- -
- 100%
- +
Nun zog er seinen Sack hervor, den die Kinder erst jetzt sahen, weil er ihn als Rückenlehne benützt hatte. Umständlich band er ihn auf, kramte eine Weile darin herum und brachte dann einen kleinen Stern zutage. Er glitzerte geheimnisvoll, als er ihn den Kindern reichte. „Hier, das ist mein Geschenk an euch. Ihr müsst mir aber versprechen, dass euch an Weihnachten nicht nur die Geschenke interessieren. Schaut diesen Stern an: Ich habe ihn vom Sternenhimmel mitgebracht.“
Während der Mann weitersprach, sah Florian seine Schwester mit einem merkwürdigen Blick an, so, als ob er ihr zeigen wollte, dass er den Mann für verrückt hielt. „Dort oben ist er gestanden!“ Damit zeigte er durch das Schneetreiben auf eine klare Stelle am Himmel, an der jetzt ein paar Sterne zu sehen waren. „Seht ihr den hell blinkenden? Gleich daneben gehört der hier hin. Ist er nicht schön?“ Die Kinder konnten nur wortlos nicken. „Er gehört euch, wenn ihr bereit seid, zur Krippe zu kommen. Sie ist der Mittelpunkt von Weihnachten. Nicht die Geschenke. Gut, die gehören auch dazu. Aber sie sind eigentlich gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Menschen immer wieder den Stern suchen, der sie führt. So wie die Hirten. Nicht nur zu Weihnachten.“
Florian griff nach dem Stern und betrachtete ihn. Er fühlte sich ganz leicht und zerbrechlich an, wie aus Seidenpapier, und doch verlässlich und fest zugleich. Einfach gut. Der Weihnachtsmann erhob sich jetzt und langte nach seinem Sack. „So, ich glaube, jetzt muss ich doch weiter. Vergesst nicht, was ich euch gesagt habe!“ Florian betrachtete den Stern, Karin guckte zum Himmel. Und so passierte es, dass der Alte verschwunden war, als sie sich ihm wieder zuwenden wollten. „Wo ist er jetzt hingekommen?“, fragte Florian staunend. „Eben stand er doch noch da. So schnell kann kein Mensch verschwinden!“ „Mensch nicht, aber Weihnachtsmann schon“, stellte Karin fest. „Du, ich glaube, das war der echte!“
Am Abend, als alle um den Adventkranz versammelt waren, staunten die Eltern nicht schlecht. Zwischen dem frischen Tannenreisig glitzerte und funkelte ein Stern. Sie dachten, dass ihn die Kinder gebastelt und den Kranz damit verziert hätten. Florian erzählte vom Weihnachtsmarkt und vom Weihnachtsmann, den sie dort getroffen hatten. Womöglich hätte er auch Mutters Geschenk noch verraten, wenn ihn Karin unterm Tisch nicht getreten hätte. „Ein schöner Gedanke“, meinte Papa, „den euch der Weihnachtsmann da mitgegeben hat. Es wäre wirklich wichtig, dass alle Menschen in ihrem Leben ein Ziel haben. Eines, das nicht so einfach am Markt zu kaufen ist. Das überhaupt mit Geld nichts zu tun hat.“
Vor dem Zubettgehen beruhigte sich das Schneetreiben und der Himmel klarte überall auf. Die Kinder standen beim Wohnzimmerfenster und suchten am Himmel den hellen Stern, den ihnen der Weihnachtsmann gezeigt hatte. Den, der neben dem ihren gestanden war. Je länger sie ihn ansahen, umso größer schien er zu werden und sich zu bewegen. Vielleicht war er unterwegs nach Bethlehem zum Stall ...
Elisabeth Seiberl, geb. 1958, wohnt in Bad Leonfelden, OÖ, und hat mehrfach in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht.
*
Einmal im Jahr
Einmal im Jahr ziehe ich durch die Welt.
Fliege über die Kontinente der Erde.
Die kalte Luft rötet meine Wangen,
doch es liegt ein Lächeln auf meinem Gesicht.
Heute kann ich die Menschen glücklich machen,
denn ich darf sie beschenken.
Einmal im Jahr erwache ich zum Leben.
So viele Menschen glauben an mich.
Sie glauben an mich, am meinen Mythos.
Erwartungsvoll stehen Kinder an den Fenstern.
Sie schauen zum Himmel hinauf,
um mich zu erblicken.
Horchen geduldig auf das Läuten meiner Glöckchen.
Heute bleiben die Kamine kalt,
denn sie sind mein Eingang.
