Seewölfe Paket 31

- -
- 100%
- +
Der andere war Cookie. Er hieß Rod Bennet, war Engländer, dick, sehr träge und hatte auf der linken Schädelhälfte keine Haare mehr. Die borgte er sich immer von rechts und pappte sie mit Öl an seinem Schädel fest. Bei starkem Wind standen sie ihm dann mindestens ein halbes Yard lang vom Schädel ab und flatterten wie eine Fahne im Wind.
„Einen Schellfisch will er?“ fragte Cookie verärgert. „Der will immer nur das, was wir nicht an Bord haben. Kabeljau haben wir, also kriegt der Kapitän einen Kabeljau. Die sehen sowieso nicht viel anders aus als Schellfische.“
„Deine Sache“, entgegnete der Bostonmann knapp. „Geordert hat der Kapitän einen Schellfisch, schön durchgebraten.“
„Gestern hat er mir in den Arsch getreten, weil der Fisch zu klein war“, maulte Cookie.
„Auch deine Sache“, sagte der Bostonmann. „Habe dir nur die Order überbracht.“
Als der Bostonmann gegangen war, sah Cookie sich die Vorräte an. In der Fischkiste lag noch ein Schellfisch, aber der hatte noch die Geburtsurkunde zwischen den Kiemen und wog bestenfalls zwei Pfund.
Cookie dachte wieder an den schmerzhaften Tritt in die Kehrseite, nur, weil der Fisch zu klein gewesen war. Daher entschloß er sich für Kabeljau. Der war zwar nicht mehr ganz frisch, hatte aber ein beachtliches Gewicht aufzuweisen. Der Bursche mochte gut und gern seine zehn Pfund haben.
Na ja, ein bißchen duftete er schon, aber das würde sich beim Braten noch geben. Er nahm den kapitalen Burschen aus und schnitt ihm die verräterischen Flossen ab, die beim Schellfisch etwas spitzer waren. Nur den Bartfaden am Maul ließ er stehen, damit der Wikinger auch keinen Zweifel daran hatte, daß es wirklich ein Schellfisch war. Die Haut würde ohnehin bis zur Unkenntlichkeit gebräunt sein.
Bei der Arbeit grinste er hinterhältig vor sich hin. Er freute sich, dem Wikinger auf diese Tour eins auswischen zu können. Seinen Triumph konnte er zwar mit niemandem teilen, aber das Bewußtsein, Thorfin eins ausgewischt zu haben, genügte ihm.
Als der Fisch nach einer guten halben Stunde fertig war, trug Cookie ihn persönlich nach achtern. Die Platte war so groß, daß er vorsichtig damit balancieren mußte.
„Der Fisch ist fertig“, verkündete Cookie. „Er ist auch nicht so klein, ein ausgesprochen schöner Schellfisch.“
„Bißchen matschig“, sagte der Wikinger und drückte mit dem Finger auf den Fisch.
„Das ist nur vom Öl, aber er ist schön groß.“
„Das sehe ich selbst. Wenn er nicht durchgebraten ist, fliegt dir Thors Hammer an den verdammten Schädel.“
Thorfin begann zu essen. Einmal erschien eine kleine Falte des Unmuts auf seiner Stirn, aber sie verschwand wieder, wie Cookie erleichtert feststellte. Der Nordmann merkte nichts, er aß weiter.
Niemand hätte behauptet, daß Thorfin Njal verfressen sei. Er verschlang zwar ungeheure Mengen auf einen Sitz, aber diese Mengen entsprachen ganz einfach seinem Gewicht, und das war sehr beachtlich, obwohl der Wikinger kein überflüssiges Gramm Fett am Körper hatte. Seine Vorfahren hatten auch so gewaltige Mengen vertilgt.
Cookie sah mit steigendem Vergnügen, wie Thorfin den riesigen Fisch bis auf das Skelett vertilgte. Die übriggebliebene Wirbelsäule war so groß, daß er sie als Keule hätte benutzen können.
„Was grinst du so dämlich?“ fragte Thorfin.
