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Alexandra Oswald, geboren 1981.
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Die Geschichte vom Osterhasen
„Kommt schnell!“ Die schrille Stimme von Ella, der jüngsten Henne schallte über den ganzen Hühnerhof.
„Ja, ja ...“, brummelte Berta gemütlich und schüttelte das weiße Gefieder, bevor sie sich auf den Weg machte. Aus Erfahrung wusste sie, dass bei diesen jungen Hühnern immer etwas ganz aufregend und wichtig war. Wozu sich also beeilen?
Aber an diesem Tag gab es tatsächlich etwas Außergewöhnliches zu bestaunen. Alle Hennen, die auf dem Hühnerhof inmitten der Felder und Wiesen ihres Bauern lebten, hatten sich um etwas geschart. Sie gackerten so aufgeregt durcheinander, dass sogar Mio, der stolze Hahn, hinzukam. „Was ist hier los? Warum tut ihr nicht eure Arbeit und legt Eier in eure Nester?“ Streng blickte Mio seine Hühnerdamen an.
„Aber hier ...“
„Schau nur ...“
„Gackgackgack ...“ Das war alles, was er als Antwort bekam.
„Nun gut, lasst sehen, was euch dieses Mal von der Arbeit fernhält.“ Mit Schwung warf Mio seinen Kopf zurück, um seinen Hahnenkamm in die richtige Position zu bringen. Auf diesen Kamm war er besonders stolz. Keiner der umliegenden Höfe hatte einen Hahn, der so prachtvoll seinen Kamm schwellen lassen konnte.
Nun doch neugierig geworden trat Mio näher. Die Menge seiner Hühnerdamen wich respektvoll zur Seite, um ihm Platz zu machen. Zum Vorschein kam ein Ei. Was ja auf einem Hühnerhof noch nicht weiter verwunderlich gewesen wäre.
Aber dieses Ei war anders als ihre eigenen. Die Schale war weder braun, noch weiß, sondern leuchtete in allen Farben des Regenbogens. Außerdem war es fast so groß wie eins der Hühner selber. Abrupt blieb der Hahn stehen. „Wo kommt das her?“, wollte er wissen.
Aber niemand konnte ihm eine Antwort darauf geben. Das Ei hatte einfach im Morgengrauen hier gelegen.
„Bringt es auf den Misthaufen“, entschied Mio nach kurzem Überlegen. „Es gehört nicht zu uns.“
„Nein!“, kam es aus Bertas Schnabel. Die sonst so gemütliche Henne baute sich vor dem Hahn auf. „In diesem Ei wächst etwas. Wir können es nicht einfach auf den Mist werfen. Ich werde es ausbrüten.“
Mio wusste, dass er gegen Bertas Meinung nichts ausrichten konnte. Und so nickte er nur hochmütig und stolzierte über den Hof davon.
„Rasch, helft mir das Ei in mein Nest zu bringen“, scheuchte Berta ein paar der herumstehenden Hühner auf.
Kurz darauf versuchte sich die Henne bereits im Brüten. Leider war dies gar nicht so einfach, da das Ei ja viel größer als Bertas eigene war. Die Henne flatterte mit den Flügeln, erhob sich in die Luft und versuchte auf dem Ei zu landen. Vergeblich. Kaum, dass sie darauf Platz nehmen wollte, war sie auch schon wieder heruntergerutscht.
„Steht nicht herum“, sprach sie die anderen Hennen an. „Helft mir lieber.“
Und so lehnten sie gemeinsam das große Ei an die Wand. Eine Henne setzte sich an die linke Seite, eine an die rechte, eine davor und Berta thronte obenauf, während sie sich mit dem Rücken an die dahinter liegende Wand lehnte, um nicht erneut herunter zu purzeln. Ja, so würde es gehen. Berta nickte zufrieden und schlief gleich darauf ein.
An einem der ersten sonnigen Frühlingstage, als bereits Krokusse und Tulpen ihre Köpfe aus dem dunklen Erdreich schoben, rührte sich unter Berta etwas. Vorsichtig rutschte sie von dem Ei herunter, legte ihren Kopf an die Schale und lauschte. Ja, da war ein Knacken und Knirschen zu hören. Genauso, als würde sich im Inneren des Eies jemand auf den Weg ins Leben machen.
