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»Welch ein Projekt!«, sagte Grimzhag zu sich selbst und hoffte tief im Inneren, dass sein Reich noch lange leben mochte.
Ein schlaksiger, freundlich lächelnder Hobgoblin in einer Lederrüstung und einem schäbigen Warnoxfellumhang betrat den Thronsaal und begrüßte den Häuptling der Mazauk. Dieser musterte den Gast aus den östlichen Steppen für einen kurzen Augenblick, um schließlich freundlich die Klaue zu heben. Der Hobgoblin nahm indes seine spitz zulaufende Filzmütze vom Kopf und stellte sich vor den Thron des Orkkönigs.
»Grashrakk Khan schickt mich zu Euch, Wütender! Ich soll Euch bezüglich Eurer großen Siege beglückwünschen und Euch seine herzlichsten Grüße ausrichten!«, sagte der Bote.
»Es ist mir eine Ehre, einen Gesandten des Herrn der östlichen Steppen empfangen zu dürfen«, gab Grimzhag in aller Bescheidenheit zurück.
Sein Besucher sah zu Zugrakk und Soork herüber und lächelte sie ebenfalls an. Der Schamane verzog keine Miene und Grimzhags bester Freund wirkte ebenfalls nicht übermäßig freundlich, denn wie die meisten Orks hatte er keine allzu gute Meinung über die Hobgoblins.
»Ich freue mich, dass der große Grashrakk endlich Kontakt zu mir aufgenommen hat. Das kommt meinem Traum näher, die Grünhäute der Steppen eines Tages zu einem großen Bündnis zusammenzuführen«, sagte Grimzhag.
»Mein Herr sieht das ähnlich. Deshalb hat er mich auch zu Euch geschickt, Mächtiger. Mein Name ist übrigens Gnobrak und ich bin einer der engsten Vertrauen des Khans«, erläuterte der Bote aus dem Osten.
»Dieser Snag gefällt mir nicht!«, wisperte Zugrakk in Grimzhags Ohr und verzog mürrisch sein Gesicht.
»Halte dich aus der Sache raus!«, zischte der junge Brüller ungehalten und befahl seinem Freund zu schweigen.
»Der große Khan wünscht sich einen Pakt unserer beiden Reiche, mächtiger König. Es ist auch sein Wille, die Stämme unserer Art zu einem starken Bund zu machen. Karokum und die Stadt der tausend Zelte würden zur größten Macht der Steppe werden, wenn sie sich vereinten«, sprach der Hobgoblin feierlich.
Grimzhag brummte nachdenklich und setzte kurz drauf wieder ein freundliches Gesicht auf. Dann erhob er sich von seinem Thron und ging einige Stufen herunter, um sich vor den Gesandten des Khans zu stellen.
»Grashrakk schlägt mir also ein Bündnis vor?«
»Ja, Wütender! Es ist sein ausdrücklicher Wunsch!«
»Das ehrt mich!«, betonte der Häuptling der Mazauk.
Sein Gegenüber verbeugte sich tief und erwiderte: »Mein Herr würde Euch gerne in Karokum besuchen, damit sich die beiden größten Häuptlinge der Steppen kennenlernen können. Wäre das in Eurem Interesse?«
»Selbstverständlich!«, antwortete Grimzhag ohne zu zögern. »Ich bin über jeden Artgenossen froh, der mein Waffenbruder sein möchte.«
»Dann kann ich meinem Herrn ausrichten, dass Ihr ihn in naher Zukunft in Eurem Haus empfangen werdet, tapferer König?«
»Ja! Ich würde mich sehr freuen!«, erwiderte Grimzhag.
»Gut!«, murmelte der Hobgoblin und verbeugte sich erneut. Dann verabschiedete er sich von dem jungen Brüller und verließ kurz darauf den Saal. Grimzhag, Zugrakk, Soork und einige Wachen sahen dem hageren Steppengoblin hinterher, bis er aus der Tür hinausgegangen war.