„Ich habe nicht gegrinst“, sagte Cookie schnell. „Ich staune nur über die Menge. Soll ich gleich abräumen?“
Er wollte schon nach der Wirbelsäule greifen, um sie über Bord zu werfen, doch Thorfin schlug ihm auf die Finger. Cookie zuckte zusammen, als habe ihn die Neunschwänzige getroffen.
„Ein schöner Fisch“, sagte der Wikinger anerkennend. „Wirklich ein sehr schöner großer Fisch.“
„Nicht wahr? Er war doch prachtvoll.“
„Ich habe nur gesagt, daß es ein sehr schöner großer Fisch ist“, entgegnete Thorfin. „War es vielleicht ein Kabeljau?“
„Gott bewahre“, sagte Cookie eifrig. „Es war ein Schellfisch.“
„Das kannst du beschwören, bei Odin und seinen Raben?“
„Natürlich kann ich das.“
„Dann schwöre bei Odins Raben Hugin und Munin, daß du deinem Kapitän einen Schellfisch serviert hast, keinen Kabeljau.“
Cookie schluckte nervös. Sein Blick wurde unruhig, aber er hob die Hand und schwor, er habe seinem Kapitän einen Schellfisch serviert.
Als er mit seinem Schwur fertig war, nickte Thorfin. Aber sein Nicken galt nicht Cookie, sondern dem Steuermann Barba, einem Monstrum von einem Kerl, untersetzt, unglaublich kräftig, und mit einem solch narbigen Gesicht, daß sogar der Profos Carberry beim ersten Anblick zutiefst erschrocken gewesen war.
Dieser Mann, den sie Barba nannten, war eigentlich Siri-Tongs ergebener Steuermann von dem Schiff „Roter Drache“, das die Rote Korsarin befehligte. Dieses fürchterliche Ungeheuer hatte Siri-Tong auf den Schwarzen Segler mitgenommen.
Barba, düster und unheimlich, baute sich neben dem Wikinger auf. Seine Muskeln drohten das grobe Leinenhemd zu sprengen.
„Was tust du mit einem Verschwörer, Barba?“ fragte Thorfin.
„Ich weiß nicht, was ein Verschwörer ist, Nordmann“, sagte Barba.
„Das ist einer, der falsch geschworen hat. Er hat sich verschworen, also ist er ein Verschwörer.“
„Ah, so ist das.“ Das narbige Monstrum nickte. „Bei so einem laß ich die Kuh fliegen.“
„Genau das dachte ich mir.“
Barbas seltsamen Ausdruck hatte anfangs niemand zu deuten gewußt. Er ließ immer in seinem Zorn „die Kuh fliegen“, manchmal bis zur Kimm, wie er versicherte.
Das bedeutete nichts anderes, als daß er kräftig zuzulangen gedachte. Und wo seine Fäuste hinlangten, wuchs ohnehin nichts mehr. Barba verfügte über gewaltige Kräfte.
Er drehte sich um und musterte Cookie aus seinen kleinen zusammengekniffenen Augen. Dem schmierigen Köchlein brach der Angstschweiß aus, wenn er nur an die Pranken dieses Monstrums dachte.
„Es war ein Schellfisch!“ kreischte er in seiner Angst. „Ich bin kein Verschwörer, es war wirklich ein Schellfisch!“
„Es war ein lausiger Kabeljau“, donnerte Thorfin ihn an. „Ich kenne den Unterschied genau, du Kanalratte. Der Schellfisch ist schmackhafter und sein Fleisch zart und locker. Ich habe mehr Schellfische vertilgt, als du in deinem lausigen Leben je gesehen hast. Aber du hast gelogen und das auch noch beschworen.“
„Es war bestimmt kein Kabeljau“, versicherte Cookie noch einmal mit schwacher Stimme. Aber sie klang längst nicht mehr so überzeugend, und das Grinsen war ihm auch vergangen.
Thorfin Schickte den Kreolen Tammy in die Kombüse. Dort sollte er den Abfallkübel holen und an Deck bringen. Tammy, stiernackig, dunkeläugig und immer sehr schnell mit dem Messer, marschierte los. In Spanien suchten sie Tammy immer noch, weil er damals einen Alkalden umgebracht hatte. Dem Hängen war er nur sehr knapp entwischt. Seitdem befand er sich auf dem Schwarzen Segler.