Aufgeregt flatternd stand Berta neben dem Ei und wartete. Die anderen Hennen schauten sie ganz erstaunt an, denn sie hatten die Hühnerdame noch nie aufgeregt erlebt.
„Da, ein Riss“, flüsterte Berta und zeigte mit dem Flügel nach oben.
Tatsächlich. Ein langer Riss durchzog die regenbogenfarbene Schale, dann drang ein Klopfen an ihre Ohren und im nächsten Moment machte das ganz Ei einen gewaltigen Hopser. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgten die Hühnerdamen das Geschehen. Noch nie hatten sie erlebt, dass ein Ei hopst. Ein weiterer Hopser folgte, das Ei taumelte, fiel zurück gegen die Wand und zerbrach.
„Ooooh“ war alles, was im Hühnerstall zu hören war.
Vor den erstaunten Augen der Hühnerdamen, lag ein kleines, braunes Tier im Stroh. Statt Vogelfedern besaß es ein buschiges Fell und es hatte lange Ohren.
Plumps machte es und Berta war vor Schreck auf ihr Hinterteil gefallen. „Ein Häschen“, flüsterte sie noch, bevor sie endgültig in Ohnmacht fiel.
Aber Berta wäre nicht Berta, wenn sie nicht in Windeseile ihre übliche Gemütsruhe wiedergefunden und die Lage in den Griff bekommen hätte. Kaum war sie aus ihrer Ohnmacht erwacht, sprang sie auf und machte sich entschlossen auf den Weg zu Molly, der Hofhündin.
„Molly“, sprach sie die Hundedame geradeheraus an, „ich brauche deine Hilfe.“
Die Hündin versuchte sich auf Berta zu konzentrieren. Was gar nicht so einfach war, da drei quirlige Welpen um ihre Beine herumhuschten. Molly war vor einigen Tagen zum ersten Mal Mutter geworden. „Was kann ich denn für dich tun, Berta?“, übertönte sie ihre kleine Rasselbande mit Mühe.
„Stell dir vor, bei uns im Hühnerstall ist ein Hase geschlüpft.“ Rasch erzählte sie die ganze Geschichte, während Mollys Augen immer größer wurden. So etwas hatte sie noch nie gehört. Ein Hase, der aus einem Ei schlüpft. „Und nun brauche ich Milch für den kleinen Kerl“, endete Berta.
„Bring ihn her“, sagte Molly, „wir Mütter müssen schließlich zusammenhalten.“
So kam es, dass auf einem Hühnerhof ein Hase von einer Henne ausgebrütet und dann von einer Hündin gesäugt wurde. Mio, der Hahn, zog sich derweil in seinen Schmollwinkel zurück. Auf ihn hörte sowieso wieder einmal niemand.
Wen wundert es da, dass aus dem kleinen Hasen bei all der Liebe und Zuwendung bald ein großer Hase wurde. Voller Stolz beobachtete ihn Berta und auch die anderen Hühnerdamen und natürlich Molly hatten den kleinen Kerl in ihre Herzen geschlossen.
Eines Tages, es war kurz vor dem Osterfest, beobachtete Berta, wie ihr Hase mit einem Strohbüschel in der Pfote neben einer Pfütze hockte. „Was machst du da?“, fragte sie neugierig.
„Ich will eure Eier anmalen“, war die rätselhafte Antwort.
Staunend sah Berta, wie der Hase den Strohwisch in den schlammigen Teil der Pfütze tauchte und damit dann über eins der Eier wischte, die neben ihm lagen. Anfangs hatten die Eier danach einfach nur eine Schlammkruste, aber nach weiteren Versuchen waren die Eier kunstvoll mit Tupfen oder Linien verziert. Richtig hübsch sahen sie aus.
„Meinst du, ich darf die Eier der anderen Hühnerdamen auch anmalen?“, fragte der Hase.
Berta nickte, während sie sich mit dem Flügel ein paar Mal über die Augen wischte. Gerührt drückte sie ihr Pflegekind, das sie längst überragte, an ihr Federkleid.