»Grashrakk Khan will mit uns ein Bündnis schließen? Damit hätte ich nicht gerechnet«, wunderte sich Soork.
»Der will uns bloß abzocken! Hobgoblins sind betrügerische Snags. Das weiß doch jeder!«, knurrte Zugrakk.
Missmutig fuhr ihm sein Freund in die Parade. »Wir sollten den Hobgoblins eine Chance geben. Ich habe nichts gegen ein Bündnis mit Grashrakk. Immerhin ist er der mächtigste Häuptling des Ostens. Wir haben doch auch die Krummaggoblins schon seit vielen Sonnenzyklen als treue Waffenbrüder. Warum sollte es bei diesen Hobgoblins anders sein?«
»Ach!«, stieß Zugrakk aus. »Goblins sind zwar auch listige, kleine Snags, aber diese Hobgoblins sind die geborenen Verräter, Grimzhag. Niemand sollte ihnen trauen. Die planen immer irgendeine Gemeinheit. Das ist jedenfalls meine Meinung.«
»Du solltest dich wirklich langsam einmal bemühen, endlich ein weltoffener und toleranter Ork zu werden. Diese Engstirnigkeit ist doch überholt. Umso größer unser Reich wird, umso mehr kommen wir in Kontakt mit fremden Stämmen und Kulturen. Ich finde das toll.«
»Da hat man zumindest mehr Abwechslung und muss nicht immer die gleichen Gnoggfressen erschlagen. Da haste wohl Recht!«, grunzte Zugrakk hämisch.
»Wir müssen unsere kleine Welt überwinden und unsere Klauen all unseren grünen Brudervölkern reichen!«, dozierte Grimzhag.
Zugrakk schnaufte genervt und würgte lautstark. »Ich kann diese Ostsnags halt nicht leiden und dabei bleibt’s!«
Das Bündnisangebot und der bevorstehende Besuch des Khans hatten Grimzhag in höchstem Maße beflügelt. Mehrere Hundert Grünhäute, vor allem Goblins, errichteten nun im Auftrag ihres ambitionierten Herrn weitere Häuser rund um den Palast und sorgten dafür, dass Karokum wuchs. Nichtsdestotrotz war Grimzhags Hauptstadt jedoch nach wie vor eine einzige große Baustelle in der Steppe und man hatte den Eindruck, dass es noch ewig dauern würde, bis der Begriff »Hauptstadt« wirklich angemessen war.
Wenn sich der junge Brüller nicht gerade damit beschäftigte, die Bauarbeiten zu inspizieren, dann befasste er sich mit organisatorischen und militärischen Dingen. So wurden die in Chaar-Ziggrath befreiten Grauaugen weiterhin in der Kriegskunst und außerdem von einem Stab aus Geistesbegabten in orkischer Geschichte geschult. Die Besten der Grauäugigen sollten eines Tages Grimzhags Hordenführer und vor allem Provinzverwalter werden. Dazu hatte dieser extra einen Hort der Weisheit – bei den Menschen hätte man von einer Universität gesprochen – im Zentrum der alten Khuzbaathhauptstadt einrichten lassen.
Aber auch die gewöhnlichen Orks und Goblins wurden sowohl in der Ebene von Ruuth als auch in Karokum regelmäßig zu Wehrübungen herangezogen, um die Kampfkraft der Horde nicht erlahmen zu lassen.
Währenddessen verwandelten sich Chaar-Ziggrath, Khumalak und einige weitere Kleinstädte, die einst den Khuzbaath gehört hatten, langsam in blühende Orksiedlungen. Zu Tausenden zogen die Grünhäute in die leerstehenden Häuser, deren Bewohner einst ihren Schwertern zum Opfer gefallen waren. Der nördliche Teil von Chaar-Ziggrath war den Cramogg vorbehalten, die dort wohnen und die Jungorks aufziehen konnten. Sie lebten, wie überall sonst auch, streng von den Kriegern abgeschottet.