In den Häusern erwarten mich Milch und Kekse.
Außerdem bekomme ich so viel Liebe.
Liebe durch Dekorationen in herrlichen Farben.
Einmal im Jahr
besuche ich jeden einzelnen Menschen.
Hinterlasse Geschenke, um dann weiterzuziehen.
Es ist Weihnachten und ich mache hier meinen Job.
Ich bin der Weihnachtsmann.
Für manch einem nur eine Geschichte,
für andere ein fester Glaube.
Nancy Noack wurde am 22. Februar 1982 in Berlin geboren. Sie schreibt seit ihrem 14. Lebensjahr. So wie andere Tagebuch führten, schrieb Nancy ihre Gedanken in Gedichtform auf. Das Schreiben ist für sie nicht nur ein Hobby, sondern eine Leidenschaft.
*
Wundersame Weihnacht
Mit einem lauten Knall schlug Sebastian die Tür hinter sich zu. Wütend warf er die Jeansjacke in die Ecke seines Zimmers und ließ sich traurig aufs Bett fallen. Während er mit den aufsteigenden Tränen kämpfte, schaute er auf den beleuchteten Messingstern. Wie der Stern über Bethlehem strahlte dieser elektrisch beleuchtete Stern aus blank poliertem Messing in seinem Fenster. Seine Mutter hatte ihn dort angebracht und täglich steigerte er seine Vorfreude auf Weihnachten. Morgen war Heiligabend und draußen fielen sogar die ersten Schneeflocken, alle Voraussetzungen für ein wunderschönes Weihnachtsfest waren gegeben, nur seine Mutter hatte ihm die Freude daran gründlich verdorben. Gerade heute beim Plätzchen backen hatte sie ihm mitgeteilt, dass er sich schon einmal mit dem Gedanken anfreunden müsse, dass sein Geschenk in diesem Jahr bei Weitem kleiner ausfallen würde als gewünscht. Bei dieser Ankündigung hatte sie Tränen in den Augen und erklärte ihm, dass sie als allein erziehende Mutter, deren Arbeitgeber die diesjährige Weihnachtsgratifikation gestrichen hatte, ganz besonders sparen müsse.
Sebastian wünschte sich ganz weit weg zu sein und wollte damit all diesen Ungerechtigkeiten, die ihm jetzt widerfuhren, entfliehen. Aber allem voran wollte er es seiner Mutter heimzahlen, ihr einen anständigen Denkzettel verpassen. Mit seinem Verschwinden würde er ihr sogar einen großen Dienst erweisen. Denn ohne ihn würde sie bestimmt viel besser zurechtkommen und müsste nicht jeden Cent zweimal umdrehen, dachte er zornig und erhob sich zu allem entschlossen von seinem Bett. Wenn er erst einmal nicht mehr da wäre, dann würde sie die Sache mit dem Geschenk und dem Sparen mehr als bitter bereuen.
Sebastian setzte sich an seinen Tisch, nahm ein Blatt Papier und fing an zu schreiben. Obwohl er noch nicht eingeschult war, konnte er bereits lesen und schreiben, was er seiner Mutter zu verdanken hatte und ihm jetzt zugutekam. Er wollte dorthin, wo sich der Weihnachtsmann das ganze Jahr über aufhielt mit all den bunten, schönen Sachen und Geschenken, die so groß waren, dass sie gar nicht eingepackt werden konnten. Solange er seinen Wunsch persönlich an den Weihnachtsmann richtete, kullerten seine Tränen aufs Papier und vermischten sich mit der Tinte. Nachdem er fertig geschrieben hatte, faltete er das Stück Papier zu einem Flugzeug, öffnete das Fenster mit dem Stern von Bethlehem und ließ es durch den dunklen Nachthimmel mit all den unzählbaren, lautlosen Schneeflocken gleiten. Erst als es nicht mehr zu sehen war, schloss er das Fenster und legte sich trotzig aufs Bett. Der Duft der frisch gebackenen Plätzchen zog durch die ganze Wohnung und machte auch vor seinem Zimmer nicht halt.
Obgleich sein Magen knurrte, wollte er standhaft bleiben und seiner Mutter die Zähne zeigen. Müdigkeit breitete sich über ihm aus, er schlief ein und wachte mitten im Traumland wieder auf. Ein wunderschöner, alles überstrahlender Engel nahm ihn bei der Hand und führte ihn an den Ort seiner Wünsche. Der Weihnachtsmann war derweil mit seinem vollgepackten Schlitten unterwegs, um all die vielen Geschenke pünktlich abzuliefern. Spielsachen, Musikgeräte, Bücher ... so weit das Auge reichte. Alles lag da, was Sebastians Herz begehrte.