Voller Eifer machte sich der Hase ans Werk. Und so geschah es, dass am nächsten Tag, es war der Ostersonntag, die überraschten Hühnerdamen in ihren Nestern nicht ihre üblichen weißen und braunen Eier fanden, sondern liebevoll bemalte.
Selbst Mio, der Hahn, fand nichts mehr zu meckern. Er sonnte sich einfach in dem Gefühl, dass sein Hühnerhof nun wirklich etwas ganz Besonderes war.
Nicole Vergin lebt und arbeitet am Steinhuder Meer, in der Nähe von Hannover. Sie ist Mitinhaberin der Schreib- und Lesewerkstatt La Piuma, wo sie die Möglichkeit hat, ihre Hobbys als Berufung zu leben.
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Hoothie - die Osterkatastrophe
„Unter dem Kirschzweige,
hinten an der Weide.
Oder unter’m Baum,
vielleicht doch lieber am Zaun?“
Seit Wochen klang dieses Lied durch den Wald. Es war jedes Jahr zu einer bestimmten Zeit zu hören. Hoothie, der Osterhase, sang es. Wenn Weihnachten vorbei war, der Schnee langsam taute und die Schneeglöckchen und Krokusse frech ihre Köpfe reckten, dann war seine Zeit. Sein Häuschen mit dem Strohdach strahlte in vielen bunten Farben, denn Hoothie malte gern. Auch jetzt saß er auf einem Holzstuhl und mischte verschiedene Farben. Rot, Blau und etwas Gelb. Nicht immer war das Ergebnis schön anzusehen. Aber wichtiger als die Farben waren die herrlichen Muster, die die Eier verzieren sollten. Ob Linien, Kreise oder einfache Punkte, er probierte alles aus. Fröhlich schwang er seinen Pinsel im Takt zu seinem Liedchen. Manchmal landete ein Farbklecks auf seiner Nasenspitze. Jetzt zierte sie ein großer Klecks grüner Farbe. Als Hoothie in den Spiegel sah, musste er selbst lachen.
Kurze Zeit später ging er in den Garten. Dort blühten unzählige Krokusse, einer schöner als der andere. Hoothie warf einen Blick auf seinen Kalender, welcher neben dem Haus an einem Brett befestigt war und seine wichtigen Termine zeigte. „Erste Lieferung Eier abholen“, zeigte der Kalender an. Richtig, denn es sollte mit dem Bemalen der Eier ja schleunigst losgehen. Oh, wie freute er sich darauf!
Da Hoothie niemals alles allein schaffen würde, haben ihm seine besten Freunde Roxi, das Eichhörnchen, und Flocks, der Igel, wie jedes Jahr ihre Hilfe angeboten. Als Dankeschön hilft Hoothie den beiden im Herbst reichlich Äpfel, Kastanien und Nüsse zu sammeln, damit sie im Winter nicht hungern müssen. Da hörte er auch schon ein Liedchen:
„Tierili, Tierila,
der Karren ist jetzt da.
Tierili, Tierila,
jetzt sind wir beide da …“
Hoothie ging zum Gartenzaun, um die beiden zu begrüßen. Flocks zog einen großen Karren und Roxi schob von hinten.
„Hoothie, dein Garten ist ja ein Meer aus Blüten“, rief Roxi begeistert beim Anblick der Krokusse.
„Das dient zur Einstimmung auf das Osterfest“, meinte Hoothie strahlend. Der Schuppen hinter Hoothies Haus wurde als Bastelwerkstatt hergerichtet. Dort werden in jedem Jahr die Eier bemalt und in kleinen Körbchen für die Verstecke fertiggemacht. Liebevoll richteten die drei die Ablage für die Eier mit Stroh aus.
Roxi und Flocks schoben den Karren bereits auf den Waldweg in Richtung Hühnerhof. Der Weg führte durch den Wald und die großen Bäume warfen auch an sonnigen Tagen ihre großen dunklen Schatten über ihn. Der Hühnerhof lag gleich hinter dem Wald. Als Hoothie sich dem Ende des Weges näherte, hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.