Eine derart hochentwickelte Organisation wies kaum ein anderes Orkreich auf und Grimzhag hatte noch viel weitreichendere Pläne. Die unter seiner Herrschaft zusammengeführten Grauaugen hatten von ihm den Befehl bekommen, so viele Nachkommen wie möglich zu zeugen, damit sich ihre Anzahl so schnell es ging wieder vermehrte. So wurde eine jede Paarungszeit für die Besten der Grünhäute zum »Dienst am Orkvolk«, wie es Grimzhag formulierte.
Er selbst hatte allerdings kaum Zeit, sich um seine beiden Jungorks im Cramogglager von Karokum zu kümmern. Das Gleiche galt für die beiden Brüterinnen, die seinen Nachwuchs auf die Welt gebracht hatten. Lazuku, von welcher er selbst vor nunmehr fast vierunddreißig Sonnenzyklen ausgebrütet worden war, hatte ihn allerdings mehrfach in seinem Herrscherhaus besuchen dürfen. Sie war unglaublich stolz auf ihren Sprössling, der sich zu einem richtigen König entwickelt und schon jetzt mehr erreicht hatte, als die meisten seiner Mitorks. Als besonderes Privileg wurde es Lazuku sogar gestattet, einen ganzen Tag im Palast zu bleiben. Das war für die inzwischen runzlig gewordene Brüterin ein unvergessliches Erlebnis und sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als ihr Grimzhag von seinen Feldzügen und Heldentaten erzählte. Liebevoll nannte sie ihren Sohn von nun an ihren »kleinen Schlächter« und kehrte schließlich vor lauter Rührung fiepend ins Cramogglager zurück, um dort bei der Aufzucht der nächsten Orkgeneration zu helfen.
Mehrere Monate vergingen und Grimzhag organisierte und plante ohne Pause. Er erließ Gesetze, die das Leben in seinem Reich regelten, kümmerte sich um den Aufbau seiner Steppenstadt und gönnte sich keine Ruhe. Zugrakk und Soork waren in dieser Zeit häufig bei ihm, genau wie sein Freund Artux von den Agram, Skarnak von den Krummag und eine Reihe junger Grauaugenkrieger, die auf eine Karriere im Dienste ihres Königs hofften.
Schließlich kam Grashrakk nach Karokum, um mit Grimzhag persönlich zu sprechen. Der Khan reiste mit einer großen Gruppe Leibwächter sowie seinen ranghöchsten Schamanen an und ließ sich von seinem Gastgeber begeistert durch den kleinen Teil der Orkhauptstadt führen, der bereits fertiggestellt war. Der Häuptling der Mazauk selbst hatte sich sehr auf diesen Staatsbesuch gefreut, denn nun konnte er ein Bündnis mit dem einflussreichsten Stammesführer der östlichen Steppen eingehen.
Obwohl Karokum noch immer eine einzige Baustelle war, versuchte Grimzhag seinen Gast aus den östlichen Steppen so gut es ging zu beeindrucken. Hunderte von Orkkriegern hatten als lange Reihe vor dem Haupteingang des Königshauses Spalier gestanden und ihre Speere hochgehalten, als Grashrakk Khan mit seinem Gefolge angerückt war. Das hatte imposant und zugleich respekteinflössend ausgesehen, meinte Grimzhag, der den Khan nun in seiner Thronhalle willkommen hieß. An den Wänden kündeten bunte Malereien von Grimzhags glorreichem Sieg über die Khuzbaath, genau wie eine Vielzahl von Trophäen und erbeutete Banner und Standarten.
Inzwischen saßen Grashrakk und seine Leibwächter, alles gut bewaffnete Hobgoblins in Lederrüstungen mit matt glänzenden Eisenhelmen oder breiten Fellmützen, zu Tisch und schlangen das saftige Ruumphfleisch auf den großen Tellern hinunter. Grimzhag und seine Mazaukkrieger taten es ihnen gleich und so erfüllte ein emsiges Schmatzen und Schwatzen die von zahlreichen Fackeln erhellte Halle.
»Sehr salzig und sehr schmackhaft!«, rief Grashrakk mit halb vollem Mund in die gefräßige Runde und grinste.
