Seewölfe - Piraten der Weltmeere 697

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„Ich dachte auch mehr an die Engländer, die sich ja nicht weit von uns entfernt irgendwo in den Minen befinden.“
De Xira lachte leise und überlegen.
„Aus den Minen ist noch keinem die Flucht gelungen, wie Shastri versicherte. Die Sklaven dort werden Tag und Nacht schwer bewacht und sind außerdem angekettet. Nein, vor denen brauchen wir uns nicht mehr zu fürchten. Die Kerle sind erledigt und so gut wie tot.“
Der Erste gab sich immer noch nicht ganz zufrieden. Sie alle hatten die höllischen Kerle ja persönlich erlebt; wenn die erst mal in Aktion waren. Da blieb kein Stein mehr auf dem anderen.
„Wenigstens ein Mann“, schlug er vor.
„Als was?“
„Als Wache, dachte ich. Kann ich ja notfalls selbst übernehmen, oder wir wechseln alle Stunde. Das erschöpft keinen.“
„Meinetwegen, obwohl das überflüssig ist.“
Schon von weitem hörten sie das Kreischen von Sägen und das Schlagen der Äxte, die den nächsten Baum fällten.
Die Männer fühlten sich erfrischt, und ihre seltsamen Hautausschläge verschwanden zusehends.
Das Holz wurde gesägt und zum Sandstreifen geschleppt. Dort sollte es in der glühenden Hitze etwas trocknen.
Aus dem noch frischen Holz wurden Pallhölzer geschlagen, damit das Heck der Schebecke abgestützt werden konnte. Gegen Abend waren nach mühseliger Schufterei die ersten Hölzer gesetzt.
Bei Dunkelheit lagen sie alle todmüde in den Kojen, bis auf Alberto Roque, der die erste Wache übernahm.
Clint Wingfield war an diesem Tag mehrmals einer Ohnmacht nahe gewesen. Die aufgestaute Hitze in der Segellast nahm ihm den Atem und erdrückte ihn fast.
Es wurde immer schlimmer, je höher die Sonne stieg und die Planken der Schebecke regelrecht aufheizte. Die Wolfshündin lag nur da und döste vor sich hin.
Als dann das Schott geöffnet wurde und ein paar Männer hereinblickten, geriet das Bürschchen fast in Panik. Aber zum Glück verschwanden die Portugiesen gleich wieder.
Er trank Wasser, das immer mehr zur Neige ging, und gab auch der Hündin etwas. Hunger hatte er bei der brüllenden Hitze nicht, nur Durst, der mit jeder Stunde schlimmer wurde.
Er mußte hier raus, es ließ sich nicht mehr aushalten in der Enge und Hitze.
Er hatte auch Wortfetzen und ganze Sätze vernommen und wußte ziemlich genau, was mit dem Schiff passierte und was die Portugiesen unternahmen.
Noch mußte er jedoch warten, bis die Männer mit ihrer Arbeit fertig waren und sich erschöpft zur Ruhe begaben.
Sie zersägten Bäume und schlugen Pallhölzer zurecht, um die Schebecke abzustützen, damit sie das Ruder später einsetzen konnten. Was sie im einzelnen taten, wußte er nicht genau, doch ein paarmal gab es im Rumpf des Schiffes einen kräftigen Ruck, und er hörte harte Hammerschläge, die alles erschütterten.
Die Luft wurde wieder so stickig, daß er nur noch ganz flach atmen konnte. Hingekauert in der Nische, wartete er darauf, daß die Zeit verging.
Einmal nickte er auch ein und schrak hoch, als er dicht vor dem Schott Schritte hörte. Die Schritte verklangen nach einer Weile wieder, und er beruhigte sich langsam.
Seine Unterlage hatte sich ein wenig verändert. Das Schiff lag offenbar so, daß das Heck leicht angehoben war. Vermutlich hatten sie mit Baumstämmen etwas nachgeholfen, um das Heck aus dem Wasser zu hieven.
Wieder verging die Zeit entsetzlich langsam und quälend. Dicke Tropfen standen auf seiner Stirn, und er bedauerte gleichzeitig die Wolfshündin in ihrem dichten Fell. Sie war erstaunlich ruhig und verriet sich durch keinen einzigen Ton. Manchmal hechelte sie in der Hitze nur leise vor sich hin.