Der Abfallkübel wurde gebracht. Cookie hatte nicht daran gedacht, ihn auszuleeren, um die verräterischen Spuren zu entfernen. Das wurde ihm jetzt zum Verhängnis.
„An Deck mit dem Mist!“ donnerte der Wikinger.
Der Kübel war ziemlich voll, und der Inhalt roch nicht gerade angenehm, als er auf die Planken gekippt wurde. Sogar der Wikinger verzog angewidert die Nase.
„Schon tausendmal habe ich dir Wanze gepredigt, den Kübel nicht immer voll herumstehen zu lassen. Such jetzt die Flossen heraus.“
Barba drückte Cookie den Zeigefinger ins Genick. Das genügte bereits, um das schmierige Köchlein auf die Planken zu zwingen. Dann begann er mit zitternden Händen in dem übelriechenden Matsch herumzufischen.
Es dauerte nicht lange, dann hatte Cookie die abgeschnittenen Kabeljauflossen in der Hand.
„Also doch ein Kabeljau“, sagte der Wikinger zufrieden. „Das habe ich gleich gewußt. Jetzt werden Odins Raben dich zwacken. Pack das Zeug wieder in den Kübel und klar das Deck auf. Hast du mich nun angelogen, oder nicht?“
Cookie kroch ächzend auf den Planken hin und her. Dabei nickte er kläglich.
„Es – es war nur ein Spaß“, jammerte er. „Ich wollte nur wissen, ob man den Unterschied wirklich feststellen kann.“
„Jetzt weißt du es – man kann!“
„Wirklich nur ein Spaß“, jaulte Cookie.
„Aber das mit Odins Raben war dir ernst!“ brüllte Thorfin. „Und damit hast du die nordischen Götter beleidigt!“
Cookie putzte weiter und wusch die Planken mit Seewasser nach, bis alles wieder sauber war.
„Kennst du vielleicht nicht den Unterschied zwischen einem Kabeljau und einem Schellfisch?“ fragte der Wikinger lauernd.
Cookie sah einen Rettungsanker vor sich, eine Notbrücke, über die er vielleicht noch spazieren konnte.
„So ist es“, sagte er hastig, „so genau kenne ich den Unterschied wirklich nicht. Ich glaube, ich muß noch viel von den Fischen lernen.“
Thorfin nickte grimmig.
„Das glaube ich auch. Zum Lernen wirst du eine einmalige Gelegenheit erhalten. Du darfst dich jetzt unter Wasser ein bißchen umsehen. Da schwimmen Heringe, Barsche, Kabeljau und Schellfische in großen Schwärmen herum. Sieh sie dir genau an und unterhalte dich ein wenig mit ihnen, bis du den Unterschied kapiert hast.“
Dem Köchlein war jetzt tatsächlich zumute, als hätte ihm Thor seinen gewaltigen Hammer ins Kreuz geworfen. Gehetzt sah er sich um.
„Ich – ich soll ins Wasser?“ fragte er entsetzt.
„Sollen die Fische vielleicht an Deck steigen, um sich mit dir zu unterhalten?“ donnerte Thorfin. „Das wäre wohl ein bißchen zu viel verlangt. Also gehst du zu ihnen. Barba, nimm den Verschwörer an die Leine und tunke ihn ein bißchen.“
Cookie wollte voller Panik davonrennen, aber da streckte Barba bereits seine riesige Pranke aus. Das Köchlein blieb so ruckartig stehen, als sei es an die Bordwand geprallt.
Tammy brachte eine lange Leine, schlang sie dem Koch um die Hüften und zog den Knoten fest. Cookie schrie zum Gotterbarmen. Er selbst hatte sich immer gern an den rauhen Späßen beteiligt und am lautesten gelacht, wenn Muddi wieder mal an der Reihe war. Aber diesmal grinste Muddi bis an die Ohren.
Mißjöh buveur hielt sich ebenfalls den Bauch vor Lachen, als er den zappelnden Koch sah. Den Namen hatten sie ihm auf dem Schwarzen Segler verpaßt, weil er ständig soff und jeden der Kerle mit Mißjöh anredete. Ein flüchtiger Blick des Wikingers ließ ihn jedoch heftig zusammenfahren. Das Grinsen verschwand aus seinem aufgedunsenen Gesicht.