»So bereiten wir Mazauk unser Ruumphfleisch seit Generationen zu. Immer schön viel Salz, dann schmeckt es besonders gut«, meinte Grimzhag und hob sein Trinkhorn.
Kurz darauf stand der Khan von seinem Platz auf und ging zu der riesigen Wandmalerei am anderen Ende der Halle herüber, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Er schmunzelte.
»Eine wundervolle Arbeit, großer König. Ha! Diese Kleinwüchsigen haben alle die Köpfe verloren. So gehört sich das!«, stieß Grashrakk schadenfroh aus. Alle Anwesenden lachten laut durcheinander.
»Ohne Kopf sehen die hässlichen Snagschnauzen einfach besser aus«, bemerkte Zugrakk und einige Hobgoblinköpfe schwenkten blitzartig in seine Richtung.
Grimzhag versuchte, ihm unauffällig zu signalisieren, dass bei diesem Staatsempfang abfällige Bemerkungen über Goblins – einschließlich ihrer höhergewachsenen Vettern – nicht unbedingt angebracht waren. Das störte den Khan jedoch nicht, zumindest sah man es ihm nicht an, und das vergnügte Lächeln stand nach wie vor in seinem schmalen, dunkelgrünen Gesicht.
»Der Herr der westlichen Steppen und der Herr der östlichen Steppen werden heute zu untrennbaren Waffenbrüdern werden. Beide sind wir gleichen Blutes und beide haben wir nur das Wohl unserer tapferen Völker im Sinn«, rief Grashrakk feierlich durch den Thronsaal und kam wieder zu den in der Mitte der Halle aufgestellten Banketttischen zurück.
Grimzhag brummte zustimmend. Dann antwortete er: »So möge es sein. In Goffrukks Namen wollen wir heute unser Bündnis bei Pilzbier und gesalzenem Fleisch schmieden, mein Freund aus dem Osten!«
Lachend stellte sich der Khan neben den Orkkönig und die beiden Häuptlinge leerten ihre Trinkhörner mit kräftigen Zügen, während ihre Gefolgsleute mit den Fäusten auf die hölzernen Tische hämmerten und einen gewaltigen Lärm veranstalteten.
Als das Gepolter verklungen war, gab Grashrakk einen donnernden Rülpser zum Besten und seine Hobgoblins johlten begeistert. Ihr Khan hatte Stil. Das konnte niemand bezweifeln.
»Trummlukk, das Geschenk!«, rief Grashrakk.
Einer der Hobgoblins holte eine Tasche aus zusammengenähten Fellen unter dem Tisch hervor und zog einen großen Tonkrug heraus. Dann kam er grinsend zu seinem Herrn und dieser ergriff das Gefäß, um sich dann Grimzhag zuzuwenden.
»Erlaubt mir, Euch ein kleines Geschenk aus meiner Heimat zu überreichen, mächtiger Brüller«, sprach der Khan.
»Oh, vielen Dank!«, brummte Grimzhag überrascht.
»In diesem Tonkrug befindet sich der beste Steppenschnaps, den mein Volk brennen kann. Aber trinkt ihn nicht heute, sondern zu einem Anlass, der den Göttern gewidmet ist. So verlangt es die Tradition meines Volkes«, sagte Grashrakk und sah sich kurz zu seinen Kriegern um.
»Steppenschnaps! Na, das klingt gut«, lachte Grimzhag. »Ich würde ihn gerne einmal kosten.«
Die Klaue des Orkkönigs fuhr sanft über den dicken Korken, der den Tonkrug verschloss, und der Khan wirkte für einen Moment leicht nervös. Sein Gefolge machte ebenfalls den Eindruck, als ob es angespannt wäre. Dann fingen die Hobgoblins jedoch wieder laut zu schwatzen und zu lachen an.