„Hoothie, Hoothie, es ist etwas Schreckliches passiert!“ Aufgebracht näherte sich Rufus. Er war ein stattlicher Hahn, immer sehr ruhig und freundlich. Doch an diesem Tag war er schrecklich aufgeregt und flatterte ihnen bereits entgegen.
„Aber Rufus, was ist denn passiert?“, fragte Hoothie.
„Die Eier sind alle weg! Grimmold, der Fuchs, hat sie gestohlen. Letzte Nacht war er da und hat uns bedroht. Oh, Hoothie, du weißt ja gar nicht, wie böse er ist.“
„Alle Eier?“, fragte Hoothie ungläubig.
„Ja, sie sind weg!“, krächzte Rufus.
„Aber was machen wir denn jetzt?“, fragte Roxi mit großen Augen.
„Die ganze Lieferung! Das sind mehr als die Hälfte der Eier, die ich benötige! So kann ich nicht genug Osterüberraschungen basteln. Was will Grimmold denn mit so vielen Eiern?“, fragte Hoothie.
Betrübt setzten sich die vier auf einen Heuballen.
„Was hast du jetzt vor?“, fragte Flocks.
Hoothies Ohren hingen herunter und seine Augen glänzten. „Ich weiß es nicht! Dann kann ich nur ein paar Überraschungen basteln und wem soll ich sie schenken? Nur den Hühnern, nur den Pferden? Da beschenke ich lieber gar niemanden. Oh, das ist so gemein!“, jammerte Hoothie. „Ich werde zu ihm gehen!“, sagte Hoothie auf einmal und stand auf.
„Du willst ihn besuchen?“, fragte Roxi ungläubig.
„Wie stellst du dir das vor? Du kannst nicht einfach zu Grimmold gehen, er frisst dich vielleicht auf!“, rief Rufus entsetzt.
„Du weißt doch gar nicht, wo er wohnt!“, meinte Flocks.
„Aber ich weiß, wer mir das verraten kann! Angst habe ich auch keine!“, meinte Hoothie mutig.
„Ja, noch nicht!“, warf Roxi ein.
Hoothie schob den Karren in Richtung Waldweg. Flocks und Roxi warfen sich einen kurzen Blick zu und folgten ihm dann in den Wald. „Ich werde Buhu fragen. Er ist sehr schlau und kann uns sicher sagen, wo der Fuchs wohnt.“
Flocks und Roxi gefiel diese Idee überhaupt nicht. Dort, wo die Bäume am höchsten waren und die Sonne nicht mehr auf den Boden langte. Genau an dieser Stelle hatte es sich Buhu auf einem Baum gemütlich gemacht. Sein Haus lag so weit oben in den Ästen einer Tanne, dass man von unten laut rufen musste, um ihn zu wecken, zumindest um diese Tageszeit. Denn er war eine Eule und schlief am Tag.
„BUHU!!!!“, fingen die drei im Chor an zu schreien.
„Was ist denn das für Lärm um diese Uhrzeit!“, schimpfte jemand.
„Buhu, wir müssen dich sprechen. Es ist wirklich wichtig!“, versuchte es Hoothie noch einmal.
„Hoothie, was ist denn passiert?“, fragte Buhu vom höchsten Ast.
„Grimmold, der Fuchs, hat den größten Teil meiner Ostereier gestohlen. Wir möchten ihn finden und zur Rede stellen. Kannst du uns sagen, wo er wohnt?“
„Hoothie, Grimmold kann ein böser, alter Narr sein. Ich kann nicht zulassen, dass ihr drei euch in Gefahr begebt“, erklärte Buhu.
„Bitte Buhu! Ohne die Eier kann ich die Osterüberraschungen nicht basteln! Bitte sag uns, wo wir ihn finden können.“
„Gut, aber sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt! Er kann gefährlich sein. Er wohnt am großen Felsen und nun lasst mich in Ruhe schlafen!“ Mit diesen Worten verschwand er wieder. „Der Weg zum großen Felsen führt gleich dort vorn um die Baumgruppe.“ Die drei schoben den Karren in die beschriebene Richtung. Der Wald schien in diesem Winkel dunkler und kühler zu sein. „Hoothie, das war bestimmt keine gute Idee! Er wird uns alle auffressen!“, jammerte Roxi.