Thorfin überzeugte sich persönlich, ob der Knoten fest war. Cookie sollte schließlich nicht irgendwo achteraus in der See verschwinden. Er sollte nur ein bißchen geläutert werden, obwohl das sehr fragwürdig war. Er war schon zu oft geläutert worden.
„Und jetzt über Stag mit dem Verschwörer“, sagte Thorfin. „Wenn er im Bach hängt, leert ihm den Kübel nach, damit er auch das in Zukunft nicht vergißt.“
„Das Wasser ist zu kalt!“ schrie Cookie in wahnsinniger Angst. „Ich vertrage kein kaltes Wasser!“
„Und ich vertrage keinen Kabeljau und keine Lügen!“ röhrte Thorfin. „Sieh dir die Außenbordkameraden jetzt genau an.“
Barba packte Cookie wie ein Bündel Lumpen, das kaum Gewicht hat. Mit der rechten Hand hievte er ihn mühelos bis zum Handlauf des Schanzkleides hoch.
Dort zappelte Cookie und brüllte sich die Seele aus dem Leib. Doch das nutzte ihm herzlich wenig.
Als der Wikinger den Daumen nach unten senkte, ließ Barba den zappelnden und schreienden Kerl einfach los.
Der Kreole Tammy wartete, bis es in der See laut aufklatschte und ein heiserer Schrei abrupt abbrach. Dann leerte er den Abfallkübel genau in dem Augenblick aus, als Cookie auftrieb und mit dem Kopf das Wasser durchbrach.
Cookie ging sofort wieder unter, als ihn der matschige Inhalt traf. Es blubberte noch einmal, dann verschwand er in einer übelriechenden Wolke aus Dreck und matschigen Abfällen, die sich innerhalb einiger Tage in der Kombüse angesammelt hatten. Eine undurchdringlich scheinende Schmiere begleitete den Koch auf seiner raschen Fahrt nach achtern.
Barba fierte die Leine nach, beugte sich über das Schanzkleid und starrte unbewegt in die Suppe aus Nebel, Wasser und fauligem Dreck. Im Kielwasser des Schwarzen Seglers tauchte Cookie wieder auf, brüllend und prustend und heftig um sich schlagend. Er paddelte wie ein Verrückter und schrie sich die Kehle heiser.
Der Wikinger gab das Zeichen, ihn noch ein bißchen weiter achteraus zu hängen. Dann wurde die Leine belegt.
Die Kerle hängten sich ans Schanzkleid und sahen schadenfroh grinsend zu, wie Cookie sich abzappelte.
„Auf Kurs bleiben“, sagte Thorfin zum Stör, der sich mit langem Gesicht umgedreht hatte. „Ich halte jetzt ein kleines Nickerchen. Wenn was los ist, weckst du mich sofort.“
„Weckst du mich sofort“, sagte der Stör.
„Umgekehrt“, sagte der Wikinger friedlich. „Umgekehrt, Stör, sonst hängst du auch für eine Weile außenbords.“
Er lehnte sich in seinem Sesselchen zurück, ließ den behelmten Schädel auf die Brust sinken und begann bereits zu schnarchen. Er träumte von einem riesigen Fisch, der hinter dem Schiff herschwamm und neugierig das Ruderblatt betrachtete.
Zwanzig Minuten später erwachte der Wikinger mit der Geräuschentwicklung eines brünftigen Sauriers. Ein wilder Ratzer, der alle verstört zusammenzucken ließ, beendete sein Nickerchen. Er sah hoch und gähnte laut.
„Hängt der Spillerhering noch immer draußen?“ fragte er.
„Ja, noch immer“, erwiderte der Stör.