»Trinkt diesen edlen Schnaps, wenn Ihr Goffrukks Tempel fertiggestellt habt, eiserne Faust. Man sagt bei uns Hobgoblins nämlich, dass in diesem Gebräu der Geist des Kriegsgottes selbst schwimmt. Es wäre Goffrukk daher eine große Ehre, wenn Ihr den Schnaps erst bei der Einweihung seines Tempels kostet«, bemerkte Grashrakk.
»Das wird allerdings noch eine Weile dauern, mein Freund. Soll ich bis dahin etwa nüchtern bleiben?«, rief Grimzhag aus und seine Mazauk grölten angesichts dieses derben Staatswitzes.
Der Khan schwieg und starrte seinen neuen Verbündeten an. Dieser winkte einen Orkwächter zu sich und sagte: »Mein Freund aus dem Osten hat Recht. Ich werde diesen Schnaps erst trinken, wenn Goffrukks Tempel eingeweiht wird. Bringe den Krug in den Keller und verschließe ihn gut, dass sich keiner meiner versoffenen Orks vorher einen Schluck genehmigen kann.«
Wieder lachten die Grünhäute durcheinander und auch Grashrakk fing erneut an zu schmunzeln. Er legte Grimzhag die Klaue auf die Schulter und brummte zufrieden.
»Ihr werdet einen jeden Schluck genießen, König der Orks. Da bin ich mir sicher«, sprach er mit vielsagender Miene.
Gestern war Weng wieder nach Kin-Weig zurückgekehrt und hatte großartige Neuigkeiten mitgebracht. Der gelbhäutige Manchine war noch einmal in die östlichen Steppen aufgebrochen, um sich dort mit Grashrakk Khan zu treffen und ihm einen weiteren Sack voller Goldstücke zu überreichen.
Das Treffen mit Grimzhag hatte der gerissene Hobgoblinhäuptling nun hinter sich gebracht und als er Weng davon berichtete, war dieser mehr als erfreut. Alles war problemlos über die Bühne gegangen und Grashrakk versicherte seinem Gast aus Manchin, dass Grimzhag keinen Verdacht geschöpft hatte und in ihm jetzt offenbar tatsächlich einen treuen Waffenbruder sah.
»Er braucht nur einige Schlucke von Grashrakks Steppenschnaps zu trinken und schon ist er hin«, sagte Weng und grinste seinem Herrn zu. Zaydan strich sich derweil nachdenklich über die Bartspitze.
»Wollen wir hoffen, dass alles glatt läuft, mein Bester. Wenn dieser Grimzhag das eklige Gebräu säuft, dann wird er zu seinen Göttern schweben und sein Reich hoffentlich wieder zerfallen«, brummte Zaydan und ging zum Fenster seines Arbeitszimmers, um auf die Straße vor seinem Haus hinabzublicken.
Für eine Weile stand er schweigend da und grübelte vor sich hin, während Weng seinen Rücken betrachtete.
»Ich habe übrigens noch etwas herausgefunden«, fügte der Manchine hinzu und sein Herr drehte sich wieder um.
»Aha?«
»Grashrakk Khan hat mir erzählt, dass König Grimzhag kein gewöhnlicher Ork ist.«
Zaydan schob seine buschigen Brauen nach oben. »Was meinst du denn damit?«
»Nun, er scheint zu einer besonderen und sehr seltenen Orkrasse zu gehören. Grashrakk bezeichnete diese speziellen Orks als Grauaugen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann sind diese Grauaugen eine besondere Blutlinie innerhalb des grünhäutigen Volkes, die in der Vergangenheit schon viele Orkherrscher und bedeutende Kriegsherren hervorgebracht hat. Der Hobgoblin meinte, dass die Grauaugen die geborenen Anführer der Grünhäute sind – und Grimzhag gehört zu diesem speziellen Schlag«, erklärte Weng.
Der Kaufmann aus Berbia brummte nachdenklich und legte die Stirn in Falten.
»Interessant! Das erklärt dann einiges!«
»Ja, es erklärt, warum sich dieser Kerl nicht so dämlich anstellt, wie man es normalerweise von den Grünhäuten erwartet«, meinte Weng.