Im Schiff wurde es nach und nach immer stiller, was darauf schließen ließ, daß die Portugiesen erledigt und entkräftet ihre Schlafplätze aufgesucht hatten.
Da an Deck ohnehin nicht geglast wurde, seit die Portugiesen in dieser Bucht lagen, mußte sich das Bürschchen auf sein Zeitgefühl verlassen, und das sagte ihm, daß es mittlerweile draußen finster sein mußte.
Die Sonne war längst untergegangen, denn durch die Ritzen im Schott fiel kein Licht mehr.
Er wollte schon das Schott einen Spalt öffnen, als er wieder Schritte hörte, mehr ein Schlurfen wie von einem müden Mann.
Sie hatten also eine Wache aufgestellt.
Aufmerksam lauschte er, bis sich das Schlurfen langsam entfernte. Der Posten ging weiter nach achtern, um dort seine Stellung zu beziehen.
Clint war ausgeruht, durch die Hitze nur ein bißchen matt, und er nahm sich vor, die müden Portugiesen heute nacht ein bißchen aufzuschrecken und ihnen gehörig einzuheizen. Er wußte auch, daß sie abergläubisch waren und nachts Angst vor Teufeln, Hexen und anderen Spukgestalten hatten.
Er gab noch etwas Zeit dazu und verlegte sich abermals aufs Warten, bis er an Deck nichts mehr hörte.
„Jetzt sehen wir uns draußen mal um, Plymmie“, raunte er der Hündin zu, als könne sie jedes Wort verstehen. „Wollen mal ein bißchen stöbern und nachschauen, was sich getan hat.“
Die Antwort war ein leises Hecheln und ein freudiges Wedeln. Offenbar begriff die Wolfshündin alles, was Clint sagte.
Vorsichtig öffnete er das Schott einen Spaltbreit und warf einen Blick hinaus.
Eine fast unheimlich anmutende Stille lag über der jetzt bizarr erscheinenden Landschaft.
Draußen schien der Mond. Bleich, zernarbt und irgendwie unheimlich leuchtete er in die Bucht und ließ weiter links die Bäume zu abstrakten Gestalten werden, zu Riesen, die schweigend herüberstarrten. Auch das Wasser hatte eine eigentümliche Farbe wie flüssiges Quecksilber. Kein noch so leichter Hauch kräuselte die Oberfläche.
Clint blickte nach achtern und orientierte sich.
Die Schebecke war tatsächlich etwas angehoben worden und lag auch noch ein wenig auf der Seite. Überall hingen Tampen von Bord, und er erkannte auch zwei Jakobsleitern. Er fragte sich einen Augenblick, wie er die Hündin dort hinunterbringen sollte.
Den Mann, der das Schiff bewachen sollte, entdeckte er auch im Schlagschatten des Mondlichtes. Sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Er schien die Planken anzustarren. Natürlich war der Kerl vor lauter Erschöpfung eingeschlafen.
Einmal schrak er kurz hoch, doch das war nur ein Reflex, denn sogleich sank sein Kopf wieder auf die Brust.
Lautlos schlich Clint weiter nach achtern, bis er den Niedergang und ein angelehntes Schott erreichte. Er kannte jeden Winkel im Schiff, und so entging ihm auch nicht, daß am Heck Mondschein in eine der leeren Kammern fiel, die ausgeräumt worden war.
Von dort aus konnte er den Sandstreifen sehen, auf dem die Schebecke lag. Sie hatten ein paar Planken herausgenommen, um besser arbeiten zu können.
Für das Bürschchen war das ein hervorragendes Schlupfloch, wo ihn so schnell keiner entdecken würde.
Wenn er jetzt aber draußenbleiben wollte, dann brauchte er dringend Verpflegung und etwas zu trinken. Also begab er sich auf den Weg zur Kombüse und fand das Schott nur angelehnt, wie er zu seiner Freude feststellte. Der Koch hatte anscheinend die Anweisung vergessen, das Schott zu verriegeln und geschlossen zu halten.