Aber sein besonderes Augenmerk galt dem Kleidungsstück, das direkt vor ihm lag. Genau die Jacke, die er sich schon das ganze Jahr über sehnlichst gewünscht hatte und die er jetzt nicht erhalten sollte. Er nahm sie auf, zog sie an und tatsächlich passte sie wie angegossen. Sogar ein Spiegel stand plötzlich da, in dem er sich ausgiebig und freudestrahlend betrachten konnte. Ein wertvolles und wunderschönes Kleidungsstück von überaus langer Lebensdauer war dieser robuste Lammfellblouson im Fliegerstil. Für das Modell hatte man die Farbe Sand ausgewählt und mit Antik-Finish versehen, wodurch der Blouson noch authentischer wirkte. Mit durchgehendem Reißverschluss, zwei Schubtaschen, sportlichen Schließen seitlich am Bund sowie zwei Innentaschen mit Reißverschluss war er ein treuer Begleiter durch die kalte Jahreszeit.
Sebastian hörte nicht nur die Worte des Verkäufers, sondern sah diesen geradewegs und zuversichtlich lächelnd hinter sich stehen, während er sich selber im Spiegel bewunderte. Dennoch verging ihm blitzartig die Freude an seinem schönen, teuren Geschenk, als ihm der Engel zeigte, wie traurig seine Mutter über sein Verschwinden war und sich aus Verzweiflung über den Verlust ihres über alles geliebten Sohnes von einer Brücke stürzte. Sebastian zog die Jacke aus und ließ sie achtlos auf den Boden fallen, während er mit tränenerstickter Stimme den Engel bat, ihn doch wieder nach Hause zu seiner Mutter zu bringen, die er mehr als alles und jeden anderen liebte. Der Engel nahm ihn gütig lächelnd bei der Hand und erklärte ihm, dass nur allein die Liebe das größte Geschenk im Himmel wie auf Erden sei.
Es war Weihnachtsmorgen. Sebastian rieb sich den Schlaf aus den Augen und schaute durch das Fenster mit dem Bethlehemstern auf die einladend geschlossene Schneedecke. Bei dem Anblick des Sterns musste er sogleich an seine Mutter denken, die diesen so liebevoll an seinem Kinderzimmerfenster aufgehängt hatte. Beunruhigt und angsterfüllt schlich er auf der Suche nach ihr durch die Wohnung und fand sie glücklicherweise in der Küche vor. Dort war sie noch immer zugange, ganz leise zwar, um ihn nicht zu wecken. Und wieder stieg ihm der Duft der frisch gebackenen Plätzchen in die Nase. Die Tränen der Freude und Erleichterung liefen ihm bei ihrem Anblick über die Wangen. Wie immer wenn er sie sah, ging die Sonne für ihn auf. Er war Zuhause und seine über alles geliebte Mutter stand vor ihm. Rasch lief er zu ihr hin und umarmte sie wortlos. Sie zog ihn schweigend und verständnisvoll an sich. Sie brauchten keine Worte. Sie verstand ihn, so wie sie immer alles verstand. Sebastian fühlte sich glücklich und geborgen. Er hörte wieder die Stimme des wunderschönen, alles überstrahlenden Engels, der ihm ins Ohr flüsterte, dass nur allein die Liebe das größte Geschenk im Himmel wie auf Erden sei.
Als sie am Abend von der Kirche zurückkamen und es Zeit war für die Bescherung, fand Sebastian unter dem Weihnachtsbaum den Lammfellblouson, den er sich so sehr gewünscht und den er in seinem Traum, oder war es gar kein Traum gewesen, so achtlos hatte zu Boden fallen lassen. Hastig schlüpfte er in die Jacke und warf sich voll Dankbarkeit in die Arme, seiner nicht weniger überraschten Mutter.
Die kleinen goldfarbenen Glöckchen am Baum fingen leise an zu klingen und Sebastian wusste, dass er dieses wundersame Weihnachtsfest niemals vergessen würde.
Susanne Ulrike Maria Albrecht, geboren im November 1967 in Zweibrücken, absolvierte eine Ausbildung zur Gestalterin für visuelles Marketing und eine private Schauspielausbildung. Von ihr erschien bereits der Band „Umkehr ausgeschlossen“ sowie einige weitere Werke in Anthologien und Literaturzeitschriften.