»In der Tat!«, zischte Zaydan grimmig.
»Wenn ich ehrlich bin, dann hatte ich vorher noch nie etwas von einer grauäugigen Orkrasse gehört, aber ich bin auch kein Geschichtsgelehrter«, sagte der gedrungene Manchine.
»Grauäugige Orks …«, murmelte sein Herr.
»Es gibt nur noch sehr wenige von ihnen, hat mir Grashrakk erzählt. Und ohne die Grauaugen sind die Grünhäute führerlos, Zaydan.«
»Ha!«, stieß der Händler leise aus und spielte gedankenverloren an seiner wulstigen Unterlippe herum.
»Wenn es nur noch so wenige dieser intelligenten Orks gibt, dann ist es umso notwendiger, gerade jemanden wie Grimzhag auszuschalten. Ich werde mir in den nächsten Tagen ein paar alte Bücher und Schriftrollen besorgen. Vielleicht finde ich ja noch etwas mehr über diese Grauaugenorks heraus«, sagte Zaydan.
»Ich habe bereits in der Bibliothek von Kin-Weig im großen Buch der manchinischen Geschichte von Konzu Heng geblättert«, antwortete Weng.
»Tatsächlich? Sehr fleißig, mein Lieber! Und?« Shargut war gespannt.
»Ich war heute Morgen sehr lange im Archiv und habe nicht nur in dem alten Schinken von Konzu Heng nach Hinweisen auf eine grauäugige Orkrasse gesucht, aber ich habe fast nichts darüber gefunden. Über die Grünhäute der Steppen steht im Allgemeinen kaum etwas in den manchinischen Chroniken. Sie sind einfach zu unwichtig, um viel über sie zu schreiben«, erläuterte der Gehilfe.
Zaydan schnaufte enttäuscht und erwiderte: »Naja, grauäugige Orks hin oder her. So wichtig ist die Geschichte dieses Drecksvolkes sowieso nicht. Außerdem verdient man mit diesen Dingen kein Geld. Dieser Grimzhag wird bald krepiert sein und dann können wir uns endlich wieder in Ruhe mit unseren Geschäften befassen.«
»Das ist wohl wahr! Wir haben eine schöne Schlinge um den Hals dieses großmäuligen Orks gelegt. König Baudrogg frisst uns aus der Hand, die Karawanen können wieder sicher nach Westen ziehen und sobald sich Grimzhag einen Schluck Steppenschnaps genehmigen will, wird das sein letzter Trank sein. Alles verläuft nach Plan! Was wollen wir mehr!«, zischelte Weng und wirkte in diesem Moment so giftig wie Grashrakks Steppenschnaps selbst.
In mühsamer Knochenarbeit hatten mehrere Hundert Goblinarbeiter die leicht schiefe Mauer hochgezogen, die nun das Trollgehege von Karokum umgab. Doch ohne diesen hastig und lieblos errichteten Wall ging es nicht, denn die dahinter lebenden Bestien waren äußerst gefährlich und konnten selbst den stärksten Ork mit ihren gewaltigen Klauen in Stücke reißen.
Zu den Trollen gelangte man durch ein mehrfach verriegeltes, massives Tor, vor dem grundsätzlich einige Orkwachen stehen mussten, um nichts dem Zufall zu überlassen und kein Risiko einzugehen. Lediglich erfahrene Trolltreiber wagten sich überhaupt, stets mit einem langen Dreizack und ein paar Netzen bewaffnet, in die Nähe der graugeschuppten Kreaturen, vor denen sich nicht nur die Grünhäute fürchteten.
Der heutige Tag war jedoch ohne Zwischenfälle zu Ende gegangen und am Tor des Geheges lehnten zwei mit Speeren bewaffnete Krieger, denen vor Müdigkeit bereits die Augen zu fielen.
»Langsam habe ich die Nase voll vom ewigen Herumzustehen«, knurrte der Kleinere der beiden Orks und gähnte aus vollem Halse. Die andere Grünhaut lugte genervt zu ihm herüber und musste dann ebenfalls gähnen.