„Zappelt er noch?“
„Ein bißchen.“
„Dann lebt er auch noch“, stellte Thorfin fest. „Nehmt den Kerl wieder an Bord.“
Barba, der Bostonmann und der taube Jonny holten die Leine Hand über Hand ein. Dann hievten sie das Köchlein an Bord. Cookie lag vor dem Sesselchen keuchend auf den Planken. Die Zunge hing ihm aus dem Hals, und er japste wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„Kennst du jetzt den Unterschied zwischen Schellfisch und Kabeljau?“ erkundigte sich der Wikinger. „Oder bringst du sie immer noch durcheinander?“
„Das – das wird nie mehr passieren“, keuchte Cookie. „Ich – ich schwöre es.“
„Schwöre lieber nicht, sonst verschwörst du dich wieder. Frierst du?“
Die Frage war überflüssig, denn der Koch zitterte an allen Gliedern zum Gotterbarmen und schnatterte beim Sprechen wie eine Ente.
Thorfin holte aus seiner Fellkleidung eine beachtliche Kruke hervor und reichte sie dem Köchlein.
„Hier, trink einen Schluck, und dann verziehst du dich in deine Kakerlakenburg. Zehn Minuten später will ich dich wieder an Deck sehen. Ist das klar?“
Der Koch versprach hoch und heilig, alles zu tun. Dann griff er nach der Kruke und trank gierig einen langen Zug. Mißjöh buveur stand daneben und leckte sich noch gieriger die Lippen.
In der Kruke befand sich ein Lebenselixier, ein nordisches Wässerchen mit der Wirkung von feingeschrotetem Schießpulver. Der Wikinger fügte dem Wässerchen außer ein paar Zaubersprüchen immer noch getrocknetes isländisches Moos und ein paar Torffasern hinzu, damit das Wässerchen auch etwas hergab. Außerdem vergriff sich niemand daran, denn wer einmal davon getrunken hatte, vergaß es sein Leben lang nicht.
Die Wirkung auf den Koch war verblüffend.
Kaum war der Extrakt in seinem Magen, da sprang er auch schon mit einem lauten Schrei auf und schüttelte sich wild. Er erweckte den Eindruck, als sei er von etlichen Musketenkugeln getroffen worden. Hin und her warf es ihn, bis er endlich mit einem urigen Schrei auf den Lippen in der Kombüse verschwand.
Die Kerle lachten wild hinter ihm her.
Mißjöh buveur stürzte sich auf die Kruke, die einsam auf den Planken stand, und wollte sie aufheben.
„Dir soll ich wohl das Kreuz aushängen?“ rief Thorfin.
Der Säufer zuckte zusammen und verholte schnell zum Großmast, wo er verlegen grinsend stehenblieb.
Nach zehn Minuten war das Köchlein wieder da, immer noch schnatternd und frierend, aber in trockene Plünnen gehüllt.
Thorfin betrachtete ihn von oben bis unten.
„Wenn du noch einmal die nordischen Götter bescheißt, werden dich Ägirs schreckliche Töchter holen“, versprach er drohend. „Und damit du die nächsten drei Tage daran denkst, kriegst du die Wirbelsäule von dem lausigen Kabeljau als Andenken.“
Cookie wirkte erleichtert. Das Bad in der kalten See hatte ihn zwar erheblich mitgenommen, aber jetzt konnte ihm nichts mehr passieren. Die Wirbelsäule würde er drei Tage lang aufbewahren und sie dann wegwerfen. Er brachte sogar ein schiefmäuliges Grinsen zustande.
Der Wikinger griff nach Cookies endlos langer Haarsträhne und zog sie in die Länge. Cookies Halbglatze war jetzt deutlich zu sehen. Sie schimmerte rötlichweiß.
Zu seinem grenzenlosen Entsetzen nahm der Nordmann die Haarsträhne und verknüpfte sie ungerührt mit der riesigen Fischgräte. Der Kopf des Kabeljaus befand sich ebenfalls noch daran. Er konnte nicht gerade behaupten, daß das Ding angenehm roch.
Mit einem letzten Ruck zurrte Thorfin den Kadaver fest.
„Damit wirst du jetzt drei Tage lang spazierengehen“, sagte er drohend. „Ich werde dich auch nachts in der Koje kontrollieren, und wehe dir, das Ding fehlt! Du Bastard hast ja heute abend schon wieder vergessen, was du getan hast. Aber das wird drei Tage lang wirken. Dann kannst du den Schmuck abnehmen.“
Cookie stand da wie vom Donner gerührt. Der riesige Fischknochen hing ihm achtern bis zu der Hüfte hinunter und baumelte hin und her wie der Ohrring des Bostonmannes. Nur sah der viel besser aus.