*
Der Weihnachtsmond
„Wenn der Mond ein Käse wäre“, flüsterte die kleine Maus Fridolin, „dann bräuchte ich nie wieder Hunger zu leiden!“ Sehnsüchtig schaute das graue Tierchen auf zum samtblauen Himmel, wo prall und voll das große Licht schien, umgeben von unzähligen kleinen. Laut knurrte der Magen des flinken Nagers. Fridolin hielt sich den Bauch, der so leer war, dass er schmerzte. „Ach, nur ein winziger Bissen Käse, ein Krümelchen Brot – wie gut würde mir das jetzt schmecken! Aber seit der alte graue Kater sein Jägeramt an das Schwarze Ungeheuer abgeben musste, ist hier einfach kein bisschen mehr zu holen. Das ist ein trauriger Advent! Ob Weihnachten je kommt? Nun, ich werde versuchen zu schlafen. Morgen ist ein neuer Tag, der vielleicht Rat bringt!“
Fridolin kroch ganz tief in die hinterste Ecke seine Loches, wo er es sich auf einem Häufchen Stofffetzen gemütlich machte. Dankbar, jetzt im Winter wenigstens noch ein warmes Bett zu haben, rollte er sich zusammen. Es war still im Mauseloch. Eine winzige Mäuseträne rollte in Fridolins Schnurrbart, als er an den schrecklichen Tag dachte, seit dem er hier allein hauste. Vom Hunger schwach und müde, schlief der Kleine aber bald ein.
Im Traum vernahm er plötzlich die Stimme, die er von allen am meisten liebte. Mäuseline, seine Mutter, sprach sanft zu ihm: „Brich auf, mein Kind! Ich weiß jetzt, die alten Mäusesagen sprechen die Wahrheit. Der Mond ist ein Käse. Jede Maus, die ihn erreicht, wird nie wieder Hunger leiden müssen und immer glücklich sein!“
Als Fridolin erwachte, drehte sich die ganze Welt um ihn. Das Mäuschen versuchte, auf die Füße zu kommen, was ihm auch mit einiger Mühe gelang. „So geht es nicht mehr weiter! Solange ich im Revier des Schwarzen Ungeheuers weile, ist an Essen nicht zu denken. Noch keine Maus ist ihm entkommen, alle Krümel frisst er selber und wird davon rund wie ein Vollmond.“
Der Gedanke an den Himmelskörper brachte Fridolin seinen Traum wieder vor Augen. „Der Mond! Ich muss zu ihm. Dort kann ich mich satt essen und froh sein. Nur – wie stelle ich das an? Für ein kleines Mäuschen wie mich ist es doch viel zu weit dorthin! Nun, am besten laufe ich einfach los, sehe unterwegs, wie es weiter geht!“ Fridolin schaute vorsichtig nach links und rechts, vor sich und nach oben, um herauszufinden, ob die Luft rein sei. Keine Spur des Schwarzen Ungeheuers zeigte sich. Behutsam glitt die Maus aus ihrem behaglichen Loch und huschte die Fußleiste entlang bis zur Tür. Doch – oh Graus, diese war fest verschlossen. Auf der Türmatte schlief der große Hund, der aller Mäuse Schrecken war. Dort war kein Durchkommen, das stand fest. Fridolin spürte einen leisen Luftzug und sah, dass das Fenster des Raums gekippt war. Rasch schlich er an dem Schlafenden vorbei, huschte quer durch das Wohnzimmer am reich geschmückten Tannenbaum vorbei und kletterte behände den langen Vorhang hinauf, der nicht nur die Scheibe, sondern auch das Mäuschen gut vor neugierigen Blicken verhüllte. Auf dem Sims musste der hungrige Kleine erst einmal eine Pause einlegen. Sein Magen knurrte jetzt so laut, dass er schon befürchtete, den Wächter zu wecken, doch zum Glück schnarchte dieser aus Leibeskräften. Nach einer Weile machte Fridolin sich daran, den Rahmen des gekippten Fensters zu ersteigen, doch nach einigen Handspannen kam er ins Rutschen und stieß an eine Vase mit Tannengrün, die vom Fensterbrett glitt und mit lautem Krach am Boden zerschellte. Dieser Lärm drang sogar in die Träume des Schwarzen Ungeheuers und blaffend sprang der Hund auf. „Ich sehe dich, du entkommst mir nicht“, bellte er. Fridolin machte sich ganz klein, doch schon stand der Verfolger vor ihm. Todesangst verlieh der Maus Riesenkräfte; sie sprang mit einem Satz hoch zum Fensterspalt und schlüpfte hindurch. Unsanft landete Fridolin auf dem äußeren Sims und seine Augen weiteten sich vor Schrecken. Der Hund hatte inzwischen eingesehen, dass er seiner Beute nicht durch die Scheibe folgen konnte und mit der Pfote die Tür geöffnet. „Ich sehe dich, du entkommst mir nicht!“, drohte er wieder. Die Maus schloss die Augen und sprang mit einem weiten Satz mitten auf den Pelz des alten grauen Jägers, der sich auf dem Rasen im Dezembersonnenlicht zu wärmen versuchte. „Nun ist es wirklich aus mit mir! Auch Katzen fressen Mäuse“, zitterte der Kleine. Wieder drohte der Hund.