Der Felsen sah gefährlich aus. Die Höhle war groß und schwarz, das konnten die drei von Weitem sehen.
„Grimmold, bist du da?“, rief Hoothie.
„Wer wagt es, mich bei meinem Namen zu rufen? Wer traut sich so nah an meine Höhle heran?“, schallte es aus der Dunkelheit.
Flocks und Roxi wichen vor Angst zwei Schritte zurück. Hoothie blieb tapfer stehen und antwortete: „Mein Name ist Hoothie, ich bin der Osterhase und das sind meine Freunde. Wir sind gekommen, um die Eier zu holen, die du gestohlen hast!“
„Der Osterhase Hoothie traut sich an meine Höhle. Möchtest du mein Mittagessen werden?“, fragte Grimmold spöttisch.
„Wir möchten die Eier zurück! Wozu solltest du sie brauchen?“, entgegnete Hoothie.
„Wozu? Das fragt der Richtige! Jedes Jahr versteckst du Eier für deine Freunde und alle anderen. Nur mich hast du nie beschenkt. Dabei habe ich dir oder deinen Freunden nie etwas getan. Du versteckst für mich nur nichts, weil ich ein Fuchs bin. Und ein Fuchs ist ja immer böse, nicht wahr? Da wollte ich mir selbst Ostereier verstecken, auch ohne deine Hilfe!“ Nun sah Grimmold gar nicht mehr böse aus, nur noch sehr einsam und traurig.
„Es tut mir leid Grimmold. Ich habe nie versucht, ein Freund für dich zu sein. Bitte gib mir die Eier wieder. Ich verspreche dir, du bekommst in diesem Jahr eine Osterüberraschung. Ich möchte dich auch zu meiner Osterfeier einladen“, sagte Hoothie.
„Das würdest du tun?“, fragte Grimmold misstrauisch.
„Ich verspreche es!“, antwortete Hoothie.
Grimmold überlegte und willigte schließlich ein. Er half ihnen sogar, die Eier im Karren zu verstauen.
Zurück in Hoothies Haus, begannen die drei mit der Arbeit. Sie hatten Spaß und die Eier wurden, jedes für sich, ein kleines Meisterwerk. Als Hoothie das letzte Ei bemalt hatte, machten sie sich auf den Weg, die vorher sorgfältig ausgewählten Verstecke von Hoothie mit Osterüberraschungen zu füllen. Am nächsten Tag sollte das Osterfest beginnen und es dauerte nicht lange, bis die ersten Gäste sich im Garten einfanden. Jeder bestaunte die bunten Blumen und natürlich suchten sie auch nach kleinen Überraschungen. Als alle fröhlich feierten, kam noch ein letzter Gast: Grimmold!
Auf vielen Gesichtern zeichnete sich Angst ab. Doch Hoothie konnte die Gäste schnell beruhigen. Grimmold trat auf ihn zu. „Hoothie, ich möchte dir danken. Heute Morgen bin ich aufgewacht und habe am Eingang meiner Höhle eine wunderschöne Osterüberraschung gefunden. Du hast dir wirklich sehr viel Mühe gegeben. Danke auch für die Einladung zu deiner Osterfeier“, sagte Grimmold.
„Das habe ich gern getan, Grimmold! Es freut mich, dass es dir gefällt. Ich verspreche auch, dass ich dich nie wieder vergessen werde“, sagte Hoothie und klopfte Grimmold freundschaftlich auf die Schulter.
„Ich habe mich bereits bei Rufus und den Hühnern für mein schlechtes Benehmen entschuldigt“, verriet Grimmold schnell.
Dann kamen auch schon Flocks und Roxi mit Getränken auf die beiden zu. „Grimmold, wir wollen mit dir Anstoßen“, rief Roxi und prostete ihm zu.
„Na, das lass ich mir nicht zweimal sagen“, grinste Grimmold.
Zusammen mit Rufus und den Hühnern feierten die vier das bis dahin schönste Osterfest. Und es werden bestimmt noch einige fröhliche Feste folgen.