»Wir müssen noch bis zum Morgengrauen hier bleiben, aber ich würde mich am liebsten sofort hinlegen und ruhen«, antwortete sie.
»Verfluchte Nachtwache! So etwas sollten eigentlich die Snags machen«, meinte der kleinere Wächter.
»Das erlaubt der große König nicht und das weißt du. So etwas ist Orkarbeit, Fruugh. Was soll`s!«
Irgendwo jenseits der Mauer ertönte ein tiefes Grollen, was die beiden Orks allerdings nicht weiter störte. Diese Geräusche hatten sie schon den ganzen Tag gehört.
»Sieh mal!«, wisperte die etwas zu klein geratene Grünhaut auf einmal durch die Dunkelheit und winkte den anderen Wächter grinsend zu sich herüber. Dann kramte sie einen kleinen Tonkrug aus der Tasche.
»Was ist denn?«, kam zurück.
»Ich habe was zu saufen dabei. Dann wird es heute Nacht wenigstens nicht so langweilig«, flüsterte der Ork.
»Hä?« Die schlaksige Wache kratzte sich am Kopf und sah skeptisch auf den kleineren Artgenossen herab.
»Was bei Shubbukus Brutbauch ist das für ein Zeug?«
»Troffbeerenschnaps!«, erklärte der Krieger. »Ein ganzer Krug voll. Verdammt lecker!«
»Bist du wahnsinnig? Wenn wir hier beim Saufen erwischt werden, dann gibt es richtig Ärger.«
»Wer soll uns denn erwischen? Hier ist doch kein Gnogg. Stell dich nicht so an, Kragrakk.«
Der Krieger zog den Korken aus dem tönernen Hals des kleinen Kruges und nahm einen Schluck Beerenschnaps. Dann grinste er von einem Spitzohr zum nächsten und drückte seinem Gefährten das stark berauschende Gesöff in die Klaue. »Nun trink schon …«
Die hochgewachsene Wache sah sich kurz nach allen Seiten um und nippte dann auch an der kleinen Tonflasche. Es folgte ein genüssliches Grunzen.
»Ja, das kann man gut schlucken. Wirklich gut!«, meinte sie und kippte sich noch mehr Fusel in den Hals.
»Das ist mein Schnaps! He! Sauf mir den Schnaps ja nicht weg, Snagsschnauze«, brummte der kleine, bullige Ork und riss seinem Gegenüber den Krug wieder aus der Klaue.
Nach einer Weile war die ganze Pulle leer und landete schließlich hinter der Mauer des Trollgeheges im Gras. Ohne lange nachzudenken, hatte sie die inzwischen angetrunkene Wache hinter sich in die Dunkelheit geworfen.
»Idiot!«, zischte der kleinere Ork. »Was ist, wenn morgen einer der Treiber den Krug findet? Da braucht er doch nur dran zu schnüffeln und schon weiß er, was drin gewesen ist. Grimzhag reißt uns den Kopf ab.«
»Da haste Recht, Fruugh!«, lallte Kragrakk benommen.
»Und jetzt? Der Krug kann unmöglich da hinten liegen bleiben. Morgen kommen die Trolltreiber und wenn …«, schimpfte der kleine Ork.
Der andere Wächter hob die Klauen. »Ja, ja, das war mein Fehler. Ich hole den Krug wieder zurück. Lass mich mal durch …«
Kragrakk entriegelte das Tor zum Trollgehege und sein verdutzter Artgenosse traute seinen Augen nicht.
»Hast du `nen Pfeil im Kopf? Was tust du denn? Da hinten sind Trolle!«, schnaufte er und wurde schlagartig wieder nüchtern.
Mittlerweile hatte Kragrakk das Tor bereits geöffnet. Er torkelte in das Gehege hinein.
»Die Viecher schlafen doch längst. Da kann überhaupt nichts passieren. Ich hole nur eben diesen verdammten Krug und dann is` gut«, hörte man den Ork in der Dunkelheit murmeln.
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