohend an. Es war ein mageres Bürschlein mit dem Gesicht einer Ratte. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und stand, die schmale Brust eingefallen, die knochige Hüfte nach vorne gedrückt, wie ein Fragezeichen da. Blackwell fragte sich nicht zum ersten Mal, wie solche Männer ihre Macht erlangen und halten konnten. Vermutlich war es einfach ihre Rücksichtslosigkeit, der die Frauen nichts entgegenzusetzen hatten.
„Was kostet die ganze Nacht?“, fragte er. Der Zuhälter nannte einen Preis und der Coroner blätterte die Scheine ohne zu handeln hin. „Und jetzt verpiss dich.“
Liz schaute ihn dankbar an.
„Komm“, sagte er. „Lass uns rüber ins Hotel gehen. Dort kannst du mir alles erzählen.“
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