AUF DIE FREUNDSCHAFT!
Jacqueline Dietrich ist 27 Jahre alt und lebt in Leipzig. Ihre Hobbys sind Lesen, Schreiben (besonders Fantasy und Kurzgeschichten für Kinder), Zeichnen und Musik hören. Einige ihrer Texte wurden bereits im Kulturmagazin ZeitPunkt veröffentlicht.
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Osterüberraschung vom Weihnachtsmann
Zielsicher ging Tobias durch das große Gartencenter, ohne auf bunte Ostereier, niedliche Plüschküken und grinsende Osterhasen aus Pappe zu achten. Das Einzige, was ihn in diesem Geschäft interessierte, befand sich in der Kleintierabteilung. Gebannt blieb er vor einem der verglasten Gehege stehen. Sein Herz klopfte vor Aufregung. „Das ist der schönste Hase, den ich je gesehen habe“, flüsterte Tobias andächtig.
„Löwenkopf, männlich“ stand auf dem weißen Schild, das an der Scheibe befestigt war. Der Preis von 20 Euro war durchgestrichen und auf 15 Euro verbessert.
„Warum ist der Hase jetzt billiger?“, fragte Tobias eine Verkäuferin mit roten Haaren, die gerade den Nebenkäfig säuberte.
Die Verkäuferin sah auf und lächelte. „Ach, das ist unser Weihnachtsmann. Den wollte bisher noch niemand haben. Er ist schon ein paar Monate alt, also kein ganz junges Kaninchen mehr, und deswegen haben wir gehofft, ihn so verkaufen zu können.“
„Und warum sagen Sie Weihnachtsmann zu ihm?“
Die Verkäuferin lachte. „Na ja, schau ihn dir einmal genau an. Findest du nicht, dass seine dunkelgraue Löwenmähne wie ein Bart aussieht? Und dann ist er genau in der Weihnachtszeit zu uns gekommen. Deswegen haben wir ihn Weihnachtsmann getauft.“
„Ich hätte mir denken können, dass du wieder hier steckst. Los jetzt, wir müssen nach Hause. Ich habe heute noch einiges zu erledigen!“, schimpfte Tobias Mutter, die gerade im Laufschritt angehetzt kam.
„Schau Mama, wie süß der Hase ist. Bitte, ich wünsche mir doch schon sooo lange einen. Du musst mir auch überhaupt nichts anderes zu Ostern kaufen“, bettelte Tobias mit Seehundaugen.
„Wir kaufen jetzt ganz bestimmt keinen Hasen. Komm jetzt endlich!“ Schon war die Mutter wieder Richtung Kasse verschwunden.
Tobias blieb nichts anderes übrig, als hinterher zu trotten.
Beim Abendbrot versuchte Tobias, seinen Vater zu überzeugen, den Hasen zu kaufen.
„Und er ist fast ganz schwarz. Nur um die Augen und die Nasenlöchern herum sind hellbraune Ringe. Und er sieht so putzig aus, wenn er mit seinem kleinen hellbraunen Mund eine Karotte mampft. Die pelzigen Füße und der Bauch sind auch weiß und hellbraun und die Löwenmähne ist ganz dunkelgrau und deswegen ist es der Weihnachtsmann. Und fünf Euro ist er auch billiger. Und wenn ich einen Hasen hätte, würde ich bestimmt öfters an die frische Luft gehen und im Garten würde ich auch helfen, das wollt ihr doch immer!“
„Und der Hase hilft bestimmt auch mit, vor allem bei der Karottenernte“, brummte die Mutter, während sie für Tobias’ kleine Schwester Kathy eine Brotscheibe mit Leberwurst beschmierte.
Der Vater lachte. „Mama hat mir vorhin schon erzählt, dass du dich in einen Hasen verliebt hast. Du sollst ihn bekommen, wenn du mir hilfst, einen Stall für draußen zu bauen. Und sobald es wärmer wird, zieht der Hase in den Garten.“
„Au ja! Und bis dahin kann er in meinem Zimmer bleiben. Auf dem Dachboden habe ich einen alten Käfig gesehen, den hole ich nachher gleich herunter“, stimmte Tobias begeistert zu.