Der greise Jäger öffnete die Augen, erblickte Fridolin, schnappte geschickt zu und schoss mit dem Tierchen im Maul um die Ecke, hangelte sich einen überfrorenen Baumstamm hoch und barg sich in einer Astgabel. Dort legte er die Maus sanft in ein verlassenes Vogelnest. „Hab keine Angst!“, maunzte der Kater tröstend. „Ich bin alt und zahnlos, ich fresse deinesgleichen nicht mehr. Dieses schwarze Ungeheuer aber ist auch mein Feind. Er soll dich nicht bekommen. Wir bleiben einfach hier oben auf dem Baum, bis das Warten ihm langweilig wird. Hunde sind nicht sehr geduldig, weißt du.“ Der Schwarze blieb bellend unter dem Versteck der zwei Flüchtigen stehen und dachte gar nicht daran, so ungeduldig zu sein, wie der Alte gemeint hatte.
„Kater Carlo“, stellte dieser sich nach einer langen Weile vor.
„Ich bin Fridolin und ich habe Hunger. Der Schwarze Hund hat meine ganze Familie erlegt und kein Krümel ist zu finden, wo er wacht. Es ist fast Weihnachten und ich bin ganz allein!“ Der alte Kater sah das Mäuschen mitleidig an. „Ja, viel besser ergeht es mir auch nicht. Er hetzt mich Tag für Tag und hat mir schon manche Wunde zugefügt. Ach, ich mag hier nicht mehr leben!“ Traurig erzählten die zwei sich ihre Geschichten, während der bellende Wachhund sie nicht aus den Augen ließ. Die Nacht brach herein und der Mond erhob sich über dem Land.
„Der Mond ist ein Käse, auf dem alle glücklich sein können!“, seufzte Fridolin müde.
„Ja, diese alte Mär gibt es bei uns Katzen auch“, stimmte sein Begleiter zu. „Nun schlaf, kleine Maus, bald wird alles gut sein! Morgen ist doch Weihnachten!“ Gehorsam schloss Fridolin die Augen und dämmerte ein. Er spürte gar nicht, wie der alte Carlo ihn sanft in das Maul nahm und immer weiter nach oben zu klettern begann. Immer wieder glitt er auf dem rutschigen Holz aus und kam nur langsam voran. Über die vereiste Rinde stieg er bis auf die alleroberste Astspitze. Der Mond stand direkt über dem Baum. Es war doch nur ein Sprung! Noch immer lauerte der wütende Hund unter dem Baum. „Ich sehe euch, ihr entkommt mir nicht!“, blaffte er. Der müde Kater nahm all seine Kraft zusammen und machte den gewaltigsten aller Sätze. Sanft berührten seine Pfoten die unebene Mondoberfläche. Ein köstlicher Duft umfing die Ankömmlinge.
Fridolin erwachte bei der Landung. „Da bist du ja, mein Kind!“ Mama Mäuseline stürzte auf ihren Sohn zu. „Und du auch, alter Jäger! Willkommen bei uns! Hier ist Platz und gutes Essen für alle! Kommt und lasst es euch wohl sein! Ich will den anderen erzählen, dass ihr zu uns gekommen seid!“ Zögernd nahm das hungrige Mäusekind einen Bissen von der Mondoberfläche. Der Käse schmeckte mild und köstlich, fast ein wenig nach Äpfeln, Nüssen und Mandelkernen. „Der Mond ist ein Käse, der alte Jäger mein Freund und ich bin so glücklich, dass ich wieder bei euch bin, Mama!“, jubelte Fridolin. „Frohe Weihnachten!“
Maria Sassin, geboren am 13.7.1963 in Rees, lebt heute mit ihrer Familie in Rommerskirchen. Sie hat bereits einige Bücher veröffentlicht.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.