„Dann stinkt aber die ganze Koje“, sagte er kläglich und der Lächerlichkeit preisgegeben. „Und ich kann mit dem Fisch nicht schlafen.“
„Deine Koje stinkt sowieso, da fällt das nicht weiter auf. Und wenn du nicht schlafen kannst, dann legst du dir den Fischrest einfach auf den Bauch. Das ist ein gutes Schlafmittel.“
Cookie bezweifelte das zwar, aber das ließ er nicht laut werden, sonst wurde alles nur noch schlimmer. Weiterer Protest war ebenfalls zwecklos, sonst ersann der Wikinger womöglich noch schlimmere Dinge.
Die Augen tränten ihm, als er sich abwandte. Die Gräte war höllisch schwer und zerrte mächtig an den paar noch verbliebenen Haaren. Und zu allem Überfluß mußte er sich die Hänseleien und das wilde Gelächter der anderen Kerle anhören.
Auf dem Schwarzen Segler war wieder mal was los, aber das war es eigentlich immer bei den rauhen Kerlen.
4.
In der Frühe des nächsten Morgen begann sich der Nebel langsam zu lichten. Der Stand der Sonne war nur zu ahnen, doch es wurde merklich heller.
Cookie begann sein Tagewerk in der Kombüse mit todunglücklichem Gesicht. Der Zopf bedrückte ihn doch sehr, denn bei jeder noch so kleinen Bewegung flog der Fischrest von einer Seite zur anderen, zerrte wild an seiner Kopfhaut und verbreitete dazu nicht gerade das, was man als lieblichen Duft bezeichnet.
Sobald er an Deck erschien, begannen die Kerle dreist und unverschämt zu grinsen, worüber sich Cookie jedes Mal ärgerte. Es dauerte lange, bis er es mit einiger Gelassenheit hinnahm.
Dann aber kümmerte sich niemand mehr um Cookie. Es gab weitaus interessantere Dinge.
Diego Valeras stand im Ausguck des Großmarses und versuchte mit seinen Blicken den Nebel zu durchdringen. Mitunter waren es nur noch vereinzelte Bänke, die dicht über dem Wasser schwebten. An anderen Stellen war der Nebel noch zäh.
In einer dieser Bänke tat sich eine Gasse auf. Fast schwarzes Wasser wurde sichtbar und darüber ein schlanker Rumpf, hinter dem blasenwerfendes Kielwasser zu sehen war. Das fremde Schiff schien nur aus diesem Rumpf zu bestehen. Alles andere steckte noch im Nebel.
„Schiff Steuerbord voraus!“ rief der Portugiese. „Entfernung etwa eine halbe Meile.“
Thorfin Njal fuhr von seinem Sessel hoch und starrte in die wabernden Nebelfetzen. Dann sah auch er den Schiffsrumpf und zuckte im ersten Augenblick zusammen. Das Gebilde sah wahrhaftig wie ein Geisterschiff aus, das ohne Masten und Segel dicht über dem Wasser schwebte.
Thorfin blickte durch den Kieker, und jetzt sah er das fremde Schiff bedeutend besser. Es schälte sich auch langsam aus dem Nebel heraus, wobei es gleichzeitig immer mehr Konturen gewann.
„Eine Karavelle“, brummte Thorfin, „ein wirklich schönes Schiff. Es ist nur halb abgeladen. Würde mich verdammt interessieren, was es wohl an Ladung mit sich führt.“
Er legte das Spektiv beiseite und kratzte sich nachdenklich die Stirnseite. Daß er auf dem Helm mit dem Zeigefinger herumkratzte nahm er nicht wahr. Es war eine seiner Gesten, die Edwin Carberry und Ferris Tucker stets zur Verzweiflung trieben. Auf dem Schwarzen Segler war es jedoch ein gewohntes Bild.
„Du willst ihn doch nicht etwas rupfen?“ fragte die Rote Korsarin. Der Wikinger schien sie nicht zu hören. Er griff wieder nach dem Spektiv und warf einen langen Blick hindurch. Dann grinste er.