„Krieg ich auch einen Hasen?“, meldete sich Kathy zu Wort, die bisher mit großen Augen zugehört hatte.
„Ein Hase genügt!”, erklärte die Mutter bestimmt. „Tobias lässt dich seinen Hasen bestimmt auch streicheln.“ Sie schaute ihren Sohn herausfordernd an.
„Kein Problem“, meinte Tobias großzügig.
Einen Tag vor Ostern war Tobias stolzer Hasenbesitzer. Sorgfältig hatte er alles vorbereitet und jetzt saß sein Schützling in seinem neuen Zuhause und drehte ängstlich die Augen heraus. Vorsichtig streichelte Tobias über das weiche Fell. „Du wirst dich bald an mich gewöhnt haben“, tröstete er das kleine Tier. „Und ab jetzt sollst du Bobby heißen. Weihnachtsmann ist ja kein richtiger Hasenname“, beschloss er. Doch im Laufe des Tages wurde Tobias unruhig. Irgendetwas schien mit Bobby nicht in Ordnung zu sein. Ständig lief der Hase im Käfig hin und her. In jeder Ecke fing er zu buddeln an, und als Tobias ihn aufheben wollte, schnappte er böse nach seinen Fingern. Tobias erschrak. „Bobby wird doch nicht krank sein!“, schoss es ihm durch den Kopf. Den Eltern erzählte er lieber nichts von seinem Verdacht. Vielleicht hätten sie Bobby zurück in das Geschäft bringen wollen. Die ganze Nacht konnte Tobias hören, wie Bobby in seinem Käfig rumorte und immer wieder mit der Tränkflasche klapperte. Erst als es draußen zu dämmern anfing, wurde es ruhig.
Am Ostermorgen holten helle Sonnenstrahlen Tobias aus seinem Bett. Sofort ging er zu Bobbys Käfig und hob den Deckel auf. Vor Schreck wäre er fast kopfüber hineingefallen. Was war das? Er konnte eindeutig eine schmale Blutspur erkennen. In einer Ecke war das ganze Heu aufgestapelt, das Tobias in die Raufe getan hatte. Tobias wollte das Heu nehmen und wieder zurück in die Raufe stecken, doch zwischen dem Heu fand er ein Knäuel von Bobbys Fell. Bobby saß erschöpft in der gegenüberliegenden Ecke und schien irgendwie erleichtert zu sein. Neugierig stocherte Tobias mit seinem Zeigefinger in das Fellknäuel.
„Mama, Papa kommt schnell her! Das müsst ihr euch anschauen!“, schrie er, so laut er konnte.
Der Vater kam mit verstrubbelten Haaren zur Tür herein. „Was ist denn los?“, fragte er verschlafen. Tobias zeigte wortlos auf den Käfig. Gleich darauf betrat die Mutter zusammen mit Kathy Tobias Zimmer. „Ist etwas passiert?“
Der Vater schob vorsichtig das Fellknäuel auseinander und schaute grinsend vom Käfig auf. „Ich fürchte, der Weihnachtsmann hat zwei kleine Osterhasen gebracht.“
Vor Erstaunen vergaß die Mutter, den Mund zu schließen. Kathy hingegen jubelte. „Au fein! Dann bekomme ich ja doch noch einen richtigen Hasen zu Ostern!“
Tobias streichelte erleichtert seinen, nein, seine Bobby.
„Arme Bobby! Und ich wusste nicht, was mit ihr los war.“
„Dann müssen wir halt einen Käfig für drei Hasen bauen“, meinte der Vater und richtete sich auf.
„Ja, und ich werde wohl im Garten ein Beet Karotten zusätzlich einplanen müssen“, meinte die Mutter gottergeben.
Tobias strahlte wie eine Osterkerze und war überzeugt, dass er so ein schönes Osterfest noch nie erlebt hatte.
Annette Geier ist 40 Jahre alt und lebt in Gremsdorf. Sie liebt das Schreiben. Zwei ihrer Kurzgeschichten wurden bereits in Anthologien veröffentlicht.
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