Die Hündin folgte ihm wie ein Schatten; lautlos und etwas geduckt bewegte sie sich über die Planken.
Der Moses warf einen schnellen Blick zurück. Er hatte die Befürchtung, daß ganz plötzlich jemand auftauchen und ihn entdecken könne. Doch die Befürchtung war unbegründet. Die Portus schliefen wie die Toten.
In der Kombüse und der anschließenden Proviantlast hantierte er ebenfalls lautlos und deckte sich kräftig mit allem ein, was er demnächst brauchte.
Das alles brachte er unendlich vorsichtig nach achtern, schlüpfte durch das Loch im Heck und nach draußen, wo er sich zunächst schnell orientierte.
Der Hündin bedeutete er, sitzen zu bleiben und sich nicht zu rühren. Sie ließ sich auch auf die Hinterpfoten nieder und schien zu erstarren.
Ungerührt beschaffte er sich weitere Vorräte und vergaß auch die beiden Decken aus der Segellast nicht.
Vor sich hingrinsend, daß er die Portus wieder mal überlistet hatte, verließ er die Schebecke und blieb unter dem Heck sitzen.
Zum ersten Male sah er jetzt das ganze Ausmaß der Beschädigungen. Der Rammsporn der osmanischen Galeere hatte ganze Arbeit geleistet, aber die Portugiesen waren inzwischen auch nicht faul gewesen. Sie hatten bereits kräftig zugelangt.
Er versuchte abzuschätzen, wie lange sie wohl brauchen würden, um wieder in See gehen zu können, aber das konnte er nicht. Jedenfalls mußte er sie für eine Weile daran hindern.
Er befand sich jetzt so im toten Winkel der Schebecke, daß ihn von Bord aus niemand entdecken konnte. Er sah die Pallhölzer, die noch keinen richtigen und festen Halt hatten, und er bemerkte im bleichen Mondlicht das Werkzeug. Die Portus hatten es achtlos hingeworfen.
Sorgsam musterte er seine Umgebung. Das Versteck, das sich ihm vorübergehend anbot, war der Dschungel da drüben. Dort konnte er untertauchen und sich ein kleines Quartier einrichten, und von dort konnte er auch seine Aktionen starten.
Der Rest der Gegend war trostlos, einsam und öde. Er sah wenig einladend aus.
Sein Blick verlor sich ins Landesinnere, wo irgendwo die Arwenacks angekettet in den Minen arbeiteten. Er wußte nicht, wie weit diese Minen entfernt waren, aber er wußte, daß er sich dort nicht blicken lassen durfte. Nur hier konnte er etwas helfen und die Arbeiten verzögern.
Alles weitere mußten die nächsten Tage bringen.
Nachdem er alles sorgfältig gemustert und geprüft hatte, entschied er sich für den Dschungel. Nach und nach schleppte er alles hinüber und verbarg sich am Rand des stillen Urwaldes.
Von hier aus hatte er die Schebecke gut im Blick und konnte selbst so gut wie nicht gesehen werden.
Plymmie erhielt Wasser, Hartwurst und Brot und schien damit zufrieden zu sein. Sie legte den Kopf auf die Vorderpfoten und blickte ebenfalls zu der Schebecke hinüber.
Der Wachtposten war nur als bewegungsloser Schatten zu sehen, der immer noch vor sich hindöste und völlig übermüdet war.
Clint säbelte sich ein Stück Wurst ab, eine dicke Scheibe Speck und ein Stück Brot. Kauend prüfte er die Gegend und suchte sich einen Fluchtweg, der ihn auf schnellstem Weg zurück zum Dschungel führte.
In der Bucht gab es eine kleine Sandbank, weiter drüben einen morschen Holzsteg und dahinter hartes, von der Sonne gebranntes Land. Stellenweise sah der Boden aus wie die zerfurchten Suhlen von Wildschweinen, die sich im Schlamm gewälzt hatten, der dann knochenhart und staubtrocken geworden war.
An Bord rührte sich nichts. Auch den dösenden Posten löste niemand ab, wie es schien. Der hockte in unveränderter Stellung da, den Kopf auf der Brust, die Hände auf den Oberschenkeln.
Langsam stand der Moses auf und schlich auf die Schebecke zu.
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