„Ein Däne, wahrhaftig ein Däne. Er hat mit seltener Frechheit und Unverschämtheit den Danebrog gehißt.“
„Ich kann darin keine Frechheit erkennen. Und eine Unverschämtheit erst recht nicht. Er kann doch die Flagge seines Heimatlandes führen, wenn er will.“
„Er will mich provozieren!“ rief der Wikinger. „Dieser Bastard hat es darauf angelegt, mich zu ärgern. Weißt du übrigens, daß die Flagge vom Himmel gefallen ist?“
„Das ist mir nicht bekannt“, sagte Siri-Tong mit leisem Spott in der Stimme. „Vielleicht hat sie der Wind übers Meer geweht.“
„Nein, nein, sie fiel wahrhaftig vom Himmel, das weiß ich genau. Vor mehr als dreihundert Jahren zog Waldemar der Zweite gegen Estland, und plötzlich fiel die Flagge vom Himmel. Seither haben die Dänen ihren Danebrog.“
„Ich habe dich soeben etwas gefragt, Thorfin“, erinnerte die Rote Korsarin sanft. „Und zwar, ob du vorhast, das Schiff zu rupfen.“
„Mich interessiert nur, was er geladen hat. Das ist so eine Art Neugier von mir“, erwiderte Thorfin ausweichend. „Aber ich kann den Kapitän ja mal höflich fragen.“
„Wir sind schon ein paarmal unangenehm aufgefallen mit deiner Rupferei. Laß es diesmal lieber bleiben. Auf der Rückreise begegnen wir ganz sicher spanischen Schiffen. Da können wir uns noch einmal kräftig ins Zeug legen. Das bringt auch mehr ein. Der Däne wird keine großen Reichtümer mit sich herumschleppen. Und auf deine sogenannte höfliche Frage wirst du vermutlich keine befriedigende Antwort erhalten.“
„Wenn der Kerl rotzig wird, kann er was erleben“, knurrte der Nordmann. „Ich laß mich doch nicht von jedem hergelaufenen Dänen beleidigen.“
Siri-Tong seufzte leise. Mit Thorfin, diesem dickschädeligen Schrat, war es manchmal ein Kreuz. Wenn der sich etwas in den sturen Schädel gesetzt hatte, war er nicht mehr davon abzubringen. Jetzt redete er sich wieder ein, der Däne provoziere und beleidige ihn. Damit hatte Thorfin dann wieder einen Grund zum Drauf schlagen.
„Wir sehen uns den Kerl mal an“, sagte er zum Bostonmann. „Du übernimmst jetzt das Ruder. Ihr anderen flitzt an die Kanonen, falls der Bastard uns angreift.“
„Er greift uns ganz sicher nicht an“, sagte Siri-Tong. „Dazu hat er überhaupt keinen Anlaß.“
„Ha, eine Bande von lausigen Skagerrakpiraten ist das“, erklärte der Nordmann. „Die kenne ich. Die lauern nur darauf, mir mein schönes Schiff in Fetzen zu schießen.“
„Tu, was du willst, du Dickschädel“, fauchte die Rote Korsarin. „Mit dir kann man ja nicht mehr vernünftig reden, du vernagelter Schrat.“
Thorfin schluckte brummend das Ding. Von der Roten Korsarin war er noch wesentlich stärkeren Tobak gewohnt. Die blies ihm hin und wieder kräftig den Marsch – allerdings meist ohne Erfolg.
„Ich will nur sehen, was er geladen hat“, sagte Thorfin stur. „Vielleicht ist es ein getarnter Spanier, der Spione an den Küsten absetzt. Oder der will Island angreifen.“
„Du hast auch schon bessere Ausreden gehabt. Deine Logik ist heute nicht gerade bestechend. Ein Däne, der spanische Spione an den Nordischen Küsten absetzt und anschließend Island überfällt. Siehst du darin einen Sinn?“
„Das ist es ja gerade, womit er uns in die Irre führen will. Wir sollen keinen Sinn darin erkennen, deshalb hat er auch so frech und rotzig den Danebrog gesetzt, um uns zu täuschen.“